Billeder på siden
PDF
ePub

er doppelt an Wallenstein gebunden, an dem zuvor schon als 1800. seinem Bilde und Muster seine ganze Seele hieng. Fürchterlich ist daher sein Kampf, da er sich durch eiserne Nothwendigkeit und seine Thekla selbst aufgefordert, von dem Herzoge losreisen muß, und er weicht der Letzte unter allen vom Plaze.

[ocr errors]

Die Scene zwischen Thekla und dem Schwedischen Hauptmanne, der ihr Maxens Heldentod schildert, ist unstreitig die rührendste im ganzen Werke, und kein fühlendes Herz wird sie ohne ausbrechende Thränen lesen können. Eben so rührend und schwärmerisch schön ist der gleich darauf folgende Entschluß des Mädchens, aus dem Lager zu entweichen, und sich in dem Kloster zu begraben, worin ihr Max schlummert. Diese Tiefe, Reinheit und Macht der Empfindung, erinnern wir uns in keinem frühern Produkte des Verf. gefunden zu haben. Es ist dieselbe, die in dem bescheidenen Blümlein „Ritter Toggenburg" athmet.

Die Mörderscene zwischen Buttler, Macdonald und Deveroux ist mit fürchterlicher Wahrheit getroffen, und hat etwas Gräßlichkomisches, wobey die Natur wie auf der That ertappt ist. — Mit ihr machen die leßten Auftritte Wallensteins mit der Gräfinn, mit Gordon, Seni und dem Kammerdiener einen höchst pathetischen und erschütternden Kontrast. Hier ist Schiller wieder ganz in seiner Sphäre, wie der Adler in der Alpenluft, und man fühlt ein Par Mahle Anwandlungen von Entseßen - jenem ähnlich, die einem bey einer guten Darstellung Hamlets oder Macbeths die Haare bergan sträuben; oder im Geistersteher den Odem stillstehen machen. - Der Charakter des alten redlichen Gordons ist in ein Par Scenen so vollständig erschöpft, daß man das ganze fleckenfreye Leben des Biedermannes vor sich liegen sieht, die Heiterkeit, Ruhe und behagliche Unbefangenheit, womit sich Wallenstein noch im Momente der schrecklichen Katastrophe gegen den geängstigten Alten ergießt, zeugt von der Größe des Mannes, und bezeichnet seinen Charakter stärker, als irgend ein anderer Zug. (So sprach und schrieb Friedrich II. noch am Vorabende der großen Schlacht, von der sein Leben und seine Krone abhieng).

In der sechsten Scene des lezten Akts, wo das Schreckliche das Schwerste in der poetischen Darstellung, mit so unübertrefflicher Kunst und Zartheit behandelt wird, nahm es uns

[ocr errors]

1800. Wunder, den Umstand mit dem ermordeten Hartschier nicht be= nugt zu finden. Die Schluß-Scene zwischen Octavio und der Gräfinn muß mit besonderer Kunst gespielt werden, wenn sie gegen die vorhergehenden erschütternden Auftritte nicht zu matt abfallen soll: im Lesen wenigstens dämpft sie eher die aufgewiegelte Leidenschaft, anstatt sie auf die lezte Höhe zu treiben; und der ganz lezte Eindruck war bei uns wenigstens nicht progressiv.

Octavio, Buttler, Jllo, Isolani find gleichfalls stark ausgeführte Charaktere, deren Spiel in das Ganze der Handlung höchst interessante Scenen veranlaßt. Italiänische Falschheit, Soldateska, deutsche Derbheit, französische Jovialität greifen hier im stark maskirten Farbenwechsel in einander, und behaupten ihre oft wilde Selbstheit in jedem Zusammenstoßen des Zufalls, wie der Berechnung. Daß Octavio, nachdem die That vollbracht ist, selbe auf sein Werkzeug Buttler wälzen will

Ich hebe meine Hand auf!

Ich bin an dieser ungeheuren That
Nicht schuldig

Buttler. Eure Hand ist rein. Ihr habt
Die meinige dazu gebraucht;

Daß dieser Buttler, bey dem alle anderen Mittel fehl= schlugen, zulezt an seiner Schwäche gepackt, uud durch den Brief Wallensteins zu der ungeheuren That gewonnen wird; daß Illo bis in den letzten Hauch felsenfest ausdauert; daß Isolanis noch frische Dankbarkeit durch seinen Leichtsinn und Octavios. Ernst so schnell überwältiget wird. —

J.,,Spinnt er Verrath - Verrath trennt alle Bande;

Er that mir Gutes; doch wenn er ein Schelm ist,
Verdamm ihn Gott! Die Rechnung ist zerrissen."

