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1796. hohem Ernste, u. s. w. Aber der Hauptcharakter in Gedanken und Formen schiene dennoch damit bezeichnet zu seyn.

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Schiller hat uns 24 eigne Gedichte gegeben, von denen mehrere ein so edeleinfältigen Charakter haben, als man bisher an Schillers Muse nicht gewohnt war: die Würden, der Sämann, die zwei Tugendwege, die Ideale - wie edel und einfach! Würde der Frauen, wird gewiß das Lieblingslied aller zarten, deutschen Frauen und Mädchen werden, wenn ihm gleich zur lebendigen Darstellung der vielleicht zu scharfen Kontraste im männlichen und weiblichen Charakter, jenes Mahlerische in den beiden auf Charakterisirung berechneten Sylbenmaßen, (welches z. B. in dem lieblichen Götheschen Gedichte: Meeresstille und glückliche Fahrt" so große Wirkung thut), überdies auch wohl in seiner jezigen Gestalt die lezte Vollendung fehlt, die Schiller ihm künftig gewiß einmal giebt und die in seinen Stanzen an die Leser bezaubert. Wir fühlen uns gedrungen, diese Stanzen unsern Lesern als eine kleine Probe dieses Almanachs vorzulegen. Zuvor wollen wir nur noch Göthe's herzinnige Gesänge: Nähe des Geliebten und der Besuch; die mit D und E bezeichneten sinn- und gefühlvollen Gedichte, die die Meisterhand eines unsrer Lieblingsdichter verrathen, ein vortreffliches Gedicht von A. W. Schlegel, das nach einem noch ungedruckten Roman des Verfassers heißes Verlangen erregt, und einige sehr liebe, gefühlvolle Gedichte der in Jena lebenden Dichterin Mereau mit Dank nennen. Der Frühling und das Liebesörtchen, das wir unsern Lesern bereits mit einer Melodie von Reichardt vorlegten, sind gar überaus liebliche, schöne Gesänge, voll Wärme und Wahrheit.

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Stanzen an die Leser.

Die Muse schweigt, mit jungfräulichen Wangen,
Erröthen im verschämten Angesicht,

Tritt fie vor Dich, ihr Urtheil zu empfangen,
Sie achtet es, doch fürchtet sie es nicht.
Des Guten Beifall wünscht sie zu erlangen,
Den Wahrheit rührt, den Flimmer nicht besticht.
Nur wem ein Herz, empfänglich für das Schöne,
Im Busen schlägt, ist werth, daß er sie kröne.

Nicht länger wollen diese Lieder leben,
Als bis ihr Klang ein fühlend Herz erfreut,
Mit schönern Phantasieen es umgeben,
Zu höheren Gefühlen es geweiht;

Zur fernen Nachwelt wollen sie nicht schweben;
Sie tönten, sie verhallen in der Zeit.
Des Augenblickes Lust hat sie gebohren,
Sie fliehen fort im leichten Tanz der Horen.

Der Lenz erwacht, auf den erwärmten Triften
Schießt frohes Leben jugendlich hervor,
Die Stunde würzt die Luft mit Nektardüften,
Den Himmel füllt ein muntrer Sängerchor,
Und jung und alt ergeht sich in den Lüften,
Und freuet sich, und schwelgt mit Aug' und Ohr.
Der Lenz entflieht. Die Blume schießt in Saamen,
Und keine bleibt von allen, welche kamen.

Wohlbedächtig hat der Herausgeber von diesen also fein und bescheiden charakterisirten Gedichten eine Sammlung Epigramme durch einen besondern Titel geschieden. Aber warum mußten diese überall gerade dieser Sammlung einverleibt werden? Nicht als wären sie von Seiten der Kunst ihrer nicht würdig: sie enthalten vielmehr den meisterhaftesten Theil der ganzen Sammlung. In 103 Epigrammen, ganz im Sinne der Alten gedichtet und ausgeführt, leben wir das venetianische reiche üppige Leben unsers größten Dichters mit ihm. Charakter, ein epigrammatisches Tagebuch Inhalt, echt italienische Naturmalerei, Weisheit, Thorheit, Schönheit und Freyheit lebendig dargestellt, Form, echt antik und vollendet - alles zeigt den Meister, alles gehört ihm zu und konnte uns nur von ihm kommen. Wenn sich dieser Meister nun aber auch seit einiger Zeit darin gefällt, ohne Schonung, frei und frech sein eigen Leben vor aller Welt zu leben, und wenn auch Tausende, nicht eben der Schlechtesten, mit ihm sich darin gefallen; so mußten doch Gedichte, die aller bürgerlichen Zucht und Tugend höhnen und trogen, nicht in eine solche Sammlung aufgenommen werden, die jeder liebende Mann seinem reinen, sittsamen Weibe, jede Mutter ihrer kunstliebenden, gefühlvollen Tochter so gern

1796.

1796. in die Hände legte. Kunstsinnigen Männern, die fähig und geübt find an einem Kunstwerke Komposition, Darstellung und Vollendung auch ohne alle moralische Rücksicht zu genießen, würden diese Epigramme mit jenen den Horen eben so unglücklich einverleibten Elegien ein Bändchen Gedichte dargeboten haben, wie es in der deutschen Poesie noch gar nicht giebt.

