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1800. zeit der Thetis 1789; die andern Stücke von 1790-1800 find aus der Thalia und neuen Thalia, den Horen und den Schillerschen Musenalmanachen, so viel wir uns erinnern, unverändert aufgenommen. Noch manches schöne Stück fehlt hier, wie das Lehrgedicht: Die Künste, welches vermuthlich einen zweiten Band zieren wird. Gedruckt waren alle hier befindlichen Stücke, ausgenommen, so viel wir wissen, das schöne Gedicht an Göthe, als er den Mahomet von Voltaire auf die Bühne brachte.

Du selbst, der uns vom falschen Regelzwange
Zu Wahrheit und Natur zurückgeführt,
Der, in der Wiege schon ein Held, die Schlange
Erstickt, die unsern Genius umschnürt,

Du, den die Kunst, die göttliche, schon lange
Mit ihrer reinsten Priesterbinde ziert,
Du opferst auf zertrümmerten Altären

Der Aftermuse, die wir nicht mehr ehren?

Der Zwang des französ. Schauspiels sey von den deutschen Bühnen verbannt, und der Deutsche folge der freiern Spur der Griechen und Britten. Indeß heißt es weiterhin:

Es droht die Kunst vom Schauplatz zu verschwinden,

Ihr wildes Reich behauptet Phantasie,

Die Bühne will sie, wie die Welt entzünden,

Das niedrigste und höchste menget sie,

Nur bei dem Franken war noch Kunst zu finden,
Erschwang er gleich ihr hohes Urbild nie,
Gebannt in unveränderlichen Schranken
Hält er sie fest und nimmer darf sie wanken.

Ein heiliger Bezirk ist ihm die Scene,
Verbannt aus ihrem festlichen Gebiet
Sind der Natur nachläßig rohe Töne,
Die Sprache selbst erhebt sich ihm zum Lied,
Es ist ein Reich des Wohllauts und der Schöne,
In edler Ordnung greifet Glied in Glied,
Zum ernsten Tempel füget sich das Ganze,
Und die Bewegung borget Reiß vom Tanze.

Nicht Meister zwar darf uns der Franke werden,
Aus seiner Kunst spricht hier lebend'ger Geist,
Des falschen Anstands prunkende Gebehrden
Verschmäht der Sinn, der nur das Wahre preist.
Ein Führer nur zum Bessern soll er werden,
Er komme wie ein abgeschiedner Geist,

Zu reinigen die oft entweihte Scene

Zum würd❜gen Siz der alten Melpomene.

Zum Titelkupfer der Sammlung ist die Scene aus der Erzählung: Der Handschuh gewählt, wo der Ritter Delorges auf Geheiß seiner Dame einen auf den Kampfplah der Löwen und Tiger herabgefallnen Handschuh aus der Ungeheuer Mitte mit fedem Finger aufhebt.

In demselben Verlage sind erschienen:

Kleinere prosaische Schriften von Schiller. Aus mehreren Zeitschriften vom Verfasser selbst gesammelt und verbessert. Zweiter Theil. 1800. 415 S. 8. Wer wird sich nicht freuen, hier folgende durch Form und Materie sich gleich auszeichnende Abhandlungen beisammen zu finden? Über naive und sentimentale Dichtung; über Anmuth und Würde, und über die Grenzen. des Gebrauchs schöner Formen, wovon die erste und dritte zuerst in den Horen, die andere in der neuen Thalia stand. Die bis jezt noch unvollendet gebliebenen Briefe über ästhetische Erziehung an den Herzog von Augustenburg dürften für ein drittes Bändchen dieser Sammlung geeignet seyn.

Gothaische gelehrte Zeitungen, Gotha, 1800, 27. September.

Briefes.

Fünfter Brief.

Am 30sten Sept. 1800.

Ich komme jezt zu dem eigentlichen Gegenstande meines

1800.

1800.

Göthe's (Göthe'ns *)) neue Schriften, 7ter Bd.
Gedichte von Friedrich Schiller, Ister Band.

