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wenn er einiges Glück machen will, er kann nur durch Sem- 1795. pathie wirken. Daher ist es oft eine gewisse Kränklichkeit des Geistes, die einen Schriftsteller bey dem Theile des Publicams der gleichfalls damit behaftet ist, sein Glück finden läßt, ja, oft sind unsere schönen Geister nur Leute, deren ganze Kunst darin besteht, daß sie die Krankheiten ihres Geistes interessant zu machen wissen. Die Epoche der Kraftmänner wird daher immer ein Fleck in unsrer Litteratur bleiben. Der erhabenste Vorzug des Menschen ist wohl, daß er über seine Sinnlichkeit gebiethen kann, aber wie stellten unsere Genie's den Menschen dar? als ein Spiel seiner Sinnlichkeit unaufhörlich und unwiderstehlich von ihr herumgetrieben, und ihr endlich unterliegend. Das welte Größe, das sollte Kraft seyn, die zu bewundern wäre. Sie legen uns unser Auge an dem Anblicke des Unglücklichen weiden, der in Verzuckungen und Convulsionen liegt; denn er zeigt eine so übermenschliche Kraft, und das ist etwas Großes!

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Wenn nun endlich diese Kraftmänner zahm wurden, so wollten sie von nichts als von Veredlung wissen, riefen jeæem, der eine lustige Miene machte, unaufhörlich zu: hübsch artig! hübsch ehrbar! hübsch moralisch! und sprachen sogar von Kritik, die bey ihnen aber, wie es sich bald zeigte, in dem einzigen Werte Veredlung bestand. Wie nun die Verwirrung einmal so weit gekommen war, so war es wohl kein Wunder, daß die wergen Schriftsteller, bey denen Gesundheit des Geistes, wahrer Scharffinn, (tein Ahndungsvermögen,) und ächter, kritischer Geist herrscht, nicht gelesen wurden, und also schwiegen. Engel, ein Mann von brittischen Geiste, der uns die frohe Entdeckung maden ließ, daß der Deutsche, wenn er den richtigen Weg zu er Veredlung einschlägt, dem Britten ähnlich sey, wird nicht geven. Voß hat es erst in einem Zwischenraume von mehrern Fadren zu einem zweyten Theile seiner Gedichte bringen können, während Meisners Skizzen in kurzer Zeit drey Auflagen erlebt hæden. Natürlich! dem Leser ist mehr daran gelegen, sich in einen de sondern Zustand versezt zu fühlen, als sich veredelt zu sehen, und an Objectivität ist also nicht zu denken. Wenn diese erlangt werden soll, so müssen wir erst zu unsrer alten Nüchterzeit zurückkehren, und unsre schönen Schriftsteller müssen nicht bloß wnderbar bestimmte Individuen seyn. Der Tragiker muß kein tridfinniger Grübler, der Dramendichter kein weinerlicher Schwächting,

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1795. der Comiter kein possierlicher Kerl, der Heldendichter kein Renomist, der Satyriker keine boshafte Seele, der Elegiker kein Hypochondrist, der Philosoph endlich kein herz- und empfindungsloser Grübler seyn, der mit Begriffen wie im Damenbrette spielt, sondern der gesunde Geist muß die Grundlage von allem, und bey jedem derselbe seyn, und sich nur ein besonderes Object ausgesucht haben. Mögen die Zeiten doch nicht mehr fern seyn, wo dieser gesunde Geist sich in seiner Natürlichkeit und Klarheit zeigt, und mögen unsre Schriftsteller doch recht bald an Natur, Wahrheit, Ordnung und Zweckmäßigkeit glauben lernen; das wallte Dice, Irene und Eunomia.

Jakob, Annalen der Philosophie und des philosophischen
Geistes, Halle, 1795, 2., 5., 7., 9. und 12. October.

Plautus, Leffing, Schiller,

vom Rector Schmieder, zu Halle.

