Die Begleiter der Adjektiva. A. Die einfachen Adverbia. Ueberaus gross, still froh. Zu den Begleitern des Adjektivs gehört erstlich das einfache, ihm untergeordnete, also den Begriff desselben spezialisirende Adverbium: der schwer verständliche Sinn, zweitens ein gleichfalls dasselbe spezialisirendes und ihm untergeordnetes Adverbiale: ein trotz des Glückes betrübtes Herz. Ausser diesen beiden Begleitern drängt sich bisweilen noch ein dritter ein, der im Gewande einer besondern Infinitivstruktur oder eines ganzen Nebensatzes auftritt, z. B. ein den Vorschriften zu gehorchen geneigter Mann, wir gingen auf einem holprigen Wege, so dass er unfahrbar ist, allein zu Fuss voran. Wir sprechen zunächst von dem Falle, wo ein einfaches Adverb der Begleiter des Adjektivs ist: ein überaus grosser Wagen, der ewig neue Gedanke. So wie die Adjektiva gross und neu die untergeordneten Begleiter der Substantiva Wagen und Gedanke sind und diese spezialisiren oder bestimmen, so sind die Adverbia überaus und ewig wiederum die untergeordneten, spezialisirenden, bestimmenden Begleiter dieser Begleiter und gehn immer voran, wie denn im Allgemeinen das Bestimmende stets dem Bestimmten grammatisch vorangeht. Wir finden hier also ein überall sich kund gebendes Verhältniss der Unterordnung; das Adjektiv ist gleichsam das Genus, das Adverbium seine Spezies. Und sehr nahe liegt auch hier der Vergleich mit den Begriffen der Komposition. Denn wie in dieser das Grundwort ein Genus und das Bestimmungswort eine Spezies, so ist auch bei jeder Zusammenstellung eines Adjektivs mit einem Adverb jenes das Genus, dieses die Spezies. Die bekanntesten solcher Zusammenstellungen dienen zur Bezeichnung des Grades, der durch die Adverbia sehr, ziemlich, ganz, unendlich etc. ausgedrückt wird: der sehr schöne Tag, das ziemlich richtige Urtheil, ein ganz neues Haus, die unendlich schwere Arbeit. Nächst ihnen sind am gewöhnlichsten die Zusammenstellungen der Partizipia mit Adverbien: der gut geartete Knabe, die sanft lächelnde Luna. Wir brauchen uns bei diesen beiden Arten von Zusammenstellung nicht länger aufzuhalten. Nur zur letztern fügen wir noch die Bemerkung hinzu, dass dergleichen Partizipia ebenso, wie überhaupt alle Adjektiva, sobald sie zu Substantiven erhoben werden, das Adverb in gleicher Form und ohne Veränderung ihres Charakters vor sich stehn lassen, als wären sie ein Adjektiv: der gut Geartete, die sanft Lächelnde, der vielseitig Gelehrte, das ungeheuer Grosse, das unendlich Verschiedene, u. s. W. Es sind dies Zusammenstellungen, auf die wir noch im Folgenden zurückkommen werden. Dagegen haben wir es hier besonders mit den übrigen derartigen Zusammenstellungen zu thun, welche, zumal bei Dichtern, deshalb sehr beliebt sind, weil sie in ihrer kurzen und meist sehr klar bezeichnenden Ausdrucksweise nicht wenig zur Verschönerung der Sprache beitragen. Wenn man sagen will: die auf unerwartete Weise erfreuliche Nachricht oder, die Nachricht, welche in unerwarteter Weise erfreulich ist, So lässt sich das so abkürzen : die unerwartet erfreuliche Nachricht. Und sollte es heissen: der in bequemer Weise gesellige Kreis, oder, der Kreis, auf bequeme Weise gesellig, oder, der Kreis, der auf bequeme Weise gesellig ist: so sagt man kürzer: der bequem gesellige Kreis. Archiv f. n. Sprachen. LIII. 21 Und so entsteht eine unzählbare Menge von dergleichen Zusammenstellungen: still heiter, toll dreist, körperlich kräftig, blutig furchtbar, ängstlich still, süss zudringlich, wild starr, zart beredt u. s. w. Unter unsern Klassikern haben besonders Schiller und am meisten Göthe eine ausserordentliche Freude an solcher schönen Kürze, nicht bloss im poetischen Stil, sondern auch im prosaischen. Mit zunehmenden Jahren nahm bei Göthe auch diese Liebe zur Kürze bedeutend zu (man lese nur z. B. den 2. Theil des Faust), und nicht selten artet sie in eine Manie aus, die es nicht verschmäht, selbst zwei Adverbia dem Adjektiv einzuverleiben, die nicht einander etwa koordinirt sind, sondern von denen das eine dem andern subordinirt, das eine für das andre spezialisirend ist, so dass diese zwei Adverbia eine allerdings schwerer verständliche absteigende Linie bilden, z. B. bergartig terrassen weise unterbrochne Gänge, d. h. Gänge, welche bergartig terrassenweise = den Bergen Hier ist das Adverb terrassenweise ein Begleiter des Adjektivs unterbrochne und führt einen eignen ihn spezialisirenden