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3. Die weitaus meisten Anakoluthien sind die rhetorischen, d. h. solche, welche von den Schriftstellern mit Absicht zu irgend einem Zwecke gebraucht werden, z. B. um einen Gedanken klarer und deutlicher auszudrücken, oder um die Umgangssprache wiederzugeben. Am Deutlichsten tritt dieser letztere Fall bei dem grössten Redekünstler der Römer, Cicero, hervor. Während in seinen Reden die Lateinische Sprache in ihrer höchsten Vollendung erscheint und als Muster der sorgfältigsten Regelmässigkeit angesehen werden darf, und daher in ihr Anakoluthien höchst selten sind, bedient er sich in seinen philosophischen Schriften, die er in dialogischer Form abgefasst hat, einer einfachen und ungekünstelten Ausdrucksweise, welche, die strengen Regeln der Kunst unbeachtet lassend und sich in einer gewissen Nachlässigkeit und Bequemlichkeit gefallend, den Ton und Charakter der ungezwungenen Umgangssprache wiederzugeben sucht. Wenn daher diese Schriften reich an anakoluthischen Satzfügungen sind, so darf man hierin keine Nachlässigkeit erblicken; im Gegentheil muss man gerade in dieser kunstlosen Form der Ďarstellung den grossen Künstler und Meister der Rede bewundern, welcher hier eine von der kunstgerecht ausgebildeten Rednersprache verschiedene, dem Charakter der mündlichen Unterredung entsprechende Schreibart gewählt hat. Zwischen der Schreibart in den Reden und der in den philosophischen Schriften steht die Schreibart in den rhetorischen dialogisch abgefassten Schriften in der Mitte. Da Cicero in denselben die Regeln der Beredsamkeit vorträgt, so erhebt er sich über die Sprache der gewöhnlichen Unterhaltung und stimmt einen Ton an, wie er damals in der Gesellschaft hochgestellter und fein gebildeter Staatsmänner geherrscht haben mag. Daher erklärt es sich, dass diese Schriften, als dialogisch abgefasste, allerdings auch Anakoluthien bieten, aber ungleich seltener als die philosophischen.

4. Am Häufigsten werden Anakoluthien durch Zwischensätze oder Parenthesen veranlasst. So geschieht es nicht selten, dass nach einem Vordersatze mit Zwischensätzen der grammatische Nachsatz fehlt (oratio àvanódos) und erst später in veränderter Form nachfolgt. Man nennt eine solche Satzbildung avazódotov (anapodoton. C. Tusc. 3. 17, 36-f., wo die Rede beginnt mit: Pythagoras mihi si diceret aut Socrates aut Plato: Quid jaces? ... Magna vis est in virtutibus; eas excita . . Jam tibi aderit princeps Fortitudo ... Ad haec bona me si revocas ctt. Att. 5. 10, 4 Etsi mihi nihil erat propositum ad scribendum, quia . . . Quare si quid erit, quod scias ctt. Tusc. 4. 34, 72 qui (amor,) si quis est in rerum natura. sit sane Sin autem est aliquis amor qui nihil absit aut non multum ab insania, qualis ctt., dann folgt nach mehreren Beispielen erst 35, 74: sic igitur affecto haec adhibenda curatio est, ut ctt., in welchen Worten der fehlende Nachsatz plane reiciendus est, liegt. Oft tritt auch dieses bei Eintheilungen und Gegensätzen ein, indem nach dem ersten Gliede das zweite zwar nicht weggelassen ist,

...

...

.., quam

aber nur dem Gedanken nach in einer anderen Konstruktion versteckt liegt. C. Tusc. 1. 24, 57 habet (animus) primum memoriam quidem Plato recordationem esse vult vitae superioris. Nam in illo libro ctt., erst 25, 61 folgt: Quid? illa vis, quae tandem est, quae investigat occulta, quae inventio atque excogitatio dicitur? (Statt: habet primum memoriam, deinde illam vim, quae ctt.) Vgl. 1. 13, 30 primum .., 14, 31 maximum vero argumentum statt deinde max. arg. est. 5. 9, 24. 27, 78. 40, 117. 3. 3, 5 at et morbi perniciosiores pluresque sunt animi quam corporis, Qui vero probari potest, ut sibi mederi animus non possit? (statt et medicina certior est morborum animi quam corporis). Vgl. 3. 26, 63 et Aeschines ctt. 5. 33, 94 et obscenas ctt. Off. 1. 40, 142 et ordinem. . locum autem ctt. st. et locum. de or. 1. 25, 113 et animi ctt., erst §. 114 wird der Körper erwähnt. 2. 11, 48 sq. Fin. 2. 22, 71 f. nam nec. dann nach vielen Zwischensätzen: Quae dici eadem de ceteris virtutibus possunt. Tusc. 4. 27, 59 neque omnis aegritudo una ratione sedatur, dann: Est etiam in omnibus quattuor perturbationibus illa distinctio (statt neque omnis aegritudo . ., et in omnibus qu. p. illa distinctio est.)

