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THE GERMANIC REVIEW

VOL. II-JULY 1927-No. 3

DIE

ROMANIK UND GOTIK

VON F. W. KAUFMANN

IE Möglichkeit, Literatur, bildende Kunst und Philosophie mit einander in Beziehung zu setzen, liegt begründet in der subjektiv-schöpferischen Natur, die allen drei Betätigungen des menschlichen Geistes gemeinsam ist. Sie gehören nicht nur dem objektiven Gebiete der Tatsachen an, sondern sind in höherem oder geringerem Grade auch Ausdruck des Subjekts und daher zeitgebunden. In der früheren Behandlung der verschiedenen Kulturgebiete wurden für jedes Gebiet besondere Gesichtspunkte in den Vordergrund gerückt. In der literarischen Behandlung beanspruchte die Persönlichkeit des Dichters das Hauptinteresse, mit Ausnahme der Frühzeit, wo ein Maßstab überhaupt fehlte oder der rein philologische gewählt wurde. In der bildenden Kunst galt die Epoche, in der Philosophie entweder das System der Einzelphilosophen oder die Geschichte der philosophischen Begriffe. Erst in jüngster Zeit hat man versucht, den Gesichtspunkt des einen Gebietes auf die anderen anzuwenden, oder ihn so zu wählen, daß mehrere Kulturgebiete zugleich überschaut werden können. Daß man gerade von der Kunstwissenschaft aus besondere Aufhellung sucht, ist sehr verständlich, da sie ja leichter ihr Material überschauen kann, und daher schon früher zur ästhetisch-immanenten Epochenbestimmung gelangen konnte. In der Literatur fanden solche Übertragungen hauptsächlich für die neuere Zeit Anwendung, wo es geradezu Mode wurde, besonders von der Dichtkunst der Renaissance und des Barock zu reden, ohne daß immer die genügende Begriffssichtung vollzogen worden wäre. Die ältere Zeit, die bisher allzusehr in den Händen der rein philologischen Forschung gelegen hatte, bot einen weniger willkommenen, weil

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weniger literargeschichtlich vorbereiteten Angriffspunkt. Mehr als von der Philologie war das schon von mehr kulturgeschichtlich eingestellten Forschern wie H. O. Taylor geschehen, auf philosophiegeschichtlicher Seite von De Wulf, während unter den Literarhistorikern besonders Kuno Francke Erwähnung verdient.

Bei einem Vorstoße in dieses Gebiet der vergleichenden Betrachtung gilt es vor allem durch einen Überblick über das Feld der Untersuchung Maßstäbe des Vergleichs zu gewinnen. Ausgehend von der höheren Einheit,, Mittelalter" können wir sehr wohl die Romanik in die gotische Entwicklungsreihe einbeziehen. Sie ist die Klärungsstufe für das antike Erbe und als archaische Vorstufe der nordischen Gotik aufzufassen, die im 13. Jahrhundert auf allen Kulturgebieten zur Kulmination gelangt und dann in die, wenn man will, barocke Form der Spätgotik übergeht. Diese Vorstufe ist ein Tasten mit oft unklarer Tendenz, einer Mehrheit des Wollens, die erst allmählich einer rationalen Klärung und Vereinheitlichung zustrebt. Die Gotik bedeutet die Vollendung subordinierender Einheit mit voller Wahrung, ja mit neuer Behauptung des Individuellen. Die Spätgotik strebt wenigstens in einzelnen ihrer Erscheinungen einer mystischeren Form der Alleinheit zu. Nationalpsychologisch bedeutsam ist hier, daß die Gotik in der gallischen Form ihren Gipfel erreicht, während sie die eigenartige Entwicklung der Spätgotik dem deutschen Nachbar überläßt. Die folgende Abhandlung beschränkt sich auf die romanische und gotische Entwicklung bis zu ihrer klassischen Vollendung in der Hochgotik.

Die Bedeutung einer solchen Betrachtungsweise, wenigstens als methodische Zielsetzung ist klar: Die frühmittelalterliche Dichtung wird aus dem reinphilologischen Bereiche in den kunstgeschichtlich-ästhetischen einbezogen. Ihre Isoliertheit von der höfischen Dichtung wird dadurch gemildert, wenn nicht aufgehoben. Die höfische Periode wird nicht einseitig auf eine soziale Erscheinung bezogen; das Verhältnis zwischen den beiden zunächst beteiligten Nationen wird dem Bereiche horizontal vergleichender Wertung entrückt und unter den höheren Gesichtspunkt organisch-künstlerischer Fortentwicklung gestellt.

