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H. Hefele - Über Methodik u. Methodologie der Geschichtswissensch. des historischen Erkennens, handeln zu dürfen, so muß demgegenüber die ausschließliche Zuständigkeit des Historikers in allen diesen Fragen mit Entschiedenheit betont werden, und der Historiker erhofft sich als das wesentlichste und schönste Resultat einer aus der eigenen Methodik gewonnenen Methodologie eine Säuberung des Rein-Historischen und eine grundsätzliche Verdrängung aller wesensfremden philosophischen, naturwissenschaftlichen und episch-künstlerischen Gesichtspunkte aus dem Bereich seiner Wissenschaft.

Ein zweites, nicht minder bedeutungsvolles Resultat einer methodologisch exakten Einstellung aber wäre eine Klärung oder wenigstens eine Neuorientierung aller der namentlich in jüngster Zeit mit einer gewissen Heftigkeit erörterten Streitfragen über den stofflichen Umfang und den methodischen Charakter der besonderen und gesonderten Forschungsgebiete innerhalb der Historie. Die Erkenntnis, daß nicht das Geschehene, sondern die historische Quelle Ziel, Gegenstand und Stoff der historischen Forschung, daß also eine Gliederung und Scheidung der stofflichen Gebiete innerhalb der Historie nur denkbar ist im Hinblick auf eine parallele Gliederung und Scheidung der Quellenkomplexe, rückt die Aufgabe des Historikers mit Bestimmtheit in das Licht einer methodologischen Einheit, der gegenüber die verschiedenen Betrachtungsmöglichkeiten der Quellen nicht mehr allzusehr ins Gewicht fallen. Denn wie auch immer das stoffliche Interesse des Historikers gerichtet sein mag, über dem methodischen Forschen des Soziologen wie des Kulturhistorikers, des Rechts- wie des Kunstgeschichtlers und aller anderen Arten jener so geflissentlich geschiedenen Bindestrich-Historiker steht als höchstes und allgemeingültiges Gesetz das Gesetz der methodologischen Alleinherrschaft der historischen Quelle und ihrer immanenten Normen und Faktoren.

BEITRÄGE ZUR PATROZINIENFORSCHUNG.

VON JOHANN DORN.1)

I.

Rückblick auf die bisherigen Forschungen.

Über keinem Gebiet unserer vaterländischen Kirchengeschichte liegt noch so viel Dunkel als über den Zeiten, in denen das Christentum seinen Einzug in die deutschen Gaue hielt. Von einigen Männern, die unseren Vorfahren das Evangelium verkündeten, sind Namen und spärliche, von Legenden überwucherte Nachrichten auf uns gekommen. Von hundert anderen, die mit dem gleichen Feuereifer für die Ausbreitung des Christentums tätig waren, fehlt uns jede Kunde. Und doch könnte kaum etwas unser Interesse in höherem Grade fesseln als eine eingehende Kenntnis der Zeit, in der sich die Christianisierung auf deutschem Boden allmählich vollzogen hat, in der die neue Religion in langen, harten Kämpfen immer mehr Anhänger zu gewinnen wußte, in der ein Kirchlein nach dem andern erstand.

Der Gegenstand war zu verlockend, als daß sich nicht bereits frühere Generationen gemüht hätten, über diesen ersten Abschnitt der deutschen Kirchengeschichte nach Möglichkeit Licht zu ver. breiten. Ich erinnere nur an C. J. Hefele, der im Jahre 1837 seine,, Geschichte der Einführung des Christentums im südwestlichen Deutschland, besonders in Württemberg" erscheinen ließ, ein für jene Zeit sehr tüchtiges Werk. Es braucht indessen wohl nicht erst bewiesen zu werden, daß die Arbeiten von Hefele und den andern, die auf den von ihm eingeschlagenen Bahnen fortfuhren, heute in vielen Punkten unzureichend sind. Die histo rische Kritik hat sich seither erfolgreich mit den Autoren und

1) Vorliegender Aufsatz entstand 1911/12 und sollte bereits 1914 in dieser Zeitschrift erscheinen. Vor der Drucklegung wurde er unter Verwertung inzwischen erschienener Arbeiten nochmals durchgesehen. Die Herren Hochschulprofessor Dr. A. Schröder (Dillingen) und Privatdozent Dr. L. Steinberger (München) stellten mir manche wertvolle Mitteilungen zur Verfügung, die Herren H. Floder und O. Schmid (München) gaben mir in Fragen, die ich fern von großen Bibliotheken nicht beantworten konnte, bereitwilligst Auskunft. Ihnen allen sei auch an dieser Stelle verbindlichst gedankt!

