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man die übrigen Anschläge verbergen will; daß es jenen vierzehn Bischöfen weit weniger,,um der Seelen Heil" zu thun ist, als um die Besißtümer, um die fetten Pfründen“; daß man hier den Anfang damit machen will, alle bedeutenden Stellen und Ämter mit Spaniern zu besetzen.

(b) Diese Verlegung ihrer politischen Rechte ist es somit, die sie weit mehr beunruhigt. Egmont, der sein Volk kennt, sagt es der Regentin offen:,,Wären nur erst die Niederländer über ihre Verfassung beruhigt! Das Übrige würde sich leicht geben." Überall sucht man Fremde ins Land einzuführen, ihnen auf Unkosten der Bürger Besiz tum zu verschaffen. Auch einige Ämter sind bereits mit Spaniern besetzt worden; man fürchtet, daß man hier allmählich mehr und mehr um sich greifen wird. Denn die Spanier lassen es sich ja ganz,,deut lich merken, daß sie die größte, unwiderstehlichste Begierde nach diesen Stellen, nach den Statthalterschaften empfinden." Es ist die allgemeine Ansicht, daß der König das Volk unbedingt unterjochen, sie ihrer alten Rechte berauben, die schönen Rechte des Adels beschränken will". Und dieser eine Gedanke, daß es sich jest um ihre Verfassung und Freiheit handelt, läßt alles andere vergessen: alles sind Kleinig keiten im Verhältnis zu dem, was ihnen droht". Jene ersten Eingriffe sind nur Vorboten; sie ahnen, daß das Schlimmste noch kommen soll". Das aber will das Volk nicht dulden, daß ihm Gesez und Herkommen genommen wird; daß ein fremder Maßstab an ihre Sitten und Einrichtungen gelegt, daß sie ohne Teilnahme" regiert werden sollen. Aber trotzdem, auch hier wollen sie von gewaltthätigen Schritten nichts wissen; auch hier soll, so lange es geht, der Weg der Ordnung und des Rechtes eingeschlagen werden. Demagogischen Umtrieben ist der Bürger nicht zugänglich; nur,,Tagdiebe, Söffer und Faullenzer“ lassen sich von dem Aufwiegler (II. 1) verführen; nur,,Neugierige und Leichtgläubige" lassen sich etwas vorlügen; nur Buben" vermehren durch Pfeifen, Steinewerfen, Hundeheßen den Tumult; andre treiben wohl dabei auch allerlei Schalkspossen, schreien und jubilieren." Aber der Bürger weiß entweder nicht recht, wie er sich dieser fremden Erscheinung gegenüber benehmen soll: „er steht und gafft"; oder aber, er denkt bei einem Aufstande an seine gut verwahrten Häuser und Kasten, von denen er durch Feuerbrände getrieben werden soll". Daher greift er mit Entschiedenheit ein, setzt zuerst dem Volksredner die abfertigende Antwort entgegen und traktiert endlich den Ehrenmann" mit ver dienten Schlägen. Auch hier ist Adel und Bürgerschaft einig: „durch Aufstand befestigt man keine Privilegien", sagt der den Tumult beschwichtigende Egmont, und sie stimmen ihm zu. Und wenn er ihnen rät zu Hause zu bleiben, nicht zu leiden, daß man sich auf den Straßen zusammenrottet,,,vernünftige Leute könnten viel thun": so bedanken sie sich für die gute Meinung und versprechen alles, was an ihnen liegt."

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2) (Nach Albas Ankunft.) Doch endlich kommt jenes ,,Schlimmste", das sie geahnt hatten: Philipp schickt ihnen einen Alba und ein spanisches Heer. Jeder fühlt, daß dies der Hauptschlag gegen ihre Religion und gegen ihre Freiheit ist. Und auch die Regentin, die

sie noch hätte,,halten" können, hat das Land verlassen. Das Furchtbarste droht jedem einzelnen:,,rädern, pfählen, vierteilen und verbrennen" find des hohläugigen Toledaners" Maßregeln; wie „Tiere und Ungeheuer" wird er sie behandeln. Die ersten Verordnungen sind erlassen: wenn zwei oder drei auf der Straße zusammen sprechen, sind sie ohne Untersuchung" des Hochverrats schuldig; bei ewiger Gefangenschaft ist es verboten, von Staatssachen zu reden; bei Todesstrafe soll niemand die Handlungen der Regierung mißbilligen; alle Väter, Mütter u. s. w. werden mit großem Versprechen eingeladen, die innersten Geheimnisse des Hauses bei dem besonders niedergesezten Gerichte zu offenbaren. Jeder fühlt, um was es sich jest handelt: daß der König die Kraft des Volkes, ihr Gemüt, den Begriff, den sie von sich selbst haben, schwächen, niederdrücken, zerstören"; daß er den inneren Kern ihrer Eigenheit verderben" will; daß sie aufhören sollen, eine Nation zu bilden. Aber auch jezt sehen wir nichts Gewaltsames von ihrer Seite. Entweder wandern sie zu Tausenden aus; hört man nicht täglich", fagt Egmont zu Alba,,,daß die Furcht sie hier und dahin, sie aus dem Lande treibt? Die Reichsten werden ihre Güter, sich, ihre Kinder und Freunde flüchten; der Arme wird seine nüglichen Hände dem Nachbar zubringen". Man bewegt sich nur, um zu fliehen", heißt es anderswo; doch auch den Flüchtigen werden die Wege verlegt. Oder die Zurückbleibenden, Egmont ausgenommen, sind völlig eingeschüchtert. Das Aussehen der ganzen Stadt ist mit einem Schlage verändert.

