Billeder på siden
PDF
ePub

auf die vielen Versuche der Männer, welche zur Bewältigung dieses einen Gegenstandes Kraft und Zeit gewidmet haben mich darauf hinzuweisen gedrungen, wie .erfreulich einerseits nach Einführung des wissenschaftlich deutschen Unterrichts in unsere Gelehrtenschulen die germanistischen Studien an allseitiger Erfassung und Vertiefung gewonnen haben, und wie andererseits durch das energischere Studium der neueren Sprachen seit Gründung des Seminars und der Academie für neuere Sprachen zu Berlin die gemeinsame Grundlage zur Förderung gegenseitiger Beziehungen der beiden so nah verwandten Sprachgebiete des Germanischen und Romanischen gelegt ist.

Berlin.

Dr. F. Sachse.

[ocr errors]

J. Schmidt. Ueber die französische Nominalzusammensetzung." Ein Beitrag zur wissenschaftlichen Grammatik der französischen Sprache. Programm des Louisenstädtischen Gymnasiums zu Berlin 1872.

Der verfasser der eingangs genannten programmarbeit, welcher schon in seiner inaugural dissertation auf verwandtem gebiete thätig war, hat sich die aufgabe gestellt, nachzuweisen, inwieweit der in allen indogermanischen sprachen vorhandene trieb zur zusammensetzung im Französischen noch mächtig sei. Das resultat der untersuchung ist eine im detail durchgeführte bestätigung des von Diez, (Gr. 3 II. 408) ohne einzelnachweis, für die romanischen sprachen im allgemeinen aufgestellten satzes, dass ,,nomina und verba in diesen sprachen zur zusammensetzung vornehmlich zur echten composition nur in sehr geringem masse verwendet werden."

Mit der definition, welche der verf. s. 8 gibt, um den begriff der zusammensetzung gegen den der derivation und flexion abzugrenzen, kann ich mich nicht einverstanden erklären. Dieselbe geht von der voraussetzung aus, dass die flexions- und derivations-suffixe ursprünglich nicht selbständige träger einer bedeutung, nicht selbständige wörter gewesen sind. Eine solche voraussetzung, welcher die ganze moderne sprachwissenschaft laut widerspricht, stützt man aber nicht durch verweisung auf das treffliche, aber schon 1856 bei seinem erscheinen veraltete Heyse'sche System der Sprachwissenschaft" (s. 9. anm). Für unberechtigt halte ich auch ferner die behauptung (s. 11), dass zusammensetzung nur dann vorhanden sei, der eine zum glied der zusammensetzung gewordene theil sich dem andern als dem grundworte unterordne. Ich werde darauf zurückkommen.

wenn

Als formales, für alle sprachen geltendes, kriterium echter composi tion wird die „unzertrennlichkeit und unwandelbarkeit der verbindung" hingestellt. Accent und flexion müssen einheitlich und der innere verband der glieder derart sein, dass er durch nichts aufgehoben oder alterirt werden kann (S. 14). Merkmal unechter composition ist die syntaktische selb ständigkeit des bestimmungsworts.

Die Hauptfalle unechter composition sind folgende:

1) das bestimmungswort ist ein vom grundwort abhängiges substantiv und behält, diesem verhältniss entsprechend, sein casussuffix bei (plebisscitum),

2) das bestimmungswort ist ein adjectiv oder appositionelles substantiv und bewahrt in der flexion seine eignen beugungsformeln (respublica, Hohepriester),

3) das grundwort ist ein verb, zu welchem das bestimmungswort als object gehört (passe-temps. Störenfried).

Aus der Reihe der französischen composita, denen sich s. 17 die betrachtung zuwendet, werden zunächst alle „fremden composita“, wie billig, ausgeschieden; wörter, welche schon zusammengesetzt waren, als sie in die französische sprache übergingen. Parole, seize, fauteuil werden ja als composita sicher nicht empfunden.