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Zwei und zwanzig der schönsten dieser Epigramme lieferte bereits der Junius und Oktober der deutschen Monatsschrift von 1791 mit Göthe's Namen. Zwei andere dort befindliche hat der Dichter in diese Sammlung nicht aufgenommen, und wir erkennen daran wie an einigen kleinen Aenderungen die den Beibehaltenen geworden sind, mit Verehrung den für sich selbst strengen Kritiker; wiewohl wir in der lebendigen Darstellung der venetianischen Welt, die ihr so ganz eigenthümlichen musikalischen Mädchenkonservatorien, den Gegenstand eines der weggelaßnen Gedichte, nur ungern vermissen. Unerwartet ist es auch, wie das prächtige malerische Fest, die Vermählung des Dogen mit dem Meere, welches der Dichter doch wol dort erlebte, ihn nicht weit ehe zu einem schönen Gedichte begeisterte, als die Seiltänzerinnen und losen herumschwärmenden Mädchen. Oder war ihm der Gegenstand zu reich für diese Gattung? Sicher wissen uns unsre Leser Dank, wenn wir sie auch hier einige der meisterhaftesten Epigramme von der ernsthaften Gattung finden lassen. Unserm Zwecke getreu wählen wir solche Gegenstände die uns und unsern Lesern näher liegen als Venedig mit seiner eigenthümlichen Schönheit und Verruchtheit. Es sind die Nummern 12. 14. 50. 52. 55. 82.

Mache der Schwärmer sich Schüler, wie Sand am Meere, der
Sand ist

Sand, die Perle sei mein, du, o vernünftiger Freund.

Diesen Ambos vergleich ich dem Lande, den Hammer dem

Fürsten,
Und dem Volke das Blech, das in der Mitte sich krümmt.
Weh dem armen Bleche! wenn nur willkührliche Schläge
Ungewiß treffen, und nie fertig der Kessel erscheint.

Alle Freiheits-Apostel, sie waren mir immer zuwider,
Denn es suchte doch nur jeder die Willkühr für sich.
Willst du viele befrein, so wag es vielen zu dienen!

Wie gefährlich das sei, willst du es wissen? versuch's.

Kreuzigen sollte man jeglichen Schwärmer im dreißigsten Jahre,
Kennt er nur einmal die Welt, wird der Betrogne der

Schelm.

„Sage, thun wir nicht recht? Wir müssen den Pöbel betrügen,
Sieh wie ungeschickt wild, sieh nur, wie dumm er sich zeigt.“
Ungeschickt scheint er und dumm, weil ihr ihn eben betrüget,
Seid nur redlich, und er,`glaubt mir, ist menschlich und klug.

Wenn in Dunst und Wolken verhüllt, die Sonne nur trübe
Stunden sendet; wie still wandeln die Pfade wir fort!
Dränget der Regen den Wandrer; wie ist uns des ländlichen
Daches

Schirm willkommen! wie sanft ruht sichs in stürmischer Nacht!
Aber die Göttinn kehret zurück! schnell scheuche die Nebel
Von der Stirne hinweg! gleiche der Mutter Natur.

- Alle drei Sammlungen sind von unserm Reichardt mit Melodieen von den verschiedensten Charakteren reichlich ausgestattet. Der Vossische enthält von ihm sechs Kompositionen, alle zu vossischen Gedichten.

-Der Schillersche Almanach enthält acht Kompositionen, die, wie uns der Verleger sagt, alle von Reichardt sind, obgleich sein Name den mehresten nicht beigedruckt ist: Zwei zu den Schillerschen Gedichten: die Macht des Gesanges und Würde der Frauen; Vier zu den Göthe'schen Gedichten: Nähe des Geliebten, Meeresstille, Glückliche Fahrt und Kophtisches Lied; und dann noch zwei, zum Frühling von Sophie Mereau und zu einem Minnelied nach Kristan von Hamle.

Die dritte Sammlung enthält zwei Kompositionen von Reichardt: an den Mond und Liebe.

Recensent überläßt es den Kunstkritikern den Werth dieser Melodieen zu würdigen; er könnte denn doch nur sagen, dies

1796.

1796. und jenes gefällt mir vorzüglich und das behält sich jeder Kunstfreund selbst vor zu sagen, und der Komponist hört es auch wohl lieber in lebendigen Tönen, von denen die ihn fingen, als vom Recensenten mit der Feder in der Hand.

Deutschland, Berlin, 1796, 1. Band, 3. Stück, pag. 402—411.

An den Berausgeber Deutschlands,

Schillers

Musen-Almanach betreffend.

(Fungar vice cotis.)

Gewöhnliche Zeitschriften denken, wenn sie ein Werk beurtheilt haben, wie der König Ahasverus :

„Jetzt hab' ich es beschlossen,

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Nun geht's mich nichts mehr an."

In der Voraussetzung, daß Deutschland auch in dieser Be ziehung, wie in jeder andern, keine gewöhnliche Zeitschrift sey, irre ich gewiß nicht. Ob ich aber im Stande seh, nach der geistreichen Rezension im 3ten Stücke noch etwas Bedeutendes, des Gegenstandes und des Ortes Würdiges über den Schillerschen Allmanach zu sagen, das müssen Sie entscheiden.

Nur deswegen wünsche ich vorzüglich mit Ihnen über diese deutsche Angelegenheit unbefangen zu reden, weil der männliche Geist der Freiheit und Gerechtigkeit, welcher Ihre Zeitschrift belebt, mir Hochachtung, Zuneigung und Vertrauen einflößt.

Zuvor muß ich Ihnen noch den Gesichtspunkt andeuten, aus dem ich urtheilen werde. Er wird Ihnen zugleich sagen: warum ich glaube, daß vorzüglich über einen Allmanach mehrere Stimmen reden können; warum ich Ihrem wackern Rezensenten nicht beystimmen kann, wenn er die Epigramme, die er so treffend charakterisirt, aus einem Allmanache verbannt wünscht; und warum ich es für unschicklich hielt, einen Neuffer oder Hölderlin und einen Schiller nach demselben Maaßstabe zu würdigen.

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