Ich sahe neulich eine sehr gute Aufführung des Trauerspiels Cabale und Liebe, von unserm berühmten Schiller, mit an, und das Stück reißte mich, es hinterher noch aufmerksam durchzulesen. Ich stelle es übrigens, in aller Betrachtung, unter die ersten Stücke seiner Art; Einiges aber fiel mir doch auf. Kleinigkeiten will ich nicht erwähnen, z. B. den Ausfall auf den Tübinger Nachdrucker, welche Züchtigung, mitten im Feuer der Handlung, doch wohl am unrechten Ort angebracht seyn möchte; oder, daß Lady Milford, da sie ihren wahren. Namen schreiben will, sich Johanna Norfolk unterschreibt, da sie doch, als Tochter vom Geblüte der Herzoge von Norfolk, sich Johanna Howard unterschreiben muste, weil nur eine Gemahlin oder Witwe des Herzogs selbst sich Norfolk nennen darf; oder, da die Zeit der Handlung, wegen des Verkaufs der Unterthanen nach America, in den leßten americanischen Krieg zu sezen seyn möchte, da Lady Milford drey und zwanzig Jahre alt seyn mußte, wenn man rechnet, daß sie drey Jahre Maitresse gewesen war, sechs Jahre zu Hamburg gelebt hatte, und bei der Hinrichtung ihres Vaters vierzehn Jahre alt war, daß damals ihr Vater, als Katholik, unmöglich Groß- Siegelbewahrer in

England gewesen seyn kann; oder, daß eines englischen Herzogs 1795. Tochter sich keineswegs eine geborne Fürstin nennen kann, ob sie gleich Fürstinnen gegen sich verachten mag. Das find Kleinigkeiten; der Dichter sollte aber doch wider die Sitten der Völker nicht verstoßen. Ich will auch nicht untersuchen, ob solche Charaktere, wie die des Präsidenten von Walter, und des Secretärs Wurm, die gang mit Farben der Hölle ausgemahlt sind, ein nüßliches, ja ich möchte sagen ein unschädliches Vergnügen gewähren können? und ob so ein Teufel, wie der Präsident von Walter einer war, der durch Mord seine Staffel erstiegen hatte, sich nicht lieber durch Wegräumung seiner Mitschuldigen auf derselben gesichert, als vor ihren Drohungen gebebt haben würde u. s. w.? Aber wer kann es wahrscheinlich finden, daß Louise den Brief schrieb, der einzig den tragischen Ausgang veranlaßte? Der Dichter scheint die Wahrscheinlichkeit auf zweierley zu bauen, auf des Mädchens sehr kindliche Liebe zu ihrem Vater, den sie von Todesgefahr retten will, und auf den großmüthigen Entschluß, den innigst Geliebten, um sein selbst willen, zu veranlassen, daß er selbst mit ihr breche. Allein, bei aller angenommenen möglichsten Wirksamkeit von beyden, will mir die Wahrscheinlichkeit doch gar nicht einleuchten. Louise war im Begriff, selbst zum Fürsten zu gehen, und dringend für ihren Vater zu bitten, sobald aber der Secretär Wurm den Gedanken in ihrer Seele weckt, was für einen Preis der Fürst für die Begnadigung fodern möchte, verwirft sie ihr Vorhaben augenblicklich; und doch, fast in dem nemlichen Augenblick sollte sie an einen unbekannten Höfling ein Billet doux schreiben, und sich Ansprüchen ausseßen, die ihr einfallen mußten? Soll sie geglaubt haben, daß der Höfling das Billet nicht zu sehen bekommen sollte? Das, was weder ihr versprochen, noch von ihr bedungen worden; daß es aber in die Hände ihres Geliebten gespielt werden sollte, das wurde ihr gesagt, dazu schrieb sie es. Nun nehme man ein Mädchen, die von ihrem Geliebten durch keine Beleidigung gereizt ist, die sanft und bedächtig ist, die noch in dem Augenblicke, da sie schreibt, den Major mit solcher Inbrunst liebt, als nur irgend eine Mädchenseele, die das erstemal liebt, zu lieben fähig ist, und nun sage man, ob es im mindesten wahrscheinlich ist, daß so ein Mädchen von ihrem Geliebten in Ausdrücken schreiben follte, die ihn einem unbekannten Dritten lächerlich machen musten,

