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auf im Religiösen, das, mitunter auffallend konfessionell-farblos, ein seltsames Gemisch katholischer Bußauffassungen und evangelischer Gnadenlehre darstellt. Briefe wie der folgende kennzeichnen aber auch die Stärke und innere Lebendigkeit dieser Gedankenwelt:,,Gott Vater aller Gnaden und Barmherzigkeit", tröstet eine Witwe ihre soeben auch zur Witwe gewordene Schwägerin,,,woll Dich und alle betrübten Herzen trösten, wie mir dann nit zweifelt, [daß] Du Gott um starke Geduld wol wirst wissen zu bitten, denn Gott in diesem zeitlichen vergänglichen Leben uns mit dem lieben Kreuz daheimsucht, hoff er soll uns nach dem zeitlichen Leiden mit dem ewigen [Leben] begnaden und derfreuen. . . . Sitz also auf Gottes Gnad und bin in Hoffnung und tröstlicher Zuversicht nach dem schnöden zeitlichen von seinen göttlichen Gnaden ein Besseres." Und derselbe kinderfromme Glaube als Grundelement all ihres geistigen Lebens spricht aus zahllosen Randkritzeleien an Schuldbriefen und Mahnschreiben: ,,Ach Gott wendt — Mein Ehlendt!"—,,Hilf Got — aus Noth!" —,,Gott verleih Geduld im Elend!" Er betätigt sich aber auch in warmherzigem Mitempfinden der Schicksale manch armen Schluckers, der vors Schloßtor kam:,,24 einem aus der Pfalz verjagten Pfarrherrn" ,,42armen Menschen, so sich am Kopf heilen lassen" 1,48 für Leinwand, darein man eines armen Mannes tots Kind genäht",,15 verbrannten Leuten" -,,28 Schülern, die vorm Tor das neue Jahr angesungen" zweien von Adel, Plankenberger und Wulfersdorfer, so uf dem Abzug von türkischem Kriegsvolk geplündert, laut ihres Paßports" das ganze Landstraßenelend jener Zeit zicht in diesen gewissenhaften Einträgen der Rechnungsbücher vorüber und findet eine offene Hand und freundliche Milderung. Schlichte Frauengüte und Frömmigkeit erfüllt alle Aufzeichnungen ihrer Hand, ob nun Briefe mit den typischen Eingangsformeln beginnen: ,,Mein freundlichen Gruß samt aller Treu, Liebes und Guts Dir und Deinen Kindlein zuvor jederzeit von mir, freundlich herzliebe Geschwey, Dein und Deiner Kindlein Gesund hab ich mit Freuden vernommen, weiß mich Gottlob auch noch in ziemlichem Gesund, Gott geb uns seinen göttlichen Willen zu allen Teilen länger... oder ob Frau Scholastika v. Rabenstein ihren letz

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ten Willen (10. August 1573) so einleitet:,,Erstlich ist um Gottes Willen mein Bitt an euch, meine lieben Brüder und Schwestern, daß ihr euch fein einig brüderlich und schwesterlich wollt vergleichen um alle meine Verlassenschaft, der nit viel ist. Und das aus sonderbarem Bedacht, dieweil wir von Gott rechte Geschwisterichte erschaffen und geboren und unter einer Mutter Herzen gelegen, will sich nit gebüren, ein Geschwistericht vor dem andern zu stören. . . . Wenn sie aber den Geschwistern etwas in diesem letzten Willen oder,,zeit ihres Lebens zuwider getan", sollen sie's verzeihen und,,alles ihrem Unverstand zumessen".1) Oft und gern betonte man überhaupt diesen,,weiblichen Unverstand", und die Scheu vor der Verzichtleistung am Hofgericht hatte hierin ihren Ursprung, denn,,einer elenden betrübten, von aller Welt verlassenen Witwe, der als einer einfältigen Weibsperson schon ihr armes Haushalten Gott weiß genug zu schaffen gibt, seien diese Dinge viel zu schwer". 2)

