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stehen in enger Beziehung zu dem in Goethe's Vaterhaus einquartierten französischen Königslieutenant. Dieser giebt Gelegenheit, von der Occupation Frankfurts durch die Franzosen, den Kriegsereignissen, besonders von dem französischen Theater zu sprechen (Zusammenfassung der Theatereindrücke, die zum Theil erst den folgenden Jahren 1764 ff. angehören). Das vierte Buch greift vielfach in die früheren Jahre zurück, ist aber hauptsächlich dem J. 1762 gewidmet, beschreibt den Clavier-, Fecht-, Reit-, Zeichen-Unterricht des Knaben, die hebräische Stunde bei dem Rector Albrecht, das Lesen der Bibel (dabei Erzählung der biblischen Geschichte), den Umgang mit einigen Frankfurter Künstlern und Patriciern. schließt mit der Ahnung des Dichterberufs und dem Wunsche, sich demselben zu widmen. Ein großes äußeres und ein nicht minder bedeutendes inneres Ereigniß ist Gegenstand des fünften Buches (1763, 1764). Das äußere ist die bis ins kleinste Detail geschilderte Krönung Joseph II., das innere das erste Liebesverhältniß des Knaben und seine Verbindung mit der diesem Mädchen nahestehenden Gesellschaft bis zum Bruche dieser Verbindung.

Die Folgen dieser Verbindung, hypochondrische Grillen, Begleitung eines Aufsehers und das kurze, an jene Zeit sich unmittelbar anschließende Leben mit der Schwester bilden nicht, wie es naturgemäß wäre, den Schluß des vorhergehenden Buches und damit der Knabenzeit überhaupt, sondern den Anfang eines zweiten, der Jünglingszeit gewidmeten Haupttheils und den Beginn des sechsten Buches. Eine scharfe Zeitgrenze läßt sich für die folgenden (bis 10. incl.) Bücher, die den zweiten Haupttheil bilden, überhaupt nicht angeben; sie behandeln die Ereignisse bis 1771, greifen aber mannichfach in einander über. Von ihnen schildert das sechste die Reise nach Leipzig, den ersten Eindruck der Stadt und Universität, den Umgang mit den Professoren Böhme und Gellert. Lezterer bietet den Uebergang zu einer meisterhaften Darstellung der literarischen und wissenschaftlichen Bestrebungen jener Zeit, im siebenten Buche einer Schilderung des Einflusses, den zwei Genossen, Schlosser und Behrisch, auf den Jüngling übten, mancher Jugendstreiche und der beginnenden Neigung zu Käthchen Schönkopf. Die künstlerischen Einwirkungen, welche durch Oeser und Lessing, durch den Besuch der Dresdener Galerie geübt wurden, werden im Anfange des achten

Buches, Langer und die übrigen Leipziger Genossen in der Mitte, die Rückkehr nach Frankfurt (1768) und der Verkehr mit Fräulein von Klettenberg, etwa bis April 1770, am Ende desselben Buches behandelt. Der Straßburger Aufenthalt (1770 bis Ostern 1771) bildet den Inhalt des neunten und zehnten Buches. Im neunten eine allgemeine Schilderung der Studien, der Gefährten, kurzes Eingehen auf Zeitereignisse, ausführliche Beschreibung des Münsters, zum Schlusse der Unterricht des französischen Tanzmeisters und das Abenteuer mit dessen Töchtern. Eine Ergänzung dazu bildet das zehnte Buch. Es ist hauptsächlich drei Ereignissen gewidmet: dem Aufenthalte Herder's in Straßburg und seinem epochemachenden Einflusse auf den Jüngling, der Lothringer Reise (Juni 1770) und dem unrichtig mit jener Reise verknüpften ersten Besuch in Sessenheim (Herbst 1770).

Das

Statt den Abschluß der Sessenheimer Idylle in den zweiten Haupttheil aufzunehmen, in welchen sie der Zeit und dem Charakter nach gehört, wird er dem Anfange des dritten Theils, dem elften Buche zugewiesen. Nicht recht gehörig wird mit der unvergleichlichen Erzählung dieser Liebesgeschichte eine Darstellung des Gegensaßes zwischen Deutschen und Franzosen, zwischen Deutschem und Franzö sischem verbunden; nach der Abreise von Straßburg wird mit einigen Worten des kurzen Aufenthalts in Mannheim gedacht. Buch 11–15 machen den dritten Theil aus, der den Ereignissen von 1771 bis gegen Ende 1774 gewidmet wird; man sieht, die Spanne Zeit, welche den einzelnen Theilen gewidmet ist, wird immer kürzer. zwölfte Buch umfaßt das erste Jahr nach Goethe's Rückkehr aus Straßburg (September 1771 bis September 1772). Die Frankfurter und Weßlarer Zeit bildet den Gegenstand des Buches. Bei jenem war der Anfänge des „Göz von Berlichingen", des Schriftchens von deutscher Baukunst, des Einflusses des darmstädtischen Kreises (Merck) ferner Klopstock's und Hamann's zu gedenken; bei diesem des Kammergerichts, der Weglarer Gesellschaft, Lottens und ihres Kreises. Eine ziemlich frei erdichtete Zusammenkunft mehrerer der schon Genannten in Gießen zur Herausgabe der Frankfurter gelehrten Anzeigen“ unterbricht unhistorisch und unbegründet den Zusammenhang. Die Annäherung an den La Roche'schen Kreis (September 1772) wird am Anfange des dreizehnten Buches dargethan. Der übrige Inhalt des Buches ist: Goethe's Kunstliebhaberei, die Entstehung des „Gög“

