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Als Vorläufer des Späterfolgenden nur ein kleines Beispiel. Man kann nämlich allenfalls eine Verbindungsbrücke bauen von dem hochdeutschen: ,Wenn es beliebt" zu dem holländischen: „Als het u believen sou", zu dem englischen: „,if you please", zu dem französischen: „,s'il vous plait" und zum italienischen: „come le piace“ u. S. W. Vor dem ungarischen lakonischen: „Tessék!" (Teschschek) wird man jedoch stutzend einhalten müssen; es bietet nicht den leisesten Hauch eines Verbindungsgliedes dar.

Der Grund dieses Gegensatzes liegt einfach in der gänzlich verschiedenen Abstammung von Volk resp. Sprache. Die Magyaren gehören bekanntlich nicht zum indogermanischen, sondern zum uralaltaischen, scythischen oder tatarischen Volks- und Sprachstamme und bilden, den Finnen nahe verwandt, im Verein mit den Wogulen, Petschenegen, Ostjaken u. s. w. die sogenannte Ugrische Gruppe.

Die Abstammung der Magyaren lässt sich nur durch Schlussfolgen gewinnen, nicht aber durch chronikalische Beweise; auch ist der Meinungsstreit hierüber noch nicht völlig abgeschlossen. Am unklarsten hierüber sind sich die Ungarn selbst. Während Manche ihre Abstammung von dem Reitervolk der Parther herleiten, behaupten Andere, wie z. B. der Gelehrte Horváth, dass die Ungarn nicht allein von den Scythen und Parthern abstammen, sondern dass sie auch in allernächster Verwandtschaft zu den Pelasgern, ja selbst zu den Ammoniten, Philistern und Sabinern stehen. Die Lieblings-Meinung des gemeinen Ungarn ist die, von den Hunnenhorden der Gottesgeissel Attila abzustammen. Bildnisse dieses wilden Herrn befinden sich in den meisten Bauernhütten, und mit besonderem Stolz blickt der Ungar auf seinen geschnürten oder pardelfelligen Ueberwurf, den er, jenem König zu Ehren, Attila getauft hat.

Dieser letzteren Meinung aber widerspricht der Chronist Otto von Freisingen, welcher jene durch die grosse Völkerströmung im 5. Jahrhundert von Asien herüberfluthenden Völker als kalmückischmongolischen Stammes beschreibt und ihnen eine derartig abschreckende, ja scheussliche, sowohl moralische als physische Hässlichkeit in Bezug auf Körper und Schädelbildung zuschreibt, dass man sich billig wundern muss, wie nicht die Eitelkeit des in schönster Gliederharmonie sich presentirenden Magyaren, an dem jeder Zoll ein Edelmann, gegen jene Verwandtschaft des Hässlichen sich widersetzt.

Ueberdiess stimmt auch die Zeitberechnung nicht, da die wilden

Heereszüge der Hunnen mit ihrer Niederlage auf den catalaunischen Feldern durch die Römer und Westgothen 451 n. Ch. ein Ende hatten, und, zurückgedrängt bis zum Don, ihr Name bereits im 6. Jahrhundert aus der Geschichte verschwindet.

Sollten die in Siebenbürgen angesiedelten Stämme der Szekler wirklich, wie angenommen wird, ein Niederschlag jener zurückgedrängten Hunnen sein, so würden, da sie magyarischen Charakter in reinster Weise zur Entfaltung bringen, sie den Beweis liefern, dass die, 400 Jahre nach Attila, Europa überfluthenden Reiterhorden desselben Hunnen-Stammes gewesen sein könnten, wie die früheren, und dass entweder dann die Beschreibung des Chronisten unwahr oder übertrieben, oder dass sich der Volksstamm im Laufe der Zeiten in auffallendster Weise veredelt haben müsse.

Eine andere Annahme lässt die Ungarn von den Türken abstammen; man meint, dass die ächt magyarischen Stämme der in den Theissebenen angesiedelten Jazygen und Kumanen von jenen gleichnamigen Stämmen abgezweigt seien, welche als Abkömmlinge der türkischen Oghouzen im 11. Jahrhundert vom Oxus am Kaspischen Meere nach Süden vordrangen und nach siegreichen Kämpfen mit den persanischen Seldschucken in der Moldau, zu Ehren ihres Namens, die Stadt Jassy gründeten. Sonderbar bleibt allerdings das gleichzeitige Auftreten zweier ganz gleichnamiger Stämme an verschiedenen Orten; da aber die Sprache jener gleichnamigen Stämme, allenfalls die Vorliebe für häufige Verwendung des Buchstaben K abgerechnet, ebensowenig Aehnlichkeit bietet wie Körperbau, Schädelform und Charakter, so fällt jene Hypothese der Identität unbewiesen in sich

zusammen.

