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die andern ehrlichen Leuten heilig sind, daß ehrlichen Leuten 1797. wohl davor bang seyn kann?

Nun, so sei es! Ich habe Sie gewarnt, jezt will ich unter Ihrem Panier in den Kampf treten. Die Humanität, für welche wir streiten, sei uns hold und gewärtig: dann können selbst Distichen von uns abprallen. Vor allen Dingen müssen wir die Stärke und Schwäche unsers Gegenparts recht zu schäzen wissen: eine Operation, welche die Herren mit sich selbst vorzunehmen versäumt haben, und dadurch leicht in den Fall gewisser andrer Halbgötter kommen könnten, von denen ein gereimter Distichus sagt:

Singe, Muse, den Fall der meschanten Giganten,

Die sich vor lauter Hochmuth selbst endlich nicht erkannten.

Zuerst also die Stärke dieser schlimmen Wirthe: sie ist Genie und Muthwillen. Ihre Schwäche ist Eitelkeit, so kindische, so lächerliche, so reizbare Eitelkeit, als bei irgend einem mittelmäßigen Schriftsteller, bei irgend einer schönen Dame, nur gefunden werden. kann. Dies alles, wohl durch einander gerüttelt, und endlich von Nicolai*) in Gährung gebracht, hat Xenien gegeben. Man hatte bey den Horen in manchem Betracht eine lächerliche Rolle gespielt; man hatte sich indessen lange Zeit über die Beschuldigungen der Marktschreierei, der Lotteriekünste, der Affektation, der Geschraubtheit, der Leerheit, des Mangels an Auswahl, und da man deren so fähig war, des Mangels an ernster Achtung für das Publikum und für sich selbst, erhaben geglaubt, bis endlich Nicolai mit der Thüre in's Haus fiel, den Nagel tüchtig auf den Kopf traf, dabei aber freilich selbst manche Blösse gab. Jezt bewegten sich die göttlichen Pflegväter der Horen in ihren hohen Wolken, sie machten ihre Zurichtungen und stiegen. hernieder als muthwillige Buben, die links und rechts mit Koth um sich warfen, hier einem Narren eine komische Fraze schnitten, dort redlichen Leuten Hasenschwänzchen anhiengen, und sich über alle die Rüksichten hinwegsezten, welche sonst als sittliche Gränzen des Wizes gelten. Da gieng es über einen jeden her, der sich je mit Worten, Werken oder Thaten an den Horen,

*) Siehe deffen: Beschreibung einer Reise durch Deutsch = land und die Schweiz, Berlin und Stettin, 1796, 9. Band, pag. 239-290.

1797. oder an ihren Vortänzern, versündigt hatte; ja man mochte sich vielleicht auch nur mit Privaturtheilen nicht recht vorsichtig benommen haben, so sollte man jezt seine Portion Ärger zu verschlucken bekommen.

Es war im Grunde poßierlich, weil man in den Horen das Publikum zuweilen ennüyirt hatte, sich dafür rächen zu wollen, indem man auf einmal so über amüsant wurde, und ich traute Göthen wohl zu, daß er sich den ganzen Anschlag, samt allen den kleinen Rütständen von Autorsrache, die sein Waffenbruder bei der Gelegenheit abtragen wollte, mit von dieser lustigen Seite gedacht hätte. Überhaupt weiß ich nicht, warum mich das Schuzund Truzbündniß zwischen diesen beiden Leuten manchmal an Mephistopheles und Faust erinnert. Göthe fühlt auf seinem Haupte den unvergänglichen Dichterkranz, indeß Schiller, bei allen seinen Vortreflichkeiten, das Schiksal nun wohl dahin hat, in seiner Poesie von Gedanken, in seiner Prosa von Bildern und Blumen zu strozen.

Aber, als Götter in den Wolken, oder als Buben auf den Straßen, immer ist Ausschließlichkeit, Herrschsucht und die Art von Verachtung Andrer, welche die Verächter selbst vor der Sittlichkeit und Humanität herbwürdigt, der traurige Charakter dieser Herren. Damit noch nicht zufrieden, daß die grosse Ueberlegenheit ihres Genies und Talents sie von selbst privilegiren würde, wollen sie den Freibrief, denn ihnen die Natur gab, auf alle ihre Schwächen und Unarten ausdehnen. Der vorzügliche Geist übt seine Herrschaft aus, indem er würkt, er unterwirft sich die Köpfe, indem er sich der Dinge bemächtigt. An das Gesez dieser Identität ist sein Reich gebunden; schweift er darüber hinaus, so theilt er mit allen Dunsen und Geken die Lächerlichfeiten des Dünkels und der Eitelkeit.