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Elftes Kapitel.

§. 245. Betonnng der Rede. Wort- und Satzstellung (Topik). 1)

1. Die innere Beziehung der Satzglieder und der Sätze auf einander und die Verknüpfung derselben zu einer Einheit des Gedankens oder Begriffes wird theils, wie wir §. 1 gesehen haben, durch die Flexion oder die Flexion vertretenden Formwörter, theils durch die Betonung und die Stellung der Satzglieder und der Sätze ausgedrückt.

2. Sowie das einzelne Wort erst dadurch Seele und Leben erhält, dass, indem Eine der Silben, aus denen es besteht, durch die Stimme hervorgehoben wird, die übrigen Silben hingegen dieser Einen untergeordnet werden, dergestalt, dass alle Silben des Wortes gleichsam von Einem Haupte beherrscht und zusammengehalten werden und eine Einheit, ein Ganzes bewirken, während sie sonst weiter Nichts als ein blosses äusserliches Aggregat einzelner Laute sein würden: ebenso tritt die organische Einheit des Satzes (Einheit des Gedankens) und der Satzverhältnisse (Einheit der Begriffe) erst dadurch recht lebendig hervor, dass Ein Wort, als das Haupt

1) Vgl. Ramshorn 2 II, §. 202 f. Goerenz im II. Exc. ad Cic. Leges: De soni sede et ratione in singulis enunciationibus. Diese vielfach angefochtene Lehre ist wieder aufgenommen, geläutert und verbessert von Dr. Franz Raspe in der Abhandlung: Die Wortstellung der Lat. Spr. Leipzig 1844. M. J. Wocher: Die Lat. Wortstellung nach logischen und phonetischen Grundsätzen erläutert. Ulm 1849. Diese Schrift ist gegen die angeführte von Raspe gerichtet. A. G. Gernhard Commentatio gramm. de collocatione verborum et enunciationum in sermone Lat. in dessen opus

culis Lips. 1836 p. 183 sqq. Reisig Vorles. S. 805. Über die Eigen

tümlichkeiten des Livius in der Wort- und Satzstellung handelt ausführlich Kühnast Liv. Synt. S. 304 ff.

wort, durch die Hebung der Stimme vor den übrigen, als den untergeordneten, ausgezeichnet wird.

3. In dem prädikativen Satzverhältnisse ruht der Ton auf dem Prädikate, als: rosa floret, rosa pulchra est, Romulus rex fuit; in dem attributiven auf dem Attributive, als: rosa pulchra, Romulus rex, hortus regis; in dem objektiven auf dem Objekte, unter dem wir in dem weiteren Sinne alles das verstehen, was das Prädikat ergänzt oder bloss näher bestimmt (s. §. 68), auf dem Objektive, als: patriam amamus, legibus paremus, pauperum miseremur, oculis videmus; pro patria pugnamus; proficisci cupio; venatum eo; haec dictu turpia sunt; juveni parandum, seni utendum est, Demosthenes Platonis audiendi studiosus fuit, hostes et virtute et numero pugnando pares fuerunt, ad discendum propensi sumus, mens discendo et cogitando alitur; omnes, aliud agentes, aliud simulantes, improbi sunt, Aristides, patria pulsus, Lacedaemonem fugit; Pythagoras, Tarquinio Superbo regnante, in Italiam venit; pugnans occiditur, ridens verum dicebat; rosa pulchre floret, milites fortiter pugnaverunt.

