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Bemerkungen auch über diese bis hieher aufgespart worden. Der 1796. Pentameter, ein schwerer Vers im deutschen, ist in allen vorzuglich gut gelungen. Seine Schönheit beruht darauf, daß die beiden Hälften durch eine natürliche Pause, und durch recht entschieden. lange Schluß- und Anfangssylben aus einander fallen, ohne sich abzustoßen, und daß die beiden schließenden Anapäste recht leicht und hüpfend sind. Man hat sich hier nie erlaubt, wie es im Deutschen sonst oft gegen das Beyspiel der Alten geschehn ist, einen derselben mit einem Jamben zu vertauschen, (-

oder

) welches dem Verse immer einen hinkenden Fall giebt. Vollends würde man in den vorliegenden Gedichten dergleichen Pentameter vergeblich suchen, wie wir sie von einer nicht unberühmten Hand haben, wo einmal der arme Buchhändler Trophonius in Stücke zerrissen wird, so daß das Buch in die erste, der Händler in die zweyte Hälfte des Verses gehört. Nur selten findet man die Pause verfehlt:

Hebe den Wandrer, und zog mich | in die Halle heran.
Bist du am Ufer so wirf sie | in die Wellen zurück

Oder völlig falsche Scansionen:

Die zwischen mir und dir 1 traurig und finster sich thürmt.
Dir gilt es nicht, was du thust | was dir gefällt 2c.

Oder unreine schwerfällige Anapäste: Rom | auch nicht Rom;

=

Vor welt und Mit- | welt zu mir; vor | wärts und rück- |
wärts den Schritt. In den Elegien im 6ten Stück ist zum
Nachtheil der Mannichfaltigkeit sowohl im Pentameter als im
Hexameter dieser Anfang:
I fast ganz vernach-

läßigt; dagegen ist er in der großen Elegie oft, zum Theil
sehr bedeutend und ausdrucksvoll angebracht: Hoch von des |
Berges Haupt, Künstliche | Himmel ruhn; Hüpfet der Brücke |
Joch u. s. w.

Einsylbige Wörter am Schluß des Pentameters können wir nicht entbehren, brauchen sie aber auch nicht, wie die Lateiner,

1796. zu vermeiden: sie thun dem Wohlklange keinen Eintrag, wenn sie vollkommne Längen sind. Vor den einsylbigen Schlüssen, worinn sich Propertius gefällt, ist es nicht nöthig zu warnen: sind es zusammengesezte Wörter mit einer Stammsylbe am Ende (Wonnegesang) so thun sie eben die Wirkung wie zweysilbige. Solcher Wörter: (Glücklichere) haben wir nur wenig, und freylich sind ihre Kürzen so gar nicht tönend, daß sie sich am Schluß sehr schlecht ausnehmen würden. Der Reiz des lateinischen Pentameter, welcher aus der verflochtnen Stellung der Beywörter entsteht, bleibt in unsrer Sprache unnachahmlich.

Die Schwäche unsers Herameters liegt in den Trochäen, die wir genöthigt sind, statt der nachdrücklichern Spondeen zu gebrauchen. Wir müssen also den Vers durch einen häufigern Gebrauch des Daktylus zu beflügeln suchen, da doch unsre Kürzen die Leichtigkeit der griechischen und lateinischen nicht haben; sowohl unsre unächten Spondeen in zusammengeseßten Wörtern benußen, (also nie einen Daktylus damit anfangen: „am Uhrwerk der Zeiger") als durch Zusammenstellungen einsylbiger Hauptwörter ächte bilden, wobey nur Künsteley und Härte vermieden werden. muß; dem Verse, wo möglich, einen männlichen Abschnitt geben, weil sich sonst seine beiden Hälften zu ähnlich sehen, wenn der Schluß auch trochäisch ist; unter den natürlichen oder Wortfüßen, die nach ihrer Verschiedenheit bey einerley künstlichen Füßen eine ganz verschiedne Wirkung hervorbringen, die steigenden und männlichen: , und mit Hülfe des Spondeen: wie auch den schönen Choriambus, den fallenden: -, vorziehen; alles dies mit beständiger Rücksicht auf Abwechselung, Ausdruck und nachahmende Bewegung. Der Trochäe wird noch leerer, wenn die erste Sylbe nicht recht

lang ist: „Das Antike war neu." Der Amphibrachis, womit unsre Sprache überhäuft ist, schwächt den Hexameter am meisten; dagegen erhebt ihn der anapästische Aufsprung; z. B. in der großen Elegie:

Zischend fliegt in den Baum | die Art; es erseufzt | die

Dryade.

