für ein größeres Gebiet zu fertigen, etwas Geduld und Ausdauer erforderlich, die sich aber reichlich lohnt. Schon gedrucktes Quellenmaterial1) muß natürlich vor allem ausgenützt werden, wird indes kaum vollständig ausreichen. In den meisten Fällen sind archivalische Forschungen erforderlich. Häufig wird man ein aus dem späteren Mittelalter oder der Reformationszeit stammendes Verzeichnis von Gotteshäusern, wie es aus Archidiakonatsund Diözesanmatrikeln, Pfründeregistern, kirchlichen Steuerlisten, Visitationsberichten u. dgl. mühelos ausgezogen werden kann, zugrunde legen können. Von da aus wäre dann das Patrozinium der einzelnen Kirchen und Kapellen an der Hand von Urkunden und Akten2), eventuell auch Überresten (Wandgemälden mit Szenen aus dem Leben des Patrons, Inschriften, Flurnamen usw.) und unter steter Berücksichtigung der Ortsgeschichte nach rückwärts zu verfolgen. Der urkundliche Nachweis der erstmaligen Widmung einer Kirche aus Stiftungsurkunde oder Weihinschrift wird nur in ziemlich seltenen Fällen glücken.3) In der 1) Hier darf ich vielleicht auf die jetzt allenthalben erscheinenden Denkmalsinventare (,,Kunst- und Baudenkmäler") hinweisen, die auch für unseren Zweck manche wertvolle Notiz enthalten. 2) An die Herausgeber von Urkundenbüchern und ähnlichen Quellensammlungen sei hier die Bitte gerichtet, die Kirchenheiligen im Register nicht ganz zu übergehen, sondern entweder die einem bestimmten Heiligen gewidmeten Gotteshäuser unter dessen Namen zusammenzustellen (so in Willibald Hauthalers Salzburger Urkundenbuch 1 [1910] und der Ausgabe der Freisinger Traditionen von Theodor Bitterauf [1905—1909], auch in vielen Bänden der Monumenta Germaniae) oder vielleicht noch besser sämtliche Patrozinien an einer Stelle zu sammeln (so Joseph Leopold Brandstetter im Sachregister des Urkundenbuches des Stiftes Beromünster [1903—1906] 1, 415). Ein Heiligenregister ließe sich vielleicht auch den in der vorigen Note erwähnten Denkmalsinventaren beigeben. Das käme nicht bloß der Geschichtswissenschaft zugute, sondern auch der Kunstgeschichte, da solche Verzeichnisse gute Vorarbeiten zu einer immer noch mangelnden allseitig brauchbaren Ikonographie liefern würden. 3) Auch wenn solche vorliegen, ist es durchaus nicht immer leicht, aus ihnen den Hauptpatron oder die Hauptpatrone (selten mehr als zwei!) festzustellen. Es wird nämlich oft eine lange Reihe von Heiligen genannt (vgl. etwa J. Fr. Böhmer, Regesta archiep. Maguntin., bearbeitet v. Corn. Will 1 [1877], 53 n. 13; 67 n. 18; 80 n. 50f.; MG. Dipl. Karol. 1, 22 n. 16 [762] für Prüm zählt fast alle damals modernen Heiligen auf: ,,S. Salvatoris [Hauptpatrozinium] . . . s. Mariae atque... Petri et Pauli Regel wird man sich mit der erstmaligen Erwähnung des Gotteshauses und des Heiligen begnügen müssen. Am schwierigsten wird die Feststellung der Patrozinien wohl da, wo es sich um Gebiete handelt, die in der Reformationszeit die neue Lehre angenommen haben. Bei der Stellung der Reformatoren zur Heiligenverehrung überhaupt ist es nicht zu verwundern, wenn die Kirchenheiligen allmählich der Vergessenheit anheimfielen. Indessen läßt sich, wie unter anderem die Arbeiten Bosserts bewiesen haben, auch hier in der Regel der mittelalterliche Kirchenheilige noch feststellen. (Schluß folgt.) vel s. Johannis Bapt. seu et ... s. Stephani, Diunisii et Mauricii atque ... s. Martini, Vedasti