4. Dadurch, dass das prädikative Verb an das Ende des Satzes gestellt wird, bleibt in einem längeren Satze die Aufmerksamkeit des Hörers bis zum Schlusse des Satzes gespannt, und alle vorangehenden Glieder des Satzes werden durch dasselbe zusammengehalten, als: Lacedaemonii post id proelium eundem Pausaniam cum classe communi Cyprum atque Hellespontum miserunt (Nep. 4. 2, 1). Nimmt hingegen, wie in den neueren Sprachen, das Verb vor dem Schlusse des Satzes seine Stelle ein, als: L. miserunt p. i. pr. e. P. c. cl. c. C. a. H.; so erscheinen sämmtliche Wörter nach dem Verb nur lose angereiht. Jedoch findet sich das prädikative Verb auch häufig in der Mitte des Satzes, namentlich in der gewöhnlichen Umgangssprache und im didaktischen Stile, oft auch, zumal in sehr langen Sätzen, der Deutlichkeit wegen, oder auch, wie wir später sehen werden, um dem Verb eine nachdrücklichere Stellung zu geben.

5. Die in den Beispielen von Nr. 3 durch Kursivdruck bezeichnete Wortfolge ist die in der Lateinischen Sprache gewöhnliche oder grammatische Wortfolge. Dieselbe weicht in mehreren Punkten von der gewöhnlichen Wortfolge unserer Sprache ab, indem wir das attributive Adjektiv und die Apposition dem Substantive voranschicken (die schöne Rose, der König Romulus), die Objektive fast sämmtlich hingegen dem Prädikative nachsetzen (wir lieben das Vaterland; wir kämpfen für das Vaterland; ich wünsche zu reisen; ich gehe schlafen; dieses ist schimpflich zu sagen; wir sind geneigt zum Lernen; die Rose blüht schön). Wenn mehrere Objektive auf ein Prädikativ bezogen werden, so beobachtet die Lateinische Sprache das Gesetz, dass dasjenige Objektiv, auf welches es in dem objektiven Satz

verhältnisse am Meisten ankommt, dem Prädikative vorangeht, die übrigen Objektive aber in der Ordnung, in welcher sie logisch, d. h. dem richtigen Denken gemäss, zu dem ersten Objektive getreten sind, auf einander folgen, und zwar so, dass immer das neu hinzutretende Objektiv dem schon vorhandenen vorangeht, als: Hannibal Romanos devicit. H. ad Trebiam Romanos devicit. H. tum oder illo die ad Trebiam Romanos devicit. Auf diese Weise wird in der Regel die Orts- und Zeitbestimmung (ad Trebiam, tum, illo tempore) dem Objekte (Romanos), das persönliche Objekt dem sächlichen, sowie der Dativ dem Akkusative (puerum grammaticam doceo, filio librum do), die Zeitbestimmung (tum, illo die) der Ortsbestimmung (ad Trebiam) vorangestellt. Das Adverb der Art und Weise nimmt in der Regel seine Stelle unmittelbar vor dem Prädikative ein, als: Hannibal tum ad Trebiam Romanos splendide devicit.

Anmerk. Die Stellung einzelner Sprachtheile, als der Präpositionen, Konjunktionen u. a., sind bereits in der Lehre derselben berücksichtigt und werden daher hier übergangen. S. das Sachverzeichniss unter Stellung (Topik).

6. Sowie in einem längeren Worte mehrere Silben betont sein können, indem eine den Hauptton hat, die anderen aber schwächer betont sind, so können in demselben Satze mehrere Satzglieder betont sein, von denen eines stärker, die anderen schwächer betont sind, als: Lacedaemon domicilium honestissimum senectutis fuit. Aber noch vollkommener tritt die Betonung hervor, wenn sie nicht bloss durch die Hebung der Stimme bezeichnet wird, sondern zugleich auch dadurch, dass die Satzglieder nach der Wichtigkeit ihrer Bedeutung geordnet werden, als: Lacedaemon honestissimum domicilium senectutis fuit (C. Cat. m. 18, 63). Diese letztere Betonung, welche sich in der Anordnung oder Stellung der Satzglieder kund thut und der gewöhnlichen oder logischen entgegengesetzt ist, wird die rhetorische oder invertirte genannt. Diese ist für die Schriftsprache höchst wichtig, da in derselben nur auf diese Weise die Betonung bezeichnet werden kann. Die lebendige Sprache kann sich derselben enthalten, da in ihr die Betonung durch Hebung der Stimme ausgedrückt wird. Wenn aber Sprachen, wie die neueren und namentlich die Französische, in der Schrift der rhetorischen Betonung entbehren müssen, so ermangeln sie eines ungemein grossen Vorzugs.

