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Sitzungen der Berliner Gesellschaft

für das

Studium der neueren Sprachen.

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I.

Herr Vatke besprach die Worte in Shakespeare's Hamlet II, 2: For if the sun breed maggots in a dead dog, being a good kissing carrion" (neben dieser Lesart der Fol. u. Quart. die andre being a god k. c.). Dass hier eine Anspielung auf die generatio aequivoca vorliege, hat Tschischwitz allein erkannt (ohne dass Delius und Eltze auf den Gedanken eingegangen wären). Er bezieht die Worte auf die Ansicht der atomist. Philosophie, die in dem Satze gipfelt „Sol et homo generant hominem." Der gleiche Satz aber findet sich schon bei Gifford zu Ben Jonson's Alchymist, wo es heisst, die Kunst bringe aus Dünger und Aas Bienen hervor eine besondere Stütze der Alchymistik, welche schloss, da das niedrigste Organische über dem höchsten Anorganischen steht, so müsse letzteres, also Gold, sich durch künstliche Wärme erzeugen lassen (dazu auch Ben Jonson's Sejanus, A. III, Schluss zu vergl.). Die alchymistische Theorie findet aber den Satz schon bei Aristoteles, wo er (Phys. II, 2) heisst argonos rag pervā ἄνθρωπον καὶ ἥλιος. Der Satz wird also mit Unrecht auf Giordam Bruno speciell bezogen. Ein Fehler ist ferner die Uebersetzung „die Sonne lässt sich herab, das Aas zu küssen." Die Worte lassen nur verstehen ihre Kraft besteht darin." Eltze vermengt im Text und in den Anmerkungen zur Schlegel-Tieck'schen Uebersetzung die Lesarten god und good, und kommt selbst darauf zu sagen „das Weib sei ein gutes küssliches Aas." Hr. Michaelis besprach Kräuter's Vertheidigung der Schreibung th in deutschen Wörtern in Kuhn's Zeitschrift. Nach Aufzählung der Fälle, wo K. die aspirirte Aussprache finden will und der Ausnahmen bestreitet der Vortr., dass das Mittelhochdeutsche in diesem Fall anders gesprochen als das Neuhochdeutsche und schloss sich Rumpelt's Ansicht an, dass der Deutsche

den Unterschied zwischen Aspiraten und Nichtaspiraten verloren habe. Anlautendes t klingt für sein Organ nicht anders als p und k für die ihrigen; der Unterschied, den man in „eine Tasse Thee zu hören glaube, sei eingebildet. Besondere Bedenken erregt der Satz, dass die auslautende Tenuis aspirirt sein soll: es liegt in der Natur der Sache, dass mit dem Verschluss des Organes der Laut fertig ist. Kr. sagt, in „gute" sei das t nicht aspirirt, wol aber in „gut“. Macht sich dieser Unterschied beim Sprechen von selbst, so ist es unnütz, ihn zu bezeichnen. Namentlich aber liegt kein Grund vor, ein Wort in allen Formen so zu schreiben, wie es die Stellung am Schluss erfordert ; schon nach dem Princip, dass man „Leib“ schreibt wegen „Leibes“, müsste die End-Aspiration beseitigt werden. Hr. Freitag besprach die Nachklänge von Menschenopfern bei den Germanen. Die gestürzten Götter der älteren Dynastie leben in stetem Kampf gegen die Asen als Götter der Unterwelt fort. Es finden sich (in Upsala und auf Seeland) Fälle von grossen Opfern, die diesen gebracht werden, sowohl bei einzelnen feierlichen Gelegenheiten, zu gewissen Zwecken (eingemauerte Kinder, die Mauern unbesiegbar zu machen), dann bei Landescalamitäten, die schädlichen Götter zu versöhnen. Die Reste dieser alten Gottheiten zeigen sich in den zahlreichen Riesen der Märchen, auch in Hexen und Thieren; die sich in Besitz von Zauber-Gürteln und andern Geräthen, goldnen Aepfeln und andern Schätzen finden; in furchtbaren Drachen, im Teufel selber, an dessen Stelle auch blosse Räuber treten. Häufig ist ihnen eine gewisse Dummheit eigen; ihre Ueberlistung ist Lieblingsgegenstand der Sage. Auch der Tod erscheint so als Riese (im Gegensatz steckt im „lieben Gott" Odin). Bisweilen zeigen sie Bonhomie und leisten dem Menschen hilfreiche Hand; werden aber selbst dann leicht treulos. Wie in der Sage die Weisheit und plumpe Thorheit zusammen erscheint, so ist im Märchen der Teufel (weit verschieden vom biblischen Satan) in Besitz gewaltiger Weisheit; daneben erscheint aber auch der „dumme, arme Teufel“. In Ueberwindung der Riesen durch Menschen symbolisirt sich das siegreiche Christenthum. Sie sind Verkörperung der Materie, haben also keine Seele. Sie bewachen ihr Gebiet mit Eifersucht, entführen Frauen und Jungfrauen, erscheinen dann namentlich als Menschenfresser; die Opferung von Menschen, hauptsächlich Königstöchtern, wiederholt sich überall: immer ist es ursprünglich ein Opfer, das den Unglücksbringern, den Vertretern der alten Thursen gebracht wird. Seltener werden wirkliche Sühnopfer erwähnt und doch oft findet sich im Mittelalter die Heilung unheilbarer Krankheiten durch unschuldiges Menschenblut (d. arme Heinrich) (Zahlreiche Belege begleiteten überall diese Sätze.). Auf die Frage des Herrn Breslau, wie grade bei den Germanen mit ihrem sittlichen Gefühl das Vorkommen solcher Opfer zu erklären, erwiederte der Vortr., dass bei Landes calamitäten sich das sittliche Bewusstsein zu trüben pflege. Der Vorsitzende macht Mittheilung