Das alles sind wahre, tief aus der Seele des Menschen geschöpfte Züge, dergleichen der Psycholog viele in den Dramen des Verf. finden kann.

Zwischen den Hauptscenen liegen in beyden Stücken ein Par Neben auftritte, die weit unter die hervorragendsten Situationen des ganzen Gedichts gehören, und besonders auf dem Theater von herrlichem Effect seyn müssen. Wir meinen die erquickende

Scene zwischen dem Kellermeister, dem Adjutanten und dem Be- 1800. dienten behm Gastmahle, wodurch man gleichsam ein Beysizer des Bachanals, und nebenbey ganz in den Geist der damahligen Zeit eingeweiht wird. Ferner, die Hauptscene zwischen Wallenstein und Seni, welche den sprödesten Neuglaubigen auf Augenblicke mit der Astrologie aussöhnen muß; und dann die herrliche Erscheinung der zwölf Küraßiere, gegen die sich Wallenstein so königlich benimmt, und deren Gefreyter sie so treuherzig und entschlossen repräsentirt. Buttler tritt eben noch zur rechten Zeit dazwischen, sonst waren sie gewonnen; und diese Felsen hätten sich troß Bannbliz und Acht um ihren Feldherrn her gepflanzt. Das ganze Regiment bis auf den lezten Mann fiel bald hernach für und mit seinem Führer Max Piccolomini - und dieser Umstand wird. von Thekla höchst rührend aufgefaßt, um sie in ihrem Entschluße zu bestärken. Dergleichen Scenen sind ächte Nationalstücke, die von jedem Deutschen, der noch einigen Sinn für germanisches Gepräge hat, mit Begeisterung ergriffen werden müssen. Doch genug; deun man spricht nicht gern kalte Worte von Dingen, die man lebhaft fühlt, und in deren Gefühl man glücklich und stolz ist.

[ocr errors]

Von den Räubern an, bis zu diesem Wallenstein, sind es immer wildgroße, revolutionäre Gegenstände gewesen, worüber Schillers Genie gebrütet, und die er wie blizgespaltene Felsen aufgereihet hat. Ein solcher dreigezacter, immer höher steigender Fels ist dieser Wallenstein die gewaltige Arbeit mehrerer Jahre; dessen Ausdauer und Festigkeit mithin auch seinem langsamen Aufbaue entsprechen wird. Wie Miltons Geist, so liebt dieser das Große, das Ungeheure, das Grauenerweckende, und ist auch nie glücklicher, als wo er aus einander faltet, und dem weit geöffneten Auge, dem schwindelnden Sinne nahe bringt. Cromwell sollte man denken, müßte ein festlicher Stoff für

ihn seyn.

[ocr errors]

Welcher Fühler des Großen und Schönen sollte nicht frohlocken, wenn er vernimmt, daß uns Schiller nächstens mit einer Maria Stuart, und einer neuen Bearbeitung des Macbeth überraschen wird?

Oberdeutsche, allgemeine Litteraturzeitung, München, 1800,
31. July.

1800.

Schillers Maria Stuart in Weimar.

Weimar, d. 18. Juny.

