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Theater und manche unerfreulichen Erscheinungen von heute, die mit Wissenschaft nichts zu tun haben, machen der Universität Sorge darüber, daß Arbeiten über das Theater das geistige Niveau dessen, was die Universität verlangen muß, herabdrücken könnten. Aber noch etwas anderes spricht mit: so wie sich die Philologen alter Schule aufgelehnt haben, als sich die,,Literaturwissenschaft" von der ,,Literaturgeschichte" loslöste, so wehren sie sich jetzt auch gegen die,, ,Theaterwissenschaft," die über die,,Theatergeschichte" hinausgeht. Die Theatergeschichte hat sich durch die Energie und Wissenschaftlichkeit Max Herrmanns und die philologisch ernst zu nehmenden und in dieser Hinsicht gar nicht angreifbaren Arbeiten seines Mitarbeiter-Kreises die Anerkennung auch der Universitäten errungen; aber gegen die Erweiterung der Theatergeschichte zu einer Wissenschaft vom Theater sträuben sie sich, und nur eine Universität in Deutschland, Köln nämlich, kann in Theaterwissenschaft prüfen, wenigstens im Nebenfach. Wer sonst den Doktor-Titel erwerben will, muß ausschließlich in der philologischen Disziplin geprüft werden und natürlich vieles lernen, was ihm später für die Praxis am Theater gar nichts nützen kann. Das Ziel der Theaterwissenschaft, von dem sie zweifellos noch sehr weit entfernt ist, muß es bleiben, daß man den Doktor der Theaterwissenschaft und nicht den Doktor der Philosophie erwerben kann. In Berlin ist ein,,Theaterwissenschaftliches Institut" der Universität erst im Jahre 1923 eröffnet worden. Es ist selbständig und hat, wie es an anderen Universitäten sonst üblich ist, keine Verbindung mit den deutschen Seminaren.1

Der andere Gegner der Theaterwissenschaft sind die Theater selbst, deswegen nämlich, weil sie fürchten, daß von den Universitäten ein Nachwuchs in das praktische Theaterleben hineinkommt, der Kenntnisse und Wissen, aber keine Theatererfahrung und kein Theatertalent hat. Diese Einwände sind hinfällig; erstens weil in den Instituten (wenigstens weiß ich es von meiner Assistententätigkeit in Berlin her) immer wieder verlangt wird: wer keine Theaterbegabung hat, soll wegbleiben, er wird nicht weiterkommen; zweitens weil die Ausbildung sich nicht auf Vermitte lung von Kenntnissen beschränkt, sondern dem Studenten praktische Übungen vorschreibt. Übrigens ist der Widerstand des Theaters in letzter Zeit sehr bemerkenswert zurückgegangen, und selbst die Leute vom Theater sprechen es aus, daß dem auf der Universität vorgebildeten Regisseur und Dramaturgen die Zukunft gehört oder daß sich mindestens der Nur-Praktiker mit dem Wissenschaftler gut vertragen kann.

Wie sehr die deutsche Theaterwissenschaft noch in den Anfängen steckt, sieht man aus dem erst kleinen Kreis der bereits gelösten Probleme. Wir übersehen allerdings schon einen erheblichen Teil wichtiger Einzelfragen: das Theater des Mittelalters und der Renaissance, besonders die Zeit des Hans Sachs kennen wir aus Max Herrmanns gründlichen,, Forschungen"; wir kennen die Inszenierungsweise an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert (C. Kaulfuß-Diesch), die Schauspielkunst der Wanderkomödianten im 17. Jahrhundert (F. Tschirn), das Jesuitentheater und die Theaterverhältnisse bei Gryphius (W. Flemming); wir haben eine für Arbeiten dieser Art vorbildliche Untersuchung über die Theaterleitung Goethes in Weimar (B. Th. Satori-Neumann), über die baulichen Verhältnisse der Bühnen in Weimar und Lauch

1 In einer kleinen Schrift: Das Studium der Theaterwissenschaft in Deutschland (Berlin, Charlottenburg, 1926) habe ich zusammengestellt, welche Arbeitsmöglichkeiten an den einzelnen deutschen Hochschulen bestehen, wie sich die Lehrweise an ihnen unterscheidet, und was für Ergebnisse für die Erforschung des Theaters an jeder der Universitäten erzielt sind.

