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Die bisher angeführten Beispiele könnten wohl schon genügen um unsere Ansicht zu rechtfertigen. Wir lassen aber zum Ueberfluss noch zwei Stellen folgen.

5) Eine Stelle aus dem Mystère d'Adam (XII. Jahrhundert), Bartsch, chr. p. 81, v. 32. Auf die Aufforderung des Diabolus: Guste del puit, Koste von der Frucht, antwortet Eva:

Jo n'ai regard.

Die Einen (z. B. Bartsch) übersetzen dies „Ich habe Lust dazu", die Anderen (z. B. Ebert): „Ich habe Furcht, Scheu davor." Aus dem Gesichtspunkte, von dem wir die Stelle betrachten, kümmert uns dieser Zweifel nicht im Geringsten. Es mag so oder so übersetzt werden, in jedem Falle hat ne den Sinn von en, und Keiner denkt daran, ne als Negation zu nehmen. Der Satz bedeutet entweder j'en ai envie, oder j'en ai peur.

6) Endlich noch eine Stelle aus dem Roman de Rou von Richard Wace (XII. Jahrh.), Bartsch, chr. p. 118, v. 12:

Mais i Franceis qui le colp virent,

a grant merveille s'esbahirent.
l'assalt aveient tut guerpi,
quant Ernof de Montgomeri
vint puignant, la lance baissiec.
aine nel laissa por la cuigniee

qu'il aveit sus el col levee,
qui mult esteit lunc enhanstee,
que il l'Engleis si ne ferist

qu'a la terre flatir le fist.

dunc s'eseria,,ferez, Franceis!

nostre est li cans sur les Engleis"

Wir fügen auch hier eine Uebersetzung bei: „Die Franzosen jedoch, die den Hieb sahen, erstaunten und erschracken. Sie hatten den Angriff ganz aufgegeben, als Ernof de Montgomery daher gesprengt kam mit gesenkter Lanze. Niemals vertauschte er sie mit der Axt, die er am Halse aufgehängt trug. Sie hatte einen sehr langen Schaft, und er traf damit (ne ferist) den Engländer dermassen, dass er ihn (flach auf dem Boden liegen machte) auf den Boden lang hinstreckte. Darauf schrie er: Schlagt drauf Franzosen, unser ist der Sieg über die Engländer." In der hervorgehobenen Zeile que il l'En gleis si ne ferist steht wieder ne für en, und zwar in Vertretung eines

Genitivus instrumenti, wie man ja auch im Neufranzösischen sagen kann: Il le frappa de sa lance und Il l'en frappa.

Angesichts aller dieser Stellen, die natürlich bei längerem Suchen noch um manche andere vermehrt werden könnten, wird man es wohl nicht länger bezweifeln, dass nicht nur das Provenzalische und das Italienische, sondern auch das Altfranzösische die Pronominalpartikel Ne besitzt, und davon denselben Gebrauch machen kann wie das Neufranzösische von En. Steht dies aber einmal fest, so wird man auch nicht mehr daran denken, in der Redensart je n'ai garde das Ne für die Negation zu nehmen, sobald sie positiven Sinn hat und das ist im Altfranzösischen regelmässig, im Neufranzösischen immer der Fall sondern man wird jene Pronominalpartikel darin erkennen. Je n'ai garde hatte und hat denselben Sinn, als ob es hiesse j'en ai garde, ich nehme mich davor in Acht, und dass man jene Form dieser vorgezogen hat, beruht vielleicht auf einem euphonischen Grunde. Anfangs gebrauchte man diese Redensart absolut, indem das ne (en) auf etwas Vorhergehendes, schon Bekanntes hinwies, wovor man sich in Acht nimmt. So in der zweiten der ad 4 aufgeführten Stellen: Dernier n'a garde li gentis baceler. Durch häufigen Gebrauch verwuchs dann aber Ne mit den anderen Wörtern der Phrase so fest, dass es stehn blieb, wenn auch dasjenige, wovor man sich in Acht nimmt, erst durch einen nachfolgenden Infinitiv ausgedrückt wird: n'avoir garde de faire qch.

Da nun, wie gesagt, im Neufranzösischen diese Redensart stets einen affirmativen Sinn hat, so ist das Ne darin auch stets die mit En gleichgeltende Partikel, die Worte bedeuten immer einfach: ich nehme mich davor in Acht, und wir haben also in diesem Ne eine ehrwürdige Reliquie des Altfranzösischen zu sehn. —

II.

