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sich selten frei genug bewegen kann) Gerechtigkeit wiederfahren zu 1797. lassen; und das Unrecht, wofern ihm welches geschieht, ist desto empfindlicher, weil sich nichts leichter verbreitet und im Gedächtniß erhält, als ein schalkhaftes Distichon. – Ein Grund, der allein schon mehr als hinlänglich ist, einen Mann von Verstand und Diskretion, wie lästig ihm auch zu Zeiten seine Plethora von Wiß und Laune seyn möchte, abzuhalten, solche satyrische Distichen über Flüsse, Städte und Länder in die Welt ausfliegen zu lassen, wie z. B. No. 99. und 100. (S. 223.) die, was auch wahres daran sein mag, doch so gesagt immer einseitig, ungerecht und beleidigend sind, wiewohl sie am Ende niemand schaden als ihrem Urheber.

Ich will mit allem dem keineswegs behaupten, daß es nicht zulässig seyn könne, einen Schriftsteller mit einem kritischen oder satyrischen Distichon zu regaliren, wenn er den Tadel verdient, oder dem Momus und Irkus, zwey zum Schonen wenig geneigten Göttern, eine gar zu große Blöße gegeben hat. Aber in diesem Falle muß der Tadel oder Spott wenigstens durch Urbanität gemildert seyn, und nicht mehr Salz gebraucht werden als eben recht ist; wie etwa in No. 33. 34. 39. 41. 45. 81. 87. 152. 266. 269. und vielen andern. Denn kein Mann von Verstand wird sich berechtigt halten, die Scherze, die er dem Publifum zum Besten giebt, überzusalzen, oder (was in den Xenien so häufig geschieht) mit ganzen Händen voll spanischem Pfeffer und Afafötida zu würzen, und das bloß darum, weil es ihm so beliebt, und weil das arme Publikum sich wohl auch zuweilen mit ungesalznen Schüsseln bedienen lassen muß. Wenn uns denn aber gar Epigramme vorgesezt werden, die selbst nur mit taubem Salz gewürzt sind, wie z. B. No. 72. 116.*) 117. 118. 125. 148. 149. u. a. m., oder wenn die Wirkung der beleidigenden Grobheit durch einen Zusaß von ächtem oder falschem Wiz noch verstärkt wird, wie beinahe in allen, worin N. C. und R. mißhandelt werden; oder wenn der Tadel geradezu schief und ungerecht ist, wie (unter vielen andern Beispielen) No. 35. (wo der Spott nicht Hrn. Manso, sondern den Ovid, den man doch nicht treffen wollte, trifft) 64. 257. 282. und die beiden Geständnisse, die uns die Xenien aus der Unterwelt heraufgebracht haben wollen, No. 358. **) und 360. u. s. w. — wer kann sich auch nur im Traum einfallen lassen, Männern,

1797. deren Namen die ganze Nation ehrt, solche Unfertigkeiten und Albernheiten aufzubürden?

Er. Sie müßten in der That, zur Strafe irgend eines großen piaculums, unter ein schreckliches Gericht gegeben, und von allen guten Geistern verlassen gewesen seyn.

Ich. Es läßt sich gar nicht denken! Wenn etwas ist, das mich tief in der Seele schmerzt, so ist es die unedle und undankbare Geneigtheit eines großen Theils des Publikums, auf bloße leichte Vermuthungen, oder auf das bloße Wort irgend eines namenlosen Denuncianten, auch das unwahrscheinlichste zu glauben, sobald es einem Manne von ungewöhnlichen Talenten und Verdiensten einen Flecken anschmigt. Ich weiß recht gut, daß sich niemand von dem Geständniß, wir fehlen alle mannichfaltig," ausnehmen kann, und daß auch der Gerechte des Tags siebenmal fällt, wenn ihn sein guter Geist fallen läßt: aber dieß wird mich nicht hindern, zu behaupten, daß es Dinge giebt, die ein verständiger, edler und guter Mann nicht thun kann; und, bei allem was gut ist! es giebt Fälle, wo ich gegen einen solchen Mann meinen eignen Augen nicht glauben würde!

Er. Indessen stehen die Xenien in Schillers Almanach. Jemand muß sie gemacht haben; und, wer sie auch gemacht haben mag, daß Hr. Schiller sie herausgegeben hat, ist wenigstens notorisch. Wie wollen Sie das erklären?

