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EINLEITUNG.

Während die Griechen von der Natur mit einem für alles Schöne empfänglichen Geist und den höchsten Anlagen für die Poesie begabt waren, hatte sich der Sinn der Römer von vornherein mehr dem practischen Leben zugewandt. Deshalb entfaltete sich bei jenen die Dichtkunst schon in den ältesten Zeiten zur herrlichsten Blüthe und erhielt sich Jahrhunderte lang in hoher Vollendung, während bei den Römern erst volle 5 Jahrhunderte nach Erbauung der Stadt die ersten Anfänge der Poesie sich schüchtern hervorwagten 1) und die höchste Kraft des Volkes bereits gebrochen war, als sich am Ausgange der Republik eine kurze Blüthezeit der Dichtkunst einstellte. Als nach rastlosen Fehden mit dem Ende des ersten punischen Krieges endlich eine kurze Pause im Kampfe um die Weltherrschaft eintrat, wurden in Rom die ersten Gedichte in lateinischer Sprache verfasst, und als Augustus dem eben noch wildbewegten Staate Ruhe und Frieden schenkte, traten schnell jene Männer hervor, welche die römische Poesie unsterblich gemacht haben. Damals ward es in Rom sogar Mode sich mit Dichten zu beschäftigen.2) Aber zu allen Zeiten lehnte sich die römische Poesie auf das engste an die unerreichten grie

1) Cic. Tusc. I, 1, 3: nam cum apud Graecos antiquissimum e doctis genus sit poetarum, siquidem Homerus fuit et Hesiodus ante Romam conditam, Archilochus regnante Romulo, serius poëticam nos accepimus. Annis fere DX post Romam conditam Livius fabulam dedit, C. Claudio Caeci filio, M. Tuditano consulibus, anno ante natum Ennium. Sero igitur a nostris poëtae vel cogniti vel recepti; und Horaz ep. II, 1, 161 ss.: serus enim Graecis admovit (Romanus) acumina chartis, et post Punica bella quietus quaerere coepit,

quid Sophocles et Thespis et Aeschylus utile ferrent.
temptavit quoque rem, si digne vertere posset.

2) Hor. ep. II, 1, 117: Scribimus indocti doctique poemata passim.
Röm. Elegiker.

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chischen Vorbilder an. Die Muse, welche nach Hannibals Besiegung in Rom einzog, war eine Erscheinung aus der Fremde und fühlte sich bei den rauhen Römern noch lange nicht heimisch. In der Ausbildung des Kriegswesens und der Gesetze des Staates waren die Römer den Griechen überlegen: in der Poesie standen sie tief unter ihnen. Zwar hielten es die Patrioten in Rom, wie Cicero, zuweilen für ihre Pflicht dies zu leugnen 1); aber auch er muss zugeben, dass in den Künsten und Wissenschaften Griechenland Rom weit voraus war 2), und der bedeutendste Kritiker der augusteischen Zeit, Horaz, gesteht den Griechen wiederholt unumwunden und bedingungslos die Palme in der Poesie zu.3) Berühmt sind die Worte desselben (ep. II, 1, 156 s.):

Graecia capta ferum victorem cepit et artis
intulit agresti Latio.

Als die Römer ihre Herrschaft bis nach Unteritalien ausdehnten, kamen sie mit den Griechen in nähere Berührung und entlehnten von diesen Kunst und Litteratur. Ist doch selbst der Name des Dichters poeta griechischen Ursprungs. Der Grieche Livius Andronicus kam 272 a. Chr. nach der Eroberung Tarents als Gefangener nach Rom, übersetzte dort die Odyssee in das Lateinische, führte im J. 240, kurz nach dem Ende des ersten punischen Krieges, das erste Schauspiel auf der römischen Bühne auf und ward der Vater der römischen Poesie. Auch Ennius und Pacuvius waren Halbgriechen. Ein nationales Epos haben die Römer nie besessen, und im Kunstepos folgte Ennius in seinen Annales dem Homer so nahe wie möglich; nicht minder eng lehnten sich seine Tragödien an Euripides an, den er zum Theil wörtlich übersetzte. Auch das Lustspiel stand in seinen bedeutendsten Vertretern, Plautus und Terentius, völlig unter dem Einfluss des attischen Lust

1) Cic. Tusc. I, 1, 1: meum semper iudicium fuit, omnia nostros aut invenisse per se sapientius quam Graecos, aut accepta ab illis fecisse meliora, quae quidem digna statuissent, in quibus elaborarent; und de orat. I, 4, 15: ingenia vero (ut multis rebus possumus iudicare) nostrorum hominum multum ceteris hominibus omnium gentium praestiterunt. 2) Cic. Tusc. I, 1, 3: doctrina Graecia nos et omni litterarum genere

superabat.

