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I. Epistel. Im ersten und zweiten Stücke. Unser Publi- 1795. cum räth und räth, was hier gedeutet seyn möge. Pindar sagt wenigstens vorher, wenn er etwas Dunkles sagen will: jest schaffe dir Oedipus Weisheit an“ unser Dichter giebt aber seine Räthsel ohne ein solches Wahrzeichen dem Publicum aufzulösen. Mag es sich damit quälen! Der Dichter schließt seinen lezten Hexameter, und zieht mit einer mystischen Verbeugung ab, damit man ihm nachstaune.

II. Briefe über die ästhetische Erziehung des Menschen. Im ersten und zweyten Stücke. Man würde sich sehr irren, wenn man hier etwas für Erzieher erwartete. Der Verf. hat es mit dem ganzen Menschengeschlechte zu thun. Lessing, von dem die Idee von der Erziehung des Menschengeschlechts genommen ist, nennt ausdrücklich das Menschengeschlecht, unser Verf. aber, als Original, bindet sich an seinen Vorgänger nicht. Er will die Erziehung des Menschengeschlechts durch Ausbildung des Gefühlvermögens vorgenommen wissen. Unser Verf. hat sich eingebildet, daß man nur durch Schönheit zur Freyheit wandere, und diesen Gedanken führt er hier eigentlich aus. Zwar kann man ein bestimmtes Thema nicht eigentlich angeben, denn bey unserm Verf. heißt es: man weiß wohl wann man ausgeht, aber nicht, wann man ankommt. Denn wenn ihm in seiner Begeisterung ein anderes Bild vorkömmt, oder ihm aus seiner Lectüre ein interessanter Gedanke einfällt, mit dem er einen Brief pomphaft endigen, und wodurch er den Vorhang mit einem tableau fallen lassen kann, so nimmt er ihn auf, bildet ihn aus, indem er ihn ein paar Mal durch die Phantasie jagt, und auf diese Weise erhalten wir ein zweytes und ein drittes Thema. Der Verf. sollte sich wenigstens erinnern, daß man die Einheit der Handlung beobachten müsse. Alles was ein Rec. hier thun kann, ist die Entstehungsart eines solchen Auffahes anzugeben, denn ein Inhalt wird sich nicht gut angeben lassen, indem die Scene alle Augenblick verändert, und mitten im Spiele andere Culissen eingeschoben werden. So viel kann man sagen, daß der Inhalt größtentheils aus Kantischen Ideen besteht, deren wahren Sinn einzusehen, es aber dem Verf. an Nüchternheit und Ueberlegung fehlte, die er aber dennoch brauchen zu können glaubte, weil sie, wenn sie durch Uebertreibung zu einer_abendtheuerlichen Carricatur verzerrt worden sind, dazu dienen können,

1795. das Gemüth des unerfahrnen Lesers in Erstaunen zu verseßen, und ihm eine abergläubische Ehrerbietung gegen den V. abzunöthigen. Bey der unbestimmten Vorstellung, die unsere Kritiker selbst von der Darstellung haben, hat man sich noch immer den Ausdruck erlaubt, philosophische Darstellung. Selbst Kant, der sonst die Worte so genau nimmt, spricht von Humens unübertrefflicher Darstellungskunst. Es darf uns also nicht Wunder nehmen, wenn ein phantasiereicher Kopf auf den Gedanken kam, daß er noch ganz anders darstellen wolle, als der nüchterne David Hume, der ein Buch, wie das Trauerspiel: die Räuber, wohl hätte ungeschrieben lassen sollen. So bildete fich denn der Gedanke, Kantische Ideen darstellen zu wollen, ein Gedanke, der an Seltsamkeit durch nichts übertroffen wird, als durch die Ausführung deffelben. Die Wahrheiten mit denen Kant die Welt erleuchtet hat, und die in ihrer himmlischen Einfalt so herrlich dastehen, sind hier mit den Attributen einer regellosen Phantasie ausstaffiert, und so verunstaltet worden, daß man es nicht ansehen kann, ohne daß es einem im Herzen wehe thut, und daß man mit Verdruß und Unwillen gegen den ungebetenen Verschönerer angefüllt wird. Gewiß bleibt der große Urheber der Kritik bey den wüthigen Angriffen gegen seine Philosophie ruhig und ungestört, allein es schmerzt und kränkt ihn gewiß, wenn er sieht, daß sich ihm Leute zu Freunden aufdrängen, denen an seiner Philosophie weiter nichts gefällt, als das Paradore, weil es, ohne daß sie es zu verstehen und zu ergründen brauchen, ihrer erschöpften Phantasie einen neuen Stoff liefert, an dem sie sich thätig beweisen kann, und weil sie dann bey den Schwachen im Publico damit paradieren können. Wenn das Publicum dazu schweigt, und öffentliche Beurtheiler dazu zu schweigen ihren Grund haben mögen, so wird doch wohl wenigstens der Eine oder der andere gefunden werden, der seinen Unwillen laut an den Tag legt, einen solchen Schriftsteller in seine Grenzen zurückweißt, und ihn bedeutet, daß er treiben möge, was seines Geschäffts sey.