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die spanischen Soldaten, ihre „kerzengrade“ Haltung, ihr steifes, mürrisches Aussehen, ihr unverwandter Blick, der eine Tritt, so viel ihrer sind“, erregt ihr Entsetzen. Ferdinand beschreibt seinem Vater die Situation: Einem Felde ähnlich ist die Stadt, wenn das Wetter von weitem leuchtet; man erblickt keinen Vogel, kein Tier, als das eilend nach dem Schußorte schlüpft. Alles ist ruhig und still, als ob kein Aufstand gewesen wäre". Wenn sie mal, sehr vereinzelt, zusammenkommen, hören wir nichts von ihnen als leere Klagen um ihre schöne Freiheit, und einer mahnt den andern ruhig nach Hause zu gehen. Aber gerade in dieser besonnenen, ja furchtsamen Haltung zeigt sich ihr praktischer Sinn, ihre politische Reife. Sie erkennen, daß ein Straßenaufstand nichts nüßen, daß dadurch nur einem Alba in die Hände gearbeitet, daß dadurch teures Blut in unnüßer Weise vergeudet werden würde. Auch jest warten sie auf den Vorgang des Adels; fie bedauern es, daß derselbe ihnen diese neue Geißel über den Hals gelassen hat; er hätte es abwenden können". Sie fühlen sich „ganz verlassen“, als sie hören, daß auch Oranien weg ist, und nur Graf Egmont allein ist es, auf den sie alle Zuversicht sehen, um so mehr sehen, als sie ihn für ungefährdet, für so sicher wie den Stern am Himmel" halten, und es nicht glauben können, daß Alba, daß der König sich an ihm vergreifen wird. Und als sie nun erfahren, daß auch diese ihre lezte Hoffnung ihnen genommen ist, wird ihre Furcht nur noch größer. Sie verstehen Klärchen nicht, die sie zum offnen Aufstande zu seiner Befreiung entflammen will; die ihnen den Wert des Mannes mit ihrer Feuerzunge schildert, ihnen ausmalt, was sie mit ihm verlieren würden. Starr und ängstlich" sehen sie sie an; nicht seinen Namen wollen sie

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nennen hören: es ist tödlich“; „schüchtern blicken sie hier und da bei Seite" und lassen sie endlich allein. Sie wissen, schon in der nächsten Nacht wird er gemordet werden, aber „ängstlich im Schlafe liegt das betäubte Volf".

Schluß. Wie der Held des Dramas selbst von der Tyrannei geopfert wird, so, scheint es, unterliegt ihr auch das Volk, deffen treuster Repräsentant, deffen größter Schuß er gewesen ist. Doch nicht bloß der geschichtskundige Leser scheidet mit einem andern Eindrucke von diesem Trauerspiele. Durch das Bild, das der Dichter von dem niederländischen Volke entworfen hat, hat er dafür gesorgt, daß dem Leser sich etwas von der freudigen Zuversicht mitteilt, mit der Egmont schließlich erfüllt wird, und die sich zuerst in seiner Traumerscheinung ausspricht. Die Freiheit in der Gestalt seiner Geliebten heißt ihn froh sein, und indem sie ihm andeutet, daß sein Tod den Provinzen die Freiheit verschaffen werde, erkennt sie ihn als Sieger und reicht ihm einen Lorbeerkranz". Und unwillkürlich hat ihm diese Erscheinung sein eigen Volk wieder vor die Seele geführt, so wie er es einstmals selbst vor Alba geschildert hat:,,Jeder ein kleiner König!

