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verwünschte Karte! Die ältere wurde blaß, doch faßte sie sich und sagte: So sprecht nur; es wird ja den Kopf nicht kosten! Die Alte, nach einem tiefen Seufzer, zeigte ihr nun an, daß sie liebe, daß sie nicht geliebt werde, daß eine andere Person dazwischen stehe und was dergleichen Dinge mehr waren. Man sah dem guten Mädchen die Verlegenheit an. Die Alte glaubte die Sache wieder etwas zu verbessern, indem sie auf Briefe und Geld Hoffnung machte. Briefe, sagte das schöne Kind, erwarte ich nicht und Geld mag ich nicht. Wenn es wahr ist, wie ihr sagt, daß ich liebe, so verdiene ich ein Herz, das mich wieder liebt. Wir wollen sehen, ob es nicht besser wird, versezte die Alte, indem sie die Karten mischte und zum zweiten Mal auflegte; allein es war vor unser Aller Augen nur noch schlimmer geworden. Die Schöne stand nicht allein einsamer, sondern auch mit mancherlei Verdruß umgeben; der Freund war etwas weiter und die Zwischenfiguren näher gerückt. Die Alte wollte zum dritten Mal auslegen, in Hoffnung einer bessern Ansicht; allein das schöne Kind hielt sich nicht länger, sie brach in unbändiges Weinen aus, ihr holder Busen bewegte sich auf eine gewaltsame Weise, sie wandte sich um und rannte zum Zimmer hinaus. Ich wußte nicht, was ich thun sollte. Die Neigung hielt mich bei der Gegenwärtigen, das Mitleid trieb mich zu jener; meine Lage war peinlich genug. Trösten Sie Lucinden, sagte die jüngere, gehen Sie ihr nach. Ich zauderte; wie durfte ich sie trösten, ohne sie wenigstens einer Art von Neigung zu versichern, und konnte ich das wohl in einem solchen Augenblick auf eine kalte, mäßige Weise! Lassen Sie uns zusammen gehn, sagte ich zu Emilien. Ich weiß nicht, ob ihr meine Gegenwart wohl thun wird, versezte diese. Doch gingen wir, fanden aber die Thür verriegelt. Lucinde antwortete nicht, wir mochten pochen, rufen, bitten, wie wir wollten. Wir müssen sie gewähren lassen, sagte Emilie; sie will nun nicht anders. Und wenn ich mir freilich ihr Wesen von unserer ersten Bekanntschaft an erinnerte, so hatte sie immer etwas Heftiges und Ungleiches, und ihre Neigung zu mir zeigte sich am meisten dadurch, daß sie ihre Unart nicht an mir bewies. Was wollte ich thun! Ich bezahlte die Alte reichlich für das Unheil, das sie gestiftet hatte, und wollte gehen, als Emilie sagte: Ich bedinge mir, daß die Karte nun auch auf Sie geschlagen werde. Die Alte war bereit.

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Lassen Sie mich nicht dabei sein, rief ich und eilte die Treppe hinunter.

Den andern Tag hatte ich nicht Muth hinzugehen. Den dritten ließ mir Emilie durch einen Knaben, der mir schon manche Botschaft von den Schwestern gebracht und Blumen und Früchte dagegen an sie getragen hatte, in aller Frühe sagen, ich möchte heute ja nicht fehlen. Ich kam zur gewöhnlichen Stunde und fand den Vater allein, der an meinen Tritten und Schritten, an meinem Gehen und Kommen, an meinem Tragen und Behaben noch Manches ausbesserte und übrigens mit mir zufrieden schien. Die jüngste kam gegen das Ende der Stunde und tanzte mit mir eine sehr graziöse Menuet, in der sie sich außerordentlich angenehm bewegte, und der Vater versicherte, nicht leicht ein hübscheres und gewandteres Paar auf seinem Plane gesehen zu haben. Nach der Stunde ging ich wie gewöhnlich ins Wohnzimmer; der Vater ließ uns allein, ich vermißte Lucinden.