Immortal heirs of universal praise.

Pope.

Es giebt Gegenstände, meine Freundinn, über die sich nur wenig sagen läßt und von denen eben deshalb nicht genug geredet wird. Es giebt andre, die sehr vielen Stoff darbieten und daher so unmäßig übersprochen werden, daß man sich mit Widerwillen wegwendet, wo sie noch einmal untersucht werden sollen: jedermann hat schon sein Scherflein entrichtet, und glaubt also im Reinen zu seyn.

Zu diesen leztern gehören Göthe'ns Dichtertalente und die Vorzüge seiner Werke: kein Wunder, da beide so ausgezeichnet sind und er drei- oder viermal in Teutschland alles, was nur so viel Kopf besaß, schwindlicht zu werden, aber nicht genug, um dem Schwindel zu widerstehen, in seinen Wirbel hinriß und dadurch lächerlich machte. Er selbst rühmt sich: „Deutschland ahmte_mich nach **)!“ und in der That, er scheint Oberons Horn zu besigen: so gewaltig hat er gewirkt, obgleich die Dentmähler, die man seinen Wirkungen sehen könnte, schwerlich die Aufschrift: „der gesunden Vernunft!" erhalten möchten. Werthers Leiden stürzten alle Halbköpfe Teutschlands in trostlose Empfindsamkeit; Göz von Berlichingen erzeugte die Pseudo-Genialität, die Ritter-Schauspiele und Romane; als die Xenien erschienen waren, tiff und biß man in allen Winkeln, und thut es noch, da nichts leichter ist, als Anzüglichkeiten zu sagen; — und jezt hat die Unregelmäßigkeit seiner Gedichte einen ganzen Flug von Klingreimern ausgebrütet. Man behauptet sogar, sein hohes Wohlvernehmen sey es eigentlich, was jenen Klub von Kunstrichtern hervorgerufen habe, die alles, was neben Göthen oder über ihm steht, herabwürdigen und vor ihm den Staub lecken. Diese lezte Angabe ist indeß sicherlich falsch. Ein freundliches Gesicht und dann und wann eine Mahlzeit mag er den Schmeichlern wohl gewähren: man streichelt ja wohl selbst den Hund einmal, der einem entgegenwedelt! - aber er müßte kein Ehrgefühl haben, wenn ihn nicht der kriechende Ton, worin jene Leute vor ihm anbeten, indignirte. Wenigstens sähe er sich für so ein

unwürdiges Protektorat hart bestraft: ein gewisses Sonnet ist 1800. durch den Sklavengeist, der in ihm spricht, mehr eine Schmähung, als ein Lobgedicht, und macht nicht seinen Verfasser allein lächerlich.

Seh' ich auf alles das zurück, was schon über Göthe'ns Genie geschrieben wurde, so sinkt mir der Muth. Seine Anbeter scheinen es sich zur Pflicht gemacht zu haben, so oft er ein kleines mittelmäßiges Buch schrieb, in einem großen schlechten zu beweisen, daß es vortrefflich sey. Was könnte mir, selbst für den engen Raum eines Briefes, zur Beurtheilung seiner Talente übrig geblieben seyn?

Es ist an sich schwer und mißlich, ein Original-Genie zu beurtheilen. Soll man es nach Regeln thun, die vorher festgesezt wurden? Aber das Genie erkennt mit Recht keine Regel und keine Schranke, als die Natur und die Gränze des Schönen, und oft erweitert es diese mit neuen Gebieten, von denen man vorher nicht ahnete, daß sie zu ihr gezogen werden könnten und die nach ihm niemand ohne Gefahr betritt.

Soll man sich die Regeln aus ihm selbst abziehen? Dann liefe man Gefahr, von seinen übrigen Schönheiten bestochen, oft für vortrefflich anzusehen, was fehlerhaft ist; und die Regeln, die man aus den Werken eines Genies abzöge, würden immer für die Werke des andern nicht passen, da jedes mit anderem Geiste anderen Zwecken, auf anderen Wegen, entgegen strebt.