über Einrichtung der Akademie-Bibliothek, fordert zur Einlieferung der verheissenen Bücher auf und zeigt an, dass der Akademie ein zweites Stipendium von 50 Thlr. zugewandt worden sei.

II.

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Hr. Rauch besprach ,,Das geistige Leben in Dänemark, von Ad. Strodtmann", und gab eine Uebersicht über den reichen Inhalt des Buches, welches den Zweck verfolgt, die Kluft auszufüllen, die zwischen Deutschland und dem trotz allen Hasses urdeutsch gebliebenen dänischen Volke sich gebildet hat. Hr. Ulbrich gab Analyse von Gustav Freytag's Technik des Dramas und wies die Richtigkeit und Giltigkeit der aufgestellten Gesetze an einer grossen Menge mustergiltiger Dramen nach; wobei sich herausstellt, dass in der französischen Tragödie der klassischen Zeit Vieles diesen Gesetzen nicht entspricht, den Corneille'schen Cid ausgenommen, der für ein Musterstück gelten kann; wie die Beobachtung der drei Einheiten überall die freie Entwicklung hemmt, wie bei Racine selbst Spiel und Gegenspiel nicht zu ihrem Rechte kommen, der Höhepunkt überall sehr zurücktritt, wie beispielsweise Athalie und Mithridate anders gestaltet sein müssten, wenn sie den Gesetzen der modernen Technik entsprechen sollten; wie endlich die modernen Dramatiker auf das Strengste sich an diese Gesetze halten und daher Meister des Effects und der tragischen Momente sind wie aber beispielsweise Victor Hugo darin ungenügend bleibt, dass er nicht versteht, durch den Gedanken einer vernünftigen Weltordnung den Zuschauer zu versöhnen, und wie seine technischen Mittel von grosser Rohheit und Plumpheit zeugen. Hr. Goldbeck zeigte die französische Grammatik des Herrn Benecke an. Die Forderung, dass neben gründlicher Wissenschaftlichkeit auch methodische Anordnung und ein Schatz von Uebungsbeispielen für die Schule eintrete, erfüllt diese Grammatik in vorzüglicher Weise. Sie zeigt überall die vollständigste Beherrschung der Sache und den Blick des erfahrenen praktischen Schulmannes, der die Schwächen des Lernenden und die Schwierigkeiten des Gegenstandes vollständig kennt.

III.

Hr. Goldbeck besprach,, Aubry, Etude historique et philologique sur le participe", eine Schrift, die als Referat der Verhandlungen einer von der Akademie von Amiens in Betreff der von Herrn Mallet du Fresne 1849 gestellten Forderung erscheint, das Particip überall für unveränderlich zu erklären. Hr. Aubry ist absoluter Passivist, d. h. er will das Particip immer verändert wissen und will von diesem Standpunkt ans nicht revolutioniren, sondern rechtfertigen; dies trifft wesentlich den Fall, wo ein weibl. oder plural. Object dem Particip nach

