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1800. dieser starfgezeichnete Charakter zu erfordern schien, und die hier um so wohlthuender wirkt, da man sich sonst überall mit kummergebeugten oder beengten Menschen umringt, und also in diesem Mortimer allein einen kräftigen Anhalt fand. Eine andere Frage bleibt freylich die, ob jene Heftigkeit bis zu gewissen Aeußerungen, die er sich in den lezten Momenten gegen die durch Liebe und Haß gleich grausam verfolgte Maria erlaubt, überhaupt darstellbar, ja überhaupt in der Seele des religiösen Fanatikers erregbar gewesen sey? Auf jeden Fall hat die mildernde und, um mit Aristoteles zu sprechen, reinigende Kunst hier ihre heiligen Rechte. Auch die übrigen Schauspieler wirkten ein jeder zur Kraft und Schönheit des Ganzen mit voller Anstrengung und im gehaltenen Zusammenklang, wie man es schon in dieser Kunstschule gewohnt, und bey so fortgehender Uebung nicht gemeiner Kräfte durch solche Aufgaben immer vollkommener zu erwarten berechtigt ist.

Journal des Lurus und der Moden, Weimar, 1800, July, pag. 359-362.

Tübingen.

Wallenstein, ein_dramatisches Gedicht, von Schiller. Erster und zweyter Theil. Octav S. 258 und 250. Bep Cotta.

So wenig auch die Anzeige von gewöhnlichen Theaterstücken für diese Blätter gehört, so können wir doch das Werk eines großen Meisters nicht mit Stillschweigen übergehen: ein Werk, welches vor seiner Erscheinung schon die gespannte Erwartung aller noch übrig gebliebenen Freunde der schönen Litteratur in unserm Vaterlande erregte, vor seiner Erscheinung im Drucke schon auf der Bühne aufgeführt ward, und von welchem bereits eine Uebersetzung im Englischen vorhanden war, ehe das Original in unsern Buchladen kam. Von einem Werke, das gewiß in Jedermanns Händen ist, den Plan oder einen ausführlichen Auszug zu liefern, wäre sehr überflüssig; wir wollen uns also auf einige allgemeine Bemerkungen beschränken.

Das Gedicht ist in drey besondere Stücke getheilt. 1) Wallen

stein's Lager, ein Vorspiel in gereimten Versen. Dieses soll dazu 1800. dienen, die Denkungsart des untern Theils des Heeres über den Helden, und ein Bild von den Sitten der Zeit und der damahligen Umstände zu liefern. Die Wahrheit der Darstellung, die in diesem Stücke, besonders in dem Kapuziner, herrscht, verkennen wir nicht, möchten aber fragen: ob es einer so ausführlichen Darstellung gemeiner Gegenstände (denn das Vorspiel ist lang) bedurft hätte, da wir ohne diese doch mit dem Haupthelden hinlänglich bekannt werden, auch die Haupthandlung wenig oder nicht durch das Vorspiel anschaulicher und begreiflicher gemacht wird? Bey dem Tone und der Versart des Vorspiels ist uns des Hrn. v. Göthe Jahrmarkt zu Plunderweilern eingefallen.

2) Die Piccolomini. Mit diesem Stücke in fünf Aufzügen gehet eigentlich die Handlung, Zeichnung und Entwickelung der Charaktere an. Hr. Schiller nennt sein ganzes Werk ein dramatisches Gedicht. Jeder Künstler hat zwar das unbezweifelte Recht, seinem Werke den Nahmen zu geben, der ihm der passendste scheint, aber es giebt gewisse in der Natur der Sache liegende Erfordernisse, die der gewählte Nahme nicht ändern kann. Hr. S. hat sein Werk der Bühne selbst übergeben. Wir müssen es also als für das Theater geschrieben betrachten, und dürfen verlangen, daß in einem Stücke, was die Vorstellung eines Abends ausmachen soll, die Charaktere nicht allein angelegt, der Knoten nicht bloß geschürzt werden soll, sondern sowohl Charaktere als Handlung in jedem für einen Abend bestimmten Stücke, in Beziehung auf die vorzüglichsten Personen wenigstens, völlige Entwickelung und Auflösung erhalten. Jeder Abend im Schauspielhause muß ein vollendetes Ganzes liefern, denn wenn das Publicum im Theater auch ganz aus den nähmlichen Personen, die am Tage zuvor da waren, bestehen sollte, was aber nie der Fall seyn wird; so erhält sich doch in dem langen Zwischenraume von einem Abend zum andern die gehörige Stimmung des Zuschauers nicht. Bey Shakespear's Heinrichen, so wenig auch jeder Theil für sich, noch alle zusammen genommen, ein geründetes, auf dramatischen Effect recht berechnetes, Ganzes ausmachen, kommen doch wenigstens in jedem Theile einige Hauptpersonen vor, die der Zuschauer in einem Abend ganz fennen lernt, und eine interessante Handlung, deren Anfang und Ende er in einem Abend ersiehet. Im ersten Theile Heinrich's des IV. ist es Northumberland's Verschwörung,

