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lich vorhanden war. Einiges konnte Vergil wohl dem wirklichen Leben entleihen, wie die certamina der derben Sikulischen und Italischen Hirten. Aber da kommt die Rücksicht auf die zarten Ohren eines Pollio und Mäcenas, deren Gunst sich der Dichter doch erwerben wollte, und er muss seinen launigen, heitern Naturton vielfach herunterstimmen. Diese Rücksicht geht sogar so weit, dass er mehrmals die Naturscenerie und seinen back-ground in Griechische Länder verlegt. So in Ecl. II, Ecl. VIII im Anfang, Ecl. X, 32 und VII, 4, woselbst er die Schäfer der Arkadier insceniert. Uebrigens scheint Fritzsche Recht zu haben, wenn er an letzterer Stelle die ,,Arcades" metaphorisch auffasst und ,,Schäfer wie die Arkadier" sein lässt.2 Darum schmiegt sich Vergil, um obenerwähnten Unbequemlichkeiten zu entgehen, da die wirklichen Hirten Italiens in ihren Sitten zu roh waren, um zweckmässig insceniert zu werden, ziemlich eng an Theokrit's Muster an. Dies tritt namentlich klar hervor in dem ganzen äusseren Verkehr der Hirten mit einander, wie sie einander helfen und sich ablösen, je nachdem sie singen oder sonst etwas treiben wollen, was sie momentan ihrem eigentlichen Hirtenberufe entzieht. So stimmen beispielsweise Ecl. V, 12 (Incipe; pascentes servabit Tityrus haedos) mit Theokr. Id. I, 14 (τὰς δ' αἶγας ἐγὼν ἐν τῷδε νομευσῶ) überein. erklärt in Ecl. IX, 64 Lycidas seine Bereitwilligkeit, die Ziegenböcklein des Möris zu tragen, damit dieser bequemer singen könne. Aehnliches bei Th. Id. VIII, 27 ff.

Man kann, nach dem Urtheil Bernhardy's die bucolische Dichtung des Vergil mit gewissem Fug eine allegorische nennen. Und zwar hat derselbe zwei Arten der Allegorie, die eine dem Theokrit entlehnt, die andre von dem Dichter für gewisse Situationen selbst erfunden. Theokrit ahmte er nach, wenn er in Ecl. II unter dem Namen Corydon sich selbst, in dem Alexis den von ihm geliebten Knaben Alexander, unter dem Namen Jollas den Asinius Pollio einführt

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1) Bernhardy a. a. O. p. 172, Nro. 116. 2) Aehnlich wird Ecl. I, 54 das Epitheton Hyblaeus von den Bienen allegorisch gebraucht. S. übrigens Gebauer de Th. carm. a Verg. in ecl. adumbratis, Lips. 1856, p. 13 ff. Welker op. I, p. 402.

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(S. Id. III und VII). So werden auch in Ecl. III, 90 ff. die beiden Dichter Bavius und Mävius, die literarischen Feinde des Dichters, ganz offen persiffliert, in verdeckter Weise dagegen Cornificius unter dem Namen des Amyntas (Ecl. II, 39), Cälius (Ecl. III, 105) und der Dichter Anser (Ecl. IX, 36). Was wir in der zweiten Ecloge lesen, ist im Einzelnen der Detailschilderung vielfach von Theokrit angeregt; ebenso vergleiche man Ecl. VI, 64 ff. und X mit Id. VII, 11 ff. und 91; Ecl. III, 105, IX, 36 mit Id. III, 34 und VII, 124. Den oben erwähnten specifischen, wir möchten fast sagen originellen Character tragen Ecl. I, IV, V, und IX, welche der Dichter seinen speciellen Interessen, wie sie seine persönlichen Beziehungen zu den Veteranen und Octavian mit sich brachten, in der ganzen Auffassung und Ausführung anpasste. Was in ihnen an Theokrit anklingt, sind gewisse Eigennamen (wie „Tityrus" aus Id. VII entnommen scheint). Ueber diesen Gegenstand siehe Weiteres in den Noten zu den Eclogen!2

Uebrigens hatte Theokrit, nach dem richtigen Urtheil des Probus, einen entschiedenen Vortheil im Dichten von bucolischen Gesängen dem Dichter Vergil dadurch voraus, dass er eines fertigen Dialectes, des Dorischen, sich bedienen konnte, der an und für sich schon als das Organ der ländlichen Muse allgemein gekannt und anerkannt war. Vergil dagegen besass keinen landläufigen Dialekt, den er in einer abgeschlossenen Totalität einfach, zu seinen bucolischen Dichtungen hätte verwenden können. Theokrit vermochte durch jenes Vehikel seine Mimen und Hirtengedichte schon vermittelst der Sprache selbst der Wahrheit des Lebens näher zu bringen, wie es etwa, um ein modernes Beispiel zur Illustration heranzuziehen, in ähnlicher Weise Hebel in seinen allemannischen Gedichten, Klaus Groth in seinen Liedern und neuerdings Fritz Reuter in seinen „,ollen Kamellen" durch einen fertigen Dialekt, den sie zur Verwendung vorfanden, gelingen musste,

1) S. Donatus vita Verg. über die amores des Dichters. 2) Ueber das Verhältniss der Ecl. zu den Id. des Theokrit s. C. Schaper N. Jahrb. Jahrg. 34 Bd. 89 p. 790 ff.