und des „Werther", mit Excursen über deutsches Theater und Selbstmordmanie; den Schluß bildet ein etwas zwangsweise angehängter Abschnitt über Justus Möser. Das vierzehnte Buch, schon ins Jahr 1774 führend, giebt eine Schilderung der Periode von „Sturm und Drang", enthält die wunderbaren Literaturportraits von Lenz, Wagner, Klinger, Lavater und Basedow, die mit den beiden Leßtgenannten unternommene Rheinreise, die nach Köln und Düsseldorf führt und ein friedlich versöhnliches Verhältniß zu den Brüdern Jacobi ermöglicht. Die im dreizehnten Buche begonnene Darlegung der literarischen Vielgeschäftigkeit wird im fünfzehnten durch den Hinweis auf die Pläne vom „Ewigen Juden“ und „Prometheus“ wieder aufgenommen; zu den im vorigen Buche gelieferten Portraits das von Zimmermann hinzugefügt; die erste Begegnung mit Knebel und den von diesem geleiteten weimarischen Prinzen, in Verbindung mit welcher von dem Verhältniß zu Wieland gesprochen wird, deutet das spätere weimarische Leben an. Dazu wird dann von dem gesellschaftlichen Leben in Frankfurt, von dem Mariagespiel, von den Vorboten häuslichen Lebens gesprochen.

Den ausgeführten, abgerundeten Darstellungen der drei ersten Theile tritt im vierten ein skizzenhafter, fragmentarischer gegenüber, der äußerlichen Conformität mit den übrigen wegen wiederum in fünf Bücher getheilt, ohne daß eine innere Nöthigung dazu vorhanden wäre, mancherlei Vergessenes aus der frühern Zeit ergänzend, Bekanntes wiederholend, später Geschehenes andeutend, ohne rechten innern Zusammenhang; auch sprachlich unkünstlerisch und unvollendet. Die in dem ganzen vierten Theil behandelten Ereignisse gehören zumeist dem J. 1775 an. Im sechszehnten Buche ist hinter einander von Spinoza, vom Nachdruck, von einem Brande in der Judengasse und einem Abenteuer beim Schlittschuhfahren die Rede, von der ersten Anknüpfung mit Lili und von Jung-Stilling's Aufenthalt in Frankfurt. Das siebzehnte zerfällt in zwei nur äußerlich verknüpfte Theile. Von ihnen giebt der erstere eine anmuthige Darstellung des Verhältnisses zu Lili bis zur Verlobung, der lettere eine Andeutung der verschiedenen, damals herrschenden Stände und Confessionen. Das achtzehnte Buch beginnt mit literarischen Dingen, erwähnt die Hinneigung zu Hans Sachs und deutet Inhalt und Ausführung von „Hanswursts Hochzeit“ an, schildert das Zusammentreffen mit

den Brüdern Stolberg, die in Gemeinschaft mit diesen unternommene Reise nach Zürich, die Begegnung mit Lavater und Bodmer, die mit dem Frankfurter Freund Passavant angetretene Reise ins Gebirge bis auf den Sanct Gotthard. Mitten in der Schilderung des Aufenthalts auf dem hohen Gipfel beginnt das neunzehnte Buch, schildert die Rückreise, verweilt wiederum mit großer Ausführlichkeit bei Lavater und den Brüdern Stolberg und giebt zum Schlusse Andeutungen über das fortbestehende, immer unerquicklicher werdende Verhältniß zu Lili und über damals entstandene Werke, besonders die Vorbereitung zum „Egmont“. Die Weiterarbeit an diesem Drama wird im zwanzigsten und legten Buche häufig berührt schließt ja doch das ganze Werk mit einem Ausruf aus „Egmont“ ; die Beziehungen zu Weimar erneuern sich; sie begünstigen den Gedanken an eine Flucht von Lili, auch jene scheinen sich nicht zu verwirklichen, da soll der alte Plan einer italiänischen Reise vorgenommen werden; aber schon in Heidelberg erreicht den Flüchtigen neue Nachricht, und er schickt sich an, nach Weimar zu gehen, wo er bis zu seinem Lebensende bleiben sollte.