Uebrigens sind diese Briefe, wie der V. zu verstehen giebt, an einen Mann gerichtet, zwischen welchem und ihm die Verhältnisse im bürgerlichen Leben eine große Kluft befestigen. Auch hieraus erklärt sich, wie der Verf. immer so starr und steif daherschreitet, und daß seine Philosophie eine so vornehme Miene

macht. Sie sondert sich aus dem Haufen der Alltags-Philosophien, 1795. welche nichts als die nackte Wahrheit suchen, mit welcher sich der Pöbel behelfen mag. Der alte Euclid, der der Meinung war, daß die Wahrheit keinen absonderlichen Zugang zu gekrönten Häuptern habe, war ein unartiger grober Mann, ein litterarischer Sansculotte, von unserm Verf. hätte er lernen sollen, wie man mit Fürsten philosophiren müsse !

Eine ausführliche Beurtheilung dieser Briefe würde ein ganzes Buch erfordern, denn es ist hier nicht leicht eine Zeile, gegen die sich nicht Vieles erinnern ließe. Das Thema, das der Verf. ausführt, „daß der Mensch nur durch Schönheit zur Freyheit wandere," wird verständlich werden und beurtheilt werden können, wenn wir mit der Beurtheilung der Ausführung desselben den Anfang machen, denn man kann den Verf. und sein ganzes System nicht anders als zugleich mit seiner Manier kennen lernen. (Eine manierierende Philosophie!) Erster Band. Der Verf. will seinem Correspondenten das Resultat seiner Untersuchungen über das Schöne und die Kunst vorlegen, einen Gegenstand, der mit dem moralischen Adel der menschlichen Natur in keiner sehr entfernten Verbindung stehe. (Nun ist aber das eigentliche Thema: daß nur die Schönheit uns zur Frey= heit führen könne; also ist es ja eine sehr enge Verbindung.) Er werde aber bey diesen Untersuchungen eben so oft genöthigt seyn, sich auf Gefühle, als auf Grundsäße zu berufen. (Hinten nach sagt er: daß man das Object des innern Sinnes erst zerstören müsse, wenn man es sich zu eigen machen wolle. Sollte man nicht glauben, daß hier von Gefühlen gar die Rede nicht seyn solle?) Es seyen größten Theils Kantische Grundsäge, auf denen die nachfolgenden Untersuchungen beruhen. Doch bittet der V. um Verzeihung, wenn sein Freund unvermerkt an eine besondere philosophische Schule erinnert werden sollte. (Soll man um Ver= zeihung bitten, daß man etwas nach Grundsäßen abhandle, und heißt das die Freyheit des Geistes verlegen? Auf jeden Fall hätte der V. doch seinen eignen Grundsäßen folgen müssen. Welch eine abgenußte Grimasse ist diese Miene, daß man sich gern einmal der gewohnten Gründlichkeit entschlagen wolle, daß es aber, bewandten Umständen nach, wirklich nicht angehe! Die Klagen, „daß der Verstand den schönen Körper der

Braun, Schiller. II.

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1795. Erscheinungen in Begriffe zerfleischen, und in einem dürftigen Wortgerippe ihren lebendigen Geist aufbewahren müßte," bedeuten gar nichts, und sollen nur anzeigen, daß der V. so fürchterlich gründlich zu Werke gehen werde, daß ihm selbst davor schaudere. Welche Gasconade! Es hat keinen Sinn, zu klagen, daß der Begriff einer Sache, nicht die Sache selbst seyn könne. Soll der Astronom, der Himmel und Erde berechnet, es beklagen, daß er sich zu seinen Rechnungen nicht der Planeten und Fixsterne selbst bedienen könne, sondern dürftige + und -, und trockene dx und dy zu Hülfe nehmen müßte?) 3weiter Band. Aber es ist nicht außer der Zeit, sich nach einem Gesetzbuche für die äfthetische Welt umzusehen, (doch wohl kein solches Gesezbuch von unserm Verfasser? das wolle Eunomia in Gnaden von uns abwenden!) da die Angelegenheit der moralischen ein so viel näheres Interesse darbiethen?" Nun kömmt der Verf. auf einen Gedanken, der so sonderbar ist, daß er nur in der Ueberzeugung, daß man in der litterärischen Welt schon was wagen könne, ohne vor den Folgen besorgt seyn zu dürfen, ernsthaft und mit Anspruch auf Beyfall geäußert werden könnte. Die höchste Aufgabe für den Menschen ist, sich in den Zustand zu sehen, daß er alle seine Handlungen lediglich durch seine eigene Freyheit bestimmen könne.

