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1799. festgehaltener Stimme da nicht mehr wankte, wo ihn bei der ersten Vorstellung die Empfindung übernahm. Der herrliche Monolog im vierten Akte wurde mit wahrer Zufriedenheit der Zuschauer, denen nun nichts mehr davon verloren ging, durchgeführt, dürfte aber freylich selbst nach dem anhaltendsten Studium noch einer Menge neuer Details im sogenannten fleinen Spiele empfänglich seyn. Die sorgfältigste Aufmerksamkeit fordert gewiß die lehte Unterredung mit dem jüngern Piccolomini zu Anfang des fünften Aufzugs. Verliert Wallenstein hier seine Ehrfurcht gebietende Fassung auch nur einen Augenblick vor den Worten: sei ruhig Max! so steht er gedemüthigt und als ein armer Sünder vor dem Gerechten. Aber mit einer Welt voll verhaltenen Gefühls muß er mit jenen Worten losbrechen, und so kann die Scene des höchsten Effects nicht verfehlen.

Als Nebenrolle im männlichen Personal dürfen der kaiserliche Minister Questenberg und der schwedische Oberste Wrangel nicht übersehen werden. Ersterer wurde von Hrn. Becker mit aller ihm zukommenden steifen Feierlichkeit und Würde gespielt, ohne auch nur einmal an die hier so nachbarlich angränzende Carricatur zu streifen. Leztern gab uns Herr Hunnius mit aller der schwedischen Sache so wohlanstehenden Kühnheit und Festigkeit. Man wird dieser Scenen, so gegeben, nie satt werden. Der Schwede ist ein Engel des Lichts und doch für Wallenstein ein schwarzer Unglücksrabe. Man möchte sich ihn und den Questenberg als Silhouetten ausschneiden, und immer vor Augen behalten, wenn es eines Androeides der Vorzeit gälte.

Das weibliche Personal in diesem Schauspiele besteht, ausser der Herzogin von Friedland, die nur wenig zu sprechen aber in der einzigen Scene, wo sie auftritt, den ganzen Glanz der Wallensteinischen Fürstengröße anzukündigen hat, in Wallensteins Tochter Thekla, und seiner Schwester, der Gräfin Terzky. Wallensteinischer Geist webt, nach des Dichters kunstreicher Anlage, in beyden, nur in der unerfahrenen, den schüßenden Klostermauern jezt erst entkommenen Thekla mit sanfter Schwärmerey, in der intriguanten Terzky aber mit Hohn und Schadenfreude vermischt. Mlle. Jagemann gab der holden Thekla alle jungfräuliche Unbefangenheit und edle Traulichkeit in ihrer offenen Liebe, und sprach, besonders bey der zweyten Borstellung, den lezten Monolog während der im Hintergrunde zum Banquett

hervortönenden Musik mit immer steigender, auch die Zuschauer 1799. tief erschütternder Heftigkeit. Die Gräfin Terzky wurde von Mad. Teller gespielt. Diese vom Regensburger Theater neuerlich erst zu uns gekommene Schauspielerin, bewies in mehrern Stellen ihrer mit nicht geringen Schwierigkeiten in der Ausführung verbundenen Rolle, was das Publikum schon bey zwey vorhergehenden Debütrollen mit vielem Vergnügen bemerkt hatte, daß sie eine geübte Schauspielerin sey. Sie wird also auch da, wo sie noch etwas zu wünschen übrig ließ, gewiß noch tiefer in den Geist ihrer Rolle eindringen, und den Junonischen Stolz einer Frau, die den Böhmen schon einen König gab, mit allen Künsten des höhnenden Spottes und der listigen Verführung in Einklang zu bringen wissen. Sie besißt die seltene Gabe einer deutlichen Accentuation und Aussprache. Wie leicht wird es ihr werden, auch den hie und da noch zu stark betonten Accent abzuschleifen, ihrer Stimme die reinste Geschmeidigkeit, ihrem Mienenund Geberdenspiel die zarteste Mäßigung zu geben!

