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A. Die Gefahren fangen an auszubrechen.

1. Der König bekommt einen Wink und gerät in die heftigste Eifersucht.

2. Dom Karlos erbittert den König noch mehr.

3. Die Königin scheint den Verdacht zu rechtfertigen.
4. Alles vereinigt sich, den Prinzen und die Königin
strafbar zu machen.

5. Der König beschließt seines Sohnes Verderben.

Im Augenblick, wo sich Schiller entschied, alle diese Züge der französischen Novelle zu dramatisieren, konnte er Assoziationen mit Othello nicht mehr vermeiden. Shakespeare hat in seinem Drama die Eifersuchtstragödie,, an sich" gestaltet. Alle darin vorhandenen Charaktere und Situationen mußten unweigerlich zu Charakter- und Situations- t y pen werden, d. h. der unbegründet Eifersüchtige ist bei jeder wiederholten Behandlung des Motivs ein neuer Othello, jeder böswillige Verleumder der Unschuld ein neuer Iago und jene selbst eine neue Desdemona. Das gleiche gilt natürlich auch für die Situationen. Schiller, der den Othello kannte, konnte dem Assoziationszwang nicht entgehen: wo Philipp der Eifersucht erliegt, trägt er Othellozüge; wo ihn seine Domingo und Alba aufhetzen, gleichen sie Iago. Ob gelegentliche Anklänge im Wortlaut aus Assoziation erklärt werden können oder nicht, ist ganz unwesentlich. Ich glaube, selbst wenn Schiller den Othello nicht gekannt hätte, wären schon nach dem, was ihm St. Réal bot, die Charaktere, die Situationen und der Wortlaut als bloße Ergebnisse genialen dramatischen Gestaltens nicht viel anders ausgefallen, als wir sie bei ihm vorfinden. Es ist ja bekanntlich auch auf die Ähnlichkeit des eifersüchtigen Königs mit Othello in Otways Don Carlos-Drama hingewiesen und dabei die Frage aufgeworfen und erörtert worden, ob Schiller wohl Otways Stück gekannt habe. Ich halte sie für völlig belanglos. Auch Otways Quelle er veröffentlichte sein Drama 1676-war St. Réal. Als Engländer kannte er natürlich Shakespeare. Was also für Schiller gilt, gilt auch für ihn.

Hier kann ich doch der Versuchung nicht widerstehen, auf zwei Arbeiten aus der Don Carlos-Literatur hinzuweisen, deren

eine wiederum auf der andern beruht. Es sind H. Hellers

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Die Quellen des Schiller'schen Don Carlos "," und die darauf Bezug nehmende Heidelberger Dissertation von J. Löwenberg Über Otway's und Schiller's Don Carlos" (1886). (1886). Heller versucht in seiner Abhandlung den Nachweis, daß Schiller einige Züge seines Dramas einem französischen Stück Andronic von Jean Campistron entlehnt habe. Das französische Drama soll ein Mittelglied bilden zwischen St. Réal und Schiller. In der Vorrede des Franzosen heißt es nämlich:,, Je conçus la première idée de ce sujet sur une histoire écrite par Mr. l'abbé de St. Réal,10 etc. Was hier Heller mühselig und mit einem erklecklichen Aufwand von Zitaten,, nachweist ", wirft ihm Löwenberg mit ebenso großem Scharfsinn wieder über den Haufen. Um zu zeigen, was wirklich dabei herauskam, setze ich einen Teil von seinen abschließenden Ausführungen hierher. Auf Seite 125 sagt er: Man sieht, was manchmal unter Ähnlichkeit verstanden ist, und wie Otway zuweilen noch mehr mit Schiller oder auch mit Campistron übereinstimmt, als diese beiden selbst mit einander. Wie ich nun vorher Otwaysche Stellen anführte, die nur solchen aus Schiller entsprechen, so ließen sich auch dergleichen finden, die nur mit denen aus Campistron allein Ähnlichkeit tragen. Was aber folgt daraus? Hat Schiller wegen der Übereinstimmung mancher Stellen Campistron benutzt, dann muß er auch aus eben demselben Grunde, und nicht er allein, sondern auch Campistron Otway benutzt haben.“ So geht es noch eine ganze Weile fort, bis der Verfasser endlich, endlich die erlösende Alternative stellt:,, Entweder hat Campistron Otway, und Schiller alle beide benutzt, oder jeder Dichter hat nach der gleichen Quelle selbständig gearbeitet, und alle Übereinstimmung geht auf diese und auf die Ähnlichkeit der Charaktere und Situationen zurück." Der letzte Gedanke wäre vorzüglich, wenn er sich nicht im Verein mit der ersten Möglichkeit vorfände. Schließlich entscheidet sich der Verfasser dennoch zur Annahme selbständigen Arbeitens, aber man höre, aus welchem Motiv! Nachdem die Behauptungen Hellers, wie ich glaube, widerlegt sind, möchte ich für die

• Herrigs Archiv, XXV, 55–109.

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10 Oeuvres de Monsieur de Campistron. Amsterdam, 1722, Tome I, p. XI.