Damit ist ein vortrefflicher Abschluß des Ganzen gewonnen. Weniger trefflich sind die Abschlüsse der einzelnen Theile, der einzelnen Bücher. Fast kein Theil bildet ein in sich vollendetes Ganze; selten bringt ein Buch den in ihm begonnenen Gegenstand zu Ende, das Folgende kommt darauf zurück, ergänzt und berichtigt das Gesagte. Ein anderer Mangel ist überflüssige Wiederholung des schon einmal Erzählten. Ein besonders charakteristisches Beispiel dafür ist die Schilderung von Goethe's Schwester Cornelia im achtzehnten Buche, die wesentlich dasselbe giebt wie die frühere Schilderung im dritten Buche. Aehnlich ist es in der Stelle über Basedow (X, S. 185), wo von der Zweiseitigkeit seines Wesens in einer Weise gesprochen wird, als wenn bisher nie davon die Rede gewesen wäre, während in Wirklichkeit wenige Seiten vorher ausführlich davon gehandelt war. Oder X, 109, wo von dem Rector Wenck in Darmstadt als einem Unbekannten gesprochen wird, als wenn nicht bereits X, 64 sein Name genannt wäre. Auf eine andere Stelle (X, S. 101), wo der „Werther" genannt ist, nachdem schon vorher (S. 100) ausdrücklich auf ihn hingewiesen war, hat bereits Loeper in seinem Commentar (III, 338) aufmerksam gemacht. Doch sind die beiden lezteren Fehler mehr Beispiele mangelhafter Redaction als fehlerhafter Composition. Auch

einen andern, manchen Selbstbiographen gemeinsamen Fehler hat Goethe nicht vermieden. Er sezt nicht selten Personen und Ereignisse als bekannt voraus, von denen er noch gar nicht gesprochen hat, und erzählt später selbst das von ihm als bekannt Vorausgeseßte. Er giebt keine erschöpfende Darstellung jener Zeit, theils weil er Manches nicht mehr wußte oder aus den ihm zugänglichen Quellen nicht mehr erfahren konnte, theils weil er es für überflüssig und unnöthig hielt. Dagegen verweilt er ungebührlich lange bei Vorgängen, die entweder an dieser Stelle nicht mit solcher Ausführlichkeit be= handelt zu werden brauchten oder eine neue Darstellung überhaupt nicht erforderten. Das eine ist der Fall bei der Schilderung der Krönungsfeierlichkeiten (Buch 5), die, so lebendig und anschaulich sie auch. ist, in das Leben des Knaben zu wenig eingreift, um so umständlich vorgetragen zu werden; das andere mit der langen Auseinanderseßung der biblischen Geschichte (Buch 4), die als ein ganz überflüssiges Einschiebsel erscheint.

Auch gegen die Anordnung innerhalb der einzelnen Bücher läßt sich Manches sagen. Zusammengehöriges mußte mehr an einander gereiht, Nichtzusammengehöriges von einander getrennt oder, sollte es verbunden sein, durch passende Uebergänge mit einander verknüpft werden. Für Beides genüge je ́ein Beispiel. Am Schluß des vierten Buches (Band IX, S. 159 ff.) wird einer Anzahl Frankfurter Männer gedacht, die von großem Einfluß auf den Knaben waren; man hätte lieber gesehen, daß sie im zweiten Buch, im Anschluß an die dort geschilderten (S. 74 ff.), behandelt würden. Im neunten Buche wird von dem Straßburger Aufenthalte gesprochen. Dabei war freilich von den verschiedenartigsten Dingen zu reden; aber ihre Verknüpfung hätte geschickter sein müssen. Nun ist ziemlich unvermittelt von der Tischgesellschaft, dem Ludwigsritter, dem Straßburger Münster und dem Tanzunterricht die Rede, und es läßt sich kaum etwas Gezwungeneres denken, als der Uebergang von dem vorleßten zum leßten Gegenstande (Band IX, S. 400).

Bei Gelegenheit der Anordnung ist auch ein Wort über die Sinnsprüche zu sagen, die an die Anfänge der einzelnen Theile gesezt sind. Das Motto des ersten: „Der nicht geschundene (geplagte) Mensch wird nicht erzogen“, bezieht sich auf die mannichfachen kleinen Quälereien, die der Dichter in seiner Knabenzeit durch Lehrer, Genossen, besonders aber durch seine erste Geliebte und deren nicht Goethe. IX.

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