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Schwelgerei und Liederlichkeit, ihre Abartung von den Gesinnungen und Tugenden der grofsen Vorfahren dem immer so hoch gehaltenen mos maiorum straft: wie hätte er sich auf geschicktere Weise den Zugang zu den Herzen seiner Zeitgenossen eröffnen können? Aber es hat doch lange gedauert, ehe er verstanden und richtig gewürdigt wurde. Wieland äufsert sich hierüber mit folgenden Worten: Horaz hatte einen grofsen Ruf, aber wenig litterarische Freunde. Seinen Namen kannte jedermann, seinen Wert nur diejenigen, die selbst einen Wert in seinen Augen hatten. Die Schönheiten seiner Werke waren gröfstenteils zu fein, um auf den grofsen Haufen Eindruck zu machen oder von ihm recht verstanden zu werden. Einigen war er zu scharf, andern hatte er nicht Nerven genug. Andere konnten sich nicht in den leichten, launevollen und ironischen Ton seiner Schriften finden; sie wufsten immer nicht recht, was er eigentlich sagen wolle; sein Salz war zu fein für ihren Gaumen. Kurz Horaz, mit allem seinem Geist, Witz und Geschmack, war kein Mann für das römische Volk, und wiewohl es Mode sein mochte ihn gelesen zu haben, so wurde doch unter allen Dichtern seiner Zeit schwerlich einer weniger verstanden".

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Was die technischen Mittel anbelangt, deren der Humor sich bedient, um die beabsichtigte Wirkung zu erzielen, so seien die folgenden hier zusammengestellt: 1. Von weitgreifender Bedeutung ist die drastische Sinnlichkeit der Darstellung, in der nicht selten eine ungemeine komische Kraft liegt. Der Gedanke z. B.: „du bist sehr reich an irdischen Gütern, die mir ganz wertlos erscheinen" lautet in der Horazischen Sprache: „dich umbrüllen auf Sicilien hundert Rinder herden, dich umwiehert die Stute, der mutige Renner, dich umhüllt Wolle, die zweimal in afrischen Purpur getaucht ist“. In solchen Fällen mufst du dich hüten, den kräftig sinnlichen Ausdruck durch „Verschönerung“, ,,Veredlung" abzuschwächen und zu verwässern, damit nicht die Horazische Muse eine charakteristische, wenn auch unserm Geschmack nicht immer zusagende Besonderheit einbüfse. 2. Dieses Streben nach Kraft und Lebendigkeit des Ausdrucks führt leicht zu bald spöttischer, bald lustiger Übertreibung (vлeoßon), ja auch zu harmloser Lüge. So behauptet der Dichter (I 31), um seine Genügsamkeit in ein helles Licht zu stellen, frischweg, er nähre sich von nichts als Salaten und Oliven und werde dabei dick und fett. 3. Ebenso hängt mit jener sinnlichen Lebendigkeit der Darstellung die häufig verwandte dramatische Gestaltung des Stoffes zusammen. Hierher gehört z. B. die Anrede des Dichters an fingierte Vertreter einer Gattung (wie I 5, III 12 u. ö.), der Dialog zweier Verliebter (III 9), die lebendige Vergegenwärtigung eines Trinkgelages (I 27, III 19) u. v. a. Hierher ist aber auch schon die Gewohnheit des Horaz zu rechnen, seine Gedanken an bestimmte, wirkliche Personen (Adressaten) zu richten: dadurch bekommen die Gedichte die Bedeutung poetischer Briefe („,Episteln“), die ein individuelles Leben erhalten durch die Person, welche sie schreibt, und durch die, an welche sie gerichtet sind, und so besonders geeignet erscheinen für humoristische