Die gewichtigsten Stimmen der neueren, auf deutsche Gründlichkeit basirten Sprachforschung, an deren Spitze Paul Hunfalvy und Josef Budenz stehen, kommen darin überein, dass das Ungarische, uralaltaischen Stammes, durch mehrfache Zwischenglieder mit dem Mongolischen, Mantschu - Tatarischen, Türkischen und Finnischen in verwandtschaftliche Verbindung zu bringen sei. Es wird ferner dargethan, dass die magyarischen Stämme aus den Steppen des asiatischen Westens durch die Thore des Uralgebirges brechend, sich bis zum Kaspischen Meere ergossen und an den Ufern der Wolga hinauf- und hinunterfluthend, theilweise in den sumpfigen Marken Finnlands sich niedersenkten, theilweise aber im 9. Jahrhundert die Gebirgspässe der

Karpathen durchströmend, ihre Völkerfluthen in den fruchtbaren Ebenen des früheren römischen Ponnoniens zwischen Save, Theiss und Donau sammelten, durch die Wucht ihres Anpralles das avarisch-bulgarische Reich zerstörten und nach furchtbaren Kämpfen und Vor- und Zurückwogen unter ihren Heerführer Álmos (Álmosch) und dessen Sohne Arpád sich um das Jahr 900 n. Chr. in jenen Gefilden festsetzten, welche noch heute unter dem Namen des ungarischen Reiches begriffen werden.

Die Ureinwohner, die Slawen (Slowaken) wurden zwar unterjocht, aber nur insoweit, dass sie aus dem Flachlande in die weniger fruchtbaren Gebirge sich zurückziehen mussten. In der Ebene und auf den Puszten herrschte und herrschet der Buzogány, die ungarische Streitkolbe; auf den Höhen aber die Walaschka, d. i. die Streitaxt des von den Avaren „Gothi“, „Tót“, im Plural Tótok genannten Slowaken.

Daher auch so manches blutaushauchende Volkslied, welches jener Kämpfe gedenkt, wie z. B. das auf die schwarze Höhle" von Demenowska, in welcher eine grausenvolle Schlacht zwischen Slawen und Magyaren geschlagen wurde, welches K. Schramm vorführt und worin es heisst:

Jaszig kommt in unsre Berge,
Blutgetränkt!

Arpáds Volk liegt auf der Haide,
Holt die Lämmer von der Weide,
Raubt die Mutter und die Magd!

Schwarze Höhle! Schwarze Höhle,
Blutgetränkt!

Schlafen da Bastarner, Hunnen,
Szamos' Feinde, Kuman's Krieger,
Die uns aus dem Thal verdrängt !

Was den Namen der Magyaren betrifft, verweisen wir einfach auf das Academ. Wörterb. der ung. Sprache s. v. magyar.

Das Schicksal der ungarischen Sprache mit ihrem gewaltigen Auftreten, ihrem scheinbar gänzlichen Verschwinden und plötzlich imponirenden Wiederzutagetreten, gleicht ganz dem Bilde eines Stromes, der, in unterirdischen Klüften sich verlierend, nach geraumer Strecke wieder zu Tage tritt und in grossartiger Kraftfülle den Beweis seiner unversieglichen Lebensfrische vorführt.

Seitdem nämlich König Stefan I. der Heilige (Szent István király)

dem Christenthum im Jahre 1000 Eingang in sein Reich verschaffte, gewann die Geistlichkeit die Oberherrschaft über die geistigen Interessen des Landes. Sie verdrängte die National-Sprache und setzte an ihrer Statt das Lateinische, welches bei allen kirchlichen Funktionen und gerichtlichen Verhandlungen, überhaupt im öffentlichen Leben die Rede führte. Da der kampfeslüsterne Adel wohl mit Waffe, Ross und Rüstung, nicht aber mit der Schrift vertraut war, so kam es, dass die magyarische Sprache sich nur durch Tradition fortpflanzte, ihre schriftliche Basis ward vom Lateinischen gänzlich überwuchert und zwar dermassen, dass man später und bis jetzt nicht einmal die Grundzüge des magyarischen Alphabetes wiederzuentdecken vermocht hat. Dasselbe wurde vollständig durch das Lateinische ersetzt; aber eben wegen der Fremdartigkeit einiger Laute nur in mangelhafter Weise. Man hat müssen besondere Accente und doppelte Schriftzeichen zu Hilfe nehmen, gewisse ungarische Laute annähernd zu bezeichnen. So sind z. B. das gy, ty, ly und ny selbständige Mitlauter, bei denen im g, t, I und n ein j innig verschmolzen ist.