Als eine Erscheinung, die allen Schauspielern zum Lobe gereicht, ist noch der richtige Vortrag des in Jamben gearbeiteten Stücks anzumerken. Fast alle bewegten sich in diesen sehr kunstreichen Kothurnen mit einer natürlichen Leichtigkeit und zwang= losen Angemessenheit, die bey einer so ungewohnten Aufgabe wahre Achtung verdient, und wo auch noch Forderungen unerfüllt blieben, wenigstens für die Zukunft von der glücklichsten Vorbedeutung seyn kann. Denn nur in gebundener Rede ist die wahre Schule der höhern Theaterdeclamation. Nur durch gebundene Rede kann dem so schnöde unter uns herabgewürdigten Trauerspiele geholfen und ein neuer Lebens-Odem eingeblasen werden.

Mit großer Kunst und Wahrheit war das Costüm der Hier spielenden Personen gewählt und eingerichtet worden. Der kaiserliche Kriegsrath und Kammerherr von Questenberg flößte in seiner spanisch-teutschen Hofgala mit den bis zur Schulter geschlitten und herabhängenden Ermeln des Oberkleides, seinem aus Drap d'or gefertigten Schlizwams und bauschend unterbundenen Hautdechausses nicht Gelächter sondern Achtung ein. Es war die treuste Copie nach einer wahren Antike aus jenem Zeitalter. Eben dieß galt von dem Prachtgewande der Herzogin und der sämmtlichen Generale, welche nach vorliegenden Mustern

1799. sorgfältig ausstudiert worden waren. Man kann sich daher keinen imposantern Anblick denken, als die Audienz, die Wallenstein dem kaiserlichen Abgesandten giebt, wo die sämmtlichen Generals in mahlerischer Abwechslung damaliger Uniformen im Halbkreise herumsißen. Auch die Tracht des schwedischen Obersten im schwarzen Waffenrock und herabgekrempten Federhuth gab der ganzen Figur eine lebendige Wahrheit, und seßte sie allen übrigen des Wallensteinischen Lagers auffallend entgegen. Uebrigens findet auch die Decorationsmalerey in dem von der Thekla so ahnungsvoll augekündigten astrologischen Thurm zu Anfange des vierten Aufzugs einen weiten und auf Verstärkung des sinnlichen Eindrucks wohlberechneten Spielraum.

Böttiger.

Journal des Lurus und der Moden, Weimar, 1799, februar,

pag. 89-97.

Die Piccolomini, Schauspiel in fünf_Aufzügen von

Schiller.

Unsere Leser werden uns gewiß entschuldigen, wenn wir unser Urtheil über dies Stück so lange zurückhalten, bis die Fortsehung hier dargestellt ist oder lieber so lange, bis das Ganze im Druck erschienen, und wir uns durch anhaltendes gründliches Studium in den Sinn des Dichters hineingearbeitet haben. Ein lautes voreiliges Urtheil über ein Werk, an welchem ein Mann wie Schiller, mehrere Jahre gearbeitet, ist die größte Beleidigung des Dichters und die größte Sottise, welche man sich selbst sagen kann. Ein einstweiliges Urtheil ist so gut als gar feines, oder vielmehr schlimmer. Denn ob wir gleich glauben, schon jetzt das poetische, historische, politische Interesse ziemlich zu unterscheiden, und die Idee, von der der Dichter ausgegangen, nicht zu verkennen; ob wir gleich hoffen, die Maffen und Hauptmomente, die Motive und Contraste, das Ausgeführte und Angedeutete ziemlich zu klassificiren; so werden wir nie vergessen, daß das gegenwärtige Stück Bedingung ist, und daß nur erst die Fortsehung das Recht giebt, aufsteigende Zweifel zu äußern, bis dahin aber die Achtung befiehlt, sie zu unterdrücken.

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Schlimm ist es, daß aus uns unbekannten Gründen, das Vor- 1799.
spiel, welches wir nur aus der allgemeinen Zeitung kennen, hier
nicht dargestellt worden. Es scheint historisch und poetisch noth-
wendig zu seyn jenes der Fakta wegen, auf welche in diesem
Stück angespielt wird; dies des bunten Colorits wegen, durch
welches es die ernste große Welt sehr gut vorbereitet, in welcher
die beiden lezten Stücke sich drehen.

Rambach und Feßler, Berlinisches Archiv der Zeit und ihres
Geschmacks, Berlin, 1799, März, pag. 244, 245.