Sie liegt im Bette, sagte Emilie, und ich sehe es gern: haben Sie deshalb keine Sorge. Ihre Seelenkrankheit lindert sich am ersten, wenn sie sich körperlich für krank hält; sterben mag sie nicht gern und so thut sie alsdann, was wir wollen. Wir haben gewisse Hausmittel, die sie zu sich nimmt und ausruht, und so legen sich nach und nach die tobenden Wellen. Sie ist gar zu gut und liebenswürdig bei einer so eingebildeten Krankheit, und da sie sich im Grunde recht wohl befindet und nur von Leidenschaft angegriffen ist, so sinnt sie sich allerhand romanenhafte Todesarten aus, vor denen sie sich auf eine angenehme Weise fürchtet, wie Kinder, denen man von Gespenstern erzählt. So hat sie mir gestern Abend noch mit großer Heftigkeit erklärt, daß sie diesmal gewiß sterben würde, und man sollte den undankbaren falschen Freund, der ihr erst so schön gethan und sie nun so übel behandle, nur dann wieder zu ihr führen, wenn sie wirklich ganz nahe am Tode sei: sie wolle ihm recht bittre Vorwürfe machen und auch sogleich den Geist aufgeben. Ich weiß mich nicht schuldig, rief ich aus, daß ich irgend eine Neigung zu ihr geäußert. Ich kenne Jemand, der mir dieses Zeugniß am besten ertheilen kann. Emilie lächelte und versezte: Ich verstehe Sie, und wenn wir nicht klug und entschlossen sind, so kommen wir Alle zusammen in eine üble Lage. Was werden Sie sagen, wenn ich Sie ersuche, Ihre Stunden nicht weiter fortzusezen? Sie haben von dem lezten Monat

allenfalls noch vier Billette, und mein Vater äußerte schon, daß er es unverantwortlich finde, Ihnen noch länger Geld abzunehmen: es müßte denn sein, daß Sie sich der Tanzkunst auf eine ernstlichere Weise widmen wollten; was ein junger Mann in der Welt brauchte, besäßen Sie nun. Und diesen Rath, Ihr Haus zu meiden, geben Sie mir, Emilie? verseßte ich. - Eben ich, sagte sie, aber nicht aus mir selbst. Hören Sie nur. Als Sie vorgestern wegeilten, ließ ich die Karte auf Sie schlagen, und derselbe Ausspruch wiederholte sich dreimal und immer stärker. Sie waren umgeben von allerlei Gutem und Vergnüglichem, von Freunden und großen Herren, an Geld fehlte es auch nicht. Die Frauen hielten sich in einiger Entfernung. Meine arme Schwester besonders stand immer am weitesten; eine andere rückte Ihnen immer näher, kam aber nie an Ihre Seite: denn es stellte sich ein Dritter dazwischen. Ich will Ihnen nur gestehen, daß ich mich unter der zweiten Dame gedacht hatte, und nach diesem Bekenntnisse werden Sie meinen wohlmeinenden Rath am besten begreifen. Einem entfernten Freund habe ich mein Herz und meine Hand zugesagt und bis jezt liebt' ich ihn über Alles; doch es wäre möglich, daß Ihre Gegenwart mir bedeutender würde als bisher, und was würden Sie für einen Stand zwischen zwei Schwestern haben, davon Sie die eine durch Neigung und die andere durch Kälte unglücklich gemacht hätten, und alle diese Qual um nichts und auf kurze Zeit. Denn wenn wir nicht schon wüßten, wer Sie sind und was Sie zu hoffen haben, so hätte mir es die Karte aufs Deutlichste vor Augen gestellt. Leben Sie wohl, sagte sie, und reichte mir die Hand. Ich zauderte. Nun, sagte sie, indem sie mich gegen die Thür führte, damit es wirklich das lezte Mal sei, daß wir uns sprechen, so nehmen Sie, was ich Ihnen sonst versagen würde. Sie fiel mir um den Hals und küßte mich aufs Zärtlichste. Ich umfaßte sie und drückte sie an mich.

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In diesem Augenblick flog die Seitenthür auf, und die Schwester sprang in einem leichten, aber anständigen Nachtkleide hervor und rief: Du sollst nicht allein von ihm Abschied nehmen! Emilie ließ mich fahren und Lucinde ergriff mich, schloß sich fest an mein Herz, drückte ihre schwarzen Locken an meine Wangen und blieb eine Zeit lang in dieser Lage. Und so fand ich mich denn in der Klemme zwischen beiden Schwestern, wie mir's Emilie einen Augenblick vor

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