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1800.

Ogedenke denn auch, wie aus dem Keim der Bekanntschaft
Nach und nach in uns, holde Gewohnheit entsproß;
Freundschaft sich mit Macht aus unserm Innern enthüllte,
Und wie Amor zuleßt Blüthen und Früchte gebracht

u. s. w.

Ganz recht! Die Abendkühle der Beschreibung konnte in
nichts besser übergehen, als in den Nachtfrost einer Worttändelei.
Vergleichen Sie mit dieser Elegie, welche von den Schillerschen
Sie wollen, z. B. die Geschlechter:

Sieh in dem zarten Kind zwei liebliche Blumen vereinigt,
Jungfrau und Jüngling, sie deckt beide die Knospe noch zu.
Leise löst sich das Band, es entzweien sich zart die Naturen,
Und von der holden Scham trennt sich feurig die Kraft.
Gönne dem Knaben zu spielen, in wilder Begierde zu toben:
Nur die gesättigte Kraft kehret zu Anmuth zurück

u. s. w.

Welch ein Eingang gegen das „Dich verwirret!" Doch lesen und urtheilen Sie selbst. Sie werden finden, wenn Schiller uns keine Elegie gegeben hat, die Göthens Euphrosyne an die Seite gesezt werden kann, so sinkt er doch auch nie zu der Todtenkälte hinab, die Göthen in seiner Metamorphose ergreift.

Am größesten erscheint Schiller in den lyrischen Lehrgedichten, in den Worten des Glaubens, den Jdealen, den Göttern Griechenlands, dem Reich der Formen u. a. Wenn Sie beide Dichter gegen einander wägen, so vergessen Sie nicht, daß ich diese Gedichte hier, wo es nur auf eine Vergleichung der beiden Samlungen ankam, übergehen mußte, da Göthe, in diesem Bande wenigstens, keine ähnliche geliefert hat.

Die letzte Gattung, in der Beide hier zusammentreffen, ist das Epigramm; und auch hier bleiben sie ihrem oben erwähnten Hauptcharakter treu: Göthe der Natürlichkeit, Schiller der Erhabenheit. Beide fallen aber auch in die Fehler, die ihnen am nächsten lagen. Göthe empfängt seine Einfälle leicht und wirft sie mit Leichtigkeit, oft nur mit zu großer, hin; doch da er alles heraussagt, so schlüpfen oft nicht nur alltägliche, sondern auch wohl gemeine unter. Schiller macht jeden Gedanken zu einem

sorgfältigen gefeilten Gedichte: aber es widerfährt ihm auch oft, 1800. daß er einen verworrnen oder schiefen Gedanken, weil er poetische Politur annahm, durch ein Bild oder dichterische Ausdrücke herauspust, ohne daß er dadurch etwas anders werde, als ein Faux brillant. Er sagt z. B.:

Aus dem Leben heraus sind der Wege zwei dir geöffnet:

Zum Ideale führt einer, der andre zum Tod.

Siehe, daß du bei Zeiten noch frei auf dem einen entspringest,
Ehe die Parze mit Zwang dich auf dem andern entführt.

Was heißt das? Gewiß wollte der Dichter nicht sagen, daß man nicht sterbe, wenn man dem Idealischen nachstrebe; und eben so wenig wollte er empfehlen, daß man es noch vor seinem Tode thun solle: also was wollte er? Es bedürfte eines langen, langen Kommentars, um nur irgend einen Sinn hinein zu erklären, der am Ende doch nur ein sehr alltäglicher, schief ausgedrückter wäre. — Das Epigramm, der Kaufmann, endigt sich:

Güter zu suchen

Geht er; doch an sein Schiff knüpfet das Gute sich an.

Welche Wortspielerei, um zu sagen: der Handel bereichere die Nationen nicht nur, er bilde sie auch!

Göthe dagegen auch seine Epigramme führen uns zuweilen in unsaubre Gesellschaft. Seine Lacerten, seine Spelunken und die Vorgänge in den lehtern, die er im 60ften Epigramme schildert*) Ich bitte Sie dringend um Verzeihung, meine Freundin, daß ich dieser Dinge erwähnen mußte. Aber scheinen Ihnen die folgenden Einfälle sehr fein?

Dichten ist ein lustiges Handwerk, nur find' ich es theuer;
Wie dies Büchlein mir wächst, gehn die Zechinen mir fort.

Sankt Johannes im Koth heißt jene Kirche. Venedig
Nenn' ich mit doppeltem Recht heute Sankt Markus
im Koth.
Wundern kann es mich nicht, daß Menschen die Hunde
so lieben:

Denn ein erbärmlicher Schuft ist, wie der Mensch, so
der Hund.

1800.

Sind die beiden ersten Epigramme, so spricht man in allen Gassen und Gäßchen Europens den ganzen Tag in Epigrammen. Das dritte hat freilich eine schärfere Pointe; aber wir sind es dem großen Dichter schuldig, anzunehmen, es sey ihm nur aus Versehen entschlüpt. Unmöglich konnte er sonst vergessen, wie leicht man es für den Ausbruch eines sehr zerknirschten Selbstgefühls, oder einer unbändigen Arroganz ansehen könne.

Lassen Sie uns jezt noch einen Blick auf die Sammlungen im Ganzen werfen.