Während des 15. Jahrhunderts begann die Nationalsprache etwas wieder aufzuleben und besonders kräftig wirkte hierin der halbvergötterte König Matthias, von dem noch jetzt der Volksspruch sagt: Meghalt Mátyás király, oda az igazság!" „König Matthias ist todt und die Gerechtigkeit dahin." Einen Rückschlag aber brachte die Herrschaft des Hauses Habsburg; die Geistlichkeit bekam wiederum das Regiment; das Lateinische masste sich über die eingeborene Sprache den früheren Vorrang an, jeder nationelle Aufschwung ward unterdrückt, bis endlich im 18. Jahrhundert die Regierung Maria Theresia's und Joseph II., unbewusst, jene Krisis vorbereitete, welche ein halb Jahrhundert darauf zur Entwickelung kam. Beide Regenten nämlich bestrebten sich, das Lateinische Element auszurotten, um dasselbe nicht durch das Magyarische, sondern durch das Deutsche zu ersetzen. Letzteres gelang nicht, sondern der abgedämmte, unsichtbar fliessende National-Strom trat mit einem Male gebietend zu Tage und fluthete in das freigewordene Strombett.

Hauptsächlich verdankt die ungarische Sprache einem der edelsten Patrioten ihre Neugeburt. Das ist Graf Stephan Széchenyi. Durch seine aufopfernde Thätigkeit gewann nicht allein die ungarische Industrie einen frischen, sich selbst bewussten Aufschwung, indem er den Bau

von Land- und Wasserstrassen regelte, Fabriken und Museen gründete, sondern überhaupt dem ungarischen Geiste Bahnen eröffnete, von welchen er sich vorher, in apathischer Gleichgültigkeit versunken, nur wenig hatte träumen lassen. Er war es, der die ungarische Sprache aus ihrer unterdrückten Lage mit einem Male gebietend empor auf das Forum der Oeffentlichkeit hob. Er war's, der am 3. November 1825 auf dem Pressburger Landtag, da alles Leben ringsum stagnirte, auf trat und zum Erstaunen der Welt in der Sprache seiner Väter, ungarisch, das Wort für die Rechte seiner Nation ergriff. Seine kühnen Gedanken rauschten, im Faltenwurf der magyarischen Sprache sonoren Klangs, so majestätisch dahin, dass in den Ungarn der Schönheitszauber und die Kraftfülle derselben lautmahnend in das Herz traf.

Die ungarische Sprache erwachte aus jahrhundert langem Scheintod plötzlich zu neuem Leben. In Schrift und Wort trat sie auf den Markt des öffentlichen Lebens, ja sogar in den Salons, in den gewähl testen Kreisen ward die Unterhaltung, statt in deutscher, französischer oder lateinischer Sprache nur noch ungarisch geführt. Es gab viele Ungarn, welche im wahren Sinn des Wortes noch nie vorher ein Wort ihrer Muttersprache gesprochen hatten, und nun mit einem Male bemächtigte sich, der Aeltesten wie der Jüngsten, ein Lern-Eifer, welcher sich durch die nationelle Leidenschaftlichkeit zu einer Art Lern-Wuth steigerte. Ein Beweis hierfür ist, dass ein Pesther Buchhändler im Anfang des Jahres 1825 ein ungarisches Lexikon herausgegeben hatte, was damals ohne Absatz liegen blieb. Durch den von Széchenyi bewirkten Aufschwung kam dies Buch dermassen in Aufnahme, dass bereits 1828 eine erste und kurz darauf eine zweite Auflage vollständig vergriffen war.

An jenem Ehren-Tage Széchenyi's erhielt die ungarische Sprache die Weihe erneuter Lebensberechtigung. An die Stelle jenes lateinischen Spruches, welcher auf den Standarten des Rákóczy geflammt hatte: „Deus non derelinquet justam causam!" (Gott wird die gerechte Sache nicht verlassen!) trat Széchenyi's magyarischer Mahnruf: „Magyarország nem volt, hanem lesz!" (Ungarn war nicht, es wird!")

Széchenyi war kein Revolutionair, sondern nur, im edelsten Sinn des Wortes, ein guter Patriot, ja er war sogar Feind revolutionärer Bewegungen und zwar in soweit, dass die Erhebung von 1848 und 1849 ihn dermassen erschütterte, dass er in unheilbaren Wahnsinn verfiel. Er hatte in uneigennützigster Weise sich, seinen Geist,

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