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1796.

Xenien. (Auf Martials Frage: Xenien nennet ihr euch? Ihr gebt euch für Küchenpräsente? Ißt man denn, mit Vergunst, spanischen Pfeffer bei euch ?)

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Nicht doch! Aber es schwächten die vielen wäßrigen Speisen
So den Magen, daß jezt Pfeffer und Wermuth nur hilft.“

Die heilige Majorität wird diese Xenien oft belachen, und zuweilen verstehn. Der gelehrte Geck weiß von allen alle wahren und alle falschen Beziehungen, wußte sie schon, ehe sie noch vorhanden waren. Seine bedeutenden Winke verrathen, daß er noch mehr weiß: es gebe eine geheime Gesellschaft des Muthwillens; man sehe hier nur einige Fäden eines unermeßlichen Gewebes; die Verschwörung der Lustigkeit sei reif: man werde ehestens das Unglaubliche erfahren. Dem Metaphysiker sind die Xenien eine erwünschte Veranlassung, über die nothwendigen Grenzen der Ungezogenheit bücherlang a priori zu vernunften. Der Kunstund Sprachkenner wird den leichtfertigen Späßen die Silben einzeln nachwiegen, und gelegentlich die Orthographie einer oder der andern geschriebnen Öhrfeige ernsthaft billigen, oder gründlich berichtigen. Für den Freund der Alten wird diese antike Frechheit ein köstlicher Leckerbissen sein; ich sehe ihn mit wahrer üppigkeit in den klassischen Grobheiten schwelgen. Wenn sie nur thun, wie die Alten auch thaten, so fragt er weiter nicht, ob es etwas sei, was nur dort an seiner Stelle war, oder was allenthalben an seiner Stelle war; ob es etwas sei, was nur dort Übermuth freier und starker Naturen war, hier nur als ein Mittelchen der spekulirenden Eitelkeit gebraucht werde. Er würde auch einer Prügelei begierig zusehen, wenn sie nur echt attisch wäre; und wäre treuherzig genug, sich an einem solchen Gastmahle, wie das gegenwärtige, höchlich zu ergößen, wenn auch vier Fünftheile der salzigen Küchenpräsente an ihn adressirt wären. Manche gutherzige Seele hingegen wird, weil sie in einigen blos aus Galle und Erde zubereiteten Xenien nur den nackten Haß zu hören glaubt, alle unbedingt verwerfen; vor ihnen drei Kreuze machen, wie vor dem kleinen A zu einem langen Alfabet häßlicher Zänkereien; mit Unwillen und Abscheu bemerken, daß hier nichts geschont sei, auch das Schonungswürdigste nicht, daß hier ein hohnlachendes Zeichen (S. 285. 4tes Dist. u. s. w.) sogar an das Grab eines edlen Unglücklichen gesteckt sei, der wenigstens verdient habe, daß

die Erde auf seiner unbesudelten Asche leicht ruhe. Dagegen 1796. könnte man einwenden, daß wenn auch nicht andres, doch Eines geschont sei: die Minerva von Archenholz.

„Trocken bist du und ernst; doch immer die würdige Göttin, Und so leihest du auch gerne den Namen dem Heft."

Die Chorizonten werden den Kenner fragen, ob denn nicht wenigstens das an sie gerichtete Distichon, die Aufgabe:

,,Wem die Verse gehören? Ihr werdet es schwerlich errathen, Sondert, wenn ihr nur könnt, o Chorizonten, auch hier!" ein vollkommnes Beispiel eines naiven Epigramms sei? Denn wenn die Trojaner auch überall sonst in Gefahr wären, den für sein Heil zu dreisten Patroklus der geborgten Rüstung wegen mit dem großen Peliden zu verwechseln: so erkennt doch jeder leicht die Stimme dessen, der hier frolockt, daß er der andre scheinen fan. Zu dieser ungleichartigen Gesellschaft interpretirender, moralisirender und jubilirender Beurtheiler tritt endlich wol auch noch ein Profet, (es giebt ihrer ja genug in Deutschland) mit den kurzen Worten: Heuer spanischen Pfeffer, übers Jahr Asa foetida."

Erklärung des Berausgebers *)
an das Publikum

über

die Xenien im Schillerschen Musen

almanach 1797.1)

Die Dichter der Xenien haben sich an den Urtheilen dieses Journals über ihren Antheil in den Horen und den vorjährigen Schillerschen Musenalmanach durch die boshaftesten Verleumdungen und Grobheiten zu rächen

*) Johann Friedrich Reichardt.

