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Buer

3-11-24 9833

Einleitende Vorrede.

Bei den Studien zu der vorliegenden Ausgabe der Bucolica Vergil's und bei der ganzen Ausarbeitung derselben glaubte ich die sachliche Seite dieser Gedichte etwas mehr betonen zu sollen, da diese grade geeignet ist, eine innigere Bekanntschaft der Schüler mit dem Geiste des Dichters und der literarischen Bedeutung, die er durch jene Gedichte bei dem Publicum erlangte, zu vermitteln. Der Commentar von J. H. Voss zu unsern vorliegenden Gedichten ist zu umfangreich, um für Schulen direct nutzbar zu sein. Ladewig's Schulausgaben des Vergil und neuerdings die von Director Kappes (Leipzig, Teubner) sind in dieser Hinsicht höchst verdienstvoll, und auch unsre Ausgabe hofft denselben von der Seite ihrer Nutzbarkeit für Schulen wo möglich sich anzuschliessen.

Kurz vor Vollendung meiner Ausgabe erhielt ich Notiz von einem italienischen Werke, das specielle Studien über die Bucolica Vergil's angestellt und in nicht geringem Grade von Interesse sein muss. Ich meine Alberto Agresti's Studii critici sulla Bucolica di Virgilio, Napoli; Tip. della R. Università, 1874. Ich habe dieses Buch noch vor Abschluss des Commentars zu vorliegender Ausgabe lesen und einigermassen benutzen können. Agresti will gewissen spröden und allzustrengen Kritikern darthun, dass in den vorhandenen Eclogen, die als nachgeahmt und als die geringere Schöpfung des Dichters von Vielen bezeichnet werden, eine durchaus eigenthümliche dichterische Erhebung und Unmittelbarkeit der Empfindung und Composition herrsche. Wenn man auch, so meint Agresti, zugeben müsse, dass die pastorale Phrase bei Vergil oft an die griechischen Wendungen erinnere 1) und dass der Gegenstand (il soggetto) irgend einer der Eclogen zuweilen den Idyllen des Theokrit

1) Solche Wendungen sind bei Vergil jenes ,,Quo te, Moeri,

pedes?"; ,, caprum cave"; cornu ferit ille" oder das Tityre dum

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redeo, pasce capellas" und ähnliche auf die äussern Hirtenverhältnisse bezügliche Stellen.

nachgebildet ist, so bedünke es ihn doch, dass der Mantuaner bei seinen ersten dichterischen Versuchen sich selbst und seine persönliche Lage und Unmittelbarkeit getreu abspiegele und dass gerade diese directe Bezugnahme auf das damalige allgemeine Zeitbewusstsein und diese Wahrheit (l'opportunità del carme e la sua verità) das sei, was ihm unter seinen Zeitgenossen diesen lauten Beifall verschaffte. Hierauf führt Agresti das Urtheil Bähr's (R. Lit. IV. Aufl.) vor, welches die Eclogen so sehr heruntersetzt und neben Anderm von ihnen sagt, dass nur die Neuheit ihrer Gattung jenen Anklang in Rom gefunden habe, dass die dichterische Invention derselben dürftig, ihr Sujet dem Theokrit entlehnt und dass das, was Vergil hinzufüge, seinen unbucolischen Character nicht verleugnen könne. Besonders hart trifft aber unsern Dichter Bähr's abschätzige Kritik, wenn er nachher etwa sagt: Selbst wenn man dem herrschenden Geschmack und der Bildung seiner Zeitgenossen und der Schwierigkeit der von Vergil zu überwindenden Sprache Rechnung trägt, kann man nicht leugnen, dass die dichterische Composition der Eclogen nicht gelungen ist.

Agresti's critische Studien, die sich eingehend mit den einzelnen Eclogen beschäftigen, scheinen mir mit Glück den Beweis für das zu liefern, was ich bei Lectüre der Bucolica immer herausfühlte, dass man dieselben von philologischer Seite bisher zu einseitig nur als Reproduction eines griechischen Vorbildes hinstellte 1) und die poetische Eigenthümlichkeit, die Anmuth derselben, sowie des Dichters Natursinnigkeit und Frische bei Conception derselben zu wenig beachtete und in die Wagschale des Urtheils fallen liess. 2) Man muss nun Agresti's Erörterungen nicht etwa, weil sie die eines Italieners sind, der naturgemäss für Vergil Partei nehme, geringer anschlagen, sondern eher von seiner Seite, weil ihm die italische Natur und mithin das italische Volks- und Hirtenleben im Gegensatz zu den Lebensformen der Stadt in unmittelbarer Nähe liegt, eine gewisse Autorität und Glaubwürdigkeit in den betreffenden Fragen voraus

1) S. Peter R. G. III, p. 105.