Urkunden der Merowinger- und Karolingerzeit beschäftigt, hat mustergültige Editionen geschaffen, hat sichere Tatsachen und spätere Zusätze, echte Quellen und Fälschungen, geschichtlich brauchbare Heiligenleben und historisch wertlose Erbauungsliteratur scharf voneinander geschieden. Dadurch hat die kirchengeschichtliche Forschung viel gewonnen. Aber ebensoviel hat sie, wenigstens für jene frühesten Zeiten, dem Umstande zu verdanken, daß sie gelernt hat, mehr als ehedem auf die ,,Überreste" zu achten. Die Profanwissenschaft ist hier vorangegangen. Und wie diese aus Dingen, an denen frühere Generationen achtlos vorübergegangen waren, aus Baudenkmälern und Ausgrabungsfunden, aus Sitten, Sagen, Liedern, aus Ortsnamen, Stadtplänen usw. wichtige Erkenntnisse gewonnen hat, so hat auch die Kirchengeschichte schon manchen Nutzen aus der Beschäftigung mit den Überresten gezogen. Aber noch lange nicht in genügendem Maße. Bisher wandte sich das Interesse fast ausschließlich einigen wenigen Gruppen dieser Überreste zu, vornehmlich den Inschriften und den Liturgien.1) Anderes wurde von der Forschung nur ge legentlich herbeigezogen, so wie es sich gerade darbot, ohne daß man sich über den Umfang und den Wert dieser Quellen und über die Grenzen ihrer Brauchbarkeit genügend Rechenschaft gab. Das gilt im allgemeinen auch von den Quellen, die den Gegenstand dieser Ausführungen bilden sollen, den Kirchenpatrozinien.

Unter Patrozinium das Wort geht zurück auf den der Sprache des römischen Rechts entlehnten Terminus,,patronus", der be reits bei Ambrosius in religiöser Umdeutung erscheint versteht der heutige) kirchliche Sprachgebrauch die Schutzherrschaft eines Heiligen über eine Kirche. Seit vielen Jahrhunderten er

1) Nahezu unbebaut ist bisher leider die Geschichte der Liturgie der meisten deutschen Bistümer geblieben.

*) Die älteren Bedeutungen des Wortes siehe bei Du Cange. Am gebräuchlichsten ist patrocinium bis weit ins Mittelalter hinein im Sinne von Reliquien eines Heiligen. Es empfiehlt sich, auch wenn vielleicht mittelalterliche Quellen die Worte gelegentlich füreinander gebrauchen, im Ausdruck streng zu unterscheiden zwischen Patrozinium im oben angegebenen Sinn und Patronat, dem aus dem Eigenkirchenwesen hervorgegangenen Kirchenbesetzungsrechte (patronatus in dieser Bedeutung kommt indes kaum vor Ende des 12. Jh. vor, vgl. meine Hinweise in Zeitschr. d. Sav.-Stift. f. Rechtsgesch., Kan. Abt., 1916).

hält nämlich fast jedes katholische Gotteshaus gleich bei seiner Einweihung einen oder mehrere Heilige zugewiesen, zu deren Ehre es in besonderer Weise1) bestimmt und unter deren besonderen Schutz es gestellt ist und nach denen es künftighin benannt wird. Jene Kirchen aber, die nicht auf ein solches Heiligenpatrozinium geweiht sind, tragen den Namen des Erlösers (Salvator), des heiligen Geistes, der heiligsten Dreifaltigkeit oder sind dem Gedächtnis des Leidens Christi (h. Kreuz, h. Blut, h. Grab) oder des Altarssakramentes (Fronleichnam, Corpus Christi) gewidmet. Die neueren Theologen bezeichnen sie als Titelkirchen. Da jedoch in der geschichtlichen Entwicklung ein Unterschied zwischen den Patrozinien im engeren Sinn und den Titeln nicht besteht, gebrauchen wir stets die Bezeichnung Patrozinien.

