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arbeitet, sò kennen wir doch keinen, der das Gebiet der Landwirthschaft in dem Umfange, den Vergil seinem Lehrgedichte gegeben hat, behandelt hätte; und wenn Vergil G. II, 176 sein Gedicht ein Ascraeum carmen nennt, so will er damit keineswegs eine Nachahmung des Hesiodus (ansässig in der boötischen Stadt Ascra) andeuten, sondern nur sagen, dass, wie Hesiodus unter den Griechen zuerst in seinen "Eoya nai uégaι Regeln und Vorschriften über Ackerbau und Landwirthschaft gab, so er in seinen Georg. unter den Römern zuerst ein Ruhm, den er G. II, 175 und III, 10 f. entschieden für sich in Anspruch nimmt diesen Gegenstand dichterisch in Prosa hatten bereits Cato und Varro darüber geschrieben behandelt habe. Vielleicht trug auch gerade die freie, durch kein ängstliches Bestreben, mit einem griechischen Vorbilde zu wetteifern, gebundene Bewegung wesentlich zu der hohen Vollendung bei, die den Georg. in solchem Maasse zuzuschreiben ist, dass Bernhardy es die glücklichste Leistung des Alterthums im Lehrgedicht nennt und urtheilt, dass weder griechische noch römische Kunstpoësie einen höheren Wohllaut in Rhythmus, Ausdruck und Adel der Gesinnung aufzuweisen habe. Der glückliche Takt des Dichters zeigt sich in diesem Werke besonders in der Anlage, in der Vertheilung und in der Behandlung des Stoffes. Dadurch, dass Vergil die ganze italische Landwirthschaft zum Vorwurfe seines Gedichtes machte, hat er sich selbst die Beschränkung aufgelegt, zur Bewältigung eines so gewaltigen Stoffes und zur Vermeidung der Ermüdung seiner Leser über manche Punkte schweigend oder nur andeutend hinwegzugehen; den Stoff selbst aber hat er geschickt so vertheilt, dass er von den niedrigsten zu immer höheren Entwicklungsstufen der Natur fortschreitet denn indem er im ersten Buche den Ackerbau, im zweiten die Baumzucht, im dritten die Viehzucht und im vierten die Bienenzucht behandelt, gewinnt er von Buch zu Buch einen interessanteren und dankbareren Stoff, dem er durch die überaus glücklich vertheilten Episoden, die von Buch zu Buch einen grösseren Umfang erhalten, und durch alle Mittel der poëtischen Ausschmückung noch grösseren Reiz zu geben gewusst hat. Verleihen diese Vorzüge dem Werke einen bleibenden Werth, so musste es für die Römer noch eine besondere Anziehungskraft durch die in der Wahl des Gegenstandes sich aussprechende echt vaterländische Gesinnung des Dichters erhalten; denn da der Ackerbau in den besseren Zeiten der

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Republik von den Römern hoch geschätzt wurde, so mussten sie in dem. Werke des Dichters das rühmliche Streben erkennen, diese zu seinen Zeiten in Folge der vieljährigen bürgerlichen Unruhen, so gänzlich vernachlässigte Beschäftigung wieder zu Ehren zu bringen.