7. Die rhetorische oder invertirte Betonung besteht darin, dass sie ein Satzglied, auf dem ein besonderes Gewicht liegt, dadurch vor den übrigen Satzgliedern hervorhebt, dass sie demselben eine der gewöhnlichen oder grammatischen Wortfolge widerstrebende Stellung anweist. Demnach wird das Prädikativ dem. Subjekte, das Attributiv dem zu bestimmenden Substantive vorangestellt, das Subjekt hingegen dem

Prädikative, das Objektiv dem Prädikative nachgestellt, als: non pugnaverunt milites, sed fugam capessiverunt; pulchra rosa, Scythes Anacharsis, regis hortus; pugnaverunt cives, non milites; amamus patriam, paremus legibus, miseremur pauperum, videmus oculis; pugnamus pro patria; cupio proficisci; eo venatum, haec turpia dictu sunt; parandum est juveni, utendum seni u. s. w. Was von den einzelnen Satzgliedern bemerkt worden ist, gilt im Allgemeinen auch von den Nebensätzen, welche, wie wir §. 179, 5. 6 gesehen haben, gleichsam die Geltung von zu einem Satze erweiterten Satzgliedern haben.

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8. Da die Lateinische und die Griechische Sprache einen ungleich grösseren Reichtum an Flexionen als die neueren Sprachen hatten und mit diesen die gegenseitige Beziehung der zusammengehörigen Satzglieder auf einander bezeichnen konnten, so konnte sich die Wort- und Satzstellung in ihnen frei und unbehindert ausbilden, und dadurch, dass der Gedanke in voller Freiheit einherschreiten kann, erhält die Rede Kraft und Lebendigkeit, vermag die feinsten Modifikationen des Sinnes anschaulich zu bezeichnen und in der rhythmischen Bewegung der Rede eine Vollendung zu erreichen, welcher Sprachen mit beschränkter Topik nie fähig sind.

§. 246. Gewöhnliche oder grammatische und rhetorische oder invertirte

Stellung.

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a) Subjekt und Prädikat, a) in der gewöhnlichen oder grammatischen Stellung: Ita fit, ut ratio praesit, appetitus obtemperet C. Off. 1. 28, 101. Homo mortalis est. Romulus rex fuit. B) In der rhetorischen oder invertirten Stellung: Serpit per omnium vitas amicitia C. Lael. 23, 87. Eripiet, extorquebit tibi ista populus R., Ph. 2. 44, 113. Jucundi (sc. sunt) acti labores, Fin. 2. 32, 105.

10,

b) Attributives Adjektiv, a) Rosa pulchra; deus immortalis; populus Romanus; via Appia; campus Martius; res domestica, militaris, familiaris; disciplina militaris; jus civile; urbs maritima; tempus nocturnum; bellum Macedonicum Sall. C. 51, 5; bellum sociale; genus humanum Quae pars civitatis Helvetiae insignem calamitatem populo R. intulerat, ea princeps poenas persolvit, Caes. B. G. 1. 11, 6. 3) Usitatae res facile e memoria elabuntur, insignes et novae manent diutius, Cornif. ad Her. 3. 22, 35. Omnem civilem victoriam funestam putabat, Nep. 15. 3. Qua nocte templum Ephesiae Dianae deflagravit, C. Divin. 1. 23, 47 (im Gegensatz zu anderen Tempeln der D.). Hejus est Mamertinus; Mamertina civitas istum publice communi consilio sola laudat, Verr. 4. 7, 15 (wegen des vorangehenden Mamertinus). So unterscheiden sich: media urbs, die Mitte der Stadt, von urbs media, die mittlere St., extremum bellum, das Ende des Krieges, von bellum extremum, der letzte Kr., u. s. w. s. §. 62. Attributive Pronomen, a) Frater tuus, soror mea; homo quidam, fabula aliqua u. s. w. Cui tandem hic libero imperabit, qui non potest cupiditatibus suis imperare? C. Par. 5. 1, 33. Hospes tuus avitus, Cat. m. 10, 34. Non mihi est vita mea

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