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steht. Der architektonische Bau ist ein reicher gegliedertes zur einheitlichen Persönlichkeit zusammengerafftes Individuum, wie bereits dargelegt wurde. Die Statuen wachsen noch nicht organisch aus sich heraus wie in der Renaissance, sie gehören noch als Teilglied in das Bauganze; aber ihr Ausdruck verliert das Abstrakte, die menschliche Seele differenziert sich und wird in den Körper hineinprojiziert. Deutlich ist ein wachsendes Verständnis für die körperlichen Formen zu verfolgen, und diese Tendenz greift auch z.B. auf die Behandlung des Gewandstoffes über. Dabei geht Deutschland in der Loslösung der Statue aus dem Bauzusammenhang weiter als Frankreich.-Dieser Individualismus wird als philosophische Doktrin gesichert durch den Sieg des gemäßigten Realismus in der Scholastik, der den Dingen eine Eigenexistenz abgesehen von ihrer Zugehörigkeit zu einer Spezies oder einem Genus zuschreibt: die einzige existierende Realität ist die individuelle Realität. Staatsrechtlich wie theologisch steht das Individuum und sein Wohl über dem Gesamtorganismus: der Staat existiert für das Wohl des Individuums und nicht umgekehrt, aber er bleibt monarchisch geordnet. Theologisch bleibt das Individuum zwar in Abhängigkeit vom kirchlichen Heilssystem, aber Ziel ist nicht das Verlieren in Gott (wie es nach der Rezeption der Araber nahe lag), sondern die beatitudo des Einzelnen. Bemerkenswert ist auch, daß in dieser Periode die Psychologie ihre erste mittelalterliche Ausbidung erfährt, in ihrem induktiven wie in ihrem metaphysischen Teile: die Natur der Empfindung, die Beziehung zwischen Empfindungsinhalt und Gedanke, der Abstraktionsprozeß, das Ichbewußtsein sind einige der Fragen, die nun ihre Beantwortung finden.-In der Literatur gilt nicht mehr ausschließlich das äußere Geschehen, das Faktum als solches; dieses ist vielmehr oft sekundär. Gleichberechtigt, meistens an Bedeutung übergeordnet, erscheint die Person, von der die Handlung ausgeht; ihr Konflikt, die Entscheidung, die gedankliche und die Gefühlsreaktion. Es handelt sich auch hier noch um eine idealisierte Totalität, aber im Vergleich mit der romanischen Periode ist doch ein bedeutender Schritt zur wohlgerundeten lebendig erfaßten Individualität getan. Auch die Dinge und Szenen nehmen individuellere Formen an: typische

Beispiele sind das Pferd des Hartmann'schen Erec und die Hirschzerteilung im Gottfriedschen Tristan. Das Nibelungenlied erweist sich als Produkt des beginnenden dreizehnten Jahrhunderts gerade durch die Sinnfälligkeit und die Detaillierung der Beschreibung von Dingen und Situationen. Bis ins Wort hinein erstreckt sich diese Individualisierung; wenn das Wort "minne" z.B. in den Monologen bei Veldeke oder in den lyrischen Stellen bei Gottfried von Straßburg in allen rhythmischen Variationen erscheint, so bedeutet dies mehr als eine Spielerei; es bedeutet, daß das Wort eine Reihe von Klangs- und Gefühlsqualitäten angenommen hat, die ihm bis dahin fehlten.

Durch diese allgemeine Steigerung seelischer Kräfte müssen natürlich, wenn überhaupt, in der Gotik nationale Differenzen deutlicher zum Vorschein kommen als in der romanischen Periode. Auf einzelnes haben wir schon bei den besprochenen Punkten hingewiesen, einiges Grundlegende müssen wir hier noch zusammenfassend hinzufügen. Der eigentlich deutsche Stil ist der romanische, der gotische ist trotz seines deutschen Namens eine echt französische Leistung. Auf allen drei hier besprochenen Gebieten kommen wir in Schwierigkeiten, wenn wir das Entstehen der Leistungen der deutschen Blütezeit unabhängig von der französischen Entwicklung darstellen wollen. Nur sehr langsam bahnt sich die Gotik einen Weg in Deutschland, am schnellsten natürlich in der Literatur wegen der geringeren Materialschwierigkeiten. Aber auf allen Gebieten muß sich diese Gotik Umgestaltungen im ursprünglich romanischen Sinne gefallen lassen. Der Temperamentsunterschied der beiden Perioden ist in Deutschland nicht so extrem wie in Frankreich; darum ist weder die emotionale noch die rationale Entwicklung so markant.-Nur sehr allmählich dringt der gotische Stil in seiner extremen Spitzbogenform in Deutschland vor. Die Subordination der Seitenschiffe unter das Hauptschiff wird nur ausnahmsweise angenommen. Schon in Nachbildungen französischer Vorbilder zeigt sich ein Streben nach beruhigender Raumgestaltung durch Ausweitung und Erhöhung der Seitenschiffe, so in Magdeburg und Köln. Die Entwicklung führt dann zur typisch deutschen Hallenkirche. Die rationale Einheit des Außenbaues wird durch die individuelle Entwicklung