So meisterhafte Hexameter findet man mehrere in diesem Ge 1796. dicht. Hingegen in den Elegien im 6ten Stück und in den kleinern Gedichten sind sie selten, und ein Prosodiker, der sie nach obigen Grundsägen prüfen wollte, würde noch manches vermissen. Da diese Metrik, die unter allen Neuern noch allein bey uns Deutschen Eingang gefunden hat, so wie die Zahl der beliebten Dichter, welche sich für sie erklären, zunimmt, immer mehr Glück machen muß; so ist es wohl der Mühe werth, sie mit genauem Fleiß zu bearbeiten.

Wer Sinn für das Idealische hat, noch mehr, wer jemals unter dem Bemühn erlegen ist, ihm außerhalb seinem eignen Innern Wirklichkeit zu geben, der wird mit eben so großem Wohlgefallen als Erstaunen in das Reich der Schatten. (9tes St.) eintreten; ein Gedicht, dessen Muse, wie dessen Gegenstand die reinste unkörperliche Schönheit ist. Das verklärte Licht auf der Stirn der Himmlischen leuchtet uns schon beym Eingange entgegen. Im Hintergrunde strahlt die hohe Vollendung, welche zu erreichen keinem Sterblichen beschieden ist, so lange er das Frdische noch nicht abgelegt, zu der er aber in einem Daseyn, an welches er überall durch die Banden der Unvollkommenheit gefesselt ist, unablässig hinaufstreben soll. Was hier geleistet worden ist, mußte bis dahin fast unglaublich scheinen, wenn man die Härte des Stoffes kannte, der sich in dieser glänzenden äußern Rundung verbirgt, und die unendliche Last des Gewölbes ungefähr berechnen kann, das hier von schön geordneten Säulen so leicht getragen wird. Die Frage: ob es erlaubt war, so viel zu leisten, muß einer ausführlichern Prüfung vorbehalten bleiben.

Es ist schwer, über ein solches Gedicht, indem man den empfangnen Eindruck sinnlich machen will, nicht wieder zu dichten: allein damit die Ausdauer des dadurch entzündeten Enthusiasmus gesichert werde, muß man ihm helle bestimmte Einsicht zur Grundlage zu geben suchen. Und da liegt eben die Schwierigkeit, deren Ueberwindung der Zuhörer sich nicht verdrießen lassen darf, wenn es ihm nicht genügt, die Harmonien des Sängers mit Wollust, aber unverstanden wie Geistersprache, an seinem Ohr

1796. vorübergleiten zu lassen; wenn er die Offenbarungen, die darin mehr angekündigt, als wirklich entfaltet werden, in sich aufnehmen. und bewahren will. Wir befinden uns hier nicht in der Körperwelt, wo sich alles greifen und handhaben läßt: und sind es gleich elysische Gestalten, welche den Betrachter umgeben, so haben sie doch die Art der Schatten nicht ganz abgelegt, und entziehen sich seinen Umarmungen, wenn er, von ihrer entzückenden Schönheit hingerissen, sie auf das innigste mit seinem Wesen verschmelzen will. Es ist daher die erste Pflicht des Beurtheilers, den dichterischen Schleyer der Wahrheit weg zu ziehen, und von ihrer Glorie ungeblendet, die bloßen Umrisse, so viel es sich thun läßt, in ungeschmückten Worten hinzuzeichnen.