Starr und fest! Zu drücken sind sie; nicht zu unterdrücken". Jezt glaubt er sicher, wenn sie auch nicht gekommen sind, wie er noch vor kurzem hoffte, um mit anschwellender Gewalt den alten Freund zu erretten": zur rechten Zeit aufgerufen und von erfahrener Hand geleitet, werden sie sich zu Tausenden rühren, nach Lanzen und Schwertern greifen", um den Gefallenen zu rächen. Schreitet hindurch, durch mein Blut", ruft er ihnen zu; reißt den Wall der Tyrannei zusammen und schwemmt ersäufend sie von ihrem Grunde, den sie sich anmaßt, weg!. . . Und euer Liebstes zu erretten, fallt freudig, wie ich euch ein Beispiel gebe!"

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4) It Goethes Iphigenie auf Tauris ein Drama antiken oder modernen Geißtes? *)

Einleitung. Als Goethes Iphigenie erschienen war, nannte sie Wieland ein altgriechisches Stück". Schiller urteilte zwar anfangs ähnlich (vgl. Recension S. 574), aber später sprach er sich in ganz

*) Die ausführliche Bearbeitung dieses Themas übersteigt Zeit und Kraft des Schülers; man muß es mindestens in seine zwei Hauptteile zerlegen: 1) griechisches Altertum; S. 265-271. 2) Das Moderne in Goethes Iphigenie; S. 271-294. Das erste Thema kann man dann dem Schüler fast ohne jede Andeutung überlassen; für das zweite müssen die Hauptpunkte bei der gründ lichen Erklärung des Dramas besprochen werden. Andere Themata sind: 3) In wie fern ist Goethes Jph. der Form nach ein griechisches Drama? S. 269-271. 4) Charakteristik der Iphigenie. S. 271. 72. 76-85. 5) Drests Krankheit und Heilung. S. 286–289. 6) Welche modernen Züge hat Orest?

entgegengesetztem Sinne aus, indem er an Körner schrieb (21. Januar 1802):,,Sie ist erstaunlich modern und ungriechisch, daß man nicht begreift, wie es möglich war, sie jemals einem griechischen Stücke zu vergleichen". Man wird wohl von vornherein annehmen können, daß jedes von beiden Urteilen eine gewisse Berechtigung haben, daß ein gut Teil griechischen und modernen Lebens in dem Drama vorhanden sein wird. In welcher Weise und ob nicht vielleicht das eine Moment ein entschiedenes Übergewicht über das andre hat, diese Fragen wird man erst dann vollständig beantworten können, wenn man das Drama nach beiden Seiten hin einer genauen Untersuchung unterworfen hat. I. Griechisches Altertum in Goethes Iphigenie.

A. Im Inhalte. 1) Das Leben der Menschen untereinander. a) Geschichtliche Verhältnisse. a) Die Geschichte der Tantaliden ist die Grundlage des Dramas. Des Tantalus hohe Stellung, Übermut, Untreue und Strafe; Pelops und Hippodameia und der Frevel in dieser Familie; Abrasts und Thyests Feindschaft und blutige Rache; Iphigeniens Opferung in Aulis, Agamemnons Rückkehr von Troja, sein Tod durch Ägisth und Klytämnestra, die Art und Weise, wie diese That ausgeführt ward, —,,böse Lust und Rachegefühl trieb sie dazu, ihm das Netz um seine Schultern zu werfen" der Grund und der Lohn der That. Sodann: Orests Erziehung, Jugendleben und Freundschaft mit Pylades; ihre Begierde jenen Mord zu rächen; Elektra, diese Begierde durch ihre Feuerzunge" und durch That verstärkend; der Muttermord und Orests Wahnsinn; der Orakelspruch Apollos, der ihm in Tauris Heilung verheißt: alle diese Umstände werden in dem Drama meist mit großer Ausführlichkeit von den dabei beteiligten Personen selbst erzählt. Ein gemeinsamer Zug der ganzen Familie, ihre Schuld wird besonders überall betont: daß jeder,,Rat, Mäßigung, Weisheit