1800. und Hotspur's Schicksal, die das Interesse auf sich ziehen. Im zweyten Theile Heinrich's des VI. die Cabale gegen den guten Herzog von Gloucester, sein und des Cardinals Beaufort tragisches Ende. In den Piccolomini ist aber nicht Eine dramatische Handlung von Wichtigkeit beendigt. Die Charakter sind angelegt, aber Wallenstein's Charakter noch nicht einmal vollkommen entwickelt. Verwickelung ist genug da, aber die Auflösung von Allem geschieht erst in dem dritten Stücke, gleichfalls in fünf Aufzügen, in Wallenstein's Tod. Die Piccolomini haben kein Ende, aber Wallensteins Tod hat keinen Anfang; man kann weder die Charaktere, noch die Handlung recht begreifen, wenn man beide Stücke, die wegen ihrer Länge nicht in einem Abend aufgeführt werden können, von einander trennt.

Mit großem Vergnügen bemerken wir, daß die Intrigue des Ganzen bey weitem nicht so bunt, verwickelt und schwer zu faffen, wie die im Don Carlos ist; aber der Natur des gewählten Gegenstandes nach bezielet die Handlung einen großen politischen Plan, Wallenstein's Abfall vom Kaiser. Da der Verf. sich so viel, als möglich, an die Geschichte gehalten hat, so werden mehrere Veranlassungen zu dem Plan, und viele Mittel zur Ausführung desselben, die Gewinnung der einzelnen bedeutenden Officiere und die Negociation mit den Schweden dargestellt. Die Mittel zur Ausführung eines umfassenden politischen Plans sind cine Sache des schlauen, überlegenden Verstandes. Sie können also höchst selten in der Darstellung die Leidenschaften stark in Bewegung sehen. Es gehört große Kunst dazu, diese Mittel treffend zu schildern; aber ungeachtet aller angewandten Kunst wird doch die Darstellung solcher einzelnen Handlungen keinen großen dramatischen Effect hervorbringen. Was übrigens die Kunst darin zu leisten vermag, hat Hr. S. geleistet. Nach dem gewählten Plane, eine Handlung in zwey Stücken von fünf Aufzügen durchzuführen, ließ es sich voraussehen, daß die Handlung an sich nicht das größte dramatische Interesse haben konnte, weil sie nicht gedrängt genug vor sich geht, sondern durch alle Ausmahlung von Nebenumständen aufgehalten wird. Von der Darstellung der Charaktere war nach diesem Plane mehr zu erwarten, da zur Entwickelung und theatralischen Darstellung vieler Charaktere hinlänglicher Raum vorhanden war. Hier müssen wir es aber sehr bedauern, daß Hr. S. sich, was den Haupthelden, Wallen

