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wäre er gegen einen jeden verpflichtet gewesen, und es ruht 1799. offenbar Schuld auf ihm, weil er keinen Abscheu gegen das Verbrechen, welches Wallenstein ihm anvertraute, laut werden ließ. Selbst wenn er überzeugt war, daß er durch seine Offenherzigkeit sich sogleich in Lebensgefahr stürze, hätte er es thun müssen; aber als ein Bube und Bösewicht erscheint er deswegen nicht, wenn man jene Titel nicht etwa an die Menschen überhaupt, bis auf wenige Ausnahmen, vertheilen will.

Zu diesen Ausnahmen gehört Mar Piccolomini, dessen ganze Natur im Elemente reiner Sittlichkeit lebet, und welcher die Schuld seines Vaters nach ihrem ganzen Gewichte fühlt. Unter Wallensteins Fahnen hat er sich seit seiner frühen. Jugend zun Krieger gebildet, und selbst von genialischem Drang erfüllt, hat er das Genie des Herzogs sich zum Leitstern in seinem Handeln. und Wollen gewählt. Tiefe Verehrung bindet ihn an den bewunderten Feldherrn, die kindliche Liebe an seinen Vater, dessen Natur sonst das Gegentheil der seinigen. Ausserdem hat er nie eine Fessel gekannt: Natur und Erziehung im Lager haben ihn bestimmt, daß in seinen Handlungen, in seinen Worten ungezwängt sein ganzes Innres herrschen solle. Aber zugleich hat ein weiches, gefühlvolles Herz, wenn es gleich keine Nahrung im Lager fand, ihn vor kriegerischer Hoheit, sein starker sittlicher Trieb vor Lastern der zügellosesten Lebensart bewahret. Einen solchen Jüngling in dem Augenblicke darzustellen, wo die Liebe alle die schlummernden Knospen seiner Natur plöglich zum schönsten, blühendsten Leben aufhaucht, ist ein wahrhaft göttlicher Gedanke. Die Liebe verleiht seiner Natur noch ein geistigeres Leben, als sie bisher kannte, und treibt auch ihn an, die Sternenwelt zu suchen, die Heimath des bewunderten Geistes seines Feldherrn. Das schuldloseste Gefühl und verbrecherischer Ehrgeiz treffen in ihr zusammen: alles kettet den Jüngling stärker an den Helden, dessen Tochter er liebt, in dem Augenblicke, wo die Pflicht ihm zuruft, sein Herz von dem verbrecherischen Geiste desselben loszureißen.

Es muß ein hohes, holdes Wesen seyn, daß die Seele dieses Jünglings mit Liebe erfüllte. So mädchenhaft Thekla erscheint, ruht der hohe Sinn ihres Vaters auch auf ihr, nur reiner und milder, und in stillen Klostermauern haben ihre Blüthen, so wie überhaupt am Weibe alles schneller gedeiht, sich schon mehr in

1799. reife Früchte verwandeln können, als die stürmende Kraft ihres Geliebten im Geräusch des Lagers. So innig sie liebt, raubt ihr die Leidenschaft nicht, wie dem Jüngling, alle Freude an jedem andern Genusse, denn das Spiel des Lebens sieht sich heiter an, wenn man den schönen Schaß im Herzen trägt; und wenn Max nur da, wo von Sittlichkeit die Rede ist, schnell den richtigen Punkt trifft: so weiß sie mit ihrem zarten Sinne die Eigenthümlichkeit andrer Menschen schnell und treffend zu beurtheilen. 1 Wie sie im Gebiet der hohen Naturen noch etwas mehr geachtet werden muß, als ihr Geliebter: so steht die Gräfin Terzky unter den tadelnswürdigen Staturen mehrere Stufen tiefer, als Octavio Piccolomini. Es kann dem Weibe gelingen, an reiner Vollendung, an Feinheit des Urtheiles auch den vorzüglichsten Mann ein wenig zu übertreffen; aber der tadelnswürdige finkt nicht leicht so tief herab, als das Weib welches die weibliche Bahn einmal verlassen hat. Blos aus Hang zur Intrigue, aus Herrschsucht stößt die Gräfin den scheuen Feldherrn zu dem Verbrechen hin, von welchem Octavio ihn nur nicht zurückzieht. Dieser hatte so viel zu fürchten, wenn er ganz schuldlos bleiben wollte; jene aber bereitet sich nur dann Gefahr, wenn sie zum Verbrechen verführet.

