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1796. nicht umhin kann, auch das geringste in seiner Art rein zu vollenden, der mit bewundernswürdiger Selbstbeherrschung, selbst auf die Gefahr uninteressant und trivial zu seyn, seinem einmal bestimmten Zwecke treu bleibt, als Dichter zu vergleichen. Schillers Poesie übertrifft nicht selten an philosophischem Gehalte sehr hochgeschäßte wissenschaftliche Werke, und in seinen historischen und philosophischen Versuchen bewundert man nicht allein den Schwung des Dichters, die Wendungen des geübten Redners, sondern auch den Scharfsinn des tiefen Denkers, die Kraft und Würde des Menschen. Die einmal zerüttete Gesundheit der Einbildungskraft ist unheilbar, aber im ganzen Umfange seines Wesens kann Schiller nur steigen, und ist sicher vor der Flachheit, in die auch der größte Künstler, der nur das ist, auf fremdem Gebiete, in Augenblicken sorgloser Abspannung, oder muthwilliger Vernachläßigung, in der Zwischenzeit von jugendlicher Blüthe zu männlicher Reife, oder im Herbste seines geistigen Lebens versinken kann.

Nebst ihm hat Göthe die meisten Beiträge zu dieser Sammlung geliefert. Für die Fortsetzung derselben erregt beider glückliche Vereinigung die lebhaftesten Wünsche und die angenehmsten Hoffnungen. Überhaupt und auch in der Kunst darf nur durch eine günstige Veranlassung die vernachläßigte Mittheilungsfähigkeit der Deutschen geweckt werden, und die Höhe unsrer vereinzelten Bildung wird sich überraschend zeigen.

Friedrich Schlegel.

Deutschland, Berlin, 1796, 2. Band, 6. Stück, pag. 348–360.

Musenalmanach für das Jahr 1797. Berausgegeben von Schiller. Tübingen in der Cottäischen Buchhandlung. S. 303. fl. 8.

Mit schmeichelnder Gewalt senkt sich Alexis und Dora, ein frisches und glühendes Gemälde,

„wie sich Jammer und Glück wechseln in liebender Brust,“ tief in das Herz; der Eindruck würde unauslöschlich bleiben, wenn man es auch nur Einmal hörte, und dann nie wieder. Auch der Hörer, (denn ein solches Gedicht kan man nicht lesen, ohne

es zu hören) sagt sich, selbst wenn der Gesang schweigt, und ihn 1796. zu sich zurückkehren läßt, entzückt, wie Dora, ein leises Ewig. Auch ihm bleibt diese Stunde, während so manche andre kunstvolle Gedichte ihm kalt verschwinden. Auch seine Erinnerung hält diesen Einen Augenblick fest umschlossen, in welchem die erste Anerkennung der Seele und das gegenseitige Geständnis, die Vereinigung und die Trennung zusammengedrängt sind. Diese kühne und glückliche Anlage hatt die große Schwierigkeit, daß sich Dora so geschwinde geben, und dem reisefertigen Jüngling, dadurch daß sie ihn aufhielt, mit einem stummen Bekenntnisse ihrer Liebe entgegen kommen mußte. Aber ihre Anrede, mit der ihr Herz verrathenden Anspielung auf die reichen Matronen, ihr Zögern, ihre Hingebung, ihr köstliches „Ewig“ gehören nicht nur zu dem Schönsten im ganzen Gedicht: sondern eben das, was seine größte Schwierigkeit war, ist gebraucht worden, um es schöner zu runden und zu schließen. Durch einen äußern Umstand sollte das Gedicht nicht geendigt werden; und doch war die Leidenschaft zu heftig, um verhallen zu können; sie mußte also zulezt noch bis auf den höchsten Gipfel steigen, um dann plößlich abbrechen zu dürfen. Dazu dient nun Dora's schnelle Hingebung als ein Zunder für das Mistrauen des Liebenden. Schön ist es, daß Aleris in Gesang ausbricht, so wie ihm die lehte Spur von Dora's Heimat verschwindet: aber ist dieser Augenblick nicht noch zu früh für einen besonnenen Entschluß, bei den Musen Linderung zu suchen? Freilich deuten nur die Schlußverse auf dieses Absichtliche, da sein Gesang sonst durchaus ein unwillkürlicher Erguß der Empfindung zu sein scheint. Wäre es durch die Worte:

„Alle Gedanken sind vorwärts gerichtet, wie Flaggen und
Wimpel,

Nur Ein Trauriger steht, rückwärts gewendet, am Mast,
Sieht die Berge schon blau, die scheidenden, sieht in das
Meer sie

Niedersinken, es sinkt jegliche Freude vor ihm;"

ausdrücklich bestimmt, wie nahe Alexis jenem Augenblicke war: so würde die ruhige Fülle in manchen Stellen auf eine größere Entfernung deuten.

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und:

so legt der Dichter ein Räthsel,

Künstlich mit Worten verschränkt, oft der Versammlung

ins Ohr!

Jeden freut die seltne Verknüpfung der zierlichen Bilder,
Aber noch fehlet das Wort, das die Bedeutung ver-

wahrt:
Ist es endlich gefunden, dann heitert sich jedes Gemüth

auf,

Und erblickt im Gedicht doppelt erfreulichen Sinn.“

„Öfter sah ich dich gehn zum Tempel, geschmückt und gesittet, Und das Mütterchen ging feierlich neben dir her.“

und:

„da drückte der wackere Vater

Segnend die würdige Hand mir auf das lockige Haupt:
Sorglich reichte die Mutter ein nachbereitetes Bündel."
und:

Doch nicht Schmuck und Juwelen allein verschafft dein
Geliebter;

Was ein häusliches Weib freuet, das bringt er dir auch.
Feine wollene Decken, mit Purpursäumen, ein Lager

Zu bereiten, das uns traulich und weichlich empfängt, Stücke köstlicher Leinwand. Du sizest und nähest und kleidest Mich und dich und auch wohl noch ein Drittes darein."

