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Technik. Hier wird allerdings noch ein Thema gestellt wie in vielen Einzelnovellen besonders der 80er Jahre, während die 1912 erschienenen Plaudereien kein einheitliches Thema mehr haben; und zwar hat man sich über Heyses Novellen aus Grenzgebieten der Psychologie, über Spiritismus, Okkultismus, Seelenwanderung usw. unterhalten. Jetzt schlägt die Uhr zwölf, die Geisterstunde beginnt, aus der Mitte der Gesellschaft wird der Vorschlag gemacht, daß nun wirkliche Geistergeschichten zum besten gegeben werden möchten. Die Erzählungen wachsen also aus einem ähnlichen Anlaß heraus wie ein großer Teil der mit Rahmen versehenen Heyseschen Einzelnovellen, wo auch im Beginn eine allgemeine Erörterung über eine Frage stattfindet, worauf dann die folgende Novelle die Allgemeinheit der Frage auf ein konkretes Vorkommnis zurückführt. Der Zyklus umfaßt die Novellen Die schöne Abigail, Mittagszauber, 's Lisabethle und das Waldlachen, die jede von verschiedenen Mitgliedern des Kreises vorgetragen werden. Die erste Geschichte endet mit einem skeptischen Angriff, der von dem Erzähler geschickt zurückgeschlagen wird. Im Beginn der zweiten Erzählung wird dieser Angriff erneuert, von einer der Damen aber zurückgewiesen, und der zweite Erzähler beginnt. Diese zweite Geschichte hat kein Rahmenschlußstück; alle Kritik dieser Geschichte wird von der schon erwähnten jungen Dame im Beginn der dritten Erzählung gleich zurückgewiesen, und eine alte Tante, die durch ihr schweigsames Verhalten bei den vorhergehenden Schilderungen aufgefallen ist, wird angesprochen. Sie gibt die dritte Erzählung, die gerade wie die vorhergehende ohne Rahmenstück ist. Im Beginn der vierten Erzählung, Das Waldlachen, klingt die Stimmung, welche die Erzählung der Tante in der Gesellschaft ausgelöst hat, in ihre letzten Wirkungen aus, und der Hausarzt der Familie erbietet sich jetzt, zum Abschluß ein wahres Erlebnis zu erzählen. Der Schluß bringt dann eine nochmalige Diskussion über die Möglichkeit solcher Erscheinungen.

Der Rahmen selbst hat bei diesen Erzählungen keine besonders hervorragende Rolle. Zunächst ermöglicht er die Form der Ich-Erzählung, weiterhin fällt ihm gewissermaßen die Aufgabe eines Begleitinstrumentes zu; man könnte mutatis

mutandis etwa einen Vergleich mit der Aufgabe des Chors in Schillers Braut von Messina ziehen. Im Rahmen zeigen sich die Auswirkungen der Geschichte auf die Zuhörer, abgesehen davon, daß er auch die Erzähler einführt und ein wenig charakterisiert.

Im übrigen ist eine gewisse Abtönung der einzelnen Geschichten gegeneinander zu beobachten. Die beiden ersten Geschichten Die schöne Abigail und Mittagszauber stellen sozusagen Geistergeschichten in voller Größe dar, und zwar die erste eine unheimliche Nacht- und Spukgeschichte, die zweite im Gegensatz dazu eine liebliche Erscheinung zeigend, die beiden letzten haben ein wenig Einschlag des Humors, sie sind leichterer Art, das dritte Geschichtchen, 's Lisabethle, hat beinahe etwas Märchenhaftes, während die vierte Geschichte, Das Waldlachen, ja mit einer guten Dosis Humor durchsetzt ist, wenn auch ein tragischer Grundzug mit dem unglücklichen lahmen Knaben mit hinein kommt.