3) Die Aeneis. Auf den Ruhm, den Vergil in seinen beiden ersten Werken für sich in Anspruch nahm, zuerst in römischer Sprache bukolische Lieder und ein Lehrgedicht über den Landbau verfasst zu haben, musste er in seiner Aeneide verzichten, denn schon manche Römer vor ihm hatten sich im Epos versucht; ja, es galt hier, hochgefeierte Dichter zu übertreffen. Die römischen Epiker vor Vergil zerfallen in zwei Classen, von denen die eine nach dem Vorgange des Livius Andronicus sich in Stoff und Form an die Griechen anschliessend den troischen Sagenkreis ausbeutete, während die andere nur die Form der homerischen Epen im Auge behielt, sonst aber gehoben und erfüllt von den Grossthaten der Römer durchaus römische Stoffe verarbeitete. So hatte der alterthümliche Cn. Naevius in saturnischem Versmaass den ersten punischen Krieg, in dem er selbst mitgefochten hatte, besungen; so hatte Ennius in seinem grossen, aus 18 Büchern bestehenden historischen Gedichte, Annales betitelt, die ganze römische Geschichte von der Landung des Aeneas in Italien an bis auf seine Zeiten (Ennius starb 585 u.) in grossartigem Römersinne behandelt. Diesen Beispielen folgend hatten viele andere Römer es versucht, einzelne Abschnitte der römischen Geschichte episch zu behandeln, oder auch sich ganz der annalistischen Form des Ennius anzuschliessen. Waren die Gesänge des Naevius und Ennius, wie sich aus den erhaltenen Resten erkennen lässt, weiter nichts als versificirte Geschichte, so scheinen auch ihre Nachfolger, von deren Werken sich fast Nichts erhalten hat, über diesen Begriff des Epos nicht hinausgekommen zu sein. Der Ruhm, unter den Römern das Wesen des Epos zuerst richtig erkannt zu haben, gebührt dem Vergil. Wohl fesselte auch ihn der schon durch die rauben Klänge an die kräftige Vorzeit erinnernde Ton des Naevius, wohl riss auch ihn der grossartige, durch die edelste Begeisterung für die Grossthaten der Römer erzeugte Schwung des Ennius hin, aber doch konnten seinem höheren Kunstverständnisse die Vorzüge des Homer nicht verborgen bleiben, und seinen reineren Geschmack musste die rohe Gewalt, welche seine Vorgänger der Sprache angethan hatten, aufs Tiefste verletzen.

Als er sich daher zu einem Epos entschloss, da setzte er sich das höchste Ziel und wollte ein Werk liefern, das zur Verherrlichung des Römerthums mehr beitragen sollte, als das Bellum Punicum des Naevius und die Annales des Ennius, in Anlage und Durchführung aber die Vorzüge der Ilias und Odyssee vereinigte. Darum wählte er den Trojaner Aeneas, dessen Landung in Latium schon von seinen Vorgängern besungen war, zum Helden seines Epos; denn in seiner durch die Sage verherrlichten pietas und virtus fand er den Grundtypus des Römercharakters vollständig ausgeprägt. Dabei bot ihm die Form, welche Homer dem Epos gegeben hatte, alle Mittel (Prophezeiungen, Gang in die Unterwelt u. s. w.), die Grösse des zur Weltherrschaft bestimmten Römervolkes im Allgemeinen wie in seinen Haupthelden zu verherrlichen. Dazu kam, dass die Wahl des Aeneas, in dessen Sohn lulus das julische Geschlecht, dem Cäsar und Octavian angehörten, seinen Stammheros verehrte, dem Dichter die passendste Gelegenheit gab, auf Octavian als den Mann hinzuzeigen, der vom Schicksal auserkoren sei, die Grösse und Hoheit des Römernamens ihrem Gipfel zuzuführen und durch Beendigung der Bürgerkriege die Römer des Gefühls ihrer Weltherrschaft froh werden zu lassen. Benutzte der Dichter endlich die Localität der gewählten Handlung, um sein beschreibendes Talent in Ausmalung von Gegenden, die allen Römern bekannt und werth waren, zu bewähren, und die Zeit, in welche er sein Epos verlegte, um den Ursprung berühmter Geschlechter in die graue Vorzeit zurückzuleiten, dieselben in ihren Ahnherren zu ehren, und römischen Sitten und Gebräuchen in jener troischen Zeit ihren Ursprung und damit ehrwürdigen Charakter zu geben, so durfte er hoffen, seinen Römern ein von echt vaterländischer Gesinnung getragenes Epos zu schaffen, auf das sie mit eben solchem Stolze blicken könnten, wie die Griechen auf die Gesänge ihres Homer.