3) Hor. a. p. 323 ss.:

Grais ingenium, Grais dedit ore rotundo
musa loqui, praeter laudem nullius avaris.
Romani pueri longis rationibus assem
discunt in partis centum diducere.

und ep. II, 1, 93 ss.

spieldichters Menandros. Während Plautus, wenn auch in roher Weise, wenigstens den Versuch machte, in seinen Uebertragungen griechischer Comödien römische Zustände zu schildern, erinnert bei Terentius kaum eine Anspielung an Rom; er liess seinen Stücken sogar die griechischen Titel. So verdrängte auch der Hexameter der Griechen bald den alteinheimischen Saturnier; ja der gebildete Römer liebte es mit seiner Kenntniss des Griechischen zu prunken und wo möglich ein paar Verse in dieser Sprache zu verfassen. Auch die classischen Dichter der augusteischen Zeit vermochten sich nicht von dem griechischen Einfluss frei zu machen: Vergilius schrieb seine Aeneïde nach dem Vorbilde des Homer, und Horaz seine lyrischen Gedichte im engsten Anschluss an die griechischen Lyriker. Diese Poesie der Nachahmung steht, um das Bild eines modernen Historikers zu gebrauchen, neben den griechischen Originalen da, „wie die deutsche Orangerie neben dem sicilischen Orangenwald." Nur die Satire eines Lucilius und Horatius hatte sich ohne griechische Muster gebildet 1), und nur in einer Dichtungsgattung übertrafen die Schüler ihre Meister: in der Elegie.

Da aber auch diese unter griechischem Einfluss heranwuchs, so müssen wir, um sie recht zu verstehen und richtig zu würdigen, einen Blick auf die Entwickelung der griechischen Elegie werfen.

Die Elegie gehörte ursprünglich dem ionischen Stamme an und erblühte in Kleinasien; dort sang man bei der Bestattung der Todten unter Flötenbegleitung λéyovs, d. h. Klagelieder, welche den Refrain è è λéy' è è λéye hatten. Da diese Gesänge wahrscheinlich meist in Hexametern mit darauf folgendem klagendem Refrain verfasst waren, so nannte man die ähnliche Verbindung des Hexameters mit folgendem Pentameter ἐλεγεῖον, und ein Gedicht in solchen Distichen τὰ ἐλεγεῖα oder später ἡ ἐλεγεία. Während somit der Name ἔλεγος ursprünglich ein Klagelied bezeichnete, wie auch wir heutzutage das Wort in der Regel gebrauchen, überschritt der Begriff der Elegie bei den Alten sehr bald diese engen Grenzen, indem man darunter jedes Gedicht verstand, das in Distichen geschrieben war, mochte der Inhalt auch noch so verschiedenartig sein. Die Elegie steht in der Mitte zwischen dem Epos und der Lyrik. Dem Epos gehört der Hexameter an; indem man den

1) Quint. inst. or. X, 1, 93: Satira quidem tota nostra est.

Pentameter als πdý hinzufügte, that man den ersten Schritt zur lyrischen Strophe. „Das Distichon ist ein Mittelglied zwischen dem gleichförmigen Fluss des heroischen Verses und der bunten Mannigfaltigkeit der lyrischen Systeme." Ebenso zeigt sich im Inhalt der Elegie ein Schwanken zwischen der schlichten Erzählung des Epos und den gemüthvollen Empfindungen des lyrischen Liedes. Die Elegiker verbanden die objective Erzählung mit der subjectiven Reflexion. Und endlich erscheint die Elegie auch geschichtlich als Vermittlerin zwischen dem Epos und der Lyrik: sie tritt zuerst mit dem Verschwinden des Epos auf und ist die Vorläuferin der eigentlich lyrischen Poesie.