Zwischen diesen Charakteren stehn Wallenstein und sein Verhängniß. Der Dichter, welcher Begebenheiten und Charaktere aus der Geschichte nimmt, braucht sich freylich nicht um die historische Wahrheit zu bekümmern; aber es bleibt doch immer ein Nebenvortheil, wenn seine Darstellung mit der Wirklichkeit übereinstimmet. Nach allem, was man aus der Geschichte Wallensteins abnehmen kann, war sein Charakter ganz so, wie ihn der Dichter dargestellt hat, ward er wirklich nur darum Verräther, weil man ihn am kaiserlichen Hofe schon als einen solchen behandelte, weil er mit dem Gedanken des Verrathes durch das Spiel mit dem= selben vertraut geworden war. Offen troß seiner Verschlossenheit, weil er die Menschen ebenso wohl verachtete, als er ihnen nicht traute; so ehern sonst sein Wille ist, unentschlossen, da er die lezten Schritte zum Verbrechen thun soll; der Furchtbare einem Aberglauben und einem Weibe unterliegend, und wiewohl er überzeugt ist, daß der Rache Stahl auch für seine Brust ge= schliffen sey, und der nicht hoffen dürfe, erfreuliches zu ärnten, wer des Drachen Zähne säet, dennoch zur Unthat fortschreitend,

weil ihm das Leben ein Nichts ist, wenn er nicht eine Welt be- 1799. wegen kann; wird uns Wallenstein freilich nur durch einzelne Stralen seines Genius bewundernswürdig, aber erregt unser Mitleid, und wir glauben fast selbst an die Nothwendigkeit, daß er ein Verräther werden müsse. Unser Bedauern ist ihm gesichert, wenn er nun als der Held der Handlung uns Schrecken und Bewunderung einflößen wird.

Wenn aus jener einfachen Beschreibung der Szenen, aus diesen Betrachtungen über die Hauptpersonen sich ergiebt, mit welchem Verstande und mit welcher Feinheit das Ganze angelegt und geordnet ist, mit welcher Kühnheit, Wahrheit und in welchent genialisch gedachten gegenseitigen Verhältnisse die Charaktere ge= zeichnet sind; wenn man die Größe der Handlung betrachtet, und ihren Einfluß auf die Begebenheiten, welche die wichtigsten für Deutschland waren; wenn man endlich den Reichthum dieses Schauspieles an zarten Empfindungen, großen Gedanken von zermalmender Wahrheit und an schönen Bildern in der treflichsten Sprache bei sich überlegt: so erwartet man von der Vorstellung dieses dramatischen Gedichtes, auch wenn sie nur mittelmäßig ist, eine unermeßliche Wirkung. Die Vorstellung desselben auf dem Berliner Nazionaltheater war im Ganzen gut, und dennoch wurde jene Erwartung keinesweges erfüllt. In wiefern einzelne Schauspieler dazu beitrugen, daß sie nicht befriedigt ward, zeigt sich vielleicht weiter unten. Aber fällt keine Schuld dabei auf den Dichter? und trägt das Publikum selbst nicht den größten Theil der Schuld?

Die Fülle der Rede ist in manchen Haupttheilen des Stückes zu reich, und deshalb scheinen bisweilen die Personen, anstatt die Handlung fortzubewegen, sich in rhetorische Uebungen zu ver lieren. Damit hängt zusammen, daß mitunter Redensarten und Bilder vorkommen, die etwas zu fremdartiges und künstliches an sich tragen, als daß sie für den Zuschauer eine belebende Kraft haben könnten. Auch wären die Ausdrücke aus fremden Sprachen, deren sich die Feldherrn bisweilen bedienen, da sie doch nur ein zufälliger Rost der Sprache jener Zeit sind, hinwegzuwünschen, weil sie sich mit den jezigen Begriffen von edler Rede nicht ganz vertragen.

Octavio Piccolomini ist die Macht, welche sich dem unBraun, Schiller. II.

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1799. geheuern Beginnen des Feldherrn und seines Anhanges, der verwegenen List der Gräfin Terzky, den Verheissungen der Sterne, gegenüber lagert. Nie fehlende Vorsicht ist sein Genius. Geseßt nun aber, in jener Stunde, da er Pilsen verlassen will, und Isolani und Buttler zu sich beschieden hat, um sich ihnen in seiner wahren Gestalt zu zeigen, wäre es ihm fehlgeschlagen, sie von Wallenstein loszureissen? Unfehlbar wäre er dann verlohren gewesen, wenn er sie nicht wenigstens hätte festhalten können, bis er glücklich aus Pilsen entkommen. Man sieht aber dazu keine Anstalten getroffen, und fühlt sich in Octavio getäuscht, indem man wohl weiß, daß seine Kenntniß vom Charakter des Isolani und Buttler einen so vorsichtigen Mann nicht des glücklichen Ausganges so sicher machen sollte, daß er sich gegen die Gefahr im entgegen gesetzten Falle nicht vorbereitet hätte.