städt (A. Doebber) oder über die Bühneneinrichtung des Mannheimer Hoftheaters in seiner klassischen Zeit (K. Sommerfeld); wir kennen die Schauspielkunst oder auch nur die Theatergesellschaften des 18. Jahrhunderts in ihren Vertretern Franz Schuch (K. Liß), G. H. Koch (E. Prick), Abel Seyler (H. Moses), Joh. Chr. Brandes (Klopffleisch), Beck (H. Knudsen), Beil (E. Witzig), Iffland (H. Härle), Stephanie (H. Bußmann). Das Verhältnis Schillers und seiner Zeitgenossen zum Theater und die gegenseitige Bedingtheit von Dichter und Bühne ist untersucht (J. Petersen), ähnlich wie für die ältere Romantik (E. Groß) und für Hebbel (E. Tannenbaum); die Behandlung des Rollenfaches im Theaterbetrieb des 18. Jahrhunderts (B. Diebold) und des 19. Jahrhunderts (H. Doerry) steht fest. Die Theaterkritik in ihrer Entwicklung bis Lessing (F. Michael) und aus dem 19. Jahrhundert ein maßgebender Theaterkritiker, nämlich Rötscher (J. Günther), sind behandelt; die Musik ist in zwei Arbeiten theaterwissenschaftlich behandelt, einmal für Mozart und das Verhältnis zum Theater (E. Lert), sodann für die Bühnen- und Zwischenaktmusik des Theaters in der klassischen Zeit (F. Mirow). Ein Versuch, den Theaterwert und Theatergehalt der Chodowieckischen Hamlet-Kupfer festzustellen, ist in ausgezeichneter Weise unternommen (B. Voelcker) und die Methode, das Bild für die Theaterwissenschaft heranzuziehen, ist ausgebaut worden (H. Härle; anders auch Köster). Die Theaterzeitschriften des 18. Jahrhunderts sind systematisch untersucht (W. Hill), die Theaterschulen hat man behandelt (F. Aßmann), die Theaterreformen des Revolutionsjahres 1848 dargelegt (W. Klein); damit aber sind auch schon die Probleme der Hilfswissenschaften angedeutet, die an der Peripherie liegen.

Wieviel aber fehlt uns noch! An eine Geschichte der Schauspielkunst, in der wirklich die darstellerischen Mittel gezeigt werden, ist noch gar nicht zu denken, und wir sind dankbar für eine gründliche Untersuchung über die theoretischen Anchauungen der Schauspielkunst im 18. Jahrhundert (H. Oberländer). Über die Entwicklung der Regie gibt es noch gar nichts (dilettantisch zusammengeschmierte Bilderbücher zählen nicht!), ganz unberührter Boden ist die Frage nach dem Publikum im Theater, die Mehrzahl der großen Schauspieler sind im Sinne einer modernen Schauspieler-Monographie (für die das Biographische nur in zweiter Linie Bedeutung hat) noch nicht erkannt, eine Geschichte des Theaterzettels haben wir nicht; Anfänge sind dargestellt (C. Hagemann), die Kostümfragen ergeben, trotz zusammenfassenden Übersichten (M. v. Boehn), noch genug Einzelprobleme; die Ausdeutung der erhaltenen Szenenbilder (P. Zucker, F. Gregor) kann keineswegs als abgeschlossen gelten. Und gerade da, wo Ansätze zu Darstellungen über große Zeiträume gemacht werden, sieht man immer wieder, daß der eingeschlagene Weg verkehrt ist, geschichtliche Entwicklungen darzustellen, während die Einzelfragen noch ungelöst sind. An solchen Einzelproblemen wird in Deutschland mit Eifer und methodischer Schärfe gearbeitet. Nur wenn die Theaterwissenschaft auf dem eingeschlagenen Wege weiterschreitet und also mit allen Mitteln der,,Theaterphilologie" einzelne Probleme löst, wird sie ihre bisherigen Erfolge sichern. Sie muß jenes Maß von Geduld aufbringen, die jede wissenschaftliche, philologische Tätigkeit fordert. Dann aber wird sie sich die Achtung all der Kreise erzwingen, die heute vielleicht noch die ersten und doch so ernsten Bemühungen einer jungen Wissenschaft bezweifeln wollen, die doch das eine Große und Schöne für sich in Anspruch nehmen kann; ihr gehört die Zukunft. GESELLSCHAFT für Theatergeschichte, BERLIN

HANS KNUDSEN

A NOTE TO GOETHE'S FAUST

As Helena and her attendants stand before Faust's castle admiring the preparations for the reception of Helena, the chorus exclaims:

Wie? auf wessen Befehl

Nur erscheinen gereiht und gebildet so früh
Von Jünglingsknaben das herrliche Volk?

(9155-7)

This construction of "das Volk" as subject of "erscheinen" drew comment from Schröer and Trendelenburg, but other editors of Faust (Loeper, Düntzer, Erich Schmidt, Thomas, Witkowski, et al.) did not refer to it. Schröer cites Grimm's grammar to the effect that a plural verb may be associated with a singular subject which per se or on account of an accompanying adjective contains the idea of plurality, and Schröer adds: "Zu erwarten war eher:-die Jünglingsknaben des herrlichen Volks." Trendelenburg remarks: "erscheinen' nicht nach dem grammatischen Subjekt 'Volk' gerichtet, sondern nach dem Sammelbegriff Volk von Knaben." Each of these explanations is plausible, but Goethe's use of "Volk" with a plural verb in this particular passage may rest on a deeper foundation than is suggested by Schröer or Trendelenburg.