2) S. Studie II u. III.

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setzen und erwarten.

Wir können mit gutem Gewissen die genannte Schrift als in hohem Grade anregend und für gewisse Fragen illustrierend bezeichnen, wiewohl wir durchaus nicht in allen Puncten mit dem Verfasser übereinstimmen.

Man hat bei Beurtheilung der dichterischen Persönlichkeit Vergil's bisher wohl oft zu sehr die Nachahmung des Theokrit in den Eclogen und des Homer in der Aeneis 1) hervorgehoben und ist dabei so weit gegangen, dass man ganz landübliche Wendungen und Dichterblumen ihm als Andern entnommen anrechnete. Wie Vieles ist oft, streng genommen, in Sujet und Geschmack von jeher bei den Dichtern durch andre Dichter mehr oder weniger angeregt und hervorgerufen! Man denke an Shakespeare und die Rückwirkungen, die er auf unsre grössten Dichter ausübte! Ferner hat man bisher offenbar zu sehr das Steckenpferd gewisser alter Exegeten und Gelehrten geritten, indem man in einer grossen Anzahl der Eclogen einen allegorischen Character der Hirten consequent nachweisen und bald unter diesem bald unter jenem Hirten so unter Damötas oder Menalcas in Ecl. III Vergil selbst entdecken wollte. Man suchte ein Etwas, das objectlos ist, und trug mehr zur Verwirrung, als zur Aufklärung bei. Agresti spricht (p. 55) sich darüber dahin aus, dass man von consequentem Durchführen einer angenommenen Allegorie - beispielsweise in Ecl. III abstehen müsse, dass Vergil vielmehr einzig und allein durch den Mund bald dieses bald jenes Hirten je nach Bedürfniss theils politische oder literarästhetische Streiflichter auf seine Zeit werfen, theils Schmeicheleien auf seine Gönner vortragen lasse. Dieses eigenthümliche Einschmuggeln persönlicher Anliegen und Interessen sei specifisch italisch und lasse sich bei zahllosen Dichtern (Dante) des 14. u. 15. Jahrhunderts nachweisen.

Durch meine Einleitung (Studie II u. III) glaube ich dem Wesen der Vergil'schen Bucolica möglichst gerecht worden zu

1) S. die treffliche Würdigung der dichterischen Persönlichkeit Vergil's in Weidner's Commentar zu Aen. I. u. II. Buch; Leipz. Teubn. 1869.

sein und finde mich, in den Hauptpuncten wenigstens, mit dem Urtheil des Italieners Agresti in Einklang.

Zu Ecl. II, 12 sei noch bemerkt, dass das ,,Singen" der Cikaden natürlich sich nur auf die wärmeren Länder beziehen kann, in denen diese Hemipteren heimisch sind. Bei uns lässt sich analog das Zirpen der Gryllen im Sommer, während der Mittagshitze am stärksten, anführen.

Zu Ecl. III, 102 ff. bei den Worten des Menalcas,, vix ossibus haerent" kann ich noch, zur Stütze meiner Erklärung jener Stelle, bestätigen, dass auch in Theokrit's Id. IV, 15 der Ziegenhirte Battus mit den Worten

τήνας μὲν δὴ τοι τᾶς πόρτιος αὐτὰ λέλειπται τὤστια spöttelnd nicht auf seine Heerde, sondern auf die Rinder des Gegners sich bezieht, und dass somit auch hier Vergil in dem auf die Magerkeit der Schafe des Andern ironisch anspielenden Menalcas den Theokrit'schen Battos, mit dem überhaupt Menalcas die wesentlichsten Züge gemein hat, vor Augen hatte. Dabei übernimmt Damötas ganz die Rolle des Corydon in Id. IV, indem er auch gutmüthig auf die Anspielung des Andern eingeht und, weil er den Spott nicht merkt, nicht in gleicher Münze repliciert. Auch Fritzsche in seinen Ausgaben des Theokrit hebt treffend diese Characterseite des Corydon hervor.

Zu besonderem Danke bin ich, bei Ausarbeitung meiner Einleitung, Herrn Professor Dr. Hoffmann, derzeitigem Rector M. der Universität zu Giessen, für mehrere schätzbare Bemerkungen zu den in den Eclogen erwähnten Pflanzen verpflichtet.

Nicht minder halte ich mich Herrn Professor Dr. Weidner, Director des hiesigen Gymnasiums, sowie Herrn Dr. W. Clemm, ordentlichem Professor der classischen Philologie an hiesiger Universität, für nutzbare Mittheilungen und Winke verbunden, was bei dieser Gelegenheit ich glaube aussprechen zu müssen.

Giessen, 29. Nov. 1875.

D. V.

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