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an, und fühlte Alles, was ich an ihr habe. Indem kommt Malchen mit einem Glase. Mariane wollt' es ihr abnehmen; nein! rief das Kind mit dem süßesten Ausdrucke, nein, Lottchen, du sollst zuerst trinken! Ich ward über die Wahrheit, über die Güte, womit sie das ausrief, so entzückt, daß ich meine Empfindung mit nichts ausdrücken konnte, als ich nahm das Kind von der Erde, und küßte es lebhaft, das sogleich zu schreien und zu weinen anfing. Sie haben übel gethan, sagte Lotte. Malchen, fuhr sie fort, indem sie es bei der Hand nahm, und die Stufen hinab führte, da wasche dich aus der frischen Quelle, ge= schwind, geschwind, da thut's nichts. Wie ich so dastand und zusah, mit welcher Emsigkeit das Kleine mit seinen nassen Händchen

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Ich war betroffen.

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Komm,

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die Backen rieb, mit welchem Glauben, daß durch die Wunderquelle alle Verunreinigung abgespült und die Schmach abgethan würde, einen häßlichen Bart zu kriegen; wie Lotte sagte, es ist genug, und das Kind doch immer eifriger fortwusch, als wenn Viel mehr thäte als Wenig Ich sage dir, Wilhelm, ich habe mit mehr Respect nie einer Taufhandlung beigewohnt und als Lotte herauf kam, hätte ich mich gern vor ihr niedergeworfen, wie vor einem Propheten, der die Schulden einer Nation weggeweiht hat.

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Des Abends konnte ich nicht umhin, in der Freude meines Herzens den Vorfall einem Manne zu erzählen, dem ich Menschensinn zutraute, weil er Verstand hat; aber wie kam ich an! Er sagte, das sei sehr übel von Lotten gewesen; man solle den Kindern nichts weiß machen; dergleichen gebe zu unzähligen Irrthümern und Aberglauben Anlaß, wovor man die Kinder frühzeitig bewahren müsse. Nun fiel mir ein, daß der Mann vor acht Tagen hatte

taufen lassen 1), drum ließ ich's vorbeigehen, und blieb in meinem Herzen der Wahrheit getreu: Wir sollen es mit den Kindern machen, wie Gott mit uns, der uns am glücklichsten macht, wenn er uns in freundlichem Wahne so hintaumeln läßt.

Den 8. Julius.

Ich bin ein Thor,

Daß ich kurz

Was man ein Kind ist! Was man nach einem Blicke geizt! Was man ein Kind ist! Wir waren nach Wahlheim gegangen. Die Frauenzimmer fuhren hinaus, und während unserer Spazier gänge glaubte ich in Lottens schwarzen Augen verzeih mir's du solltest sie sehen, diese Augen! bin (denn die Augen fallen mir zu vor Schlaf), siehe, die Frauenzimmer stiegen ein, da standen um die Kutsche der junge W. Selstadt und Audran und ich. Da ward aus dem Schlage ge= plaudert mit den Kerlchen2), die freilich leicht und lüftig genug waren. Ich suchte Lottens Augen; ach, sie gingen von Einem zum Andern! Aber auf mich! mich! mich! der ganz allein auf sie resignirt dastand, fielen sie nicht! Mein Herz sagte ihr tausend Adieu! Und sie sah mich nicht! Die Kutsche fuhr vorbei, und eine Thräne stand mir im Auge. Ich sah ihr nach, und sah Lottens Kopfpuß sich zum Schlage herauslehnen, und sie wandte sich, um zu sehen, ach! nach mir? - Lieber! in dieser Ungewißheit schwebe ich; das ist mein Trost: Vielleicht hat sie sich nach mir umgesehen! Vielleicht! Gute Nacht! O was ich ein Kind bin!

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Am 10. Julius.

Die alberne Figur, die ich mache, wenn in Gesellschaft von ihr gesprochen wird, solltest du sehen! Wenn man mich nun gar fragt, wie sie mir gefällt? Gefällt! Das Wort hasse ich auf den Tod. Was muß das für ein Mensch sein, dem Lotte gefällt, dem sie nicht alle Sinnen, alle Empfindungen ausfüllt! Gefällt! Neulich fragte mich Einer, wie mir Ossian gefiele !

1) also unwillig war, daß ich den unheiligen Act des Abwaschens eines Männerkusses mit dem heiligen Acte der Taufe verglich. 2) Verächtlicher Ausdruck für "junge Leute"; lüftig, wie wir sagen windig, leicht zu bewegen, nichtig in ihren Entschlüssen und Handlungen.

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Am 11. Julius.

Frau M... ist sehr schlecht1); ich bete für ihr Leben, weil ich mit Lotten dulde. Ich sehe sie selten bei meiner Freundin, und heute hat sie mir einen wunderbaren Vorfall erzählt. Der alte M... ist ein geiziger, rangiger) Filz, der seine Frau im Leben was Rechts geplagt und eingeschränkt hat; doch hat sich die Frau immer durchzuhelfen gewußt. Vor wenigen Tagen, als der Arzt ihr das Leben abgesprochen hatte, ließ sie ihren Mann kommen (Lotte war im Zimmer), und redete ihn also an: Ich muß dir eine Sache gestehen, die nach meinem Tode Verwirrung und Verdruß machen könnte. Ich habe bisher die Haushaltung geführt, so ordentlich und sparsam als möglich: allein du wirst mir verzeihen, daß ich dich diese dreißig Jahre hintergangen habe. Du bestimmtest im Anfange unserer Heirath ein Geringes für die Bestreitung der Küche und anderer häuslichen Ausgaben. Als unsere Haushaltung stärker wurde, unser Gewerbe größer, warst du nicht zu bewegen, mein Wochengeld nach dem Verhältnisse zu vermehren; kurz, du weißt, daß du in den Zeiten, da sie am größten war, verlangtest, ich solle mit sieben Gulden die Woche auskommen. Die habe ich denn ohne Widerrede angenommen, und mir den Ueberschuß3) wöchentlich aus der Losung 4) geholt, da Niemand vermuthete, daß die Frau die Kasse bestehlen würde. Ich habe nichts verschwendet, und wäre auch, ohne es zu bekennen, getrost der Ewigkeit entgegen gegangen, wenn nicht Diejenige, die nach mir das Hauswesen zu führen hat, sich nicht zu helfen wissen würde, und du doch immer darauf bestehen könntest, deine erste Frau sei damit ausgekommen.

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Ich redete mit Lotten über die unglaubliche Verblendung des Menschenfinns, daß Einer nicht argwohnen soll, dahinter müsse was Anders stecken, wenn Eins mit sieben Gulden hinreicht, wo man den Aufwand um zweimal 5) so viel sieht. Aber ich habe selbst Leute gekannt, die des Propheten ewiges Delkrüglein 6) ohne Verwunderung in ihrem Hause angenommen hätten.

1) sehr krank; es geht ihr sehr schlecht. 2) infam, schändlich. 3) Das, was ich mehr brauchte. 4) = Kasse für die Geldeinnahme im Kleinverkauf. 5) einen Aufwand, der mindestens zweimal so große Kosten verursacht. 6) Anspielung auf die Geschichte des Propheten Elias

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