1796. versucht. Schimpfworte zu erwiedern, hält der Herausgeber weit unter sich; jene Verleumdungen zu widerlegen, wäre hier um so überflüßiger, da dieses Journal, und das eben so hämisch behandelte Frankreich,*) vor aller Augen da liegen, so daß jeder Unbefangene leicht entscheiden kan, ob jene Urtheile freimüthig, aber gerecht, diese Beschuldigungen hingegen die plumpsten Verleumdungen sind, oder nicht.

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Kein Angriff wird je den Muth des Herausgebers, überall der Wahrheit treu zu huldigen, einen Augenblick erschüttern können, am wenigsten ein Pasquillantenunfug,

der so offenbar aus empörter Eitelkeit herstammt. Ja, er würde kein Wort darüber verloren haben, wenn die Xenien ihn blos als Schriftsteller beleidigt hätten, und wenn sie nicht, nach der löblichen Weise der Verleumder, noch mehr zu verstehen gäben, als namhaft sagten. Er ist es sich schuldig, dem Publikum laut und feierlich zu versichern, was er im Nothfall durch den Abdruck der freundschaftlichsten und achtungsvollsten Briefe, die bis an die Erscheinung des ersten Stücks von Deutschland reichen, urkundlich erweisen kann; daß nur jene Urtheile allein diese Schmähungen veranlaßt haben. Überdem konnte er die Schändlichkeiten schon um dies

*) Eine ebenfalls von Reichardt herausgegebene Monatsschrift.

willen nicht ganz ungerügt lassen, da Herr Schiller 1796. sich in seinem drollichten Dünkel so weit vergißt, die Beleidigten, wenn sie antworten, in der vom Rezensenten des Almanachs angeführten Warnung, mit härterer Züchtigung zu bedrohen.

Nichts könnte für den Herausgeber schmerzlicher sein, als wenn das wahr wäre, was er sich nicht als nur möglich denken kann, ohne mit innerem Schauder zurückzutreten; wenn ein Mann, dessen einziges Genie er immer dankbar verehren wird, seine Größe so entweiht, und sich bis zur Theilnahme an einer absichtlichen Verleumdung erniedrigt haben sollte. Doch würde auch dies die Sache nicht ändern. Kein Name ist so groß, daß er eine Ungerechtigkeit adeln könnte. Den Antheil hingegen, welchen Herr Schiller als Verfasser daran haben mag, kan der Herausgeber Deutschlands sehr leicht verschmerzen. Seine herzliche Verachtung gegen Schillers nichtswürdiges und niedriges Betragen ist ganz unver= mischt: da desselben schriftstellerische Talente und Anstrengungen keinesweges auf derselben Stufe mit jenem echten Genie stehen, welches auch selbst dann, wenn es sich durch Unsittlichkeit befleckt, noch Ansprüche an Ehrfurcht behält. Er hält sich an ihn, als den Herausgeber des Almanachs, und fordert ihn hiedurch laut auf,

Braun, Schiller. II.

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1796. den Urheber der Verleumdungen anzugeben, oder falls er sich selbst dazu bekennt, seine Beschuldigungen öffent= lich zu beweisen. Kan er dies nicht, so ist er für ehrlos zu achten. Ehrlos ist jeder Lügner: zwiefach aber der Feigherzige, der sich und die Beziehungen seiner Injurien nicht einmal ganz zu nennen wagt. Auch giebt es unter unsern Mitbürgern wackere Männer genug, denen die Gerechtigkeit mehr gilt als ein Spaß. Diese werden alle, so hofft er mit Zuversicht, den Mann, der sich ehrloser Lügen schuldig machte, eben so sehr verachten, als wäre er gerichtlich beschimpft.

1) Da dieses Journal noch nicht so häufig gelesen werden mag, als manches ältere und beliebtere, so wird der Herausgeber für jeden wiederholten Abdruck dieser Anzeige andern Herausgebern und Verlegern von Journalen und kritischen Blättern höchlich verbunden sein.

Deutschland, Berlin, 1796, 4. Band, 10. Stück, pag. 83—106.

Notiz von deutschen Journalen.
Der Genius der Zeit.*)
(November und Dezember 1796.)

Im Dezember lieset man nach einer Elegie des Herrn
Herausgebers, Gedanken über die Xenien im Schillerschen
Musenalmanach. Es ist über die niedrige und unfittliche Denkart,
welche in vielen dieser Distichen herrscht, nur Eine öffentliche
Stimme in Deutschland. Herr v. H. verkennt das poetische Talent

*) Eine Monatsschrift, Altona, die wir nicht beschaffen konnten.

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