Ich kann einen wichtigen nationellen Unterschied nicht unbemerkt lassen, den uns Deutschland und Frankreich in der Geschichte ihrer litterarischen Universalmonarchie darbieten. Die französischen Schriftsteller, deren Ehrgeiz, mit vorzüglichen Talenten vereinigt, sie verleitete nach Alleinherrschaft zu streben, erkannten eine Norm des Nationalgeschmacks, nach welcher sie sich unablässig fügten und schmiegten, gleichwie in einer freien, das heißt, gesezlichen Verfassung der politische Ehrgeiz dem öffentlichen Geist, den er lenken will, schmeicheln und sich unterwerfen muß. Die Männer

von Genie, welche in unsrer Gelehrtenrepublik die Tirannei 1797. affektiren, behandeln hingegen das Publikum, wie der grosse Lama seine Gläubigen, oder wie Kaligula das römische Volk: sie tischen ihm, wenn es ihnen einfällt, ihre Exkremente *) auf, oder fordern von ihm für vierfüssige Protege's **) die Ehre des Consulats. Aber spüren sie endlich einen gewissen Grad von Misvergnügen bei ihren Unterthanen, so werden Xenien unter diese geworfen, wie Jwan Wassiliewitsch sich zuweilen den gnädigen Spaß machte, wilde Bären auf den Strassen seiner Residenz loszulassen.

Nicolai soll, fordern sie, Lessings Namen nicht nennen. Aber wahrlich, ihnen geziemt es noch weniger, den Namen dieses immer thätigen, mit seinen Gedanken immer voranschreitenden, und seinen Zeitgenossen immer voranhelfenden Kopfes auszusprechen, der die Gränzen der Menschheit in seinem eignen Geiste nie hinter vornehmer Trägheit und übermüthiger Geringschäzung seines Publikums zu verbergen suchte, der sicherlich mit der Weisheit seines Jahrzehends nie so geziert, steif, fantastisch, oder orakelmässig und priesterartig umgegangen wäre, der sich nie zu litterarischen Fehden rüstete, nie gegen Heuchelei, Dummheit, oder Wahn die Geissel schwang, um blos seine beleidigte Suprematie zu rächen, oder sich den Küzel eines frevelhaften Muthwillens zu vertreiben, den man vielmehr gern gereizt, gern herausgefordert sah, weil jeder Streich, den er seinen Gegnern beibrachte, mit irgend einem Triumf der Wissenschaft, der Wahrheit, der Aufklärung, verbunden war.

Es ist zu befürchten, daß mit der Erscheinung dieser Xenien sich die Pforte zu dauernden und grossen Skandalen unsrer Litteratur geöffnet haben wird. So manche mittelmässige oder elende Skribenten werden es den Männern, die sich nie auf diese Weise mit ihnen hätten abgeben sollen, an sansculottischer Frechheit wettzumachen suchen. Diese aber werden den Wein austrinken müssen, den sie gezapft haben; sie werden ihn bis an die lezten Hefen des schaalen oder unschiflichen Wizes, des bübischen Muthwillens, des rüfsichtlosen Übermuths, austrinken müssen, und es schiene fast, als wollte ein unerbittliches Schitsal auch noch mit diesen Trübsalen die Zerrüttung des Zeitalters vollenden, das von der in Deutschland emporkommenden, ernsten, männlichen, gründlichen, vorsichtigkühnen Philosophie

1797. Rettung und Heil zu erwarten, berechtigt war, das aber aus den pedantischen oder fantastischen Spielereien, die mit dieser Philosophie getrieben wurden, freilich schon längst eine robespierrische Wortherrschaft sich entspinnen sah, zu welcher dies tolle Xenienwesen einen mächtigen Fortschritt machen kann.

Di meliora piis!