Sollte nun aber die Redensart je n'ai garde die einzige in der neufranzösischen Sprache sein, welche die alte Pronominalpartikel Ne En sich erhalten hat? Sollte sich nicht vielleicht noch eine andere Spur derselben entdecken lassen? Es wäre das nicht nur an und für sich interessant, sondern auch eine erhebliche Verstärkung der von uns vorgebrachten Beweise für die Richtigkeit unserer Auffassung von je n'ai garde.

Für das Französische unseres und des 18. Jahrhunderts muss nun

allerdings diese Frage verneint werden. Aber aus dem 17. Jahrhundert, aus der Zeit, die als der Anfang des modernen Französisch angesehn wird, ist uns eine Phrase erhalten, die ganz offenbar wieder das so eben besprochene Ne enthält und überhaupt eine so auffallende Parallele zu je n'ai garde bietet, dass sie als ein vortrefflicher Commentar dazu angesehn werden kann.

Es ist die Redensart: Qu'ainsi ne soit, die Vauglas in seinen Remarques sur la langue française (IV. édit. Bruxelles, 1657.) uns überliefert hat, und die wir demnach als noch in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts gebräuchlich ansehn müssen. Sie hat ganz wie je n'ai garde durchaus einen positiven Sinn: dass dem so ist, und wurde am Anfange eines Satzes gebraucht, um den Uebergang von einer Behauptung zu den Beweisen zu machen: dass dem so ist, beweist der und der Umstand. Es kann also Ne in dieser Phrase nicht die Negation, sondern nur wieder die Nebenform von En sein. Wie je n'ai garde für j'en ai garde steht, so Qu'ainsi ne soit für Qu'ainsi en soit, oder wie wir jetzt sagen würden: Qu'il en soit ainsi.

Aber freilich schon Vaugelas, der eines der ersten Mitglieder der von Richelieu gegründeten Akademie war und für den ersten Kenner der französischen Sprache unter seinen Zeitgenossen galt († um 1650), verstand diese Redensart nicht mehr. Er nimmt, ganz wie unsere Grammatiker mit je n'ai garde verfahren, das Ne in Qu'ainsi ne soit für die Negation, und geräth nun, im eifrigen Bestreben die Worte mit dem Sinne zu versöhnen, auf Behauptungen, die er besser ungeschrieben gelassen hätte, da sie nicht grade dazu beitragen, uns einen hohen Begriff von seiner Einsicht in sprachliche Dinge zu geben.

Er räumt ein, dass dieser Ausdruck (so wie er ihn versteht) gegen die Vernunft verstosse, und man erwartet nun, dass er ihn verurtheilen werde. Aber nein, mit einem beneidenswerthen Aplomb hat er rasch die Volte geschlagen und nun zeigt er uns mit lächelnd triumphirender Miene das Kunststück, das er gemacht hat. Als guter Franzose erkennt er in dieser Redensart mit wahrer Befriedigung ein herrliches Beispiel von der Gewalt der Mode gegen die Vernunft (le plus bel exemple de la force de l'Usage contre la Raison), und er versichert uns dazu ganz treuherzig, dass ,,ce sont ces choses-là qui font d'ordinaire la beauté des langues!!" Also, wohl gemerkt, das Unvernünftige in den Sprachen macht ihre Schönheit aus!

Doch lassen wir Vaugelas von Anfang bis zu Ende sprechen. Es lohnt sich wirklich der Mühe ihn zu hören.

Nous avons remarqué de certaines façons de parler qui semblent dire tout le contraire de ce qu'on leur fait signifier. Celle-ci (qu'ainsi ne soit) est de ce nombre; car lors qu'il est question d'entrer en preuve d'une proposition, si je dis: et qu'ainsi ne soit, vous voyez telle et telle chose, qui est comme on a accoustumé de parler, n'est-il pas vray, qu'à l'examiner de près, il n'y a point de raison de dire: „,et qu'ainsi ne soit", et qu'au contraire il faut dire: ,et qu'ainsi soit?" Cela est tellement vray, que tous les anciens l'escrivaient ainsi, et ces jours passez je le voyais encore dans Joachim du Bellay. Neantmoins il y a plus de cinquante ans que cette phrase est changee et que l'on dit: „Et qu'ainsi ne soit", ou Et qu'il ne soit ainsi", et non „, Et qu'ainsi soit" ou ",qu'il soit ainsi", qui aujourd'huy ne seroit pas receu parmy ceux qui savent parler Français.