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Ergüsse, die eben durch diese fast dramatischen Beziehungen zweier Charaktere einen künstlerischen Halt gewinnen. 4. Die Ironie. Sie ist die Sprache bald der überlegenen Einsicht, bald der sittlichen Entrüstung und des Abscheus, bald der feinen Zurechtweisung. Steigert sie sich zu einer zugleich witzigen und bitteren Verspottung, zu dem Hohnlachen des Zornigen, so heifst sie oaxaquós. Ihr Wert wurde von den Römern nicht gering angeschlagen; Cic. de orat. II 67 sagt: dissimulatio genus est perelegans et cum gravitate salsum. . urbanis sermonibus accomodatum. Ergeben muss sie sich entweder aus dem Zusammenhange oder aus der Persönlichkeit des Redenden (des Schriftstellers). Eine gewisse Ironie ist es auch, wenn der Dichter Ermahnungen an ein junges Mädchen richtet, die eigentlich einem andern, etwa Mäcenas (so IV 11, wohl auch I 11) oder einem lockeren Gesellen (I 8) gelten; oder wenn er die Einladung einer Libertine auf sein Sabinum in eine Form kleidet, die das Gegenteil bewirken mufs und soll; oder wenn Gedichte, die genau besehen Spott und scharfen Tadel enthalten, infolge gewollter Zweideutigkeit des Ausdrucks Liedern eifersüchtiger oder schmachtender Liebe so ähnlich sehen, dafs man sie bis auf den heutigen Tag dafür halten konnte (I 13. IV 1 Schlufs. IV 10). 5. Besonders charakteristisch für den Humoristen ist die „liebenswürdige Demut der Selbstverlachung" (Selbstironie, -parodie, persiflage). Wie er nämlich die ganze Welt in seinen Bereich zieht, so schont er auch der eignen Person nicht (wenn z. B. I 1 unter den mit feiner Ironie behandelten Bildern des auf Erwerb und Genufs gerichteten Strebens der Menge auch „jemand" figuriert, der „dem Tage gern ein Stündchen abknappt, um, gelagert am murmelnden Bach, beim Becher Wein sich bene zu thun, so kann es dem Kundigen nicht entgehen, dafs dieser „jemand" in erster Linie der schalkhafte Dichter selber ist), schreibt sogar, um dem Allgemeinen eine persönliche Einkleidung zu geben, unbekümmert um die Mifsdeutung unverständiger oder boshafter Menschen, allgemein menschliche Thorheiten, von denen er sich durchaus frei wufste, gleichwohl sich selbst zu. Merk dir das insbesondere für „Liebesoden" wie III 10, wo nur völlige Mifskennung der Persönlichkeit des Dichters diesen selbst in der ebenso widerwärtigen wie lächerlichen Situation denken könnte, die durch me porrectum ante forīs (nämlich: der hartherzigen Buhlerin) bezeichnet wird. Vergifs den alten Erfahrungssatz nicht, den Goethe in die Worte gekleidet hat: Wer sich nicht selbst zum besten haben kann, der ist gewifs nicht von den Besten". 6. Auch die sonstigen Formen des Komischen verschmäht der Humorist nicht: die Posse (das Burleske), die Travestie, das Groteske, den Witz.

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3. Metrische Form der Oden.

a) dicar.. princeps Aeolium carmen ad Italos deduxisse modos". Um zu dem Verständnisse dieses Selbstlobes, das der Dichter sich III 30, 13 erteilt, zu gelangen, wollen wir uns zunächst über den Charakter der griechischen Lyrik, der das „äolische Lied"

angehört, dann über die Entwicklung der römischen Metrik kurz unterrichten.

Die lyrische Poesie der Griechen zerfällt in die melische (oder äolische) und die chorische (oder dorische). Die Entstehung und Ausbildung der äolischen Poesie fällt in das Ende des 7. und in die erste Hälfte des 6. Jahrh. vor Chr., eine durch politische Kämpfe aufgeregte Zeit, in welcher die einzelne Persönlichkeit zu gröfserem Bewusstsein ihrer Selbständigkeit kam, so dafs Gefühl und Leidenschaft auch in der Poesie zu stärkerem, rückhaltloserem Ausdrucke gelangte als bisher. Einer solchen Stimmung entsprachen denn auch nicht mehr die poetischen Formen, der feierliche Hexameter und der gehaltene, gemessene Gang des elegischen Distichons; sie verlangte ihrer eigenen Natur gemäss ein wechsel volleres, bewegteres Metrum und überdies zu bestimmten Zeiten einen Ruhepunkt für das aufgeregte Gemüt. So entstand die melische (sapphische, alcäische u. s. w.) Strophe: mehrere sich wiederholende Verse, denen ein oder zwei Schlufsverse in etwas verändertem Metrum folgen. Begleitet wurde sie von einem Saiteninstrumente.27 Erfunden und vorzugsweise geübt wurde diese Lyrik von den (äolischen) Lesbiern, einem Volke von hoher geistiger Begabung und in Liebe und Hafs feurig erregtem Gemüte. Unter den äolischen Dichtern sind am berühmtesten Alcäus (Aλxaños) und Sappho (Zaлyw), jener am Ende des 7., diese im Beginne des 6. Jahrh. blühend. Alcäus, als Sprosse eines altadeligen Geschlechts in Mitylene geboren, stürzte sich in die politischen Parteikämpfe seiner Vaterstadt. Das Glück entschied gegen ihn. Vertrieben, mit seinem Bruder unstet umherirrend, soll er bis nach Ägypten gekommen sein. Als er hierauf mit Gewalt die Rückkehr erzwingen wollte, wurde er gefangen, aus Grofsmut jedoch von dem Beherrscher Mitylenes, Pittakos, freigegeben. In seinen Strophen hört man die Waffen klirren; er hat seine Leier zur schmetternden Kriegstrompete gemacht, Leier und Schwert beherrscht er mit gleicher Gewalt. Seine Lieder sind Gelegenheitsgedichte im besten Sinne des Wortes; die schönsten sind Kinder des Kriegsgottes, alle aber atmen Glut und Leidenschaft, auch seine Liebes- und Tischlieder. Sappho, ebenfalls aus Mitylene, war eine Zeitlang verheiratet; später aus unbekannten Gründen geschieden, lebte sie der Erziehung ihrer Tochter Kleïs und versammelte um sich einen Kreis vornehmer, lernbegieriger Mädchen, welche sie in den musischen Künsten unterrichtete. Dieses Verhältnis, in welchem allerdings eine unsern Begriffen schwer fafsbare sinnliche Glut spielte

