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2) Wenn auch in uneigennüßiger Absicht und zum Besten des allgemeinen Wohles; wenn auch in fluger, des Zieles fast gewisser Weise hat Eigenwille den Buchstaben des Gesetzes übertreten und sich eine Macht angemaßt, die, von allen ausgeübt, den Untergang jeder Gemeinschaft herbeiführen würde. Aber trotz der eignen glänzenden Verteidigung, trog der kurzsichtigen Beistimmung einer unüberlegten Menge und selbst der Besseren erkennt der Edle infolge der ernsten, eindringenden Worte des Meisters seine Schuld; lernt Gehorsam und unbedingte Unterwerfung, indem er sich der strengen Strafe unterzieht, und macht sich so durch seine Demut des hohen Lohnes würdig, der ihm schließlich zu teil wird. (Kampf mit dem Dachen.)

Schluß. In allen Gedichten, ob der Held untergeht, ob er siegt, wird das Wahre und Gute verherrlicht; in allen zeigt sich ein höherer Zug, der den Menschen über seine gewöhnliche Sphäre hinaushebt, und es gilt auch von diesen kleineren Gedichten Schillers das Urteil, welches Goethe von dessen gesamter dichterischer Thätigkeit wie von seinem Charakter überhaupt ausspricht, wenn er singt, von jenem Mut, der früher oder später den Widerstand der stumpfen Welt besiegt; von jenem Glauben, der sich stets erhöhter, bald kühn hervordrängt, bald geduldig schmiegt, damit das Gute wirke, wachse, fromme, damit der Tag dem Edlen endlich komme.

2) Was haben die drei Jugenddramen Schillers gemeinsam? *)

Einleitung. Mit dem Drama Don Karlos beginnt ein neuer Abschnitt in der dichterischen Thätigkeit Schillers, oder es bezeichnet wenigstens das Übergangsstadium zu einem solchen. Denn freilich, manches hat es mit den früheren Dramen gemein; aber in wesentlichen Punkten unterscheidet es sich von ihnen, so daß die vorausgehenden drei Dramen als eine eigene Epoche in dem Bildungsgange des Dichters bezeichnet werden können. Eine Untersuchung, was jene drei Dramen Gemeinsames haben, verspricht uns eine vielfache Einsicht in diesen Bildungsgang. Sie haben Gemeinsames :

*) Daß diese drei Dramen in Prima_nicht unbesprochen bleiben, halte ich für wünschenswert; daß sie nicht in der Klasse gelesen werden dürfen, versteht sich von selbst; mit Lektüre sollte man ja überhaupt in dieser Klasse die kurze Zeit nicht hinbringen. Auch dürfen jene Dramen nicht Gegenstand längerer Erörterung werden. Aber einiges wird der Lehrer doch darüber sagen oder vielmehr durch Frage und Antwort herauszubringen suchen müssen. Er selbst muß aber bei dieser Besprechung, wenn sie nicht wirr und zufällig vor sich gehen und ohne bestimmtes Resultat bleiben soll, eine fertige Disposition im Kopfe haben: das Thema soll einige Hauptpunkte derselben feststellen; natürlich ohne die Sache zu erschöpfen, die für Schüler gar nicht erschöpft werden kann. Auch halte ich das Thema für einen Aufsatz für völlig ungeeignet. (Vgl. S. 44.) — Hettners Darstellung ist vielfach benutzt worden.

Klaude, Deutsche Aufsätze u. Disp.

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I. dem Inhalte nach.

A. Jm allgemeinen. Alle drei find hervorragende Produkte der Sturm und Drangperiode: in allen wird vorgeführt der von Rousseau aufgestellte,,Gegensag eines reinen, natürlichen, idealen Zustandes der Menschheit und der verdorbenen, schlechten Wirklichkeit der damaligen Zeit", und zwar meist nach der Seite des staatlichen und socialen Lebens hin. In allen dreien tritt Sch. als Dichter der Freiheit auf gegen die Fesseln des Staates und der Gesellschaft, schildert er den Kampf der Natur gegen Gesetz und Herkommen. Durch alle Werke Schillers" sagt Goethe (bei Eckermann I. S. 212),,,geht die Idee von Freiheit, in der Jugend die physische, später die ideelle". In tyrannos" paßt nicht bloß für die Räuber, sondern auch für Fiesto und Kabale und Liebe, und es sind damit nicht etwa bloß Tyrannen auf dem Throne gemeint. Die Freiheit wird uns vorgeführt: 1) in dem phantastischen Leben der Räuber in den böhmischen Wäldern; 2) als republikanische Freiheit in einem wirklichen Staate (Fiesko); 3) als unterdrückte Freiheit, im socialen Leben und durch die Stellung des Adels zum Bürgerstande. (Kabale und Liebe.)

