Billeder på siden
PDF
ePub

1795. Naturbestimmung hervorgegangen, und nur auf diese berechnet war, konnte und kann er als moralische Person nicht zufrieden seyn." (Hier frägt nun gewiß ein Jeder: in aller Welt warum denn nicht? als physisches Wesen kann ich oft Ursach haben, mit diesem Nothstaate sehr unzufrieden zu seyn, allein was hindert mich denn in ihm meine moralische Natur aufs Höchste auszubilden, und mich um mit dem V. zu reden, nach Belieben zur Gattung zu steigern? Um aber dieser Frage, die das ganze Spiel verderben könnte, zuvorzukommen, fügt der Verf. drohend hinzu: ,,und schlimm für ihn, wenn er es könnte!" Soll es aber heißen: der Mensch darf nicht zufrieden seyn, wenn er bloß legal handelt, als worauf im Staate allein gesehen werden kann, so sagt der V. etwas ganz anders und spült mir den Begriff unter den Händen weg. Quo teneam nodo vertentem Protea formas ?) „Er verläßt also mit demselben Rechte mit welchem er Mensch ist, die Herrschaft einer blinden Nothwendigkeit, (mit dem Rechte? den Augenblick vorher hatte er mit der Pflicht gedroht!) So hohlt er, auf eine künstliche Weise, in seiner Volljährigkeit seine Kindheit nach," (Sonderbar! die Menschheit muß erst mündig werden, um ein zu Recht beständiges Kind werden zu können! noch mehr: in diesem Nothstaate konnte die Menschheit wohl mündig werden, allein zu einer gehörigen Kindheit kann sie es nicht bringen!) bildet sich ein Naturstaat in der Idee, leihet sich in diesem einen idealischen Endzweck (er leihet ihn sich? ich denke, gerade dieser Zweck, der sich ihm mit Nothwendigkeit ankündigt, ist die Ursach, warum er den Staat verläßt,) wie kunstreich und fest auch die blinde Willkühr ihr Werk gegründet haben, wie anmaßend sie es auch behaupten, und mit welchem Scheine von Freyheit sie es umgeben mag," (mit welchem Schatten ficht doch hier der Verf.? Er hat es ja hier nicht mit dem Verhältnisse der Menschen zu Menschen, sondern zur Moralität zu thun. Menschen richteten den Staat nach Naturgesehen ein, aber dieselben Menschen müssen nachher, durch Vernunft aufgefordert, diesen Staat wieder aufheben, was hindert sie denn ihr eigen Werk zu stören? spielt hier nicht die blinde Willführ dieselbe Rolle, die vorhin die Noth spielte? was wollen denn diese Abstracta? ich lobe mir den Dichter meum qui pectus inaniter angit, irritat, mulcet, falsis terroribus implet, aber was ich aus einem Philosophen machen soll, der das thut, weiß

ich wahrlich nicht,) „er darf es bey dieser Operation als völlig 1795. ungeschehen betrachten. Auf diese Weise entsteht und rechtfertigt sich der Versuch eines mündig gewordenen Volks, seinen Naturstaat in einen sittlichen umzuformen." (Vorher hatte der Verf. den Menschen aus dem Naturstaat mit Gewalt herausgejagt, er sollte und mußte ihn verlassen, jezt entschuldigt und rechtfertigt er ihn, daß er es gethan.) Dieser Naturstaat widerspricht nun dem moralischen Menschen," (auf gleiche Weise? gerade in diesem Staate ist es ja, daß der Mensch sich erst seiner moralischen Natur bewußt wird.) Nun aber ist der physische Mensch wirklich, und der sittliche nur problematisch" (was ist dieß wieder? der V. wollte sagen: der sittlich gute Mensch ist noch nicht in der Erfahrung gegeben, er sagt aber: ob es so ein Ding geben könne, als ein moralischer Mensch, müssen wir dahin gestellt seyn lassen,) stellt also die Vernunft den Naturstaat auf, wie sie noth= wendig muß, so wagt sie den physischen und wirklichen Menschen an den problematischen sittlichen, (weiß der V. auch wohl was er sagt? er sagt, die Vernunft hebt den Naturstaat auf gut Glück auf, ohne gewiß zu seyn, ob der Mensch moralisch sey. Aber sie hob ja den Nothstaat deshalb auf, weil sie gewiß wußte, daß der Mensch moralisch sey,) sie nimmt dem Menschen etwas, das er wirklich besigt, und weißt ihn dafür an etwas, das er besißen könnte und sollte,“ (aber wer heißt den der Vernunft so unvernünftig zu verfahren? Wäre es wohl nicht das Natürlichste, zu sagen: daß, wenn die Vernunft einen Staat auf ihre Weise haben wolle, fie fich allgemach so weit ausbilden müsse, bis die Banden des Naturstaates sich von selbst ablösen, und der moralische Staat anbricht? warum sollen wir die Nothbrücke eher abtragen, als die neue auf den Quadern der Vernunft aufgeführt ist? Aber man sieht, daß, wenn man so denken wollte, die ganze Comödie aus seyn würde. Deshalb wagt der V. lieber einen Gedanken, bey dem sich Jeder etwas Anderes denken kann, und hüllt sich in eine räthselhafte Sprache, mit der er sich und andere täuscht.) „Das große Bedenken also ist, daß die physische Gesellschaft in der Zeit keinen Augenblick aufhören darf, während die moralische in der Idee sich bildet," (man sollte glauben, daß hier nichts zu bedenken sey,),,wenn der Künstler an einem Uhrwerk zu bessern hat, so läßt er die Räder ablaufen, aber das lebendige Uhrwerk des Staats muß gebessert werden, indem es schlägt, und hier gilt