[ocr errors]

Die zusammensetzende thätigkeit des Französischen beginnt, (S. 22) wo auf gallischem boden ein dem Latein selbst unbekanntes zusammensetzen lateinischer elemente vor sich geht." (connétable, orfèvre, dimanche.) Diez rechnet diese composita zu den unechten, welche den schein von echten angenommen haben. Der verfasser weist treffend nach, dass diese wörter, ihrer entstehung nach, zwar zu irgend einer zeit einmal als unechte gegolten haben müssen, dass sie aber ihrer form nach jetzt kein zeichen unechter composition mehr an sich tragen. Sie sind eine den romanischen sprachen eigenthümliche" (? - das Prâkrit?), erscheinung, und gehören weder der echten noch der unechten, überhaupt der composition nur im weiteren sinne an,"

Die eigentlichen composita der französischen sprache werden (s. 28 ff.) nach der grammatischen function der compositionsglieder geordnet, wobei zugleich die durch einen bindestrich vereinigten von den zusammengeschriebenen ausgesondert werden. Es ergeben sich so zusammensetzungen 1) von substantivis mit subst. 2) von subst. mit adj. 3) von adj. mit adj. oder partic. 4) von subst. mit verbis, wozu

a) die nach art des latein. aedificare zusammengesetzten verba (maintenir) und

b) die zusammengesetzten subst. mit verbalem bestandtheil gezählt werden (vaurien, garde-robe, nach Diez: „zusammensetzung durch phrasen.")

5) Nominale zusammensetzung mit hilfe der präposition und des artikels. Um nun in dieser masse von compositis, nach den früher aufgestellten allgemeinen gesichtspunkten, echte von den unechten zu sondern, kann zunächst der bindestrich, als ein mehr zufälliges zeichen, kein genügendes kriterium abgeben; fehlt er doch z. b. in bon mot, lettre de change, trotz der einheitlichkeit des begriffs. Auch die aphaerese im auslaut des ersten gliedes (vgl. plafond neben bas-fond) lässt uns im stich, und von einem bindevocal, welchen Grimm als bedingung echter zusammensetzung nennt, kann im Französischen nicht die rede sein. Es kann daher, um die festigkeit der zusammensetzung zu beurtheilen, nur die unveränderlichkeit des ersten gliedes in betracht kommen.

Echte composita sind somit nur diejenigen, in welchen das unflectirbare bestimmungswort zu einem stammthema erstarrt ist; ausser wenigen vereinzelten fallen andrer art, (clair-semé, plafond) gehören dahin nur

1) verbindungen zweier substantiva, deren erstes eine adverbiale bestimmung des zweiten enthält (manoeuvre, fourmi-lion),

2) zusammengesetzte verba, in welchen der verbalbegriff durch ein subst. bestimmt wird (colporter, maintenir).

Alle anders gearteten composita der französ. sprache gehören in die unechte zusammensetzung. Composita, deren glieder durch eine präposition verbunden sind und welche vielfach, aber nicht consequent durch einen bindestrich aneinandergekettet werden, (arc-en-ciel, aide de camp) sind nach des verfassers ansicht gar keine composita. Im gegensatz zu Mätzner, Franz. Gr. 332, plaidirt er deshalb für consequente beseitigung des bindestrichs in solchen wortbündeln".

Die verdienste der Schmidtschen arbeit sind kurz dahin zusammenzufassen: sie ist scharf durchdacht, klar stilisirt, basirt auf gründlichen sprachstudien im allgemeinen und gediegener kenntniss der französischen sprache im besondern. Sie sei deshalb den fachgenossen angelegentlichst empfohlen. Ein jeder beitrag zur wissenschaftlichen grammatik der neuen sprachen

und wissenschaftlich ist die arbeit im besten sinne ist dankenswerth an sich; und ganz besonders, wenn er ein ebenso wichtiges wie wenig angebautes gebiet ins auge fasst.

Kleine ungenauigkeiten finden sich s. 15:,,Grimm Gr. II, 980 schreibt vereinzelte lateinische bildungen wie flex animus motacilla . dem einfluss romanischer! mundart zu.“ Das sagt aber Grimm keineswegs; seine worte besagen nur, dass er solche bildungen griechischem einfluss zuschreiben würde, wenn sie nicht in sämmtlichen romanischen sprachen sehr häufig, d. h. also, in der volkssprache niemals ganz ausgestorben wären. Wenn der verfasser s. 29 ferner „bachstelze“ für eine volksetymologische corruption aus „wackstery" erklärt, so kann er sich zwar auf autoritäten berufen, irrt aber doch. Das etymon von „bachstelze" ist „wasserläufer“ vgl. ahd. wazzarstelza, span. anda-rio.