des Fassadenturmes oder des Choräußeren gebrochen. In der Plastik finden wir denselben Mangel an Subordination unter das Bauganze. Das französische gesteigerte, mitreißende Pathos steht so einem ruhigeren, deutschen Stile, und die französische outrierte Einheit einer mehr individuellen Raum- und Körpergestaltung gegenüber.-Auch in der Philosophie ist die volle Ausbildung der Scholastik eine französische Leistung; die Hauptvertreter sind entweder Franzosen, oder sie erhalten ihre Ausbildung an der Pariser Universität, wo auch die meisten eine längere Lehrtätigkeit aufnehmen. Der einzige bedeutende deutsche Scholastiker ist Albertus Magnus, ein Schwabe, dem aber die Fähigkeit zur letzten Systematisierung und der feste Standpunkt noch fehlt. Zudem bleibt er dem romanischen Geiste näher durch den Neoplatonismus und Augustinismus, den er nicht ganz aufzugeben vermag. So bleibt die deutsche Philosophie des Mittelalters im allgemeinen dem neuplatonischen Mystizismus näher verbunden, dessen Ausbildung eine spezifisch deutsche Leistung der spätgotischen Periode wird. Der französischen gedankenklaren Scholastik steht die weniger gedanklich als gefühlsmäßig faßbare Mystik der Spätgotik gegenüber, die dem Pantheismus zuneigt. Die deutsche Eigenheit in der Literatur wird gewöhnlich mit dem Schlagwort,, Verinnerlichung‘ bezeichnet. Eine genauere Analyse zeigt, daß es sich bei all diesen Erscheinungen sowohl um eine Differenz im Pathos wie in der rationalen Systematisierung und Unterordnung handelt.1 So tritt der Einzelheld im deutschen Epen etwas zurück, dadurch daß die Nebenpersonen eine individuellere Form

1 Literatur:

Heinrich Wölfflin, Kunstgeschichtliche Grundbegriffe, München, 1920.

66

Fritz Knapp, Die künstlerische Kultur des Abendlandes, Bonn und Leipzig,
1922.

Richard Müller-Freienfels, Persönlichkeit und Weltanschauung, Berlin, 1919.
Henry O. Taylor, The Mediaeval Mind, New York, 1925.

Henry O. Taylor, Classical Heritage of the Middle Ages.

Maurice De Wulf, History of Mediaeval Philosophy, transl. by E. C. Messenger.
New York, 1926.

Maurice De Wulf, Philosophy and Civilization in the Middle Ages. Princeton,

1922.

Kuno Francke, History of German Literature as Determined by Social Forces.
New York, 1916.

Friedrich Schürr, Das altfranzösische Epos, München, 1926.

annehmen, z. B. durch einen größeren Anteil an Dialog und Monolog. So harte Klarheit der Entscheidung wie die der Chrétienschen Laudine ist für Hartmann unerträglich, er verbreitert die Entscheidung, sucht sie aus dem Rationalen ins Gebiet des Gefühls zu ziehen durch die Hinzufügung des Liebesmotivs. Wolframs Parzival, die Gudrun und das Nibelungenlied erscheinen gerade durch die Entrationalisierung des Seelischen, durch die Auflösung der Charakteristik in eine Reihe von individuellen Einzelzügen als Gegenpol der französischhöfischen Epik, so sehr sie sonst von ihr beeinflußt sein mögen.

ELMHURST College

IT

DEEDS TO LENAU'S PROPERTY IN OHIO

BY JOHN C. BLANKENAGEL

is rather infrequent that documentary source material on events in the lives of German men of letters can be supplied from America. But in the case of Lenau this becomes possible because of his brief sojourn in the United States during which he became a landowner in Crawford County, Ohio, near the present city of Bucyrus. Lenau's experiences in this country were very carefully portrayed by Professor G. A. Mulfinger 1 in the year 1897. His investigation deals with Lenau's travels in America, his personal contacts, his views on Americans, his land deals and the impress of his voyage upon his poetic productivity. Professor Mulfinger was not concerned with the somewhat impersonal matter of looking up deeds to Lenau's property. On the other hand, the recent complete edition of Lenau's works by Eduard Castle 2 contains a variety of legal documents dealing with numerous incidents in Lenau's life. Thus among the poet's letters Castle has included a copy of a lease of Lenau's four hundred acres in Crawford County to Ludwig Häberle.3 But although there are frequent references in the above mentioned documents to Lenau's property in Ohio, to its sale because of unpaid taxes, to power of attorney for the resale of the land after it had been purchased back, and to the final disposal of the holdings, Castle publishes no copies of deeds covering such negotiations. Nevertheless these deeds are fully as important as some of the documents printed by Castle and should be made available in the interest of completeness.

Through the courtesy of Mr. H. O. Sharp, Recorder of Crawford County, Ohio, I was permitted to search through the

1 "Lenau in America," Americana Germanica, Vol. I.

2 Nikolaus Lenaus sämtliche Werke. Insel Verlag: Leipzig. 1910–23.

Op. cit., III, 204 ff.

Op. cit., V, 395.

s Ib., 419.

• Ib., 423, 425 f., 433.

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