1795. wenn ihr auch in ihrem Taumel von Großmuth, nichts von Spöttereien und Duellen einfiel? Noch mehr; Louisens Liebe war ganz rein, und ihre Tugend die Tugend eines Engels, wenn nun auch ihre Großmuth möglich war, was ganz der Natur einer unglücklich Liebenden zu widersprechen scheint, aus Liebe auch den lezten Hofnungsstrahl ihrer Liebe vorsäßlich in Mitternacht zu verwandeln, läßt es sich denken, daß sie, um die Liebe des Majors zu vertilgen, sich ihm als eine Lasterhafte, als eine schändliche Betrügerin gezeigt haben sollte, die sie nicht war? Welches tugendhafte Mädchen, die noch so überweiblich wünschte, ihren noch angebeteten Abgott von der Liebe zu ihr selbst abzubringen, wird dieses dadurch thun wollen, thun können, daß sie in seinem Herzen, an die Stelle der Liebe zu ihr Ueberzeugung von ihrer Nichtswürdigkeit, Verabscheuung ihres Charakters erweckt? Das ist unmöglich, dieser Gedanke kann keinem tugendhaften Mädchen ausstehlich seyn, so eine Großmuth liegt außerhalb der Grenzen der Natur. Endlich ist auch das nicht ganz wahr scheinlich, daß Louise ein frommes Mädchen, und noch mehr, eine Katholikin, sich von einem Menschen, den sie verabscheuet, überreden läßt, auf die Verschweigung einer Sache, die sie für abgefäumte Bosheit erkennt, das Sacrament mit ihm zu nehmen.

Annalen des Theaters, Berlin, 1795, 15. Heft, pag. 11—14.

Neue Thalia, herausgegeben von Schiller. 3weyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Leipzig, bey Göschen. 1792. 410 S. 8. Į Rthl. Į2 gl.

Den Anfang des vierten Stücks machen acht Gedichte von ungleichem Werth; die mit v. R. unterzeichneten nehmen sich darunter am vortheilhaftesten aus, und verrathen viel Gefühl. Das nicht vollendete philosophische Gedicht, die Seele, von Conz, hat einige glückliche Stellen; und in dem Abschiedsschreiben von Seume nimmt man Herzenserguß nicht ohne Mitempfindung wahr. Die metrische Uebersetzung des Prometheus in Fesseln von schylus ist mit dem Namen Achtsnicht unterzeichnet; und sie selbst sowohl, als die angehängten Be

merkungen geben Beweise genug, daß ihr Vf. seinen Dichter studirt 1795. hatte, und der gewiß nicht leichten Unternehmung, ihn zu übersehen, gewachsen war. Zulezt noch der Anfang einer exegetischfritischen, mit philosophischem Scharfblicke geschriebene Abhandlung: der Geist Samuels des Propheten.

Im fünften Hefte steht zuerst eine Abhandlung über die Frage: Wie weit darf sich die Sorgfalt des Staats um das Wohl seiner Bürger erstreden? vom Hrn. W. von Humbold. Sie ist noch nicht ganz vollendet. Der Verf. sucht zu beweisen, daß die wahre Vernunft dem Menschen feinen andern Zustand, als einen solchen wünschen kann, in welchem nicht nur jeder Einzelner der ungebundensten Freyheit genießt, sich aus sich selbst in seiner Eigenthümlichkeit zu entwickeln; sondern in welchem auch die phyysische Natur keine andre Gestalt von Menschenhänden empfängt, als ihr jeder Einzelne nach dem Maaße seines Bedürfnisses und seiner Neigung, nur beschränkt durch die Gränzen seiner Kraft und seiner Rechte, selbst und willkührlich giebt. In Hinsicht nun auf das ganze Bemühen des Staats, den positiven Wohlstand der ganzen Nation zu erhöhn, in Hinsicht aller Sorgfalt für die Bevölkerung des Landes, für den Unterhalt der Einwohner, theils geradezu durch Armenanstalten, theils mittelbar, durch Beförderung des Ackerbaues, der Industrie und des Handels, aller Finanz- und Münzoperationen, Ein- und Ausfuhrverboten, u. s. f. aller Veranstaltungen zur Verhütung oder Herstellung von Beschädigungen durch die Natur, kurz, in Hinsicht jeder Einrichtung des Staats, welche das physische Wohl der Nation zu erhalten oder zu befördern bestimmt ist, behauptet der Verf. daß alle diese Einrichtungen nachtheilige Folgen haben, und einer wahren Politik unangemessen seyn. Diese nachtheiligen Folgen sind, seiner Meinung nach: Einförmigkeit in dem ganzen Geiste der Nation; Schwächung ihrer Kraft, der Energie des Handelns überhaupt, und des moralischen Charakters; Herabseßung der Würde der Menschheit und ihrer freyen Entwickelung zur immer größeren Vollkommenheit. Es folgt eine sehr gute Uebersehung des Gastmahls von Plato, eines Gesprächs über die Liebe; gleichfalls noch nicht ganz geendigt. Dann, ein Paar mit Empfindung geschriebene Gedichte, deren noch zwey andre dies Stück schließen, nachdem vorher der Anfang eines Schauspiels, der leukadische Fels, mitgetheilt ist.

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