Auch in der bauptsache, hinsichtlich des resultats der untersuchung, mag es dem referenten gestattet sein, eine von der Schmidtschen abweichende ansicht kurz zu begründen. Der verfasser scheint nämlich die aufgabe des grammatikers anders zu verstehen, ats dem referenten billig dünkt. Der grammatiker bat, glaube ich, nicht die befugniss, der sprache gesetze vorzuschreihen; gesetze vorschreiben ist überhaupt sache des schlechten gesetzgebers. Der grammatiker soll, als guter legislator, der sprache nur diejenigen gesetze, welche sie sich selbst gibt, ablauschen; sprachlich redigiren; wenns angeht, auch psychologisch erklären. Weiter aber reicht seine amtsgewalt nicht.

Diesem grundsatz bleibt der verf. zunächst treu in demjenigen theile seiner deduction, in welchem er nachweist, dass die in andern sprachen geltenden kriterien für echte und unechte composition auf das Franzosische keine anwendung finden. Gewiss; jedes volk hat seine eigenthümliche weise des denkens und fühlens, und diese eigenart prägt sich auf schritt und tritt in der sprache aus. Fast nie sind die von einer sprache abstrahirten grammatischen kategorien schlechthin auf eine andere übertragbar.

Wenn der verf. dann fortfährt: es bleibt also kein andres kriterium der echtheit oder unechtheit ubrig als die flectirbarkeit oder unflectirbarkeit des bestimmungsworts, so will ich auch das zugeben. Das ist ein gesetz, welches in der sprachform thatsächlichen anhalt findet, wenngleich es vom verf. nicht auf inductivem, sondern auf de luctivem wege gewonnen wird. Unverständlich aber bleibt, wenn auf s. 37, in widerspruch mit diesem gesetz und mit dem s. 16 f. angemerkten, (dass die reihenfolge der glieder keine principielle scheidung rechtfertige), Hôtel-Dieu als unechte, four milion dagegen als echte composition genommen wird. Ist denn die weglassung des begrifflich nothwendigen genetivzeichens nicht ein hinreichen der beweis für die enge verbindung der glieder?

Am willkürlichsten aber wird verfahren bei fixirung der grenze, an welcher composition beginnt. Auf s. 36 wird behauptet, dass in adjectivzusammensetzungen wie frais-cueilli etc. durch den doppelten gebrauch der femininendung jede art der zusammensetzung im grunde zerstört werde und der verf.,,wundert sich", dass sich in einigen dieser verbindungen der bindestrich erhalte.

[ocr errors]

Zunächst die frage: wenn toute-puissante kein compositum ist, was bedeutet denn wohl das selbstandige wörtchen toute da? Der grammatiker, statt sich über den bindestrich zu wundern, sollte aus demselben lernen, dass das composita sind. Ein gleiches gilt von den sogenannten „wortbündeln" wie arc-en-ciel (s. 38). „Die entscheidung", sagt der verf., wie weit ein solcher gesammtbegriff einem durch zusammensetzung erzeugten begriffe sich nähert, wird im einzelnen falle selbst dem geübtesten denker und grundlichsten sprachkenner schwer fallen." Dem Franzosen aber fallt das gar nicht schwer; der empfindet arc-en-ciel ebenso gut als com

positum wie tête-à-tête, deshalb setzt er den bindestrich. Der grammatiker wird dabei nicht gefragt; die sache ist entschieden.

Ganz irrig ist es, wenn der verf., einer präformirten begriffsbestimmung zu liebe, die Dvandvacomposita des Sanskrit nicht als composita anerkennen will. Dass sie es sind, sogar echte composita sind, hätte er aus der einheit des accents in pitarâmâtárâu schliessen sollen. In den Veden erscheinen diese composita meist mit zweifachem accent; dann sind sie unechte composita; aber composita bleiben sie immer.*)

Das alles sind, nach ansicht des referenten, vergewaltigungen der sprache, deren man sich schuldig macht, wenn man, statt die dinge zu nehmen wie sie sind, mit einem fertigen schema von kategorien an die sprache von aussen herantritt, und was sich nicht gutwillig fügt, entweder hineinzwängt oder wegschneidet.