Gleichwohl forderten die verwickelten Formen der Vermögensverwaltung jener Zeit, dieses völlig auf persönliche Geschicklichkeit gebaute System von Ausleihe und Bürgschaftsleistung im Kreise der Standesgenossen, auch von den Frauen finanzielle Gewandtheit und ein Maß von Sachlichkeit und Lebensklugheit, zumal von jenen,,einsamen Wittiben", die wir um 1570 so merk. würdig zahlreich auf ihren Sitzen im Fränkischen finden. Darum gibt auch die Unmenge von Schulden, Zinsforderungen, Mahnungen und Vergleichungen, wie sie ohne Unterschied auch die Frauenbriefe füllen, allem Schriftverkehr seinen ausgesprochen nüchternen Tatsachencharakter. Sie ließen Gedankenaustausch um seiner selbst willen nicht zu Worte kommen, was hätte man sich bei der geistigen Anspruchslosigkeit auch mitteilen sollen! Und wenn Frau Praxedis Groß ein langat miges schwülstiges Gedicht ihres Pfarrherrn in der Nachbarschaft umhersendet, so veranlaßt sie diesen literarischen Austausch nur aus praktischen Gründen, um ihren auf ähnliche Weise,,an seinen Ehren geschmähten" geist esschwachen Sohn zu verteidigen. Geld

1) St. Schl. A. A II, Scholastika, geb. v. Guttenberg, 8.

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1) Ebda. A II, Magdalena v. G., geb. v. Waldenfels 5,,,Verzichtstreit mit Bruder Martin“, Brief v. J. 1578.

verkehr nimmt einen breiten Raum in den Frauenbriefen ein, Formeln wie:,,Da ir mir schreiben dut, das ich's (das Geld) euch. länger sol lassen, welches ich herzlich gern dun will und es liber bey cuch wissent als bei einem andern", wie Jungfrau Rosina -v. Waldenfels zu Lichtenberg ihrer Base schreibt, begegnen in mannigfachen Variationen. Praxedis Groß verzeichnet seitenlang ihre vielfachen Schuldner und Schuldnerinnen und scheut zur Eintreibung dieser Summen auch vor gerichtlichen Klagen und Eingaben an den Landesherrn nicht zurück. Freilich zeitigt in der Art, diese Dinge zu betreiben, das persönliche Temperament auffallende Gegensätze. Da verläßt sich z. B. die schüchterne Magdalena v. Guttenberg in ihren Bedrängnissen nur allzu gern auf die,, Ehrenförderung" ihrer Schwäger, läßt sich ihre Schreiben. vom Vogt und Verwalter aufsetzen, der trefflich den larmoyanten Frauenton nachzuahmen versteht, oder schickt sie ihrem Bruder Martin v. Waldenfels zur Verbesserung: ,,Herzliber bruder, hiemit schick ich Dir ein cobia, da du vermeinst, das es also duglich, wolt ich es wider abschreiben, und pit noch darin zu endern mit darpey setzen, schick mer's wieder." Anderseits verficht die willenskräftige Praxedis Groß jahrelang mit unbeugsamer Hartnäckigkeit den sonderbaren Plan, ihren epileptischen Sohn OttHeinrich,,zu seiner künftigen besseren Versorgung" zu verheiraten, und prozessiert bis ans Reichskammergericht gegen die Vormünder und den Bischof von Bamberg, die sich ihr aus nicht völlig uneigennützigen Absichten widersetzen. Allein man darf diese unerschrockene mündliche und schriftliche Regsamkeit und Selbständigkeit in Dingen, die das gewohnte Gebiet überschreiten, wohl mit Recht zu den Ausnahmeerscheinungen rechnen.

Versucht man einen Querschnitt durch die Empfindungswelt des geschilderten Frauenkreises zu legen, so prägt sich als das Lebensprinzip dieser Frauen bewußte Beschränkung auf ein Wirkungsgebiet aus, das ihre Kräfte und Anlagen zu umspannen vermochten. So erwächst aus freiwilligem Sichbescheiden eine kleine Welt für sich, eine Welt aber doch mit Höhen und Tiefen, Freuden und Sorgen, wenn dem Weibe auch nach einem Frauenwort jener Zeit,,nichts gebührt denn ein gottesfürchtiger, züchtiger und eingezogener Lebenswandel".

EIN VIERTELJAHRTAUSEND

KIELER GELEHRTENLEBEN.

VON RICHARD WEYL.