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Endlich hat der Dichter die Größe, welche der Handlung schon beiwohnt, offenbar noch auf eine zwiefache Weise erweitert, indem er gleichsam die Geschichte des ganzen bisherigen Krieges in die Handlung hineinlegt und die äusersten Kreise der Begebenheiten uns zeigt, wodurch jene möglich wurde; und zweitens, indem er sie an den Sternenhimmel geknüpft hat. Manche historische Abschweisungen, vorzüglich aber die umständliche Beschreibung des Bechers, welcher auf die Krönung des Pfälzer Friedrich gearbeitet war, können wegen des ersten Gesichtspunktes gebilligt werden, wiewohl auch noch Nebengründe hervor springen, warum sie eingeschaltet wurden. Aber die Handlung wird durch solche Einschaltungen doch zu sehr aufgehalten, und wer mit der Geschichte nicht schon vertraut ist, faßt sie nicht einmal, wenigstens nicht während der Vorstellung. Ohne Darstellung der Astrologie konnte Wallenstein nicht dargestellt werden, und die wunderbare Größe der Handlung, welche aus ihr fließt, war nothwendig. Auch hat der Dichter alles mögliche gethan, durch den astrologischen Aberglauben nichts lächerliches auf Wallenstein fallen zu lassen. Wie schön rechtfertigt ihn Max Piccolomini, indem er seinen Grund darin findet, daß die gemeine Natur hohen Gemüthern und liebenden Herzen zu eng ist! Aber dennoch wird die Masse unsrer sogenannten gebildeten Zeitgenossen, welche sich zum Theil deshalb für aufgeklärt hält, weil sie nicht kräftig genug ist, einen großen Aberglauben zu hegen, es dem Generalissimus nicht verzeihn, daß sie glaubt, sich für gescheuter halten zu dürfen, als

um

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ihn. Die Theilnahme vieler hat er verscherzt, weil er sich der 1799. Astrologie beslissen hat.

Die Hauptursache aber, daß dieses Schauspiel nicht so aufgenommen wurde, wie man es seinem Gehalte nach erwarten sollte, liegt in dem Grundfehler der modernen Kultur, über welchen sich nur wenige erheben, daß wir weit mehr das Interesse der Neugierde, als des Kunstsinnes zu allem mitbringen. Ueber ihn ein mehreres zu sagen, würde gänzlich unnüß seyn.

3. Ueber

die Vorstellung des Schauspieles, die Piccolomini auf dem Berliner Nazionaltheater.

Ganz so wie er vom Dichter gezeichnet ist, wurde Octavio von Iffland dargestellt, nur daß dieser Meister ihn in solchen Stellen, wo es zweifelhaft ist, ob der Dichter ihn blos mit dem Verstande und nach Berechnung seines Zweckes, oder mit überfliessendem Herzen reden läßt, gänzlich in der Sprache dieses lezten nahm. Dadurch wurde die Anhänglichkeit des stets berechnenden Mannes für die alte Ordnung der Dinge und das Kaiserhaus begeisternd, und dadurch wurde es völlig begreiflich, wie er trog seiner Vorsicht das gefährlichste Amt vom Hofe übernahm. Nur wenn man das Herz Octavios über Treue gegen alte Form und alte Obrigkeit vorher laut hat reden hören, begreifft man in der lezten Szene den heftigen Ausbruch seiner Empfindung, wodurch selbst seine Fassung hinweggerissen wird:

May! May! wenn das entseßliche mich trifft,
Wenn Du

mein Sohn

mein eignes Blut
ich darfs

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Nicht denken! Dich dem Schändlichen verkaufst,
Das Brandmal aufdrückst unsers Hauses Adel,
Dann soll die Welt das schauderhafte sehn,
Und von des Vaters Blute triefen soll
Des Sohnes Stahl im gräßlichen Gefechte.

und nur auf eine solche Weise kann die Haupthandlung, Ver-
hältniß der Piccolomini gegen Wallenstein, ihre Vollendung er-

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