Begleiter, nämlich das Adverb bergartig mit sich. In der Zusammenstellung eine ruhig freundlich gewogene Sprache ist das Adverb ruhig untergeordnet dem Adverb freundlich und dieses sowohl an und für sich als auch in Verbindung mit dem Begriff ruhig wiederum dem Adjektiv gewogene untergeordnet, also freundlich eine Spezies vom Genus gewogen und demnach ruhig eine Spezies der Spezies. Ziehen wir hier abermals eine Parallele mit der Komposition des 2. Abschnittes, so stossen wir auf die Dekomposita, z. B. Eisenwarenhändler, wo Waren das Bestimmungswort d. h. die Spezies des Grundworts und Genus Händler, sowie Eisen das Bestimmungswort dieses Bestimmungswortes, d. h. die Spezies der Spezies ist. Doch besteht der Unterschied, dass bei einem Adjektiv der Grad des Bestimmungswortes höchstens, wie in den obigen Beispielen, der zweite sein kann, ** Eine vollständige Ausführung über solche Kürze bei Göthe bietet meine Schrift Göthes Sprache und ihr Geist" (S. 310-324) dar. Götzinger (Dt. Sprache II, 198 u. 205) scheint über solche kurze Ausdrucksweise nicht aufs Reine gekommen zu sein. Er will z. B. löblich arbeitsam (d. h. auf eine löbliche Weise arbeitsam) nicht recht gelten lassen. während bei den Dekompositis, wie wir sehn werden, auch über den zweiten, ja sogar über den dritten Grad hinaus die Bestimmungswörter gehn können, z. B. Ureichenwaldsbewohnerzahl. Bei diesen Ausdrucksweisen müssen wir aber Einen Punkt ganz besonders in den Vordergrund stellen. Nämlich die Zusammenstellung zweier Adverbien darf nur da stattfinden, wo diese nicht koordinirt sind, wo das erstere wirklich dem zweiten subordinirt, also dasselbe spezialisirend und bestimmend ist. Man kann sagen aber nimmermehr ein blutig roth gefärbter Himmel, eine liebevoll einsichtige Antwort, denn liebevoll ist nicht eine Spezies der Einsicht. Eben so wenig lässt sich auch nur Ein Adverbium mit einem Adjektiv zusammenstellen, wenn beide, das Adverb und das Adjektiv koordinirte Begriffe darbieten, z. B. der vornehm willkommne Besuch, wo die Begriffe vornehm und willkommen koordinirt sind und es also heissen müsste : der vornehme und willkommne Besuch, falls nicht etwa, was doch zu weit hergeholt wäre, der Sinn erfordern sollte der wegen seiner Vornehmheit willkommne Besuch. Eben so falsch zusammengezogen ist ein tüchtig verheiratheter Gärtner, ein anständig junger Mann u. s. w. Die allgemeine Regel würde also darauf hinauslaufen ist ein Begriff einem andern subordinirt, so lässt er sich in Form eines Adverbs diesem in Form eines Adjektivs auftretenden andern Begriff vorausschicken; auch darf dieser letztere Begriff als Adverbium sich mitsammt dem ersteren einem dritten adjektivischen Begriff behufs Spezialisirung unterordnen. Aber niemals lassen sich zwei oder drei koordinirte Begriffe in die mit einander nicht koordinirten Formen eines Adverbs und eines Adjektivs einkleiden. Das allgemeine Sprachgesetz schreibt ja überhaupt vor, koordinirte Begriffe in koordinirte Formen und subordinirte Begriffe in subordinirte Formen einzukleiden. Gegen diese Regel fehlen beide Klassiker erster Grösse, Göthe und Schiller, bei ihrer grossen Liebe zu den gedachten Zusammenstellungen oftmals, und vorzugsweise Schiller. Bei andern Klassikern kommen dergleichen Fehler seltner vor, desto öfter bei Schriftstellern und namentlich Dichtern dritter und vierter Grösse. Wir führen hier einige Beispiele der Fehlerhaftigkeit aus den genannten beiden Dichtern an. Schiller. Himmelstürmend hunderthändige, unfreiwillig schwerer Abschied, stolz verdriesslich schwerer, hochsinnig eigenwilliger, unzertrennlich ewig einige, grimmig blutige, u. 8. W. Jetzt nur noch ein paar Worte über die Schreibweise der Zusammenstellungen. Nach den Klassikern, wenigstens nach Göthe (oder dessen Schreibern) kann man sich nicht richten. Er schreibt bald als Ein Wort, zartkräftig, ernstheiter, bald trennt er durch zwei Verbindungsstrichelchen, klar-blank, fabelhaft-furchtbar, bald trennt er ohne solche Strichelchen, duftig kühl, treu fleissig. Die Schreibweise mit zwei Strichelchen ist unter allen Umständen zu verwerfen. Dagegen wähle man gröstentheils die zuletzt erwähnte Schreibweise. Die erstere (in Einem Wort) wird nur da am besten anzuwenden sein, wo entweder überhaupt das Adverbium eine kurze Form hat oder mit dem Adjektiv aufs innigste zu Einem Begriff verschmolzen wird: hellblau, süssbitter, grüngolden, stillfroh u. s. w. |