Am 5. Oktober 1915 blickte die Kieler Universität auf ihr 250 jähriges Bestehen zurück. Der Zeiten Ungunst verbot eine dem Ereignisse entsprechende Feier. Indessen wurden mehrere literarische Festgaben, deren Bearbeitung schon einige Jahre vorher in Angriff genommen war, dennoch veröffentlicht. Eine derselben, die unter dem Titel: ,,Professoren und Dozenten der Christian Albrechts-Universität zu Kiel 1665-1915", anknüpfend an eine 1887 herausgegebene Schrift von Dr. Friedrich Volbehr im Herbst 1916, erschienen ist und mich zum Verfasser hat, bot mir bei der Bearbeitung der kurzen, nach der Zeitfolge geordneten Abrisse über die Wirksamkeit sämtlicher bisheriger Kieler Universitätslehrer viel Stoff zu Beobachtungen1), die ich auch anderen unterbreiten möchte, weil sie bedeutsam sind sowohl für die Christian-Albrechts-Universität selber wie für die Geschichte Kiels und der Provinz Schleswig-Holstein wie endlich für die Geschichte des deutschen Universitäts- und Kulturlebens überhaupt. Ein Teil meiner Feststellungen, besonders in Abschnitt II und V, stützt sich aber im wesentlichen auch auf eine andere Festgabe zum 250jährigen Bestehen der Universität, das 1915 von Franz Gundlach herausgegebene ,,Album der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel 1665--1865".

I.

Familien, aus denen mehrere Mitglieder des Lehrkörpers hervorgingen.

Unter den Namen der Universitätslehrer kehren viele häu figer wieder. Nicht in allen Fällen, aber sehr oft haben sich da bei verwandtschaftliche Beziehungen ergeben.

In reichem Maße ist die Universität mit Lehrern aus der Familie Weber versorgt worden. Der Theologe und Philosoph Andreas

1) Im allgemeinen mußten die Ereignisse seit Abschluß der Schrift (5. Okt. 1915) unberücksichtigt bleiben; ebenso die dort im,,Anhang" aufgezählten Lektoren, Lehrer der Künste und Universitätsbibliothekare.

Archiv für Kulturgeschichte. XIV. 1/2

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Weber (1718/81) war der Vater des Mediziners und Botanikers Georg Heinrich Weber (1752/1828). Dessen Sohn Friedrich (1781/1823) gehörte gleich dem Großvater zweien Fakultäten an, der philosophischen und der medizinischen, und sein Sohn Ferdinand (1812/60) war gleich Vater und Großvater Mediziner; dabei erbte sich im besonderen unter Friedrich und Ferdinand Weber die Tätigkeit als Aufseher des akademischen Krankenhauses und unter Georg Heinrich und Friedrich Weber die Fürsorge für den von ersterem errichteten Botanischen Garten fort.

In fünf weiteren Fällen finden wir den Vater und zwei Söhne bei der Kieler Universität vertreten. Dreimal sogar mit Fachgemeinschaft zwischen dem Vater und dem jüngeren Sohne. Des Theologen Christoph Franck (1642/1704) Söhne waren der Mediziner Bernhard Mattias (1667/1701) und der Theologe Wolfgang Christoph (1669/1716); des Mediziners Philipp Gabriel Hensler (1733/1805) Söhne waren der Theologe Christian Gotthilf (1760/1812) und der Mediziner Hieronymus Friedrich Philipp (1766/93), und des Philosophen Karl Leonhard Reinhold (1758) bis 1823) Söhne waren der Jurist Karl Heinrich (1788/1816) und der Philosoph Christian Ernst Gotthilf Jens (1793/1855). Dazu kommen des Theologen Johann Andreas Cramer (1723/88) Söhne, der Gräzist und Orientalist Karl Friedrich (1752/1808) und der Jurist Andreas Wilhelm (1760/1833), und des Theologen Georg Samuel Francke (1763/1840) Söhne, der klassische Philologe Johann Valentin (1792/1830) und der Jurist August Wilhelm Samuel (1805/64).

Daß der Vater und ein Sohn an der Kieler Universität lehrten, ist 23 mal zu beobachten gewesen. Hiervon 14 mal mit engerer Fachgemeinschaft. Diese zeigt sich besonders bei folgenden Persönlichkeiten: bei den Theologen Heinrich Opitz (1642/1712) und Paul Friedrich Opitz (1684/1747), die beide über Altes und Neues Testament lasen; bei den beiden Medizinern Peter Willers Jessen (der Ältere 1793/1875, der Jüngere 1820/1912), die beide Privatdozenten der Psychiatrie und beide zudem an der vom Älteren. gegründeten Nervenheilanstalt Hornheim bei Kiel tätig waren; und endlich bei den zwei Astronomen Christian August Friedrich Peters (1806/80) und Karl Friedrich Wilhelm Peters (1844/94),

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