Unterbrechungen innerhalb der Erzählung finden sich bei Heyse sehr selten. Soweit sie vorhanden sind, dienen sie dazu, die Schwingungen der Stimmung stärker anklingen zu lassen, so z. B. in der Hexe vom Korso (1880), S. 231 und Clelia (1907), S. 246, wo der Erzähler seine Geschichte unterbricht, weil ihn die Erinnerung überwältigt. Auch im Leser verstärkt diese Unterbrechung die Schwingungen des Mitgefühls:

Die Stimme des Erzählers war immer bewegter und leiser geworden, nun verstummte sie ganz. An der Tafelrunde herrschte ein atemloses Schweigen. Erst als der Kolonel jetzt aufstand und ein paarmal durch das Zimmer ging, löste sich die Spannung, in der alle Zuhörer dagesessen. Die Gläser wurden neu gefüllt, die Zigarren wieder in Brand gesetzt, doch sprach auch jetzt noch keiner ein Wort, als ihr Freund an den Tisch zurückkehrte und seinen Sitz wieder einnahm.,, Ich habe mir zu viel zugetraut," sagte er:,, Ich dachte, ich würde von diesem Erlebnis reden können wie von einem alten Roman, den ich als junger Mensch gelesen. Ich sehe, es ist alles in mir so neu und lebendig, als hätte sich's gestern erst zugetragen. Aber ich will zum Ende kommen."

Nun erzählt er weiter.

Da in den meisten Novellen Heyses der Rahmen nur aus

dem Einleitungsstück besteht, Schlußstücke dagegen und gewöhnlich auch die Unterbrechungen innerhalb der Novelle fehlen, hat die Rahmenform also im Ganzen nur den Zweck, die persönliche Erzählungsform zu begründen, daneben noch öfters Stimmungswirkung zu erzielen, besonders auch Kontraste.

Weiterhin lernen wir allerdings gewöhnlich im Rahmen auch gleichzeitig eine der Hauptpersonen der Novelle kennen, machen gewissermaßen ihre persönliche Bekanntschaft, da die erzählende Person auch in der Novelle selbst eine Rolle spielt, handelt es sich doch meist um persönliche Erlebnisse des Vortragenden. Es hätte für den Dichter Schwierigkeiten, diesen Erzähler in der eignen Erzählung zu zeichnen, da es ja gezwungen erscheinen müßte, wenn er sich selbst charakterisieren würde, indem er annehmen darf, daß ihn jeder im Kreise der Zuhörer kennt. Soweit es sich um Hauptdarsteller in der kommenden Novelle handelt, wird die erzählende Person im Rahmen in der für die Exposition bei Heyse üblichen Weise umrissen.

Die Novellen Die Märtyrerin der Phantasie (1867) und Zwei Seelen (1899) stellen uns Rahmenerzählungen vor, bei denen ein großer Teil der Geschichte im Rahmen selbst spielt, wie sich dergl. ja auch bei anderen Novellisten findet, z.B. in Maria v. Ebner-Eschenbachs Chlodwig und Mašlans Frau.

NEW HAVEN, CONNECTICUT

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FRANZ WERFEL ALS RELIGIÖSER DICHTER*

NOCH

VON ERNST JOCKERS

vor 20 Jahren gehörte es zum guten Ton, Atheist, zum mindesten Antichrist zu sein. Der Materialismus, diese banal optimistische Vordergrundsphilosophie, hatte Gott als ,, gasförmiges Wirbeltier" und die Selbständigkeit des Geisteslebens als spitzfindiges,, Dichtererschleichnis "bezeichnet. Da der Materialismus als Lehre vom brutalen Erfolg und Willen zur Macht nicht nur unser persönliches, sondern auch unser wirtschaftliches, politisches und soziales Leben beherrschte, da er weiterhin als geistlose Historik unsere gesamte Wissenschaft in eine staubige Rumpelkammer zusammenhangloser Fakta, unsere Kunst in eine Anatomie pathologischer Vivisektionen, im besten Fall in ein Asyl für hilflose Schwächlinge, verwandelt hatte, so ist begreiflich, wenn, von einigen Ausnahmen abgesehen, für ein echtes religiöses Erlebnis weder Raum noch Mut vorhanden war.