B. Im besonderen.

1) Durch Schilderung der Zustände.

a) Die menschliche Gesellschaft im allgemeinen. Dieselbe wird so schlecht und verderbt geschildert, daß der Krieg gegen dieselbe als das Rechte hingestellt wird. Das ganze,,tintenflecksende Sekulum“ wird verdammt; verdammt die Menschen, die da lehren und lernen, aber nicht handeln"; die „sich verrammeln hinter Heuchelei und Schmeichelei"; die die,,Stimme der Natur verlernt und vergessen haben". Die Parteilichkeit der Vorsehung soll gut gemacht, durch Geseglosigkeit und Ungerechtigkeit das Rechte und Gute geschaffen werden.

b) Die einzelnen Stände der Gesellschaft.

a) Der Fürst, als Verrächter der Geseze dargestellt und als Verführer der Unschuld (Gianettino Doria); als Bedrücker seiner Unterthanen (Kabale u. L.); der sie nach Amerika verkauft, um seiner Geliebten reiche Geschenke machen zu können; die Maitressenwirtschaft selbst (außer in Kab. u. Liebe auch in den Räubern die Erzählung Kosinskys; das Treiben Gianettinos); die Fürsten verschanzt gegen die Wahrheit, es ist unmöglich zu ihnen zu gelangen; sie schalten nach Willkür und Laune und nach den Einflüsterungen der Günstlinge und Weiber. Nur eine Ausnahme: Andreas Doria.

P) Der Adel. aa) Heruntergekommen und verdorben, entweder zu niedrigen und albernen Zerstreuungen aufgelegt (v. Kalb), oder in Schulden, Liebschaften und Ausschweifungen tief versunken, der ärgsten Verbrechen fähig; (3. Teil der Adel in Fiesto, z. Teil in Kabale und Liebe; Franz Moor, der Landjunker, der seine Bauern wie das Vieh schindet, in den Räubern). Ja, der Adel freut sich über die Laster seines Standes und sieht eine Ehre darin; der unbescholtene Mann gilt ihm gar nichts, nur der Mann von Einfluß hat Wert für ihn. Der Vater überredet den eignen Sohn, der Gatte einer Buhlerin zu werden, nur um seine Stellung und Bedeutung am Hofe des Fürsten nicht zu verlieren. Dem Fürsten selbst gegenüber kriechend demütig,

schmeichlerisch und heuchlerisch; unter sich voll Lug und Trug; falsche Handschriften und Quittungen, selbst ein Mord gilt ihnen nichts, wenn fie nur in die Höhe kommen. Dem Bürgerstande gegenüber voll Verachtung selbst ein Fiesko: die Bürgerkanaille ohne Bedeutung"; Heirat mit einem bürgerlichen Mädchen steht der Entehrung gleich (Kabale und Liebe; Kosinsky in den Räubern). bb) Edle Repräfentanten des Standes, die den Kampf gegen jene aufnehmen, aber dabei zu Grunde gehen, stellt meist das jüngere Geschlecht: Ferdinand v. Walter, Karl Moor, Kosinsky, ein Teil der Republikaner in Fiesko.

7) Die Beamten. Unter ihnen herrscht Ungerechtigkeit und Eigennut: Geld verdienen ist die Hauptsache. Beispiele: ein Advokat (Räuber), der auf ungerechte Weise einem Grafen den Prozeß gewinnt; ein Finanzrat (Räuber), der Ehrenstellen und Ämter an die Meistbietenden verkauft. Die Minister betrachten sich nicht als Diener des Staates, sie dienen nur sich; sie spielen die Rolle des Kupplers zwischen Fürst und Maitresse (Räuber u. Kab. u. Liebe). Wer sich auflehnen oder rächen will (Kosinsky, Miller), dem wird der Prozeß gemacht, er verliert seine Güter und seine Freiheit, muß froh sein, am Leben zu bleiben. Die Güter erhält der Verbrecher selbst. Wurm in Kabale u. Liebe der Typus eines Schurken von Beamten und Menschen: Fäl schungen und Lügen, Mordthaten u. s. w.

d) Die Geistlichkeit. Ihre Thaten stehen im Gegensatz zu ihren Worten (in den Räubern (A. III) der Pater, welcher jene auffordert sich zu ergeben); der eine weint auf der Kanzel, daß die Inquisition zu Fall käme. Ein edles und würdiges Gegenstück ist Moser, sein Auftreten Franz Moor gegenüber.