27 Da bei den Griechen die subjektive Dichtgattung mit ihren Schwesterkünsten, der Musik und der Gesangeskunst, eine innige Verbindung eingegangen war woher auch der Name λυρική ποίησις –; so benannte man die Thätigkeit des lyrischen Dichters gern mit Ausdrücken und Wendungen, die dem Spiele des Musikinstrumentes oder dem Gesange entlehnt sind. Und diese Terminologie ist von den römischen Dichtern festgehalten worden, auch wenn der Vortrag ihrer „Gesänge" (carmina), wie der Oden des Horaz, auf rhythmisches Lesen sich beschränkte.

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(die auch in den Gesängen der Dichterin unverhohlen lodert), hat Anlass gegeben zu einer den guten Ruf der Sappho vernichtenden Nachrede. Aber deutsche Gelehrsamkeit hat in derselben eine Verleumdung erkannt und dem menschlichen Bilde der Dichterin seinen ursprünglichen Glanz zurückgegeben. Das ganze Altertum lag ihrem Dichtergenius in bewundernder Huldigung zu Füfsen; sie ist nicht blofs die „lesbische Nachtigall", sondern auch die „Heilige" so nennt sie ihr Mitbürger und älterer Zeitgenosse Alcäus. Originell und schöpferisch, hat sie Töne von so wunderbar kraftvoller und doch süfs bestrickender Natur angeschlagen, dafs auch die wenigen Fragmente, welche der Zufall uns gegönnt hat, heute noch, unter ganz veränderten Lebensverhältnissen, unser Gemüt mächtig ergreifen. Als ein Ausläufer der äolischen Lyrik kann die Poesie des (ionischen) Anakreon angesehen werden. Die chorische Lyrik, in welcher die griechische Poesie ihre höchste Stufe erreichte, hatte einen von der äolischen erheblich verschiedenen Charakter. In ihr kam nicht das subjektive Gefühl des einzelnen, des Dichters, sondern das innere Leben der ganzen Gemeinde zum Ausdruck. 28 Diese Gesänge wurden nämlich bei Götterfesten von einem tanzenden Chor unter musikalischer Begleitung vor der versammelten Gemeinde, welche der Chor repräsentierte, vorgetragen. Für solche öffentliche Aufführungen pafste nicht mehr die kleine, leichte äolische Strophe; vielmehr waren die chorischen Strophen gröfsere, kunstvollere Gebilde, die den welchselnden Bewegungen des Tanzes angepasst waren; und zwar folgte auf eine στροφή eine metrisch gleichgebaute αντιστροφή (Gegenstrophe und auf beide eine endós (Schlufsgesang) in veränderter Form. Über die nach ihrer Bestimmung verschiedenen besonderen Benennungen dieser Gesänge wird zu IV 2 die Rede sein. Ihre erste Ausbildung erhielt diese Dichtart durch Alkman (um 650), Stesichorus (645-560) und Arion (628-585), zur höchsten Blüte aber wurde sie um die Zeit der Perserkriege geführt durch Ibykus, Simonides von Keos und dessen Neffen Bakchylides, besonders aber durch Pindar, den gewaltigsten und erhabensten aller Lyriker des Altertums.