Archiv f. n. Sprachen LIII

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folgt. Dies thut er, indem er,vous avez fait setzt, vous êtes ayant été faisant qch;',vous avez quelque chose faite',vous avez qch. ayant été faite', nach der lateinischen Formel, Clodii animum perspectum habeo'. Für,il a vendu sa maison' wird ein,complément vague' supplirt, in der Art: il a vendu (cela) — sa maison (diese Erklärung hat sogar Littré angenommen) - und zwar, weil wer sagt j'ai vu' vorläufig noch nicht weiss, was? und daher das Part. ungeändert lässt ,quand le régime ostensible se présente, il vient trop tard'. Gleich absurd lässt sich Bécherelle aus. In den Worten „et pour quelqu'un de notre Picardie. Tu m'as parue un peu trop dégourdie' ist parue falsch; ein Latinist hätte gesagt tu te mihi habes paritum, nicht paritam; es heisst: tu as cela paru à moi. —,Les grands froids qu'il y a eu' und,les grandes chaleurs qu'il a fait werden erklärt ,les grands froids les quels le temps y a euʻ. Du Marcès Grammaire v. 1707, ein Buch, welches hier nicht zu finden ist, ist von grossem Interesse; es giebt zwar „j'ai reçu vos lettres", aber auch „le commerce l'a rendu puissante;" „je l'ai faite peindre." Hr. Imelmann fügt bei: das Beste sei, zu lehren, das Part. sei ein Adjectiv, welches sich in Numerus und Genus nach dem Beziehungswort richte; nur wenn das Object folgt, lasse man die Beziehung unausgedrückt nur weil dies historisch vorliegt, sonst werden wir uns j'ai lus les livres" gern gefallen lassen. Hr. Lücking. Die Verhandlungen der Akademie über Fixirung des Gebrauchs lägen noch vor. Im Altfranzösischen feble alle Consequenz. Die Entstehung aus,perspectum habeo' sei klar. Der Nicht-Accord in dem einen Falle rühre daher, das Hilfsverb und Part. als ein Begriff gefasst werden. - Hr. Strack hält die scheinbare Inconsequenz für etwas durchaus Nothwendiges, da avoir einmal besitzanzeigendes Verb, das andere Mal Hilfsverb sei;,habebat stationes dispositas' sei etwas anders als ,disposuerat. Das Gefühl für ersteres sei lebendig, wenn das Object dem Part. vorangeht; dann prävalire das haben. Die Herren Lücking und Goldbeck erklären sich hiergegen; letzterer besonders weil das „ein Begriff geworden" zu vag sei. Dasselbe wie in ,la dame que j'ai vue' passe für ,la dame qui j'ai vue tuer'. - Hr. Wüllenweber zeigt an 1) History of Charles I King of England and of the Commonwealth und 2) Readings from Shakespeare, beide vom Dr. Bandow; mit Vokabelverzeichnissen und Sacherklärungen in diesem Verzeichniss. In dem letzteren eine kurze Abhandlung über die engl. Bühne und Leben und Wirken Shakespeare's. Aus den Stücken sind einzelne Scenen gegeben mit einem verbindenden Text nach Art des Plötz'schen Manuel. Der Vortr. bemängelt aus ersterem eine Erklärung von „attainder"; im letzteren die Auswahl einzelner Scenen als ungeeignet, so wie die Menge unnützer Vokabeln, empfiehlt aber im Ganzen beide Bücher. Hr. Wagner giebt sehr interessante Auszüge aus den Gedichten des (Berlin-) köllnischen Dichters Nicolaus Peucker, die, meist in Alexandrinern

und achtfüssigen Trochäen geschrieben, theils Gelegenheitsgedichte bei festlichen Veranlassungen am Hofe des grossen Kurfürsten, theils Lieder, bekannten Volksweisen untergelegt enthalten; so barock auch immer, entbehren sie doch nicht des poetischen Gehaltes.

IV.

Hr. Lücking las den ersten Theil einer Kritik von Brachet's Studien über die tonlosen Vocale. Die kritische Untersuchung verfolgt einen doppelten Zweck: sie will einmal über den Stand der Frage orientiren und sodann neue Gesichtspunkte für ihre weitere Behandlung zu gewinnen suchen. Es wird zunächst die Aufgabe präcisirt, welche die Erforschung des Schicksals der tonlosen vulgärlateinischen Vocale zu lösen hat, es wird gezeigt, in welchem Umfange diese Aufgabe bisher ungelöst geblieben ist und dann diejenige Untersuchung geprüft, durch welche Brachet über die Leistungen von Diez hinausgegangen ist. Die Frage, welche Brachet wirklich untersucht hat, lässt sich folgendermassen formuliren: Unter welchen Bedingungen beharren oder schwinden die ausserhalb des Verhältnisses des Hiatus und vor der Tonsilbe stehenden Vocale? Die Methode der Untersuchung ist der Art, dass sich Schlussfolgerungen zur Unterscheidung von mots savants und mots populaires aus derselben nicht mit Sicherheit ziehen lassen. Indem ferner Brachet unter den unmittelbar vor der Tonsilbe stehenden Vocalen lange und kurze unterscheidet, so richtet er dadurch Verwirrung an, dass er eine grosse Kategorie von kurzen Vocalen zu den langen rechnet, nämlich alle die, welche in thetisch, d. i. conventionell langen Silben vorkommen. Es ist aber vielmehr innerhalb der thetisch langen Silben selbst ein Unterschied zu machen zwischen offenen und geschlossenen Silben. Dieser Gegensatz beherrscht den Gegensatz von kurzen und langen Vocalen, ja den von unmittelbarer und mittelbarer Stellung von der Tonsilbe. Vocale in geschlossenen Silben vor der Tonsilbe schwinden nicht (es werden die scheinbaren Ausnahmen erörtert), dagegen Vocale in offenen Silben können schwinden. Der Vorsitzende macht Mittheilung über die Finanzen der Akademie für moderne Sprachen und über die Lösungen der gestellten Preisaufgaben. Von drei Arbeiten „über den Accusativ cum Infinitivo in den romanischen Sprachen" wurde der Preis dem Stud. phil. Robert Voigt aus Berlin, von den englischen und französischen über ein selbstgewähltes Thema der des Stud. Raithel aus Gera „über die französischen Präpositionen" ertheilt.

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V.

Hr. Breslau sprach über die heidnischen Völkernamen im Rolandsliede. Gaston Paris hat in einem Artikel der Romania nachge

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