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Schiller hat eine strenge Auswahl unter seinen Gedichten getroffen und die aufgenommenen mit der mühsamsten Sorgfalt gefeilt. Um das hohe Verdienst seiner Selbstverläugnung ganz einzusehen, vergleichen Sie das Gedicht, die Götter Griechenlands, in seiner jeßigen Gestalt mit seiner frühern. Unzufrieden vermißt man jezt ganze Strophen, die so vortrefflich sind, daß man sich ihrer nur mit Entzücken erinnert. Vergleicht man aber genauer, prüft man, warum der Dichter sie wegschnitt, so bewundert man seinen strengen Künstlersinn mit dankbarer Hochachtung. Indeß ist es Schade, daß sie nicht in einem Anhange oder in Noten beigefügt wurden! es sind Goldspähne, die auch für sich des Aufhebens werth bleiben.

Wenn Göthe dagegen nicht nur aus seinen ältern Schriften, wenn er selbst aus den ersten Bänden der neuen, manche Gedichte dem Verleger und dem Publikum noch einmal verkauft, so muß man seine ganze Achtung für ihn aufrufen, um nicht zu denken, es habe nur ein Buch werden sollen, und sich nicht einer gewissen Bemerkung Lichtwehrs über die Nachtigall zu erinnern, die bei Nacht vortrefflich singe, bei Tage aber - Wenn er, troß der laut gewordenen Mißbilligung des beffern Publikums, die meisten Dinge, die es ehemals indignirten, wieder abdrucken läßt; wenn er am Ende gar geruhet die Leser in 32 Räthseln, Weissagungen genannt, die der Entzifferung theils nicht fähig, theils nicht werth sind, zum Besten zu haben: so werden Sie wenigstens gestehen, daß das in einem sehr vornehmen Style sammeln heißt.

*) Göthe selbst scheint wenigstens gehört zu haben, daß das Unfittliche in vielen seiner Gedichte anstößig sey. In der Elegie Herrmann und Dorothea vertheidigt er sich darüber mit dem Beispiele der Alten.

Ist denn auch das Unsittliche in ihnen nachahmenswerth? Wird das 1800. Barstige dadurch weniger garstig, daß es nicht ́originell ist?

Merkel, Briefe an ein frauenzimmer über die wichtigsten.

Produkte der schönen Literatur, Berlin, 1800, pag. 67—91.

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Bey dem Mangel an eigenen neuen Stücken von Bedeutung griffen die Theater-Unternehmer nach Überseßungen ausländischer, besonders deutscher, und bald kam es dahin, daß unsere dramatischen Schriftsteller die englischen fast ganz von ihrer vaterländischen Bühne und von den Pulten der englischen Lesewelt verdrängten. Göthe und Schiller, Kozebue und Iffland sind jezt an der Tagesordnung. Mit der doppelten Übersetzung von Schillers Don Carlos, deren eine Don Carlos, Prince Royal of Spain from the German of Fr. S. (L. Miller 1798. 327 S. 8) von dem Überseßer des Fiesco, die andre Don Carlos, a Trag. (Richardson 1798. 320 S. 8.) von einem Unbekannten herrührt, wurde die Folge der bis dahin gedruckten Schauspiele dieses Dichters in englischer Sprache vollendet. Die erstere in ungereimten Versen hat von den Eigenthümlichkeiten des Originals weniger, als die zweite in Prosa, verloren gehen laßen. Die Räuber hat der weiter oben als Vf. einer deutschen Sprachlehre für Engländer erwähnte W. Render, von neuem übersetzt, und außerdem gründet sich darauf, wie auch der Titel zeigt: The Red Cross Knights as performed at the Theatre roy, Hay Market, founded on the Robbers of Schiller, by J. G. Holman. L. Cawthorn 1799. 8. (2 sh.) wodurch Sch. viel verloren zu haben scheint. Daß jezt aus der Handschrift desselben seine neuesten Stücke von Coleridge übersetzt werden, ist bereits S. 559 dieses I Bl. erwähnt worden.

Intelligenzblatt der Allgemeinen Literatur - Zeitung, Jena
und Leipzig, 1800, 1. October.

1800.

Leipziger Theater.

Leipzig, den 28. Oct. 1800.

Wallensteins Tod ist den 19. Sept. zum erstenmal auf die Bühne gebracht, den andern Tag wiederholt, hierauf in Verbindung mit den beyden ersten Theilen des dramatischen Gedichts vom 2. bis Oct. dargestellt, und damit den 19. Oct. die Reihe der diesjäh. en Vorstellungen der Franz Secondaischen Schauspielergesellschaft, nachdem Mad. Hartwig die Abschiede rede gehalten, geschlossen worden. Hätte nur nicht Mad. Henle. (welche wohl zu der Oberförsterin in den Jägern, zur Frau Saaler im Herbsttag, zur Mamsell Stahl in dem Hausfrieden, zur Jungfer Schmalheim in der Aussteuer, so wie überhaupt zur Darstellung schier karrikaturmäßiger Geschwäßigkeit, Zierhaftigkeit und Frömmelei des betagten weiblichen Alters taugen mag) als Herzogin von Friedland selbst die gemäßigtesten Ansprüche unbefriedigt, und die sonst meist brav zusammenspielenden Schauspieler ohne Unterstüßung gelassen, und die Illusion so schmerzhaft gestört! C. A. M. Journal des Luxus und der Moden, Weimar, 1800, December, pag. 652-653.

G. Pät'sche Buchbruckerei (Otto Hauthal) in Naumburg a/S.

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