Als Erfinder der Elegie wird von den Alten Kallinos aus Ephesos genannt, der um die Zeit der ersten Olympiade lebte. Bei ihm finden wir bereits den Begriff dieser Dichtungsart über das enge Gebiet der ursprünglichen Bedeutung hinaus entwickelt; seine Elegien, weit davon entfernt Klagelieder zu sein, waren politische Gedichte, in denen er seine Landsleute zum Kampfe gegen das benachbarte Magnesia aufforderte. Dasselbe gilt von den Elegien des Tyrtaios, der durch dieselben die Spartaner zum Kampfe gegen die Messenier begeisterte, und von Archilochos aus Paros, dem Erfinder des Jambos. Dieser älteren politischen Elegie gehören auch noch Solon aus Athen, Theognis von Megara und Phokylides aus Milet an, welche in elegischem Versmass Lehren politischer und ethischer Weisheit (yvua) niederlegten. Daher nannte man diese Gattung der Elegie auch die gnomische. Namentlich berühmt ist Solons. Elegie Zalauís, durch welche er die Athener zur Wiedereroberung dieser Insel entflammte. Aber schon früh zog sich die Elegie von diesem politischen Gebiet zurück und beschränkte sich mehr und mehr darauf, die Leiden und Freuden des Einzelnen, namentlich in der Liebe, zu besingen. So entstand die erotische Elegie, als deren Begründer Mimnermos von Kolophon gilt, der etwa um 600 v. Chr. lebte. Daneben sang Simonides von Keos, der Freund des Hiero von Syrakus, des Themistokles und Anakreon, (um 500) seine Klagelieder (Hor. od. II, 1, 38: Ceae munera neniae, und Cat. 38, 8: maestius lacrimis Simonideis) in elegischem Versmass (threnodische oder threnetische Elegie) und verherrlichte die Heldenthaten seiner Landsleute in den Perserkriegen in jenen kurzen Epigrammen, deren berühmteste die Grabschrift auf die bei Marathon gebliebenen Athener

Ἑλλήνων προμαχοῦντες Ἀθηναῖοι Μαραθῶνι
χρυσοφόρων Μήδων ἐστόρεσαν δύναμιν,

die Inschrift auf dem Grabmal der bei Thermopylae gefallenen Griechen

Μυριάσιν ποτὲ τῇδε τριακοσίαις ἐμάχοντο
ἐκ Πελοποννάσου χιλιάδες τέτορες,

und das Epigramm auf den Tod des Leonidas

Ὦ ξεῖν, ἀγγέλλειν Λακεδαιμονίοις, ὅτι τῇδε κείμενα, τοῖς κείνων ῥήμασι πειθόμενοι, sind. Auch Antimachos von Kolophon (um 400), der Freund des Platon, verfasste neben seinem Epos Thebaïs eine erotische Elegie Lyde, welche später den Alexandrinern zum Muster diente. Er schrieb sie nach dem Tode seiner Gattin Lyde, indem er ähnliche Unglücksfälle der Heroen in ermüdender Breite1) der Reihe nach aufzählte und so durch den Gedanken an fremdes Leid seinen eigenen Schmerz zu lindern suchte. Hier haben wir das erste Beispiel einer gelehrten erotischen Elegie, wie sie nach ihm bei den Alexandrinern Mode ward.2)

Auch in Alexandria, im „Wintergarten" der griechischen Poesie, ward die Elegie, und zwar die Liebeselegie, eifrig gepflegt; jedoch ist dieselbe dem Charakter der Zeit entsprechend sehr verschieden von der Liebeselegie eines Mimnermos. Prunken mit Gelehrsamkeit, entlegene mythologische Anspielungen, seltene Wörter und gekünstelte Rhythmen traten an Stelle der schlichten Naturwahrheit und Einfachheit. Zu diesen gelehrten Elegikern Alexandrias, einer Stadt, welche in Folge der selbstlosen Förderung der Künste und Wissenschaften durch die Ptolemäer zu einem Mittelpunkt des geistigen Lebens geworden war, gehören namentlich Philetas von Kos, der Freund des Theokrit und Erzieher des Ptolemaios II Philadelphos (um 300 v. Chr.), ein Dichter, welcher in einem Buch Taiɣvia (Tändeleien) seine Geliebte Battis feierte 3), der jüngere Zeitgenosse desselben, Hermesianax aus Kolophon, Kallimachos aus Kyrene, der Sänger der Aitia, nach deren Myster

1) Cat. 95, 10: at populus tumido gaudeat Antimacho.

2) Ovid, trist. I, 6, 1 ss.:

Nec tantum Clario Lyde dilecta poetae,

nec tantum Coo Battis amata suo est, pectoribus quantum tu nostris, uxor, inhaeres.

3) Ovid, c. I. und e P. III, 1, 57 s.:

nec te nesciri patitur mea pagina: qua non
inferius Coa Battide nomen habes.

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