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jene bekannte drastische Wirkung auf ihre Leser hervorzubringen (S. Fritzsche a. a. O.). Vergil hat nur hier und da volksthümliche Redensarten, so wie gewisse rhythmische Formeln mit saturnischen Metren eingestreut, z. B. in Ecl. VIII, 80, woselbst der Vers Limus ut hic durescit et haec ut cera liquescit" zu den beim Volk beliebten magischen Sprüchen gehört.1 Auch in den Wechselgesängen (Ecl. III, 29, V, 14 u. VII, 18), welche gegenseitige Anzüglichkeiten und Spötteleien der Hirten enthalten (wie Ecl. III, 90, VII, 25 ff.), lässt sich hier und da ein Ausdruck niederen Ursprungs und Gehaltes nachweisen. Der Gebrauch der Hirtenflöte (fistula) war ausserdem nicht nur den Theokritischen Hirten eigen, sondern auch den Italischen zu Vergil's Lebzeit, wobei zu bemerken ist, dass in einigen Eclogen (II, 32 u. VIII, 24) Pan als Erfinder jenes Instrumentes genannt wird, was wir bei Theokrit nicht erwähnt finden.

1) Gebauer a. 0. P. 12.

2

Forbiger praef. ad Buc. Verg. p. 7 ff.

2) S. Lersch Antiqu. Verg. p. 256.

1

III. Studie.

Die Bucolica Vergils, ein Produkt natursinniger Dichtung.

Zwei bedeutende Aussprüche, ein solcher von Göthe und von Schiller, können uns in gewisser Hinsicht als Angelpunkte dienen, wenn wir unsre Betrachtung auf das Wesen natursinniger Weltanschauung und Dichtung, sofern und ob diese bei Griechen und Römern, wenn auch von der modernen Anschauung verschieden, sich findet, lenken wollen. Nur nach einer solchen allgemeinen Vorausbetrachtung sind wir im Stande, uns klar zu machen, warum wir die Bucolica Vergil's als ein Produkt wirklich natursinniger Dichtung bezeichnen dürfen.

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Schiller sagt in seiner Schrift über naive und sentimentalische Dichtung" über die Alten etwa: Wenn man sich der schönen Natur erinnert, welche die alten Griechen umgab,

so muss die Bemerkung befremden, dass man so wenig Spuren von dem sentimentalischen Interesse, mit welchem wir Neueren an Naturscenerien und Naturcharacteren hangen können, bei denselben antrifft. Die Natur scheint mehr den Verstand der Griechen und ihre Wissbegierde, als ihr moralisches Gefühl zu interessieren. Ja, indem der. Grieche die Natur in ihren einzelnen Erscheinungen personificiert und vergöttert und ihre Wirkungen als Handlungen freier Wesen darstellt, hebt er die ruhige Nothwendigkeit in ihr auf, durch welche sie für uns gerade so anziehend ist. Nur das Lebendige und Freie, nur Charactere, Handlungen, Schicksale und Sitten befriedigen ihn.

Göthe äusserte sich (Winkelmann und sein Jahrhundert Antikes“ und „Heidnisches“) ungefähr also: „Wirft sich der Neuere fast bei jeder Betrachtung in's Unendliche, um zuletzt, wenn es ihm glückt, auf einen beschränkten Punkt wieder

zurückzukehren: so fühlten die Alten ohne weiteren Umweg sogleich ihre einzige Behaglichkeit innerhalb der lieblichen Grenzen der schönen Welt. Hieher waren sie gesetzt, hiezu berufen, hier fand ihre Thätigkeit Raum, ihre Leidenschaft Gegenstand und Nahrung."

Wie, nach Göthe, die Alten die Natur betrachteten und wie sie dieselbe fühlend aufnehmen mussten, ist nun leicht erklärlich. Die Griechen und Römer trafen eben in der Ansicht zusammen, dass das menschliche, das irdische Dasein als die Blüte der Weltschöpfung auf dem Gipfel der Natur stehe, sich selbst genügend und keiner weiteren Fortsetzung bedürftig, dass selbst die Götter, in seine Mitte gestellt, das Leben zwar schützend überwachten, doch aber die Naturnothwendigkeit in ihrem eisernen Gange nicht zu wenden vermochten, dass endlich der menschliche Geist, der göttlichen Natur ähnlich und verwandt, nicht nur die Dinge der Welt richtig zu erkennen befähigt, sondern auch zum richtigen Handeln vollständig ausgerüstet sei.

Hieraus ergiebt sich schon einigermassen, dass einestheils Natursinnigkeit und Naturgefühl bei den Dichtern der Alten im Allgemeinen zu vermuthen, dass diese Gemüths- und Gefühlsrichtungen aber in dem Grade und in der Qualität von der modernen Naturbetrachtung verschieden gewesen sein mussten.

Ein deutscher Gelehrter, Julius Cäsar, hat in einem längern Aufsatze1 den Beweis zu liefern sich bemüht, dass die Behauptung Schillers von dem Mangel inniger Empfindung für Natur und Naturleben bei den Alten durch die Thatsache widerlegt werde, dass zahllose Stellen bei griechischen Dichtern die innigste Versenkung und Hingabe an die schöne Natur bekundeten und ein entschieden sentimentalisches Interesse an ihr verriethen. Es ist nun auffallend, dass Schillers Worte wirklich eine Art Streitfrage hervorgerufen haben, während sie doch, richtig erwogen und nicht einseitig urgiert,

1) Zeitschr. f. Alterth. Jahrg. 1849 Nr. 61-65. Ueber das Verhältniss der Malerei zu der Beobachtung der Natur vergleiche Overbeck Pompeji p. 538 (III. Ausgabe).

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