1795. es, das rollende Rad während des Umschwunges auszutauschen.“ (Unser V. sieht bey seinen Bildern immer mehr auf das Verhältniß, daß sie zur Phantasie, als auf das, welches sie zur abgebildeten Sache selbst haben. So ist hier ein Rad, das während seines Umschwungs ausgetauscht wird, ein Bild, das die Phantasie des Lesers mit Leichtigkeit und Bestimmtheit erzeugen kann, es drückt sich in der Phantasie gut ab, allein wie ist sein Verhältniß zur abgebildeten Sache? Hätte dieß beobachtet werden sollen, so hätte es heißen müssen: das Rad des Staats muß während seines Umschwunges ausgebessert werden. Nun will das aber in die Phantasie nicht recht passen, die Einbildungskraft weigert sich ein solches Bild zu erzeugen, unser V. verläßt deshalb seinen Gedanken, eines bequemern Bildes wegen, ohne zu überlegen, ob er damit nicht etwas anderes sage, als er sagen wollte.) „Man muß also für die Fortdauer der Gesellschaft eine Stüße aufsuchen, die sie von dem Naturstaate, den man auflösen will, unabhängig macht." (Nun vermählt der V. die Freyheit mit der Natur, und der Sohn, der hier erzeugt wird, ist der Atlas, der diese neue Welt tragen soll. Ein Charakter, der halb Natur und halb Freyheit, freye Nothwendigkeit und nothwendige Freyheit ist, soll nun der seyn, der das Vicariat versehen soll. Man sieht ungefähr, was der V. sagen will: die Vernunft will, daß der Staat nach formalen Grundsäßen eingerichtet werden soll, zu einer solchen Einrichtung ist aber der Mensch im Naturstande noch nicht reif, diese Reife kann ihm durch nichts gegeben. werden, als durch die schönen Künste, die ihn, der von der Materie zu sehr angezogen wird, von ihrer Herrschaft allgemach befreyen, ihn mit einer innern Geseßmäßigkeit bekannt machen, und ihn darauf führen, sich mit dieser mehr zu beschäftigen, als er sonst wohl gethan haben würde. Die älteren Ästhetiker pflegten zu sagen: die freyen Künste heißen deshalb freye, weil sie die Freyheit der Seele beförderten. Darüber sind sie denn von einigen neuern Philosophen so gewaltig ausgepfiffen worden, daß sie sich nicht einmal getraut haben, ihre Meinung zu vertheidigen. Es ist offenbar, daß unser V. dasselbe sagt, nur mit dem Unterschiede, daß er diese Freyheit eine Vorübung der moralischen seyn. Lassen will, welches ein abentheuerlicher Gedanke ist. Besteht er darauf, so kann ihm gezeigt werden, daß seine Theorie so wenig mit Kants Philosophie übereinkömmt, daß sie ihr vielmehr ganz