Il seroit mal aisé d'en rendre aucune raison, puisque c'est contre la raison que cela se dit de cette sorte. Se peut-il voir un plus bel exemple de la force ou de la tyrannie de l'Usage contre la raison? Cependant ce sont ces choses-là qui font d'ordinaire la beauté des langues. Remarques,' p. 484.

Wir müssen noch ein Wort über die in dieser Stelle sich findende Behauptung sagen, dass man erst seit 50 Jahren das ne in dieser Phrase brauche, früher das ne weggeblieben sei. Vangelas glaubt, dass erst in seiner Zeit das ne sich eingeschlichen habe und dass man früher ausschliesslich qu'ainsi soit gesagt habe. Das ist aber aller Wahrscheinlichkeit nach ein Irrthum, der nur durch das Missverstehn des Ne möglich gemacht wird. Denn das dem Altfranzösischen angehörige Ne = en konnte doch unmöglich zu einer Zeit in die Phrase kommen, wo es bereits völlig veraltet war. Es muss die Phrase mit Ne zu einer Zeit gebildet sein, wo dieses noch für en gebraucht wurde, das heisst in der Zeit, welche das Altfranzösische umfasst. Anderer Seits ist aber freilich auch wahr, was Vangelas von den älteren Schriftstellern (les anciens auteurs), d. h. den Schriftstellern des 16. Jahrhunderts (er führt J. du Bellay an) sagt, dass sie die Phrase ohne ne gebraucht hätten. So sagt z. B. Calvin, institut. chrét. IV. 5:

Car nous savons que les Prophètes nous ont representé la gloire de Dieu, laquelle doit luire dans l'Eglise, sous figure des choses ter

riennes. Qu'ainsi soit, jamais l'Eglise n'a moins abondé de ces benedictions externes qu'ils promettent qu'au temps des Apostres, et toutefois nous confessons tous que le regne de Jesus Christ a esté lors en sa principale fleur.

Ob jedoch alle damaligen Schriftsteller, wie Vaugelas meint, und ob sie immer so geschrieben haben, ist wieder stark zu bezweifeln. Vielmehr scheint die richtige Auffassung der Sache diese zu sein, dass man in der älteren Zeit ebenso wie zu Vaugelas Zeit sowohl mit als ohne ne die Phrase gebrauchte, und das erklärt sich ja sehr leicht, wenn man in diesem ne nur eine andere Form von en sieht, das ja auch im Neufranzösischen, ohne irgend welche Aenderung des Sinnes, in manchen Phrasen gesetzt und weggelassen werden kann, so dass man z. B. noch immer sagen kann: J'ignore qu'il soit ainsi, und ebenso wohl: J'ignore qu'il en soit ainsi. Mit dieser doppelten Geltung ist es aber sehr wohl vereinbar, dass zu der einen Zeit die eine Art sich auszudrücken, und zu einer anderen Zeit die andere Art mehr im Gebrauch und insbesondere bei den Schriftstellern beliebt war. Und so mag es denn seine Richtigkeit haben, dass die Schriftsteller des 16. Jahrhunderts vorzugsweise die Phrase ohne Ne gebrauchten, zur Zeit Vaugelas aber, d. h. in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, die Kenner des Französischen (ceux qui savent parler français) sich für die Phrase mit Ne erklärten, und die andere Redeweise sogar verwarfen. Damit ist nun jedoch nicht gesagt, dass qu'ainsi soit damals überhaupt nicht mehr gesagt worden wäre. Beide Ansdrucksweisen bestanden im Volke nach wie vor neben einander fort, und veralteten mit einander. Es muss das bald nach dem Tode des Vaugelas geschehen sein, da sich in der um diese Zeit aufblühenden klassischen Litteratur die Redensart weder in der einen noch in der anderen Form findet.

Nach dem Verschwinden von Qu'ainsi ne soit aus dem Gebrauche ist denn im Neufranzösischen keine andere Spur der altfranzösischen Pronominalpartikel Ne En geblieben als

das Nein der Redensart Je n'ai garde. hin ein grammatisches Unicum.

Diese enthält mit

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