e) Das Bürgertum. Es ist schon bezeichnend, daß es in den drei Dramen sehr zurücktritt. Unbedeutend im Staat und in der Gesellschaft, kann es eben in Dramen, die auf diesen Gebieten spielen, keine hervorragende Rolle einnehmen. Nur der Musikus Miller ist der Repräsentant desselben: zwar unterwürfig dem Adel, dem Minister und dem Fürsten gegenüber, aber auch zugleich auf seine persönliche Ehre stolz und willens, sie gegen alle zu verteidigen, ihr gegenüber alles unberücksichtigt zu lassen; ja, er wagt es, den ersten Minister zu beleidigen und zu beschimpfen. Ferner erscheint hier allein echtes Familienleben: seine Liebe zur Tochter und ihre zu ihm, wahres, tiefes natürliches Gefühl.

2) Einzelne Charaktere. Die Bösewichter nehmen den meisten Raum ein: Franz Moor, Spiegelberg, Gianettino, Julia, Präsident v. Walter, Wurm; alle verfehlen zwar ihr Ziel und gehen unter, doch so, daß dabei auch die Guten zu grunde gehen. Gemeinsamer Zug der Schlechten: Neigung zur Intrigue. Ferner Übertreibung in der Charakteristik, Abweichen von der Wirklichkeit: die Schurken sind keine Menschen mehr, sondern Teufel, Wesen, die nicht existieren können (Franz Moor, Wurm).

Schluß von 1. u. 2. Diese Zustände und Charaktere werden so ge= schildert, daß die Schlechtigkeit derselben so stark als möglich hervorgehoben, zum Teil übertrieben wird. Der Drang, sich aus diesen Verhältnissen zu befreien; das Bestreben der Besseren, selbst auf falschen, ja ver

brecherischen Wegen die Hindernisse zu beseitigen, wird als berechtigt und nachahmenswert hingestellt. Es überwiegt die Negation des Bestehenden; kein Anknüpfen an wirkliche Verhältnisse: alles soll vernichtet wer den, damit dann eine bessere Zeit erblühe. Gegensatz: Don Karlos. II. Der Form nach.

A. Die dramatische Form.

1) Vorzüge derselben. Reichtum an Begebenheiten und schnel ler Gang derselben; effektvolle Scenen; immer Fortschreiten der Handlung, fast nie Episoden, selten Erzählung. Infolge dieser Eigenschaften fortwährende Spannung des Lesers. Schon diese Jugendwerke zeigen die dramatische Kraft des Dichters; einzelne Scenen in dieser Beziehung besonders hervorragend, z. B. Karl Moor bei Sonnenuntergang am Ufer der Donau; die Gewissens angst Franzens; die Scenen mit Miller; der Charakter des Mohren in Fiesko u. a.

2) Mängel. Oft oberflächliche Motivierung: Personen treten auf, und man weiß nicht, warum und warum gerade an dem betreffenden Orte; Motive werden angeführt, und sie sind zu gering, um die Wirkungen zu erzielen, die darauf folgen, (z. B. Fiesko I. 11. 12. II. 3. IV. 9. V. 1 u. 16. 17. Kabale I. 2. II. 6. III. 2).

B. Die sprachliche Form 1) In Prosa geschrieben; alle übrigen Dramen in Versen: dem Dichter der Freiheit und Natur erschien der Vers als etwas Gebundenes; Leidenschaft und wahres Gefühl schien sich ihm nur in der ungezwungenen Sprache des gewöhnlichen Lebens äußern zu können. 2) Selbst diese Prosa noch so natürlich als möglich und infolge davon unnatürlich; überall das Bestreben, die Fesseln der Sitte, der Convenienz abzuwerfen. Dabei aber großer Wechsel im Stil: bald eine edle, reine Sprache, der Ausdruck wahren, innigen Gefühls; bald übertrieben und über jedes Maß hinausgehend, verschwommen und schwülstig, unklar und unnatürlich, ja barbarisch und roh. Einzelne Beispiele: a) Metaphern und Gleichnisse, wie:,,Der bacchantische Tanz stampft das Totenreich zu polternden Trümmern"; ,,ich bin gewohnt, daß das Meer aufhorcht, wenn ich rede“; „hänge einen Unglücklichen über den Abgrund der Hölle" u. s. w.; Insektenseelen, welche am Riesenwerke meiner Liebe hinaufschwindeln"; „die Nacht liebäugelt mit der Hölle“; „das blutende Herz zittert am eisernen Schaft der Notwendigkeit"; die Ewigkeit, die mit der Seele ohne Gehilfen redet"; die Lungen der Erdengötter fangen an zu röcheln"; sein erstarrter Blick durchwandert die entvölkerte Unendlichkeit“ u. s. w. b) Gemeine Ausdrücke, die man Anstand nehmen muß zu wiederholen, Schimpf- und Fluchwörter; zartere der Art sind:,,Schafskopf; Donnerwetter; alter Knasterbart; das siedende Donnerwetter am Halse haben; Bums" u. a.