atque Germani"). Nicht selten steht das Hauptpatrozinium mit oder ohne ein,,besonders dem h. N." am Schlusse, z. B. ... ecclesia s. Ferrutii in . . . Blidenstat... quam [Richolfus] in honorem .. salvatoris ... s. Marie atque s. Johannis evangeliste et s. Martini nec non Bonifacii et Ferrucii anno 812 dedicavit (Böhmer 1. c. I, 49 n. 19). Archiv für Kulturgeschichte. XIII. 1/2 4 FREMDE IM ALTEN ROSTOCK UND ALTE ROSTOCKER IN DER FREMDE. Ein Beitrag zur Geschichte des Reisens und der Bildung. VON GUSTAV KOHFELDT. Alle neueren Kulturhistoriker sind darin einig, daß das Reisen und Wandern in der Geschichte des Bildungswesens eine hervorragende Rolle gespielt hat. Georg Voigt z. B. sagt,,,das Reisen. hatte für die früheren Generationen eine Bedeutung als Bildungsmittel, die heute kaum mehr verstanden wird". Ebenso urteilen Alwin Schultz, Steinhausen und viele andere. Trotzdem hat die historische Literatur kaum irgendwelche Arbeiten aufzuweisen, die einigermaßen genau und zahlenmäßig den Umfang dieser Reisebewegungen und den Umfang der Fremdenzuwanderungen wenn auch nur für ein räumlich eng begrenztes Gebiet gestellt haben. Die durchweg dürftigen und lückenhaften Überlieferungen scheinen immer wieder von derartigen Versuchen, für bestimmte Gebiete die Bevölkerungsbewegungen zu ermitteln, abgeschreckt zu haben. fest Auch ich habe die Materialien, die ich aus der Rostocker Vergangenheit zum Teil auch für andere Zwecke Zusammengetragen hatte, seit Jahren immer wieder beiseite gelegt. Nach wiederholter Durcharbeitung und Ergänzung dieser historischen Daten bin ich aber doch mehr und mehr zu der Überzeugung gekommen, daß sie bei aller Lückenhaftigkeit dennoch das Bild der heimischen Vergangenheit in wesentlichen Punkten bereichern und vervollständigen können. Ich habe das Ganze deshalb, so gut es ging, abgerundet und geordnet und hoffe, daß es im großen und ganzen wohl einen zuverlässigen Querschnitt durch die alten Bildungs- und Wirtschaftszustände ergeben kann. Allerdings wird meine Schilderung zum großen Teil aus Zahlenreihen und trocknen Statistiken bestehen, hinter denen man nur mit sehr viel gutem Willen das wirkliche Leben wird erkennen können. Ohne dieses trockene Zahlenmaterial geht es leider nicht. Was wir aufklären und was wir wissen wollen, ist nämlich: einmal die Zahl der in die alte Rostocker Bevölkerung einströmenden Fremden sowie die Verteilung dieser auf die näheren und entfernteren Herkunftsgebiete und anderseits die Zahl derjenigen Rostocker, welche auf Geschäfts-, Bildungs- und sonstigen Reisen fremde Gegenden kennen gelernt haben, gruppiert ebenfalls nach diesen durchreisten fremden Gebieten. Alle diese oder wenigstens die erste Hälfte dieser Feststellungen würden nun leicht zu machen sein, wenn wir fortlaufende gleichwertige Quellen, wie die Bürgerlisten oder die Kirchenbücher, hätten. Nach den Bürgerlisten hat z. B. ein Bremer Historiker1) den Versuch gemacht, die Einwanderungsverhältnisse aufzuklären. Für die neuere Zeit, wo in den Bürgerbüchern die Heimat der neu aufgenommenen Bürger gewöhnlich angemerkt wird, müssen derartige Nachforschungen natürlich ein zuverlässiges Resultat ergeben. Für das Mittelalter aber lassen sich auf diese Weise im besten Falle nur ein paar große Richtlinien gewinnen. Das läßt sich z. B. erreichen, wenn man wie in Bremen, alle Namen - feste Familiennamen gibt es in dieser Zeit doch