"Volk" occurs many times in the course of Faust, at least forty times, and it occurs in every grammatical case except the accusative plural. It always connotes a sense of the plurality inherent in the word, but when Goethe uses it as the subject of a verb, he always associates it with a verb in the singular except in the one passage quoted above. In referring back to "Volk" Goethe employs either a singular or a plural pronoun ("das," "du," "es," or "sie"), often without any obvious reason for the choice of the singular or the plural. For example, he says with grammatical precision:

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On the other hand, "Volk" is resumed once by "ihr" ("euch") and several

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In all of these citations-they might be increased by further examples from Faust-Goethe manifests great freedom in the use of "Volk," but he does not startle the reader by using it as the subject of a plural verb. We repeat, he employs the word as subject of a plural verb only one time (9155–7) and this one time in the Helena episode.

As is virtually said by both Schröer and Trendelenburg, Goethe may, in composing 9155-7, have been thinking “Jünglingsknaben" and written "das Volk" carelessly. This explains the construction plausibly, because Goethe not infrequently wrote or dictated carelessly. But a more reasonable explanation than that of carelessness may be found in the fact that the construction occurs in the Helena episode. It has been noted frequently that Goethe borrows many of the arts, much of the technic, of Greek dramatists throughout the third Act of Faust II. He uses Greek metres and measures; he employs stichomythy; he often carries the end of a word over to the next line (synathea); he had passages from Greek drama in mind when composing lines 8488 ff., 8840, 8873, 9577 ff., and others. Above all, the spirit of the Helena episode is thoroughly Greek.

Deeply immersed in Greek practice at the moment of the composition of 9155-7, Goethe seems to have remembered or felt Greek usage as illustrated by Aeschylus, Pindar, Thucydides, Homer, and other Greek authors whose works Goethe knew well. In Greek the singular form of a noun containing the meaning of "Volk" is construed with a verb in the plural without hesitation and with great frequency. Cf.,

εὖτ ̓ ἀπλοίᾳ κεναγγεῖ βαρύνοντ' ̓Αχαιϊκὸς λεώς

"when the Achaean folk were distressed by a tarrying in port that bred
hunger"
Aesch., Agam., 188–9.

̓Αργείων στόλος | θεοῖς λάφυρα ταῦτα τοῖς καθ ̓ Ἑλλάδα | δόμοις ἐπασσάλευσαν
"the fleet of the Argives to the gods throughout Hellas have nailed up these

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It seems to me very probable that Goethe was conscious of the unusual construction he was using, and that he used it for the sake of additional Greek effect. GEORGE M. PRIEST

PRINCETON UNIVERSITY

PROFESSOR FRANZ MUNCKER

About the middle of September Professor Franz Muncker of Munich after a brief illness died at the age of seventy.

Few men in our profession have enjoyed more universal respect and affection than he. In him were united great capacity for work, the highest ideals, keenness of mind, and a rare gentleness and humaneness. This blend of qualities made of him an outstanding figure in a faculty conspicuous for excellence. His most important contribution to scholarship is his critical edition of Lessing. This model of thoroughness takes rank with the best editions of any classic, German or foreign. Admirable conscientiousness also characterizes his book on Klopstock which, since its appearance, has furnished the basis for all later studies on the author of the Messiah. The same quality marks his many publications on Wieland and other writers of the eighteenth century. In later years Professor Muncker turned his attention to the study of literary relations between Germany and England. A few years ago he read before the Bavarian Academy of Sciences an illuminating paper on the attitude of German writers on certain phases of English life.

Besides these scholarly works he published a large number of essays conceived in a lighter vein in the Münchener Neueste Nachrichten and other papers. But even these reflect that deep intellectual seriousness apparent in his more strictly scholarly contributions. The breadth of his intellectual interests is perhaps best attested by his Life of Richard Wagner and his series “Munckers Forschungen." In the latter appeared investigations by various young scholars, some dealing with subjects far removed from the editor's special field. The Life of Richard Wagner was one of the first attempts ever made to interpret the literary importance of the great musiciandramatist. Professor Muncker's intimate personal contact with Wagner in Bayreuth, the home of the Muncker family, fitted him singularly well for his task.

The death of this scholar-teacher means the loss of one of the most beloved and respected university teachers in Germany. On both sides of the ocean, men and women who profited by his wide and accurate erudition or who experienced his urbanity and generosity will remember him with lasting gratitude.

COLLEGE OF THE CITY OF NEW YORK

CAMILLO VON Klenze

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