I. DIE ROMANIK

Eine absolute Trennung zwischen Romanik und Gotik ist schon deshalb nicht tunlich, weil beide-wie die ganze folgende Kunstentwicklung der antiken als abendländische Kunst entgegengesetzt sind. Der gemeinsame Unterschied ist in dem Gegensatz von statischer Ruhe und dynamischer Bewegung, von apollinischem und faustischem Geist, mehrfach gekennzeichnet worden, sodaß wir ihn in diesem Zusammenhang nicht näher zu entwickeln brauchen. Aber auch innerhalb der abendländischen Kultur ist der Unterschied mehr graduell als ein Gegensatz. Der romanische Stil ist eine Gotik ohne Enthusiasmus, der Unterschied ist ein Temperamentsunterschied, der sich schon soziologisch in der Verschiedenheit der Bildungsträger der beiden Epochen ausprägt: der Geistlichen und der Ritter. Das Schwerlastende, Dumpfe ist charakteristisch für den romanischen Kirchenbau. Schwer ruhen die massigen Gewölbe auf Mauern und kräftigen Pfeilern. Die geringe Lichtzufuhr durch die kleinen Fenster verstärkt diesen Eindruck drückender Schwere.-Dies Dumpf-Depressive äußert sich philosophisch in dem Verhältnis zwischen Gott und Mensch, zwischen sinnlicher Erfahrung und Denken. Für den Realisten führt kaum eine Erkenntnisbrücke vom Sinnlichen zum Geistigen, und das Denken selber wird von Gott geleitet. In der Ethik erfolgt die Lösung von der Theologie erst in der spätromanischen Zeit, und in der Theologie selbst herrscht der Mönch, noch nicht der Philosoph.-Die Literatur kommt unter der geistlichen Herrschaft nur zur sporadischen Geltung und dann noch nicht als ästhetischer Selbstzweck, als Ausfluß unbekümmert spielerischen Triebes. Werden kräftigere Töne angeschlagen, so kommt dies auf Rechnung des im Volke weiterlebenden trutzigen germanischen Elementes, wie im Waltharilied; es ist nicht das GotischOptimistische der Ritterzeit.

Wurde oben das Dynamische als das unterscheidende Merkmal des abendländischen vom antiken Stile hingestellt, so steht die romanische Stufe dem antiken Prinzip noch näher. Der romanische Stil ist verglichen mit dem gotischen noch eine ruhende Masse, in der Grundhaltung von dem antiken mehr durch potentielles als durch aktuelles Bewegungsstreben unterschieden.

Zwar ist der Sinn auch des romanischen Baues auf ein Erlebnis des Durchschreitens basiert, aber erst in der Gotik wird diese Idee zu zwingender Bewegungsdynamik erhoben. Schon daß man in diesen romanischen Raum von der Seite hineintritt, läßt die Schrittbewegung zurücktreten vor dem statischen Raumerlebnis. Auch fehlen noch die führenden bewegungserzwingenden Linien der Gotik. Kommt in die vorgotische Plastik auch einmal eine ekstatische Bewegung hinein, so ist die romanische Figur doch mehr plastisch stabil, dem Ausdruck abstrakter Ideen und somit auch byzantinischem Einfluß geneigter als die Zeit gotischen Lebensgefühls. Man vergleiche den um 1100 eingeführten siegreichen romanischen Christus mit dem späteren leidenden; oder man betrachte die dogmatische Haltung des um diese Zeit aus dem Orient importierten Madonnengnadenbildes.

Philosophisch erscheint diese Ruhe in der realistischen Lehre, daß den Individuen die allgemeinen Formen des Genus und der Spezies innewohnen, daß also das Individuum seine Existenz nicht sowohl lebendigen individuellen Eigenschaften als der Teilnahme an jenen unveränderlichen höheren Realitäten verdankt.-Literarisch findet sich diese höhere Bewertung des Allgemeinen z. B. in der Charakterisierung durch typische Züge, d.h. also durch Merkmale, die weniger dem Individuum als solchem denn einer Klasse von Individuen zukommt. So wird Ganelun im Rolandslied als,, li parjurez" charakterisiert, Roland als,, li quens Rollant" eingeführt; und die typisierende Behandlung der Heiden in diesem Epos steht durchaus im Gegensatz zu der gotisch-individuelleren in Wolframs Willehalm und im Parzival. In der Handlung überwiegt die faktische Verknüpfung an Stelle der zwingender vorwärtstreibenden, eigentlich überhaupt erst eindeutig richtungbedingenden psychischen Kausalität.

Enge verknüpft mit dieser Ruhe ist ein Mangel an Einheit, der erst in spätromanischer und gotischer Epoche einer organischen Zusammenfassung der Teile weicht. Die Chöre mit ihren Krypten streben dem Mittelschiff entgegen, die Mittelschiffvierungen sind noch relativ selbständige Einheiten, und am Außenbau sind die Türme nicht recht in das Ganze hineinverwachsen. In der Philosophie zeigt sich der Mangel an verknüp

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