Über das Schauspiel, die Piccolomini, und die Vorstellung desselben auf dem Nazionaltheater zu Berlin.

1.

Wallensteins Leben bis zum Anfange der Handlung. pag. 278-287.

2.

Über das Schauspiel die Piccolomini.
Erzählung des Inhalts der Piccolomini
pag. 288-300. Sodann:

Obgleich hier der Faden der Geschichte Wallensteins abgerissen ist, so bildet dennoch dieses Schauspiel ein Ganzes für sich; denn nicht das Schicksal jenes Feldherrn, obgleich die Frage, wie er zum Verräther wurde, hier völlig beantwortet ist, war der herrschende Gegenstand desselben; sondern es sollte in ihm die Aufgabe gelöset werden, auf welche Weise zwei so verschiedene Charaktere, wie Vater und Sohn Piccolomini, auf das Schicksal des Generalissimus wirken müssen. Dieser ist daher zwar der Mittelpunkt, um welchen sich alles bewegt; aber die Theilnahme für ihn darf doch nicht überwiegend seyn, weil er nur eine untergeordnete Rolle spielt, und auf die Piccolomini muß der Blick vorzüglich gerichtet werden. Durch ungemeine Kunst des Dichters ist dies wirklich geschehn, und meisterhaft ist jene Unterredung zwischen den Piccolomini zur letzten Scene gewählt, denn durch fie wird endlich ganz entschieden, welche Stellung dieselben gegen

1799. Wallenstein und sein Verhängniß genommen haben. Wer unbefriedigt durch dieses Schauspiel bleibet, hat es seinem Wesen nach mißverstanden.

Voll Abneigung gegen alles, was den gewöhnlichen Gang der Dinge überschreitet, und selbst auf dem Mittelwege welchen er stets sucht, nie von der Vorsicht verlassen; schon deshalb ohne Sinn für Genialität, schon darum den alten engen bürgerlichen Ordnungen hingegeben, aber mit ganzem Herzen denselben auch deshalb zugethan, weil er nur in ihrem Ansehn Gewicht gegen Willkühr und Tyrannei sieht, nur durch sie noch eine Freiheit möglich glaubt, die er in seinem eignen Busen nicht findet; nicht enthusiastisch für reine Sittlichkeit, aber weit von dem Gedanken entfernt, ein Bubenstück zu verüben, sogar traurend über die Verfettung der Dinge, wodurch die böse That andrer auf unser Handeln so wirkt, daß wir, um nicht durch sie unterzugehn, uns nicht kinderrein erhalten können, und deshalb in dem festen Glauben, daß Verstellung ein nothwendiges übel, und Meister in ihr zu seyn, ein großer Gewinn sei, mit welchem Tugend wohl bestehn könne: so steht Octavio Piccolomini dem Generalissimus gegen= über, welcher durch den astrologischen Aberglauben mächtig zu ihm gezogen wird. Sein Wohlwollen und Vertrauen flieht den= selben aber in gleichem Grade. Ein Mann, wie dieser, welcher nicht nur auf der Erde alle alte Ordnung gering achtet und zerstört, sondern schwindelnd die Ordnung des Himmels zu neuer Verwirrung mißbraucht, welcher selbst seine Verstellung durch jähe Leidenschaften zu allen Stunden unterbricht, ein solcher Mann mußte ihm nach seiner ganzen Natur zuwider seyn. Er hat das Vertrauen des Herzogs gemieden, und darum glaubt er gar keine Verbindlichkeit zu haben, die ungesuchte Freundschaft desselben mit offnem Wohlwollen zu erwiedern. Verstellung gegen denselben dünkt ihn sogar Pflicht, da er ihn einem Verbrechen nahe glaubt; und ihn zu umgarnen, sobald das Verbrechen wirklich begangen, der Verrath beschlossen und schon zum Theil vollzogen war, dazu wird er von allem getrieben, was ihm heilig und werth ist. Schon sein Gehorsam gegen den Kaiser, welcher ihn auffodert, den Verrath zu Schanden zu machen, wäre für ihn Bewegungsgrund genug gewesen. Zu dem Versuche, den Herzog vom Verbrechen zurückzuhalten, hatte er sich nicht schuldig geglaubt, weil er keine Freundschaft für ihn fühlt. Aber dazu

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