Ich. Mir däucht es erklärt sich von selbst. Wäre die Sache zweifelhaft, so würde ich es für Pflicht halten, sie mir so zu erklären, wie es dem Karakter der Beschuldigten am gemäßesten wäre, und der Achtung, die ihnen gebührt, am wenigsten zu nahe träte. Sie ist es aber nicht; und ich brauche dazu keinen andern Beweis, als den, der aus der Sache selbst hergenommen ist. Lesen Sie Alexis und Dora zum eilsten Male, denken Sie an Ifigenia und Tasso, und sagen sich dann, ohne daß sich ihr ganzes Wesen dagegen empört, Ifigenia, Tasso, Alexis, und die Xenien (a potiori fit denominatio) sind aus demselben Geiste hervorgegangen! Mir würde nichts mehr unmöglich heißen, wenn dieß möglich wäre!

Er. Sie sprechen so positiv, daß ich bald glauben möchte, das Publikum könnte zu einer sehr groben Ungerechtigkeit verleitet worden seyn. Und doch find die Xenien da, und stehen in Schillers M. A. Wie kamen sie dahin?

Jch. Das weiß ich so wenig als Sie. Aber ich will 1797. Ihnen sagen, wie ich mir die Sache vorstelle. Sie werden nicht in Abrede seyn, daß sich eine Anzahl Distichen aus den Xenien ausheben ließen, die denen, welche ausdrücklich mit G. und S. gezeichnet sind, an Materie und Form ähnlich genug sind, um für Kinder eines und eben desselben Geistes gehalten zu werden. 3. B. will ich Ihnen unter vielen andern, die vielleicht noch besser sind, nur die Nummern, 9. 11. 12. 14. 15. 17. 18. 19. 31. 32. 33. 34. 39. 41. 45. 46. 56. 57. 58. 93. 94. 95. 96. 136. 137. 141. 152. 158. 174. 182. nennen, wie sie mir gleich in die Augen fallen. Nicht als ob ich bey dem einen und andern nichts zu erinnern hätte: sondern weil ich den Stempel der Meister zu kennen glaube, und sogar mit ziemlicher Gewißheit sagen wollte, wem jedes davon angehöre. Noch mehr, ich gestehe Ihnen, es ist mir sehr wahrscheinlich, daß der Einfall, die bekanntesten Bewohner unsers Parnasses und seiner Hügel, Thäler und Sümpfe, vor ein scherzhaft kritisches Tribunal zu fodern und sich über uns alle ein wenig lustig zu machen, die beyden Freunde in einer genialischen Stunde angewandelt haben kann, und daß sie sich sogleich an die Ausführung machten, und alles was ihnen ihr Genius eingab, mit einer um so viel zwanglosern Freyheit in die beliebte Distichenform gossen, weil ihnen damahls wohl kein Sinn daran kam, daß das Publikum jemals eines dieser eilfertig ge= zeugten Kinder des Wizes und der Laune, geschweige etwas von den Bockssprüngen des muthwilligen Geistes Cappriccio, zu sehen bekommen würde. Kurz, (um von meinem Bekenntniß gar nichts auf dem Herzen zu behalten) ich glaube den beyden Freunden kein Unrecht zu thun, wenn ich alle diejenige Distichen, so viele ihrer sind, ohne Bedenken auf ihre Rechnung schreibe, die (wie es guten Sinngedichten zukommt) Wiz, Grazie und Urbanität mit einem Bienenstachel vereinigen, dessen Stich zwar mehr oder weniger schmerzt, aber wenigstens keine bedeutende Wunde macht. Aber sie auch für diejenigen verantwortlich zu machen, worin Männern, die nichts dergleichen um sie verdienten, übel mitgespielt, oder an den Unglücklichen, die gegen die Horen gefündiget haben, eine unedle und grausame, mit dem Verbrechen in keinem Ebenmaaß stehende Rache genommen wird, oder worin Esel, Ochs, Nickel, und andere solche elegantiae sermonis die Stelle des Wizes vertreten, dies halte ich für äußerst un

1797. billig, da ich überzeugt bin, daß sie ihre eigene Würde zu sehr fühlen, um über gegründeten Tadel ungehalten zu werden, oder durch unverständige Kritteleyen sich beleidigt zu halten, und bittere Rache auszuüben, wo Stillschweigen und Verzeihen das einzige ist, was einem edlen Manne ziemt.

Er. Aber ich frage Sie nochmals, wer ist der Urheber dieser leztern? Und wie kam Hr. Schiller zu der Ehre, Herausgeber derselben zu seyn? Oder wie war es möglich, sie ohne sein Vorwissen in die Xenien einzuschwärzen?