Schluß. 1) Troh dieser Fehler sind diese drei Tragödien Marksteine in der Entwickelung des deutschen Dramas. In dieser Sprache der Natur war vordem auf der Bühne selten gesprochen; der Gedanke der Freiheit, das Lechzen nach Natur und nach Herzen hatte sich so gewaltig, so feurig kaum jemals Luft gemacht. Hineingefallen in eine Zeit, wo man darauf wartete solche Worte zu hören, hatten diese Dramen eine so bedeutende Wirkung, erregten so viele und so verkehrte Nach

ahmungen. 2) Die Fehler sind zu erklären: a) aus der Jugend des Dichters und seiner ganzen Naturanlage; es ist nicht wunderbar, daß Schiller, der am Ende seiner Laufbahn den Tell schuf, sie in dieser Weise begann. b) (Aus den damaligen Verhältnissen.) Und das Bittere, Schwerlastende derselben hatte der Dichter eben in seiner Jugend selbst kennen lernen, und es fühlten es alle aufstrebenden Geister. Daher, wie gewöhnlich, die Reaktion dagegen über das Ziel hinausgeht; daher das Übertriebene der ganzen Periode des Sturmes und Dranges. 3) Als des Dichters äußere Lage eine andere geworden, als er mehr herangereift war durch Erfahrung und Bildung, da schuf er auch andere Werke; nach zehn Jahren, noch ehe er den Wallenstein geschrieben, sagt er öffentlich von seinen Jugendwerken: „Wir entdecken an uns selbst, wie wenig dergleichen Kraftstücke der Jugend die Prüfung eines männlichen Geschmackes aushalten". (Über Bürgers Gedichte.)

3) Wie versucht Schiller in seinen Briefen über Don Karlos die Einheit der Handlung dieses Dramas zu beweisen?*)

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Einleit. Nehmen wir die Lessingsche Erklärung, nach welcher Handlung eine Folge von Veränderungen ist, die zusammen ein Ganzes ausmachen," so daß die Einheit des Ganzen auf der Übereinstimmung aller Teile zu einem Endzwecke beruht," so wird jeder zugeben, daß in Schillers Don Karlos diese Folge von Veränderungen" in reichem Maße vorhanden ist. Nicht bloß äußerlich, der Zahl der Verse nach, ist es das längste Drama, das wir haben; auch an Reichhaltigkeit des Inhaltes wird es nur von wenigen oder wohl von keinem übertroffen werden: Politik und Religion, das Schicksal großer Reiche und die intimsten Beziehungen des Familienlebens, Liebe und Freundschaft, alle diese Momente sind teils mehr, teils weniger wirksam. Worin aber liegt jener,,eine Endzweck," den zu erreichen diese vielen Ereignisse nur da sein sollen? Schiller selbst giebt die Antwort in feinen Briefen über Don Karlos. Er gesteht es, daß dieser Endzweck nicht leicht zu finden ist, und eben weil er von den Zeitgenossen nicht gefunden wurde, sah der Dichter sich genötigt jene Briefe zu schreiben. Und selbst diese sollten die Frage nicht erschöpfend beantworten: Sch. sagt selbst, daß

*) Die Lektüre dieses Dramas, wie die der Briefe, gehört meines Erachtens nach Prima. Besondere Themata: 1) Beweis, daß in diesem Drama nicht die Liebe das leitende Motiv sein kann. S. 119 u. f. 2) Beweis, daß die Freundschaft nicht u. s. w. S. 118. 3) Beides vereinigt. 4) Welche Bedeutung hat die Scene zwischen König Philipp und Marquis Posa? S. 125 u. f. 5) Welche Bedeutung haben die Familienscenen? S. 127 u. f. (Nur mündliche Darlegung.) 6) Welche Mittel wendet Marquis Posa an, um seine Ideeen zu verwirklichen? S. 118-127. 7) Weshalb scheiterten die Pläne des Marquis Posa? S. 118-127. Nicht alle diese Themata sind vollständig ausgeführt.

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