entgegen ist, wie ich es denn sogleich thun werde. Hält er sich 1795. aber blos an die älteren Ästhetiker, so ist diese Abhandlung weiter nichts, als eine Ausführung des: didicisse fideliter artes etc.) Vierter Band. Der Knoten schürzt sich immer fester. „So viel ist gewiß, nur das Übergewicht eines solchen Charakters bey einem Volke kann eine Staatsverwaltung nach moralischen Principien unschädlich machen.“ Daß sie schädlich werden sollte, ist etwas ganz Ungedenkliches, sie kann ihres Zweckes verfehlen, aber das Übel ärger machen kann sie nicht. (Wenn es doch dem Verf. gefallen hätte, sich über seinen moralischen Staat näher zu erklären! Es ist verdrießlich, wenn man nur immer so ins Blaue hineingewiesen wird.) Nun folgt ein Wortkram, der ein Ansehen von Tiefe hat, die unergründlich scheint. Der ganze Gedanke ist aber falsch, wie Jeder leicht sehen würde, wenn der V. aus seinem mystischen Dunkel ins helle Licht hinausträte. Bey Aufstellung eines moralischen Staats wird auf das Sittengesetz als auf eine wirkende Kraft gerechnet, die Bestimmungsgründe des menschlichen Willens find aber immer zufällig, und der Wille des Menschen ist fren zwischen Pflicht und Neigung. (Der V. sagt in dieses Majestätsrecht seiner Person kann und darf keine physische Nöthigung greifen." Hat das wohl einen Sinn: der Mensch darf nicht: nicht frey seyn?) Wenn der Mensch also noch immer das Vermögen der Wahl beybehalten, und dennoch auf seinen Entschluß sicher gerechnet werden soll, so müssen die Triebe, die seinen Willen bestimmen, schon mit seiner Vernunft übereinstimmen, um zu einer allgemeinen Geseßgebung zu taugen. (Der Rec. dieses Journals in der A. L. 3. sagt: es sey unmöglich, in diesen Briefen den V. von Anmuth und Würde zu verkennen. [Unmöglich? man wollte ihn also gern verkennen, kann es aber nicht dahin bringen.] Freylich nicht, wer nur auch diesen Brief gelesen hat. Der Verf. jener Schrift war in die pomp= haftesten Lobeserhebungen des Kantischen Moral-Princips ausgebrochen, und hatte sich, was wohl zu merken ist, für die Lehre von der Freyheit, wie die kritische Philosophie sie aufstellt, erklärt, meint aber doch, daß Kant nur der verderbten Zeiten wegen den Bogen so hoch gespannt, und es mit der Achtung fürs Geset so gefährlich nicht sey, das Eigentliche wäre, es hübsch lieb zu haben. Nun aber beruht der Ueberzeugungsgrund von der Freyheit lediglich darauf, daß das Sittengeseß von der Art ist,

1795. daß es nicht allein nicht Neigung, sondern aller Neigung ent= gegen ist.

Es überzeugt mich also durch seine Form von dem Daseyn einer Freyheit, eine Überzeugung, zu welcher ich auf keinem andern Wege gelangen könnte. Denn, wenn ich glaube, ich bestimme mich nach einer Neigung, so ist dies eine Täuschung, die Neigung bestimmt mich; wenn ich mich aber nach etwas bestimme, was durchaus nicht Neigung ist, so bin ich gewiß, daß ich es bin, der sich bestimmt, und daß der Gegenstand nicht mich bestimmt hat. Nun überlege man ein wenig, was von einem Schriftsteller zu halten sey, der eine Überzeugung aus dem Grunde annimmt, aus welchem er sie verwirft. Der Verf. will das Sittengesetz zur Neigung machen, und nimmt doch die Freyheit an, die lediglich darauf beruhet, daß das Sittengesez aller Neigung entgegen ist. Dieselbe Inconsequenz herrscht auch hier. Er läßt dem Willen die Wahl zwischen Pflicht und Neigung, richtet es aber so ein, daß die Pflicht Neigung wird. Wo bleibt nun hier die Freyheit, und also die Moralität, wenn kein anderer Bestimmungsgrund des Willens da ist, als Neigungen? So zerstöret der Verf. sein eigenes System. Es ist zu bewundern, wie der V. dem Alles erhaben ist, sich die Erhabenheit des Sittengesezes nicht denken kann. Es ist zu besorgen, daß er es nie lernen werde; seine Phantasie hat sich an dem Prächtigen verwöhnt, und kann nur durch gewaltige Massen bewegt werden, als etwa durch Planeten-Systeme, ausgebrannte Sonnen, die unendliche Zeit u. dergl.) Nun wird das reine Jch aufgeführt. „Der reine Mensch wird repräsentiert durch den Staat. Nun Lassen sich aber zwey verschiedene Arten denken, wie der Mensch in der Zeit mit dem Menschen in der Idee zusammentreffen, mithin eben so viele, wie der Staat in den Individuen sich behaupten kann: entweder dadurch, daß der reine Mensch den empirischen unterdrückt, daß der Staat die Individuen aufhebt, oder dadurch, daß das Individuum Staat wird.“ (Ein großes Kunststück!) Hier findet nun der Verf. wieder erhabene Schwierigteiten. Die Vernunft fordert Einheit, die Natur erfordert Mannig= faltigkeit. Da nun die Vernunft diese Mannigfaltigkeit nicht rein aufheben darf, (man sieht zwar nicht ein, warum nicht? da der V. ausdrücklich sagt, daß sie die subjective Menschheit nur in dem Grade zu respectieren habe, als sie sich zur objectiven

« ForrigeFortsæt »