S.272.73.85-89 (auch Charakteristik Orests). 7) Welche modernen Züge hat Thoas? S. 292-294 (Charakt. Thoas'). 8) Welche religiösen Vorstellungen in Goethes Drama sind antik, welche modern? S. 266-68; 276. 90. 9) Welche Züge im Charakter des Phlades find antik, welche modern? S. 273. 290 (auch Charakter Phlad.). 10) Welche Anschauungen und Gesinnungen in Goethes Drama sind zugleich antik und modern? S. 271-276. 11) Der Grundgedanke von Goethes Iphigenie. (Der Grundgedanke, „daß der Fluch eines mit schaudervollen Ver= brechen beladenen Geschlechts durch die sittliche Hoheit und Wahrheit einer edlen Jungfrau ausgesöhnt wird, die, selbst diesem Geschlecht entsproffen, aus Liebe zu ihm alles wagt, um seinen finstern Bann zu lösen". Deinhardt, Schmids Encyklop. I. S. 328.) 12) Vergleich der Goetheschen Iphigenie mit der Euripideischen a) dem Inhalte, b) der Form nach. (Natürlich ist nicht der griechische Tert von den Schülern zu lesen, sondern eine übersehung; ausreichend ist die bei Reclam erschienene. 20 Pfenn.!) Die beiden letzten Themata gehen durch die ganze Abhandlung hindurch. In Bezug auf das zweite vgl. auch Laas S. 464; ferner Schillers Recension der Goetheschen Iphigenie (zum ersten Male in Sch.8 Werke aufgenommen bei Hempel Bd. 14. S. 573). Zu Anfang derselben giebt Sch. den genauen Inhalt der Iphigenie des Euripides und zeigt dabei einige Ungereimtheiten und kleinlichen Kunstgriffe" des griechischen Dichters. — Daran wird doch wohl niemand zweifeln, daß durch die Behandlung solcher Themata das Ziel erreicht wird, daß der Leser nicht bloß unentwickelte Gefühle, sondern klare und sichere Resultate aus dem Studium des Dichters mitbringt". (W. v. Humboldt, über Goeth. Herm. und Dor. XLV.)

und Geduld" entbehrt habe; zur Wut ward ihnen jegliche Begier, und grenzenlos drang ihre Wut umher". Endlich ist die Gefangennahme der Freunde, die Lüge des Pylades vor Iphigenie, die Erkennung der Geschwister, die Heilung Orests und ihre Freilassung durch Thoas der eigentliche Inhalt der Handlung, im ganzen genommen derselbe wie im Drama des Euripides.

B) Nebenbei werden auch viele andere geschichtliche Ereig= nisse oder Sagen erzählt, oder doch berührt. aa) So zunächst, was mit obigem im Zusammenhange steht, der Verlauf des trojanischen Krieges: der Raub der Helena, die Kämpfe vor Troja, Andeutung auf jene Kundschaft des Uliges und auf den Raub der Roffe des Rhesus (V. 3), der Tod des Achill und des Patroklus, des Palamedes, des Telamonier Ajar; ferner, daß auch andern Helden auf ihrer Rückkehr Unheil bereitet wurde, so namentlich dem Ulires, von dem kurze Charakteristik. bb) Sodann ältere Sagen: Erinnerungen an die Amazonen, an den Argonautenzug und an die Roffe des Laomedon. Dabei wird ein rationaler Charakterzug der Griechen erwähnt:,,Der Grieche wendet oft sein lüstern Auge den fernen Schäßen der Barbaren zu, dem goldnen Felle, Pferden, schönen Töchtern". Ferner Anspielungen auf die Thaten des Herkules und Theseus, auf des ersteren Tod und Vergötterung, auf Kreusas Brautkleid.

b) Privatleben. Da der Stoff des Dramas vor allem dem öffentlichen Leben entnommen ist und das Drama selbst in der Öffentlichkeit spielt, so ist es natürlich, daß nur wenig Züge griechischen Privatlebens darin vorhanden sind.

a) Innerhalb des Hauses (Familienleben). Das Vorherrschen des Mannes; der Sohn nimmt der Tochter gegenüber eine hervorragende Stellung ein; der Frauen Zustand ist beklagenswert": „,3u Haus und in dem Kriege herrscht der Mann; einem rauhen Gatten zu gehorchen ist Pflicht und Trost". Trauliches Zusammensein,,am Feuer in der tiefen Halle" (II. 1). Am Herde ist auch der Sitz der „väterlichen Götter", und Knechte und Mägde nehmen am häuslichen Gottesdienst und Opfer teil. An die Sitte, bei der Geburt eines Mädchens die Thürpfosten mit Wolle, bei der eines Knaben mit Öl zweigen zu umwinden, wird angespielt (I. 3). Blutrache ist Pflicht; selbst Iphigenie sagt von Orest, er sei „bestimmt, des Vaters Rächer dereinst zu sein". Erwähnung der Sklaverei.

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6) Außerhalb des Hauses. Jagd und Krieg die Hauptbe: schäftigung des Mannes; mit Schwert und Keule bewaffnet durchstreift er Berge und Wälder, Ungeheuer und Räuber zu verfolgen. Aber in der friegerischen Thätigkeit liegt für ihn das höchste Glück, „die erste, legte Lust des Lebens" (II. 1). Doch auch großes Ergößen am Sänger, der die Großthaten der Vorfahren feiert. - Gastfreundschaft: die Königstochter selbst will dem Fremden, um ihn desto mehr zu ehren, ,,ein Lager bereiten, auf einen Stuhl ihn an das Feuer laden". anmutige Zweig" der Bittenden (V. 3).

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2) Religion und religiöse Verhältnisse a) Die Götter und ihre Thaten.

a) Die Götter der Oberwelt. Der Olymp als Göttersik

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