Unabhängigkeit Schillers von Campistron noch einen Grund anführen, der nur persönlicher Art, für mich aber überzeugender ist als jeder andere. Hätte Schiller in dem ausgiebigen Maße, wie Heller glaubt, Situationen, Charakterzüge, Gedanken und Reden von Campistron entlehnt, so hätte er nicht mehr ein erlaubtes Hülfsmittel benutzt, nicht mehr bloße Reminiscenzen verwandt, sondern ein Plagiat begangen. Dann ließe sich aber auch der Verdacht nicht zurückweisen, daß er den Namen Campistrons, dem er doch so viel verdankte, geflissentlich verschwiegen habe, was um so verächtlicher wäre, da er doch sonst Autoren, die er zum Don Carlos benutzt (!!), sei es in Briefen, sei es in der Thalia, recht häufig erwähnt. Bei dem lauteren Charakter Schillers muß aber jede Vermutung, jeder Gedanke eines solchen Verdachtes ganz ausgeschlossen bleiben, und wir können es getrost behaupten, daß er keine andre Quelle benutzt, als die, welche er selber angegeben." Das klingt wie das Plaidoyer eines Rechtsanwalts, der einen sehr zweifelhaften Fall zu verteidigen hat:,, Obwohl, meine Herrn Geschworenen, der objektive Tatbestand gegen den Angeklagten spricht, so bin ich doch der Überzeugung, daß ihm auf Grund seines tadellosen Vorlebens eine solche Tat schlechthin nicht zuzutrauen ist, und beantrage Freispruch." Jener,, Schriftwechsel" HellerLöwenberg erweist zur Genüge die Unzulänglichkeit jener beliebten Methode, auf die er gegründet ist, und damit die völlige Wertlosigkeit eines großen Teiles der gesamten literargeschichtlichen Forschungsergebnisse. Ich überlasse es dem Leser, die,, fürchterliche Musterung" selbst zu halten.

Ich will nun zum Abschluß noch auf zwei Situationstypen aufmerksam machen, die sich wie in anderen Dramen auch im Don Carlos finden. Die eine ist die Situation,, Argwöhnischer Vater verkannter Sohn." Wir haben sie andeutungsweise im Hamlet; in ihrem vollen Gehalt-um nur einige der sehr zahlreichen Beispiele zu nennen-fast in allen Inés de Castro- und Agnes Bernauer-Versionen. Die andere ist die Situation,, Zusammentreffen des schuldigen Vaters mit dem Sohn an der Leiche eines von dem verblendeten

Vater gemordeten Menschen, der dem Sohn teuer war ". Jener Situationstypus enthält regelmäßig das Motiv der Reue des Vaters oder das Eingeständnis seiner Schuld, sowie den Impuls des Sohnes, den Vater zu töten, angedeutet durch das Berühren oder Ziehen des Degens. Außer im Don Carlos tritt er u. a. wiederum in den Agnes Bernauer- und Inés de CastroDramen auf. Auch hier hat oberflächliche Methode zu zahlreichen Benutzungs- und Plagiatverdachten Anlaß gegeben, auf die einzugehen sich erübrigt. Wo sie der Leser findet, wird er wissen, wie er sie zu bewerten hat.

Zusammenfassend sei noch einmal folgendes gesagt: Man hüte sich, bei vergleichender Betrachtung von Kunstwerken irgend welcher Art sich mit Methoden zu begnügen, die das Wesen des künstlerischen Schaffensvorgangs unberücksichtigt lassen. In Fällen, wo ein Einblick in den Gestaltungsprozeß nicht möglich ist, erscheint mir ein aufrichtiges,, Ignoramus anständiger zu sein und von größerer Ehrfurcht vor der Kunst zu zeugen, als die Veröffentlichung von scheinbaren Schlüssen, die in Wahrheit Trugschlüsse sind, weil sie mit unzulänglichen Methoden gewonnen wurden. Forschungsergebnisse, die sich nur mit einer Apologie wie die Löwenbergische in die Welt hinauswagen können, müssen zur Folge haben, daß eine Wissenschaft", die sie hervorbringt und gar mit Doktordiplomen belohnt, mit Recht der Verachtung ernsthafter Menschen verfällt.

STANFORD UNIVERSITY

THE

ROMANTICISM

BY PHILIPP SEIBERTH

HE task of finding a "common denominator" for the apparently heterogeneous and uncertain phenomena of romanticism may not prove to be altogether hopeless if we will only let romantic literature explain itself as a characteristic way of thinking and feeling about life. The most important part of the matter is to understand that romanticism is not a new thing of the modern period, originating in the theories and productions of a small group of men in Germany about the close of the eighteenth century who called themselves "romanticists." As a peculiar way of thinking and feeling romanticism has existed from the beginning of literature. Before all else we must find its basis in human nature. We must try to gain a generic conception of romanticism from a central psychological point of view. Having that we shall also have the heuristic principle enabling us to recognize what is romantic wherever it may occur, or to isolate and free it from any combinations in which it is present.

The opposite of romanticism in the generic meaning to be developed in the present study is not its common antonym "classicism" but "realism." I intend to show that we have in the terms "romantic" and "realistic" the two most inclusive names or main categories for the conception of life in thought and feeling. It was Schiller who first became aware of the twofold aspect in the attitude of the poet toward life. According to him the idea of poetry is to give to humanity its fullest possible expression. "Der Begriff der Poesie ist kein andrer als der Menschheit ihren möglichst vollständigen Ausdruck zu geben." In his essay, "Über naive und sentimentalische Dichtung" he designates as "naive" those poets who possess the feeling of harmony with nature and as "sentimental" those who do not possess or, as he expresses it, who have lost this feeling of harmony. "From this distinction arise two wholly distinct

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