Mir fällt ein Ausweg ein. Göthe'ns Anbeter halten es für unmöglich, ein Nebenbild seiner Göttlichkeit zu finden; für ruchlos, es nur zu suchen. Ich aber, der ich, in der Literatur wenigstens, ein Atheist bin und höchstens Heroen anerkenne, ich will es muthig wagen, ihn mit Schillern zu vergleichen. Freilich sind beide unendlich von einander verschieden: nun gut! finden wir keine Ähnlichkeit, so wird die Vergleichung bestimmen, worin die Unähnlichkeit liege. Einem von ihnen übrigens die Palme reichen zu wollen, fällt mir nicht ein. Geräth die Untersuchung, so wird es der Leser selbst thun, wiewohl ich überhaupt nicht sehe, warum es nöthig ist, zu bestimmen, welcher der Größere sey. Sie sind beide sehr vorzügliche Dichter: damit genug!

eben erschienenen Sammlungen von Göthe'ns und Schillers Gedichten geben Gelegenheit zu einer solchen Vergleichung. Etwas Vollständiges freilich werden Sie hier nicht

1800. erwarten: aber auch ein bloßes Fragment kann zu Resultaten führen; und so wollen wir diese Vergleichung ohne weitere Vorbereitung mit den Romanzen und Balladen, die beide Sammlungen enthalten, anfangen. Sie kennen sie alle schon; ich brauche sie also nur zu nennen, um Ihnen ihren Inhalt erinnerlich zu machen.

Die Schillerschen sind: die Bürgschaft (die Geschichte des Damon und des Pythias); der Ritter Toggenburg; der Taucher; der Kampf mit dem Drachen; der Ring des Polykrates; die Kraniche des Jbikus; der Gang nach dem Eisenhammer. Ob auch das eleusische Fest und das Lied von der Glocke hierher gehören, bedürfte erst einer Untersuchung: sie mögen also wegbleiben. Die besten der Göthischen sind: das Veilchen; Erlkönig; der Fischer; der König in Tule; die vier Romanzen von der Müllerin; die erste Walpurgisnacht; der Zauberlehrling; die Braut von Korinth; der Gott und die Bajadere.

Scheint Ihnen nicht schon die Wahl der Gegenstände sehr charakteristisch? Schiller erzählt uns berühmte Anekdoten; Göthe wählt meistentheils nur eine bekannte romantische Idee, und verwandelt sie in eine Begebenheit, oft nur in eine interessante Situation. Schiller erregt eine historische Neugier; Göthe reizt sogleich die Phantasie auf, und durch sie das Gefühl.

Die Behandlung ist der Wahl der Gegenstände angemessen. Schiller, deffen Stoff schon ganz gegeben vor ihm liegt, hat beinahe nur die Freiheit, zu malen und Reflektionen anzustellen. Er mendet seinen höchsten Fleiß auf den Ausdruck, der bei ihm immer edel und malerisch ist; er reißt uns plößlich vor ein erhabenes Gemälde hin, das uns mit dem glänzendsten Colorit entgegenstrahlt, und uns dann durch seine Correktheit und seinen tiefen Sinn lange festhält und nachdenkend entläßt.

Göthe, der seinen Stoff selbst schuf, zählt uns, indem er immer neue Gefühle auszusprechen bemühet ist, die einzelnen Züge zu, und überläßt es unsrer eignen Phantasie, sie in Ein Bild zusammen zu setzen. Er spricht einfach, wie der wahre Ausdruck der Empfindungen immer ist, und malt nur da, wo es dienen kann, diese lebhafter zu erregen.

Beide Dichter wirken durch die Phantasie; aber der eine vorzüglich auf den Verstand, der andre auf das Herz. Ich sage: vorzüglich; denn daß keinem die Eigenschaften ganz fehlen,

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