*) Siehe passim die Horen und die zwei Schillerschen Almanachs. Wo die beiden Lamas ihren Auswurf vermischt haben, um dem Volke das rührende Schauspiel ihrer Zweieinigkeit zu geben, da läßt er sich meistentheils ohne Mühe wieder absondern, indem bei dem einen der Abgang immer sehr leicht ist, der andre aber bisweilen an Hart: geistigkeit laborirt. Wir bitten für die Metapher um Verzeihung; es ist nicht etwa das böse Beispiel, was uns verleitet hat, sondern wir halten sie wirklich für erläuternd.

**) Siehe unter andern in den Horen die herzbrechenden Lieder die Theon mit seiner Theano wechselt: die Unschuld und Frömmigkeit dieser guten Kinder versühnt wirklich mehr als zu sehr die Katullische Leichtfertigkeit gewisser Elegien. Siehe auch den unaussprechlichen hohen Liebhaber einer Agnes von Lilien, der so ganz als deutscher Michel seine Tasse Kaffee nachdenklich bei'm Pastor ausschlürft, und dessen Adresse Baron von Nordheim ist. Auch in den Xenien findet man Beispiele, daß die Herren mit dem Geschmeisse, das sie nur left und nie sticht, (S. den letzten Schillerschen Almanach, S. 259.) gar säuberlich umgehen, und mit ihrem Wedel Zeichen der Gnade austheilen. Sapienti sat; denn wenn wir diese Beispiele hier nahmhaft machten, würden wir wirklich dem bösen Exempel zu viel Gewalt einräumen.

Humaniora *), (ohne Verlagsort) 1797, 2. Band, pag. 477–486.

Bemerkungen über des Hrn. Geheimen Raths von Göthe Bemühungen, unsere Sprache reinigen und bereichern zu helfen.

Die Verfasser der berühmten Xenien, in Herrn Schillers hochberühmten Musen - almanache, nennen diejenigen, welche sich die unverdankte Mühe geben, unsere Sprache reinigen und ausbilden zu helfen, Puristen, Kleiderbürster, Waschfrauen und Pedanten. Diese Benennungen könnten, in ungebundener

*) Herausgeber: P. Usteri.

Rede und von Andern ertheilt, ein wenig unfreundlich und fast 1797. hart klingen: allein in der höhern Sprache der Musen, und in dem Munde der Verfasser jener Xenien sind sie weiter nichts, als ein höflicher Scherz. Denn andere, und zwar sehr verdiente und würdige deutsche Gelehrte, werden von eben diesen Herren Ochsen und Esel genannt, und auch das nur im Spaß.

Alles war nur ein Spiel.

Jeder Stand und jede Berufsart haben ja ihre eigene Sprache, die von der Sprache anderer Stände und Berufsarten, in einzelnen Fällen, oft himmelweit verschieden ist: wie kann der bürgerliche und prosaische Mensch wissen, was die Wörter Och s und Esel in den höhern Kreisen der Höfe und am Parnasse bedeuten mögen?

=

Was besonders unsern Glauben, daß die Benennungen Purist u. s. m. in diesem Musen - almanache keine schimpfende, sondern vielmehr eine schmeichelhafte Bedeutung haben müssen, bis zur Zuversicht erhebt, ist die Bemerkung, daß der Herr Geheime Rath von Göthe der doch gewiß kein Kleiderbürster, kein Waschweib und kein Pedant im gewöhnlichen prosaischen Sinne dieser Wörter ist, und dem, wäre er es auch, sein Freund Schiller es gewiß nicht so vor allen Leuten würde ins Angesicht sagen, oder sagen laßen sich in seinen neuesten Schriften sichtbar und rühmlich beeifert, unserer Sprache, so weit seine Kenntniß derselben reicht, gerade ebendenselben Dienst zu leisten, um dessentwillen jene Sprachforscher mit jenen Benennungen belegt werden. Denn

1. liegt er, oft kühn und glücklich genug, dem Geschäfte
der Verdeutschung selber ob, und bildet, statt der, un-
serer Sprache aufgebürdeten fremden Wörter, neue
deutsche, oder hilft gute altdeutsche Wörter, die das
nämliche sagen, aus ihrer unverdienten Vergessenheit ans
Licht zu ziehen;

2. beehrt er manche, von Anderen vorgeschlagene Ver-
deutschung mit seinem Beifalle, und vergönnt ihr einen
Play in seinen unsterblichen Schriften;

Braun, Schiller. II.

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