Bei oberflächlicher Betrachtung mag es scheinen, als ob die Kirchenpatrozinien über das Land zerstreut seien, regellos wie die Blumen auf einem Felde, als ob lediglich der Zufall es bestimmt hätte, daß diese Kirche den hl. Martin zum Patron erhielt, jene Kapelle den hl. Leonhard, daß die eine Pfarrei den Apostelfürsten Petrus als Schutzheiligen verehrte und die andere nebenan die hl. Gordianus und Epimachus. Eingehende Studien über die Entstehung der einzelnen Kirchen und vergleichende Nebeneinanderstellung verschiedener Kirchen gleichen Patroziniums haben jedoch gezeigt,,,daß auch hier nicht blinde Kräfte, sondern vernünftige Gesetze tätig gewesen sind, und daß unsere Patrozinien durchgängig in geschichtlichen Vorgängen und Einflüssen ihre Begründung haben".) Infolgedessen können wir auch umgekehrt aus dem Umstande, daß eine Kirche gerade diesen einen aus der großen Zahl der Heiligen zu ihrem Schutzherrn erhalten hat, sehr häufig wichtige Schlüsse über die Entstehung der Kirche und über die älteste Geschichte der betreffenden Gegend ziehen.

Es hat ziemlich lange gedauert, bis die Forschung diese Tatsachen wenigstens in konkreten Beispielen erwiesen und aus

1) In erster Linie wurde natürlich zu allen Zeiten jede Kirche zur Ehre Gottes erbaut. Die Verehrung Gottes aber wird nach katholischer Auffassung durch Widmung von Kirchen usw. an einzelne Heilige in keiner Weise beeinträchtigt, da die Heiligenverehrung der Gottesverehrung nicht gleichgeordnet, sondern untergeordnet ist.

Kampschulte auf S. 9 der unten (S. 13) angeführten Schrift.

letzteren gelegentlich einige allgemeinere Regeln abstrahiert hatte. Der erste, der den Kirchenpatrozinien seine Aufmerksamkeit schenkte, der erkannte, daß da für die Geschichte noch etwas zu holen sei, jedenfalls der erste, der dieser Frage eine eigene Untersuchung widmete, war Karl Heinrich Ritter von Lang.) Er veroffentlichte 1829 zu Nürnberg ein Büchlein mit dem charakteristischen Titel:,,Rede über die heiligen Schutz-Patronen der alten. Baierischen Kirchen, welche an dem Kgl. Geburts- und Namensfest den 26. August 1829 in der feierlichen Versammlung der Akademie der Wissenschaften zu München das nicht wirkliche Mitglied Karl Heinrich Ritter von Lang nicht wirklich gehalten hat." Das Schriftchen umfaßt nur 16 Seiten (40), will auch den Gegenstand durchaus nicht erschöpfen, sondern bloß auf diese neu zu erschließende Geschichtsquelle hinweisen. Das Wertvollste für uns liegt in der statistischen Zusammenstellung aller Kirchenheiligen des alten Bayerns (Ober- und Niederbayern, Oberpfalz), die bis vor kurzem die umfassendste deutsche Patrozinien-, statistik bildete. Es ist nur zu bedauern, daß Lang seine Zahlen nicht vollständig veröffentlicht hat, sondern die Heiligen, die weniger als fünfmal als Patrone auftreten, verschweigt, des weiteren, daß er Angaben über die Verbreitung der einzelnen Patro. zinien auf die verschiedenen Landstriche, wie er sie S. 6-7 für Martinus versucht, nicht beigegeben hat.

Nach diesem ersten Versuche Langs dauerte es geraume Zeit, bis sich wieder ein Forscher eingehender mit den Patrozinien befaßte. Nur gelegentlich suchte sie der eine oder andere Historiker für seine Arbeiten auszunützen2), so der Österreicher Joseph von Bergmann, der bei seinen Untersuchungen über die Herkunft

1) Die älteren Bücher über Heiligenverehrung schenken, soweit ich sehe, den Patrozinien so gut wie keine Beachtung. Von Wert ist aus der mir bekannten älteren Literatur noch die 1703 zu Paris anonym erschienene,,Topographie des Saints, où l'on rapporte les lieux devenus celebres par la Naissance, la Demeure, la Mort, la Sepulture et le Culte des Saints". Verfasser dieser ersten,, Heiligengeographie" ist Adrien Boillet. Unter den hier verzeichneten (vornehmlich französischen) Orten befinden sich viele,,Kultzentren".

2) Hefele ging in seinem eingangs erwähnten Buch nicht näher auf sie ein; doch erblickte er in ihnen (S. 306) den Maßstab, wonach sich der Einfluß, den ein Kloster ausübte, bemessen läßt.

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