stein, betrifft, zu sehr an die Geschichte gehalten hat. Die Wahr 1800. heit, die der Dichter nicht verlegen darf, ist nicht die historische, sondern die poetische Wahrheit. Ob der Held wirklich so war, die Handlung sich wirklich so zutrug, darum braucht der Dichter sich nicht zu befümmern. Seine Helden müssen nicht gewöhnliche Menschen seyn; wir müssen aber den Charakter leicht fassen und begreifen können, und darum muß dieser nicht so viele an= scheinende Widersprüche in sich vereinigen, wie man sie in den Charakteren in der wirklichen Welt, die uns der Geschichtschreiber darstellen soll, oft findet. Der Held des Dichters, der uns lebhaft interessiren soll, muß sich nicht so von Umständen leiten Lassen, wie Hrn. S. Wallenstein oft geleitet wird, dessen anfänglicher Plan, sich dem kaiserlichen Hose nur furchtbar zu erhalten, ein Plan, der ihn doch schon zu geheimen Unterhandlungen mit dem Feinde bewegt, erst durch die Überredung seiner Freunde, besonders der Gräfinn Terzky, die uns an Lady Macbeth erinnert, in entschiedenen Aufruhr verwandelt wird. In der wirklichen Welt lassen sich freylich die meisten auch der entschlossensten Charakter durch Umstände bestimmen, aber von dem theatralischen Helden, für den wir uns sehr lebhaft interessiren sollen, fordern wir, daß er nach einem angelegten festen Plan handle. Der Verrath, den Wallenstein an Buttler durch den nach Wien geschriebenen Uriasbrief, um seine Ernennung zum Grafen zu hintertreiben, begangen hat, ist ein empörender, kleiner, falscher Streich, wodurch uns der Held, dem wir wohl große Verbrechen, aber keine niedrige Handlung verzeihen, verächtlich wird. Wallenstein's lebhafte Freundschaft für Max, die wir erst bei der Nachricht von Maxens Tode recht gewahr werden, scheint auch mit dem aus Ehrgeiz herrührenden festen Entschluß, seine Tochter nicht an Max zu vermählen, im Widerspruche zu stehen. Auch anscheinende Widersprüche der Art werden sich in der wirklichen Welt genug finden; aber der Dichter_soll uns nicht den ganzen Menschen mit allen seinen streitenden Leidenschaften, sondern nur die vornehmsten Grundzüge schildern, weil sonst das Bild schwer zu fassen seyn, und der Total - Eindruck geschwächt wird. Sehr ausführlich werden wir mit Wallenstein's Neigung zur Astrologie bekannt gemacht; wir sehen auch wohl, daß diese Neigung eine mitwirkende Ursache zu seinen ehrgeitzigen Planen ist: allein in den recht kritischen Momenten wirkt diese Neigung doch nicht

1800. entscheidend, und uns scheint daher der aufgestellte astrologische Apparat zu groß für den Effect, den er hervorbringt. So ungern wir Vergleichungen anstellen, so müssen wir doch bemerken, daß die Wahrsagungen der Heren im Macbeth viel größere und weit besser motivirte Wirkungen hervorbringen, als Wallenstein's Anhänglichkeit an Sterndeuterey.

Octavio Piccolomini ist unserem Urtheile nach trefflich ge= zeichnet; allein es scheint doch, wie wir bemerkt haben, vielen Lesern nicht recht deutlich zu seyn, ob der Mann aus reinem Pflichtgefühl handelt, oder ob eigennüßige Neigungen bey ihm im Spiele sind. Ein großes dramatisches Interesse kann der Charakter nicht erregen, weil in seinem Betragen gegen Wallenstein Hinterlist herrscht. Da Hr. Schiller in seinem Carlos bereits den Charakter des edelsten, liebevollesten, feurigsten Jünglings dargestellt hat, den vielleicht die Bühne überhaupt aufzuweisen vermag, so war es wohl unmöglich, einen ähnlichen Charakter in gleicher Vollkommenheit zu liefern. Bey den lebhaften Bewunderern des Carlos, zu denen sich Rec. aufrichtigst bekennt, möchte also Max Piccolomini wohl nicht auf einen gleichen Beyfall rechnen können. Unter den Neben-Charakteren sind einige sehr gut gezeichnet: unsers Bedünkens nach vorzüglich Isolani und die Herzoginn.

Bey weitem die hervorstechendste Seite des Gedichts scheint uns das poetische Verdienst der Diction und die einzelnen meisterhaften Sentenzen, die vorkommen. Mit diesen ist es fast zu sehr überladen; aber es enthält deren auch zugleich einige von höchster Schönheit, sowohl in Beziehung auf Wahrheit, als Ausdruck. Das Gedicht ist eine der reichhaltigsten Gruben für Inschriften, Motto's, Denkmähler. Ausheben läßt sich davon für diese Blätter nichts, so wenig, wie von den einzelnen, die Empfindung rührenden, Stellen, wohin wir vorzüglich Marens Bild des Friedens, und Wallenstein's Klage um Max rechnen möchten. Die Sprache ist außerordentlich gefeilt, und des höchsten Meisters würdig; nur scheint uns in der Sprache mehrerer von den Hauptpersonen nicht Verschiedenheit genug, nach den Charakteren, der Bildung und den Umständen derselben, zu herrschen. Daß Max von den Erinnyen spricht, ist wohl nicht in seinem, noch in dem Charakter der Zeit; aber noch weit auffallender bleibt es, daß Buttler, der gewesene gemeine Reiter, der Laren gedenkt. Wir bemerken dieses, und haben überhaupt unsere Meinung offen gesagt, nicht

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