Nun meint unser Verf. daß dies nicht so leicht gehe, und daß man die Freyheit erst gelenkig machen müsse. Mit einem Worte: er will dem Menschen, der gut handeln soll, aber gern nach Gelüsten handeln will, dadurch helfen, daß er ihm ein Gelüst, nach dem was was er soll, beybringt. Dieß ist nun freylich so wenig Kantisch, daß es vielmehr Kanten gerade entgegengesezt ist, allein der V. muß seine Schönheit unterbringen, und er weiß keinen bessern Plaß für sie, als hier. Das Schönheitsgefühl soll machen, daß der Mensch nicht blos Stoff, (Welt, erfüllter Zeitmoment, wie er sonst auch wohl heißt,) nicht bloß Form, (die alle Zeit aufhebt,) sondern beydes zugleich ist, daß der Stoff, Form, und die Form, Stoff wird. (Der Verf. trägt seine Ideen aus allen Gegenden zusammen. Hier ist etwas von Reinhold.) Man sieht leicht, daß es auf diesem Wege tausendmal leichter ist, moralisch zu seyn, als auf dem, den die Rigoristen einzuschlagen gebiethen, und daß, bevor der Mensch nicht diese Übung gehabt hat, mit Form und Stoff zu spielen, und das

Eine in das Andere zu überseßen, man ihm gar zu viel zumuthet, 1795. wenn er moralisch handeln soll. — Man muß also, gebiethet der V.,,um jenes politische Problem in der Entfernung zu lösen, durch das ästhetische den Weg nehmen,“ (von einem ästhetischen Probleme ist hier die Rede nicht, denn es ist hier nichts problematisches, das politische Problem muß aber Gesellschaft haben,) weil es die Schönheit ist, durch welche man zur Freyheit wandert. Aber dieser Beweis kann nicht geführt werden, ohne daß ich die Grundsäge in Erinnerung bringe, durch welche sich die Vernunft überhaupt bey einer politischen Geseßgebung leitet." Dritter Band. In diesem wird eigentlich der Knoten ge= schürzt; denn so wie man sonst die Wahrheit in Capiteln und Paragraphen abhandelte, so wird sie hier in Scenen und Acten verhandelt. Gleich der Anfang ist so auf Schrauben gestellt, und die Gestalten sind alle so schwankend, halb wahr und halb nicht wahr, daß es eine wahre Quaal ist, die erste Periode zu lesen. Der V. fängt damit an, daß der Mensch nur dadurch Mensch sey, daß er es nicht bey der Leitung der Natur bewenden lasse, sondern daß er durch Freyheit wirke. „Der Mensch blickt um sich, und sieht sich im Staate. Der Zwang der Bedürfnisse warf ihn hinein, ehe er in seiner Freyheit diesen Stand wählen konnte,“ (wenn der Mensch im Staate gebohren ist, wie kann man denn sagen, daß der Zwang der Bedürfnisse ihn hineingeworfen? Hier ist der individuelle Mensch für die Menschheit genommen, in der folgenden Periode wird es umgekehrt seyn, denn mit diesem Qui pro Quo treibt der Verf. sein Wesen immerfort.) „Die Noth richtete ihn nach bloßen Naturgeseßen ein, ehe er es nach Vernunftgesehen konnte," (soll doch wohl heißen: die Menschen richteten ihn aus Noth nach Naturgeseßen ein, d. h. für erst nur aus dem Groben; ehe er es nach Vernunftgefeßen fonnte," wer? unser Individuum? schon recht, oder die Menschheit? wie kann denn die verfahren seyn? nicht nach Vernunftgesehen? wie ist das möglich? und wie reimt sich das mit der Äußerung des V., die er noch auf dem vorigen Blatte that, da er die Grundsäße in Erinnerung bringen wollte, durch welche sich die Vernunft bey einer politischen Gesezgebung leitet? Der V. hat fich nie erklärt, was er sich unter seinem Vernunftstaat eigentlich denkt, aber gerade dieses Unbestimmte dient zu seinem Vorhaben ganz vortrefflich.) „Aber mit diesem Nothstaat, der aus seiner

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