Eine den dargelegten ansichten des referenten entsprechende definition von „zusammensetzung" würde so zu lauten haben:

Composition ist die bewusste zusammenfügung zweier oder mehrerer wörter zum zweck der sprachlichen darstellung eines einheitlichen begriffs.

Bewusst; darauf lege ich das hauptgewicht. Zwei wörter bilden ein compositum, sobald ich mir der einheitlichkeit des durch sie dargestellten begriffs bewusst werde; und das compositum wird zum einfachen wort, sobald ich von seiner zwei- oder mehrtheiligkeit, von der selbständigen Bedeutung jedes einzelnen gliedes, kein bewusstsein mehr habe.

Nach der einen seite hin muss, der natur der sache nach, die grenze freilich fluctuiren; die bereicherung des vorstellungskreises eines volkes führt die fortgesetzte neuschaffung von compositis mit sich. Wie weit nun da die empfindung für die einheitlichkeit des begriffs im volke bereits durchgedrungen ist, kann kein grammatiker scharf bestimmen. Dem allgemeinen zuge der sprache zur composition folgend, sollte er aber nach dieser seite hin möglichst liberal verfahren und, wo irgend aussprache oder orthographie ihm dazu grund geben, die neubildung eines compositi willigst registriren.

Etwas schärfer dagegen darf er die grenze ziehen, an welcher ein compositum aufhört, compositum zu sein; wenigstens in den modernen sprachen, in denen ja der trieb der synthetischen wortbildung viel mächtiger ist als derjenige zur analytischen nebeneinanderstellung der einzelnen begriffsfactoren.

Referent würde deshalb, entgegen dem von Littré geübten und vom verfasser adoptirten verfahren, für erhaltung des bindestrichs, im sinne Mätzners, eintreten, unbedenklich aber alle wort complexe, welche von guten autoren irgend durch bindestriche verknüpft werden, als composita aufnehmen. Wörter dagegen wie plafond, manoeuvre, colporter, maintenir sind nur für den gelehrten noch composita; das volk empfindet in plafond nichts mehr von plat und fond, in maintenir nichts von main und tenir. Dass fond, dass tenir darin steckt, das fühlt man noch; aber die bedeutung des ersten bestandtheils ist nicht mehr im bewusstsein; deshalb erleidet er lautverstümmelung, wird mit dem grundwort orthographisch verschleift. Diese wörter unterscheiden sich also von connétable etc. nur dadurch, dass in dem letzteren keines der beiden glieder mehr verstanden wird; im wesentlichen gehören sie aber in die gleiche kategorie.

*) Die begründung dieser behauptung (Tobler, Ueber die wortzusammensetzung etc. hält die Dvandven für unechte composita) muss ich schuldig bleiben. Wenn aber Schmidt s. 11 das vorhandensein einer begriffseinheit in solchen compositis leugnet, so behaupte ich dagegen, dass durch pitarâmâtárâu ebenso gut eine einheitliche vorstellung ausgedrückt wird, wie durch unser wort „eltern".

An eine solche abgrenzung des begriffs der composition würde sich die unterscheidung zwischen echter und unechter zusammensetzung, nach dem vom verf. aufgestellten gesichtspunkte, mit rücksicht auf grössere oder geringere festigkeit der verbindung, wie sie sich in flectirbarkeit resp. unflectirbarkeit, beider oder eines compositionsgliedes, darstellt, ganz naturgemäss anfügen.

Doch nun zum schluss! Bedarf es einer entschuldigung, wenn referent der darlegung subjectiver ansichten, welche denen des verfassers doch höchstens gleichberechtigt gegenüberstehen, zum grossen theil sogar sich erst an der darstellung desselben geklärt haben, allzu grossen raum gewährt hat? Einer entschuldigung bedarf es hoffentlich nicht; nur der versicherung, dass ein tadel gegen den verfasser nicht in der absicht liegt. Derselbe hat, in anregender form, sein theil zur aufhellung eines immer noch ziemlich dunklen gebiets redlich beigetragen; auch das vorstehende will nur ein versuch sein, zu weiterer klärung anzuregen.

Berlin.

Dr. G. Schulze.

« ForrigeFortsæt »