Den 14ten und 16ten dies. M. ist das neue Trauerspiel Maria Stuart von Schiller in Jamben hier aufgeführt worden. Es bleibt billig andern Kunstrichtern die hierzu innern und äußern Beruf in sich fühlen, überlassen, die Vorzüge des Stücks selbst genauer zu beleuchten und auseinander zu sehen. Man hatte viel erwartet. Man hat sehr viel und vieles anders, als man erwartet hatte, gefunden. Darüber kann aber nur Eine Stimme seyn, daß auch durch dieß langsam gereifte Werk eines anerkannten Meisters, unsre vaterländische Literatur um ein vorzügliches Stück reicher geworden ist, zu dessen vollkommner Würdigung vielleicht das Publikum selbst noch nicht den rechten Maßstab in der Hand hat. Bey einer vollendeten Darstellung der Hauptfiguren, verbunden mit einer würdigen, der hohen Sphäre, in der sich hier alles bewegt, entsprechenden Zusammenstimmung der Nebenfiguren müßte ohnstreitig eine vollkommne in einander greifende Vorstellung dieses Trauerspiels vor einem vorbereiteten Publikum die ergreifendste Wirkung hervorbringen, wie sie auf einem modernen Theater, wo die erhabene Kunst aus jener festlichen Gottesverehrung der Griechen und Römer in spielende Kurzweil ausartete, und wo des alles mäßigende, menschliche theilnehmende Chor ermangelt, unter verwöhnten Zuschauern, die der freyen Dichtung überall nur immer das Richtmaaß der schalen Wirklichkeit anzulegen be= flissen sind, überhaupt hervorgebracht werden kann. Gewaltig verschlingt und entwickelt sich alles in dem kühn geknüpften und gelösten Knoten, der Zusammenkunft der beyden Königinnen im Schloßgarten zu Fotheringgay, wo der Dichter es wagte, die geschichtliche Wirklichkeit höhern Forderungen der dramatischen Kunst aufzuopfern. Man hat den unglücklichen Ausgang jener Unterredung der stolzen Elisabeth mit der aufglühenden Maria Stuart besonders gegen das Ende sehr hart und beleidigend gefunden; man hat aber auch die Nothwendigkeit eingesehen, gerade durch eine solche Fiktion die äußerst undramatische Unentschlossenheit der Elisabeth zu einem raschen Entschluß zu bringen, und man hat bemerkt, daß, wenn je eine solche Zusammenkunft, die, der Geschichte zufolge, Maria Stuart stets sehnlich erflehte, und Elisabeth stets listig vermied, statt gefunden hätte, sie ohngefähr

denselben Ausgang genommen haben müßte, den hier der Dichter 1800. wirklich vorzeichnet. Furchtbar waltet das Schicksal über sein Opfer, die unglückliche (aber auch schuldige?) Maria. Freunde und Feinde, alles, was sich der Bedrängten nähert, wird in seine Neze verwickelt, und vor dem Auge des unterrichteten, zitternden Zuschauers ahnungslos dem Verderben geweiht. Groß ist die Kunst des Dichters in der Gruppirung und Gegeneinanderstellung der feindlichen und freundlichen Kräfte, gewaltig ihr Aneinanderrücken in bald mahlenden und sentenzenreichen, bald fortschreitenden Dialog. Selbst die gewagten Versuche, die lyrischen Aufflüge des Chors durch jene entfesselte, leichtschwebende Poesie, womit Maria, einst selbst glückliche Dichterin, vom Klange der Hörner und Zuge der Wolken beflügelt, ihre Freyheit auf den blühenden Teppichen der Natur begrüßt, in leisem Anklang ertönen zu lassen, und uns die lezten, schreckensschwangern Momente, wo die königliche Dulderin unter dem Henkersbeil blutet, durch die Verzweiflung eines von Furien gepeinigten Höflings (!) auf eine Weise zu vergegenwärtigen, wie ein Bothe im alten. Trauerspiel durch seine Erzählung dessen, was drinnen geschieht, das Abwesende zur Anschauung zu bringen vermochte, werden für unsre durch solche Muster immer höher zu hebenden Bühne nicht verloren gehn.

Die Königin Elisabeth wurde von Dem. Jagemann mit der ihr eignen Feinheit und mit aller Erhebung zur stolzen Kälte gespielt, deren die Vielgewandte nur immer fähig ist. Viele glaubten in ihrer nur zu jugendlichen Figur ein etwas ge= schmeicheltes Portrait der betagten Maiden Queen zu finden. Ungern vermißte man auch bey der zweyten Vorstellung gewisse conventionelle Zeichen des damaligen Königs-Costumes in ihrer Kleidung. Mad. Vohs beschämte als Maria Stuart alle vorciligen Besorgnisse, und befriedigte selbst da in Anstand und Fassung durch den möglichsten Kraftaufwand, wo die höhere Aufgabe des Dichters der Phantasie einen viel weitern Spielraum überließ. Ob nicht durch eine vortheilhaftere und zeitgemäßere Costumirung auch hier einem kleinen Widerspruche mehr zu begegnen gewesen wäre, ist, da hier viel wichtigere Dinge in Untersuchung kommen, eine sehr unbedeutende Nebenfrage. Herr Vohs gab dem fanatischen Mortimer alle Heftigkeit und Energie, die Braun, Schiller. II.

25

« ForrigeFortsæt »