nicht heraussucht, in denen eine Ortsbezeichnung vorkommt, die man wenigstens mit einiger Wahrscheinlichkeit der Heimatsangabe gleichsetzen kann. Von solchen Namen findet man 1289-1519 in Bremen 1585 unter 13 000 Bürgereintragungen. Man hat nun festgestellt, daß ein Fünftel dieser 1585 Ortsnamenträger aus der nächsten Nachbarschaft im Umkreis von 2 Meilen, ein Fünftel aus dem Umkreis von 2-10 Meilen, ein Fünfzehntel aus dem weiteren Nordwesten usf. in Bremen eingewandert sein dürften, und man hat angenommen, daß auch die große Menge der übrigen Bürger sich nach ähnlichem Verhältnis gruppieren lassen müßte. In ähnlicher Weise ist für das mittelalterliche Butzbach) errechnet worden, daß ein Fünftel der Bürger als fremdbürtig angesehen werden müssen, und auch dort hat man weitere Schlüsse hinsichtlich der Zuwanderungsgebiete gemacht. 1) J. G. Kohl, Über die Herkunft der Bevölkerung der Stadt Bremen. (Zeitschr. f. Kulturgesch. N. F. 1, 1872, S. 37—76.) E. Otto, Die Bevölkerung d. Stadt Butzbach im Mittelalt. Diss. 1893. - Für Rostock dürfte es sich kaum lohnen, die Bürger mit Ortsnamenbezeichnung aus den Listen des Mittelalters herauszusuchen. Die Zahl der mit Sicherheit festzustellenden Herkunftsorte würde eine unverhältnismäßig kleine bleiben.1) Und man würde selten mit Sicherheit sagen können, daß der Träger des Namens selbst, nicht aber seine Vorfahren, schon in Rostock eingewandert sei. Dazu kommt, daß wir über die Zusammensetzung der Rostocker Bevölkerung in ihren ersten Anfängen im allgemeinen ohnehin ziemlich gut orientiert sind. Die Geschichte der ostelbischen Kolonisation läßt keinen Zweifel darüber, daß Rostock wie Mecklenburg überhaupt fast ausschließlich aus der Gegend zwischen Elbe und Niederrhein und zum Teil wohl auch von Holstein aus besiedelt worden ist. Die ersten Bewohner der bald nach 1200 begründeten deutschen Stadt Rostock waren also abgesehen von einigen in besonderen engen Stadtteilen noch geduldeten Slawenresten Niedersachsen, Westfalen und Ostfriesen. Von diesen wanderfreudigen und tatkräftigen Niederdeutschen, die anscheinend in großen Scharen herbeigeströmt waren, begründet, war die neue Kolonialstadt innerhalb weniger Jahrzehnte schon fast bis zu dem Umfang ausgebaut worden, den heute noch die alten Stadtmauern erkennen lassen, und der für Jahrhunderte der politisch und wirtschaftlich blühenden Stadt genügt hat. Platz für weiteren Zuzug hatten die ersten Ansiedler aber innerhalb der Befestigungen dennoch übrig gelassen. Wir erkennen dies aus verschiedenen Anzeichen, z. B. aus den geräumigen späteren Klosteranlagen. Und es ist anzunehmen, daß die Nachfrage nach Bauplätzen während der nächsten Jahrzehnte noch lebhaft genug gewesen ist, denn, wie besonders die neuen Untersuchungen von Schmaltz) festgestellt haben, hielt wenigstens in manchen Teilen von Mecklenburg die Einwanderung der west 1) Stadtarchivar Dr. Dragendorff hat ein paar Auszüge für 1421-24 gemacht. Hiernach sind die Ortsnamen nicht ganz selten, man kann aber nicht feststellen, ob erst diese Namensträger oder ihre Vorfahren schon eingewandert sind. Die Dragendorffschen Namen gehören zumeist nach Mecklenburg und der Umgebung, aber auch Schweden usw. ist vertreten. 2) Die Begründung und Entwicklung der kirchlichen Organisation Mecklenburgs im Mittelalter. (Jahrbücher d. Ver. f. meckl. Gesch. ~2, 190S. 85-270 u. 73, 1908, S. 31-176.) |