Aber eben diese Mischung epischer Fülle mit lyrischer Glut ist die eigenthümliche Schönheit des Gedichts, und das wesentliche Merkmal der Idylle im griechischen Sinne des Worts, in welchem diese Dichtart gar nicht auf ländliche Gegenstände allein beschränkt ist, und mit der Darstellung vollkommner Unschuld, worin sie bei den Römern auszuarten anfing, nichts gemein hat. Sehr bedeutend, und echt idyllisch ist auch die reichliche und äußerliche Güte und Schönheit, wodurch alles Lebendige und Leblose, was die Liebenden auch nur von fern berührt, und in den Zauberkreis des Dichters eintritt, von dem wackern Vater bis auf

den kostbaren Schmuck, oft nur durch einen Zug veredelnd aus 1796. gezeichnet wird. Das herrliche Blau, „wodurch die brennende Woge den Himmel nur lügt," und selbst die südlichen Früchte versehen uns in das üppigste Land unter dem heitersten Himmel. Das Gedicht athmet den ganzen Frühling: oder vielmehr es athmet zugleich das frische Leben des Frühlings, die mächtige Glut des Sommers, und die reife Milde des Herbstes.

Welcher Abstand von Alexis und Dora, wo die Erfindung ihr reichstes Füllhorn ausgeschüttet, die Empfindung ihren höchsten Schwung genommen hatte, bis zu dem Heiligen und Heiligsten von demselben Verfasser; wo der Dichter nichts that, als den würdigsten Gedanken durch Maas und Bilder fester zusammendrängen und mit einer Einfassung umgeben!

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Was ist heilig? Das ists, was viele Seelen zusammen Bindet, band' es auch nur leicht, wie die Binse den Kranz. Was ist das Heiligste? Das, was heut und ewig die Geister Tiefer und tiefer gefühlt, immer nur einiger macht.“

Gedanken, wie dieser, welche mehr sind als bloße Erzeugnisse des reinen Verstandes, welche sich nur dem Edlen im Leben und durchs Leben bewähren, der sie handelnd findet, bedürfen (weil sie so gefunden, einzeln scheinen) und verdienen auch am meisten die Art von Mischung, welche ihnen die dichterische Einkleidung geben kann.

In einigen der Distichen von Göthe S. 28-31 wird diese gnomische Einfachheit durch irgend einen muthwilligen Zug fröhlich belebt, und dadurch zugleich eine gesellige Stimmung über das Gedichtchen verbreitet, so daß er als Bruchstück einer muntern Unterhaltung erscheint. So hat in dem:

Der Erste.

Wer ist denn wirklich ein Fürst? Ich hab' es immer gesehen;
Der nur ist wirklich Fürst, der es vermochte zu sein.“

das Berufen auf eigne Anschauung nicht nur viel Salz, weil die gesagte eine von denjenigen Wahrheiten ist, die sich von selbst verstehen, aber doch erst aus langer Erfahrung erlernt zu werden pflegen: sondern diese schalkhafte Altklugheit, dieses Hervorgucken

1796. eines feinen Weltmanns unter der Maske des treuherzigen Dichters hat auch eine eigene Urbanität, welche sich besser empfinden als beschreiben läßt. Durch eine ähnliche Wendung wird der Chinese in Rom zu einem eben so reizenden kleinen dichterischen Gesellschaftsstück, wie manche Horazische Satire.

Noch weiter entfernt sich von jener gnomischen Einfachheit die Eisbahn. Es redet darin ein theilnehmender Zuschauer, der die lebendigen Gestalten eines mannichfaltigen Schauspiels bald mit den Eigenheiten der Menschen sinnreich, bald mit der Bestimmung des Menschen gefühlvoll, vergleicht. Die Tabulae votivae von G. und S. kündigen schon durch ihre Überschrift einen noch größern Antheil der Empfindung, eine noch nähere Beziehung auf das Leben, und zwar auf ein individuelles, eignes Leben, an. Aber freilich entsprechen nicht alle dieser Ankündigung. Manche sind nicht sowohl Gedanken der Art, die aus dem Leben entsprungen, ihren Eigenthümer auch wieder, wie lebendige Freunde „durchs Leben begleiten, als versifizirte Antithefen und Gemeinpläge, die von den Vorposten oder aus dem Train irgend einer philosophischen Rede desertirt zu sein scheinen. — Wir würden uns unter den guten folgende als die liebsten auswählen. Das erste Distichon gefällt durch seine schmucklose Herzlichkeit. An*:

,,Theile mir mit, was du weißt, ich werd' es dankbar

empfangen;

Aber du giebst mich dir selbst: damit verschone mich,

Freund!"

Nicht bloß treffender, sondern auch heitrer Spott. Das blinde
Werkzeug. Wie das Distichon: Was nußt, durch den ein-
fachen Ausdruck gesunder Empfindung beseelt. An die Muse.
Freimüthig, und doch nicht übermüthig.

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Glaubwürdigkeit.

Wem zu glauben ist, redliche Freunde, das kan ich euch sagen.
Glaubt dem Leben; es lehrt besser, als Redner und Buch."

Der komische Anstrich in dem Feierlichen der Anrede und An= kündigung hebt die herzliche Lehre sehr. Das Schooßkind. Ein sinnreiches Bild. Metaphysiker und Physiker:

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