Indem nun Vergil den Aeneas besingen wollte, führte ihn das Schicksal seines Helden zur Eintheilung seines Stoffes in zwei Hälften, von denen die eine die Irrfahrten des Aeneas, die andere seine Kämpfe um den Besitz des ihm vom Schicksal angewiesenen Latiums befasste, und somit zur Nachahmung der Odyssee in jenem, der Ilias in diesem Theile. Während er in jener ersten Hälfte seinen Stoff meist aus den griechischen Epikern, welche den troischen Sagenkreis in seinem ganzen Umfange bearbeitet hatten, zog, fand er in der zweiten

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vielfache Gelegenheit, von seiner Belesenheit in der römischen Literatur Gewinn zu ziehen; denn das Meiste von dem, was Vergil über die Kämpfe des Aeneas in Latium und von den hier bereits ansässigen Völkerschaften erzählt, ist nicht des Dichters Erfindung, sondern Resultat der Forschungen, welche besonders der ältere Cato in den Origines (s. Nep. Cat. c. 3) und der gelehrte, 727 u. gestorbene Alterthumsforscher Varro in vielen Schriften (z. B. den libris antiquitatum rerum humanarum, de vita populi Rom., de gente pop. Rom., de familiis Trojanis cet.) angestellt hatten. Offenbar war daher Homer in Bezug auf den Stoff im Vortheil gegen Vergil; denn während der trojanische Krieg im Munde des griechischen Volkes lebte und die Helden desselben durch die Sage schon zu scharf ausgeprägten Charakteren gestaltet waren, kannten wol fast nur gelehrte Alterthumsforscher die Sage von den Irrfahrten und Kämpfen des Aeneas, und es galt jahrelanges Studium und mannichfache Combinationen, um Ordnung und Zusammenhang in Notizen, die sich vielfach widersprachen, zu bringen. Um so mehr muss man das Talent des Vergil bewundern, der es verstand, den verworrenen und widerstrebenden Stoff zur Einheit eines abgerundeten Epos zu verarbeiten, und man wird, zumal wenn man bedenkt, dass er durch den Tod verhindert wurde, die letzte nach bessernde Hand an sein Werk zu legen, es ihm gerne nachsehen, dass er in manchen Punkten, besonders in dem Interesse, das der Hauptheld erweckt, und überhaupt in der Charakteristik, sein grosses Vorbild, den Homer, nicht erreicht hat.

Auch in der vergilischen Darstellung zeigt sich bei aller Nachahmung im Einzelnen eine grosse Verschiedenheit von Homer, die sowol durch die Verschiedenheit der Zeit, der beide Dichter angehörten, als auch durch den römischen Nationalcharakter und endlich durch die Eigenthümlickeit des besonders zum Beschreiben und Ausmalen hinneigenden Vergil herbeigeführt war. Während die Sprache Homer's einfach und natürlich ist, seine Gleichnisse oft nur einzelne charakteristische Züge bieten, die Reden seiner Helden durchaus nur schlichte Herzensergüsse sind, ist Vergil's Sprache durchweg gewählt und erhaben, sind seine Gleichnisse vollständig ausgeführt und sorgsam ins Detail ausgemalt, athmen seine Reden durchgängig rhetorischen Charakter. Vergil's Darstellung ist ferner im Vergleich zu der rein objectiven des Homer mehr subjectiv, d. h. die Reden und Thaten der Helden werden dem Leser nach

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dem gemüthlichen Antheile, den der Dichter selbst daran nahm, vorgeführt: darum ist die Aeneide so reich an rührenden, das Herz mächtig ergreifenden Stellen. Rechnet man dazu Vergil's tiefe Kenntniss des menschlichen Herzens, vermöge welcher er so gross in der Darstellung der menschlichen Leidenschaften ist, die Geschicklichkeit, mit welcher er einzelne Goldkörner aus den Werken der alterthümlichen Dichter Naevius und Ennius seinem Epos einzuverleiben und in würdige Umgebung zu versetzen verstand, endlich die Ausbildung, welche er der dichterischen Sprache und dem Hexameter gab, ja die Gewalt, welche er über beide übte und sie zwang, den darzustellenden Gedanken sinnlich auszumalen, wie, um nur ein Beispiel anzuführen, in dem bekannten Verse A. VIII, 596: Quadrupedante putrem sonitu quatit ungula campum so erscheint das Urtheil der Römer, welche in ihm ihren grössten epischen Dichter verehrten, hinlänglich gerechtfertigt.

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