Ich. Alle diese Fragen, Freund, würde ich so wenig beantworten können als Sie, wenn ich vor Gericht darum gefragt würde. Aber hören Sie, wenn Sie wollen, wie ich mir die Sache zu meiner eigenen Befriedigung vorstelle. Der Vorrath des Herausg. reichte vermuthlich diesmahl beh weitem nicht zu, die Bogenzahl, die der Verleger erwartete, auszufüllen; denn die Verleger können sich, wie Sie wissen, nicht immer an Wenigem, wenn es gleich desto vortreflicher ist, genügen lassen. Die Zeit, da der Almanach fertig seyn sollte, rückte heran. Jeßt erinnerte sich Hr. Sch. der Distichen, über deren zufällige und absichtslose Zeugung ich Ihnen meine Hypothese mitgetheilt habe, und an welche vielleicht weder er noch sein Freund ohne eine solche nothdringende Veranlassung wieder gedacht hätten. Ihrer war, wie es scheint, eine große Menge. Sie mußten abgeschrieben und in Ordnung gebracht werden; manche hätten auch wohl der Feile, einige vielleicht des Amboßes nöthig gehabt. Aber es traf sich gerade (ein Unglück, das einem Herausgeber nur zu leicht begegnen kann) daß man zu dem allen keine Zeit hatte. Das Geschäft kam, zur bösen Stunde, in die Hände irgend eines jungen, lebhaften, von Wig und Muthwillen strohenden, für G. und S. enthusiastisch eingenommenen Kunstjüngers, welcher der Versuchung nicht widerstehen konnte, diese Gelegenheit zu benußen, und vielleicht weniger in der Absicht sich ein Verdienst um seine magnos amicos zu machen, als um sie zu rächen und ein schreckliches Exempel an ihren Widersachern zu statuiren, in aller Stille eine gute Anzahl derber, handfester Distichen von seiner eignen Fabrik hinzuthat. Ich erinnere mich noch zu gut, was für eine Gemüthsstimmung und welche Beweggründe mich im Jahr 1752. zum Verfasser der Ankündigung einer Dunciade für die Deutschen machten ***), um nicht zu wissen, zu welchen Exceffen

die schwärmerische Verehrung und Liebe eines wirklich oder ver- 1797. meintlich großen Mannes einen sonst gutartigen und edeln, aber feurigen und unbesonnenen Jüngling hinreißen kann. - War, wie ich vermuthe, die Besorgung der Sache irgend einem jungen Menschen dieser Art überlassen, so erklärt sich auch ganz natürlich, wie es zugegangen, daß dieses und jenes, was den Freunden in jenen genialischen Stunden, wo alles wirklich nur ein Spiel war, etwa entschlüpft seyn mochte, und was sie selbst wohl niemals dem öffentlichen Auge ausgesetzt haben würden, von dem parvo amico, der eine große Sünde zu begehen geglaubt hätte, wenn er der Welt irgend etwas von diesen Delizien vorenthielte, — mit in die Sammlung aufgenommen wurde. Auch wird dadurch begreiflich, wie die leichtfertigsten und anstößigsten unter den Xenien entstanden seyn mochten; denn natürlich wählte sich der junge Herr gerade diejenigen zu seinen Mustern, die von den Verfassern selbst, wenn sie Zeit gehabt hätten, von der Sache Notiz zu nehmen, dem Vulkan würden aufgeopfert worden seyn, und meinte es recht gut zu machen, wenn Er, der ja keine Ursache zur Mäßigung und Schonung zu haben glaubte im Schimpf und Ernst noch viel weiter ging als diejenigen, in deren Sache er seine Geisel und seinen cynischen Knittel schwang. Das in den parvum amicum gesezte allzugroße Vertrauen, wäre denn also, nach meiner Art mir die Sache vorzustellen, das Einzige, was dem Herausgeber des Almanachs zur Last läge, und wofür er durch den häßlichen Spuck, den die Xenien machen, mehr als zu viel bestraft ist. Denn gerade diese Art von Sorglosigkeit ist eine von den Sünden, wegen deren ein Dichter billig nur von seinen Pairs gerichtet werden sollte. Die Sache hatte freylich die Wichtigkeit nicht in seinen Augen, die sie in den Augen der Meisten hat. Aber das ist mediocribus illis ex vitiis unum, die man den Merkurialischen Männern verzeihen muß. Wer weiß, welches Meisterwerk, das uns allen Freude machen wird, ihn damals beschäftigte, als er dem jungen Brausekopf die Sorge für seinen M. A. überließ, und sich dadurch unwissend manchen bittern Augenblick zubereitete ?

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Er. Ich muß gestehen, in ihrer Hypothese erklärt sich alles, was ohne sie gar nicht begreiflich ist, auf eine so ungezwungene Art, und sie wälzt die Last eines so unangenehmen

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