Das Unwürdige dieser Lebenslage ist zwar schon vor dem Krieg von einigen ernster gerichteten Geistern erkannt worden. In der Philosophie drängten Wundt und insbesondere Rudolf

* Dieser Aufsatz wurde im November vorigen Jahres geschrieben und war eigentlich dazu bestimmt, auf der Modern Language Association in Chicago (Weihnachten 1925) vorgetragen zu werden. So weit mir bekannt, war eine zusammenhängende Darstellung Werfels als eines religiösen Dichters bis dahin nicht versucht worden. Meine Arbeit fußte mithin fast ausschließlich auf dem Studium des Dichters selbst. Inzwischen ist im Verlag von Paul Zsolnay (Berlin, Wien, Leipzig) eine längere Biographie des Dichters von Richard Specht erschienen, in welcher der Versuch gemacht wird, Werfel aus der gewandelten Geistigkeit der neuen Zeit heraus zu begreifen. Ich freue mich, daß meine Grundauffassung vom Wesen des Dichters durch dieses Buch nachträglich bestätigt wird und hätte nur gewünscht, daß der gescheite Autor statt des breiten Schwatzes an vielen Stellen etwas mehr Tiefe gegeben und dadurch zur Lösung mancher Probleme beigetragen hätte, die dem Werfelfreund umso mehr zu schaffen machen, je tiefer er in die oft dunkle Geisteswelft des großen Dichters einzudringen sich bemüht. So habe ich mich nicht veranlaßt gesehen, an der ursprünglichen Gestalt meiner Arbeit etwas zu verändern und übergebe sie daher genau so dem Druck, wie sie entstanden ist.

E. J.

Eucken zu einer geistigen Erfassung des Lebens und suchten unsern zentrifugalen, peripheren Wirkungsströmen durch Zurückführung auf eine geistüberlegene Seinsquelle Ziel, Inhalt und Würde zu verleihen. In der Malerei erdichteten Böcklin, Max Klinger, in ihrem Schatten, Hans Thoma, aus den Tiefen ihrer schönheitsdurstigen Seele eine neue pantheistische Religiosität, während Steinhausen und Uhde das Evangelium des Nazareners in neuer, prunkloser Weise dem Volke erzählten.

Und in der Literatur? Es fehlte keineswegs an Männern und Frauen, die dem religiösen Problem nicht ihre Aufmerksamkeit geschenkt und es auf ihre Weise zu lösen unternommen hätten. Ich erinnere an Gustav Frenssen, Erika HandelMazzetti, Gerhart Hauptmann auf dem Gebiet des Romans, Mombert, Rilke, Stefan George auf dem der Lyrik, um nur einige Namen zu nennen. Hilligenlei wurde wie Jörn Uhl verschlungen, Emanuel Quint, Hauptmanns reinstes und reifstes Buch, war in aller Munde, Mombert berauschte manchen Glühenden, Rilke beseligte viele Innige, George entzückte alle Feinschmecker und Aristokraten. Doch-wo sind die Ströme, die sich von hier ins Leben ergossen und dies in seinen Grundlagen aufgewühlt hätten? Nirgends. Man ließ sich von allem anregen, man nahm es hin-aber es blieb, was es war: Philosophie, Malerei, Literatur-Aesthetik mit einem Wort. Und warum? Weil diese Philosophie, Malerei und Literatur zu sehr im Engpersönlichen, oder Zeitlich-Bedingten verstrickt war. Weil geistiger wie materieller Besitz als Privatsache galt und darum, wie dieser individuell, allenfalls kreisförmig abgegrenzt war. Weil jeder auf seiner eigenen Insel, in tragikomischer Isolation lebte und die Brücke zum andern, zur andern Insel, nicht finden konnte. Weil der schale Optimismus die Gemüter in Banden hielt, daß mit den steigenden materiellen Gütern der Glückszustand wachsen, mit den besser werdenden sozialen und politischen Verhältnissen ein Paradies der Seele kommen und das Gottesreich auf Erden sich verwirklichen müßte, ohne Gott, ohne eigenes göttliches Handeln. Religion als Lebenskraft, als Erlebnis der Gemeinschaft war so gut wie verschwunden, und wo sie vorhanden war, wirkte sie sich aus in engen, abgeschlossenen Zirkeln und Sekten.

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