Die sinnlichen Triebe im Menschen stehn im Widerspruche mit dem Triebe seines höhern Selbst nach Vollkommenheit, und doch ist die Uebereinstimmung beider Bestandtheile seines Wesens zur Glückseligkeit nothwendig. Giebt es nun kein Mittel jenen Widerspruch auszugleichen? Es giebt eins; aber wer dessen theilhaftig werden will, muß damit anfangen, sich von seinen Sinnen unabhängig zu machen, denn diese sind es grade, wodurch er in thierischer Beschränktheit festgehalten wird. Nur was körperlich an ihm ist, muß unbedingt äußern Naturgesehen gehorchen: seine Persönlichkeit dagegen ist frey. Um diese zu veredeln, muß er das Schöne und zwar in seiner höchsten Reinheit zu genießen suchen, und hiezu ist eine Stimmung der Seele nothwendig, die ihn ganz von den störenden Eindrücken der wirklichen Welt entfernt, und worinn er, wenigstens für die Zeit der stillen Beschauung, alle Leiden des Lebens, alle eignen Unvollkommenheiten vergißt. In solcher Abgeschiedenheit muß er seine Einbildungskraft mit Idealen der menschlichen Natur beschäftigen; doch soll ihn dies keineswegs in äußre Unthätigkeit einwiegen, als ob er schon im Besitz des Unerreichbaren wäre, weil er es sich vorzustellen vermag: nein, er soll durch den angespanntesten Gebrauch seiner Kräfte ihm im wirklichen Leben näher zu kommen suchen, und sich nur durch die Betrachtung desselben von dem niederdrückenden Gefühl seiner Schwäche wieder aufrichten. Das Daseyn des Menschen ist in jeder Beziehung ein rastloser Kampf, eine Aufgabe, die sein Vermögen übersteigt: nur das Idealschöne kann ihm daher einen völlig befriedigenden Selbstgenuß gewähren. Der handelnde Mensch muß seinen ganzen Muth, seine ganze Entschlossenheit aufbieten

um dem Widerstande und den Gefahren, die ihm auf jeder ähn= 1796. lichen Laufbahn begegnen, nicht nachzugeben: in einer schönen Ideenwelt darf er sich sorglos der ruhigsten Empfänglichkeit überlassen. Nur durch die unermüdlichste Beharrlichkeit des fünstlerischen Genius werden vortreffliche Werke zu Stande gebracht: hingegen das Ideal der begeisterten ist frey von allen den Mängeln, die es in der wirklichen Darstellung unter sich selbst herabseßen. Mit unerbittlicher Strenge müssen wir uns selbst richten, um unsre sittlichen Gebrechen abzulegen, und doch bleiben unsre besten Bemühungen unendlich tief unter den Foderungen der Pflicht. Aber indem wir die Tugend als schön empfinden, und ihr Jdeal mit voller Liebe umfassen, wird es gewissermaßen Eigenthum unsers Herzens. Der gesellige Mensch muß das Elend seiner Mitgeschöpfe, auch wenn er ihm nicht abhelfen kann, doch schmerzlich mitfühlen: aber in seinen idealischen Vorstellungen rührt ihn nur die im Leiden bewiesene Seelengröße. So wird ihm durch die Schönheit mitten unter den harten Kämpfen und Selbstverläugnungen, wodurch allein er sich der seligen Ruhe einer höhern Vollendung würdig macht, schon ein Vorgefühl derselben gegeben.

Nach dieser Darlegung des Inhalts (die, wie wir hoffen im Ganzen nicht verfehlt ist, wofern sich auch im Einzelnen Mißverständnisse eingeschlichen haben sollten,) wird sich jeder, der das Gedicht noch nicht kennt, einen dichterisch belebten, aber immer noch lehrenden Vortrag denken, und durchaus nicht erwarten, es werde mit lyrischer Fülle hinströmen. Lehrend kann sich die Poesie gewissermaßen selbst das Unsinnlichste zueignen, denn sie gebraucht eben das, als darstellendes Zeichen, was der denkenden Kraft zur Festhaltung der Begriffe unentbehrlich ist. Die Sprache ist die Leiter, auf der wir von der Erde bis in den Himmel, oder wenigstens bis in die Wolken, hinaufklimmen, und die oberste Sprosse derselben ist aus gleichartigem Stoff mit der untersten verfertigt. Auch als Werkzeug ganz entkörperter Gedanken kann sie ihren sinnlichen Ursprung, ihre bildliche Natur nicht völlig verläugnen: es gilt also nur, Bild gegen Bild zu vertauschen, und so lange herabzusteigen, bis man aus der falten obern Luft wieder in die wärmere Region des Lebens und der Schönheit gelangt ist. Aber ein lyrischer Gesang seht nicht bloß innre Anschauung, sondern innige Regung voraus: und welche, wenn

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