Hinsichtlich der Entwicklung der römischen Metrik merke folgendes. In der Entwicklung dieser Kunst bei den Römern sind drei Stufen zu unterscheiden: 1. Die älteste Poesie dieses Volkes blieb, auch in der äussern Form, ganz unabhängig von griechischem Einflusse und hatte durchaus nationales Gepräge. Das metrum Saturnium (in der Odyssia des Livius Andronicus, im Bellum Punicum des Nävius, in den Elogia der Scipionen und andern Inschriften) befolgte, wie es scheint (denn der Bau des Verses ist noch immer nicht ganz aufgeklärt), soweit als möglich das accentuieren de Princip und nahm auf Prosodie

28 Eben deshalb ging diese Art der Lyrik auch von den Doriern, insbesondere von deren Hauptvertretern, den Spartanern, aus, deren ganzes Leben ja nie zum Durchbruch der persönlichen, individuellen Subjektivität gelangte, sondern durch das Gemeingefühl gebunden war, das eben nur im Chor seinen vollentsprechenden Ausdruck findet.

geringe oder gar keine Rücksicht. 2. Durch die Einführung griechischer Kunstformen im Drama seitens der genannten Dichter wurde die alte nationale Dichtweise allmählich zurückgedrängt und lebte nur noch im Volke weiter; an ihre Stelle trat eine freiere Nachahmung der griechischen Metra. Charakteristische Abweichungen von der strengen griechischen Technik, die man sich erlaubte, sind z. B. vielfache Übereinstimmung des rhythmischen und grammatischen Accents, Schwanken und Unsicherheit in den Quantitätsverhältnissen infolge Anlehnung an die Nachlässigkeit der Volkssprache, häufige Vokalverschleifung, weitgehende Duldung des Hiatus, grofse Freiheit in Behandlung der Senkung (die meist beliebig aus einer Länge oder zwei Kürzen oder auch aus einer Kürze gebildet wurde). Repräsentanten dieser Periode sind die ältern Bühnendichter, wie Plautus und Terenz. 3. Ennius (aus dem kalabrischen Rudiä, 239—169) wurde, indem er den daktylischen Hexameter der Griechen in seinen Annales zuerst zur Anwendung brachte und gleichzeitig das elegische Distichon auf römischen Boden verpflanzte, für die römische Metrik der Begründer einer neuen Epoche: der Epoche strenger Nachbildung der griechischen Metra. Die Beschränkung der metrischen Licenz aber setzte auch der sprachlichen ihre Grenzen: es mufste sorgfältig bestimmt werden, welche Silben (besonders Endsilben) für kurz, welche für lang zu gelten hatten. So ist Ennius ein eigentlicher Sprachreformator geworden, dessen Bedeutung etwa derjenigen unseres Opitz an die Seite gestellt werden kann.

Spätere Dichter thaten in der Richtung des Ennius einen Schritt vorwärts, indem sie allmählich begannen, auch die Formen der griechischen Lyrik in strenger Korrektheit nachzubilden. Besondere Bedeutung gewann diese Nachahmung nach Art und Umfang seit der Cäsarischen Zeit, in welcher sich zu Rom ein frisch und fröhlich aufstrebender geschlossener Dichterkreis bildete, aus dem als die liebenswürdigste und genialste Dichternatur C. Valerius Catullus hervorragt. 29 Aber alle diese Dichter schlossen sich an die damals vielgelesenen Alexandriner 30 an, indem sie nach deren Muster den Hexameter behandelten, das bisher wenig gepflegte elegische Distichon in Epigramm und Elegie vielfach zur Anwendung brachten, iambische und trochäische Verse nach strengen Grundsätzen bauten und einige lyrische Versformen, wie Choliamben und Hendekasyllaben, mit Vorliebe kultivierten. Auf die klassische Periode der

29 Diesem Kreise gehörte auch Cornelius Nepos an, dem Katull sein Buch der Lieder widmete.

30 Das alexandrinische Zeitalter beginnt mit Alexanders des Grofsen Tode und reicht bis zum Beginne der Alleinherrschaft des Augustus. Sein hervorstechender Charakter ist der einer reichen, aber künstlichen Nachblüte der Poesie nebst einer umfassenden Entwicklung der Gelehrsamkeit. Hauptsitz der Litteratur war Alexandria in Ägypten und nächstdem Pergamon und Rhodos. Den vielseitigsten und von den Römern vorzugsweise nachgeahmten Repräsentanten des Alexandrinertums, Kallimachos (um 250), zeichnet am besten und bündigsten Ovid in dem Pentameter: quamvis ingenio non valet, arte valet.

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