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Wie sinnig ist doch die Sonnenwendeblume (das Helianthemum roseum, Decandolle) mit dem Helios in Verbindung gebracht! Die von dem Sonnengott verschmähte Klytie blickte unaufhörlich und sehnsuchtsvoll zu dem sie verlassenden Geliebten hinauf. Da verwandelten sie die Götter in eine Blume, die allzeit ihre Corolle gegen die Sonne hinwendet.1

Damit in Verbindung brachten die Alten den Weihrauch (libanos oder tus). In diesen wurde die von Helios begünstigtere Schwester der Klytie, die Leukothoe, verwandelt, als sie ihr erzürnter Vater tödtete, indem er sie lebend in ein Grab einschloss.2

Wie oft wird ferner von Vergil in der naturinnigsten Weise das blaue Veilchen in seine Darstellung eingewoben, als Blume des Frühlings und der Proserpina. Die Zeit, da diese Göttin in den Hades wanderte, war dieselbe, wo mit dem Veilchen auch Narcisse und Mandelbaum blühten, so dass in der lieblichsten Weise der Naturwechsel mit der Mythologie verwoben erscheint.

Erwähnt muss auch der wahre oder officinelle Safran (Crocus sativus Lin.) werden, der auf den Gebirgen Italiens und Griechenlands wild wächst und wovon es auch in unsern Gärten vielfältige Spielarten giebt. Vergil lässt diese Pflanze durch die Metamorphose des Jünglings Crocus entstehen, welcher, wie seine vielgeliebte Smilax, jedes in die gleichnamige Pflanze überging. Bei Homer schon erscheint die rosenfingrige Eos von einem Krokosschleier umwallt und die in der Frühe vor der Sonne über den östlichen Horizont verbreitete Lichtfarbe rechtfertigt die antike Symbolik vollkommen.

Wie die Farbe des Safrans die Tinte des Himmels beim Aufgange der Sonne darzustellen vermag, so ahmen die Corollen der Schwertlilie das Phänomen des Regenbogens nach, und Iris hiess bei den Alten nicht nur der Regenbogen, sondern auch eine Bewohnerin des Olymps, die Botin der Juno. So wie nämlich Merkur, der Bote des Zeus, die Seelen der gestorbenen Männer an den Ort ihrer Bestimmung brachte,

1) Ovid Met. IV, 264 ff. 2) Met. IV, 249 ff.

ebenso war der Iris der Auftrag, die von der Juno beschützten Frauen nach ihrem Tode zu geleiten. Daher sagt Vergil1 bei dem Tode der Dido:

Tunc Juno omnipotens, longum miserata laborem
Difficilesque obitus, Irim demisit Olympo,

Quae luctantem animam nexosque resolveret artus.

Und gleich nachher

Ergo Iris croceis per coelum roscida pennis
Mille trahens varios adverso sole colores,

Pervolat, et supra caput adstitit: Hunc ego Diti
Sacrum jussa fero, teque isto corpore solvo.

Vielleicht liegt hierin der Grund der noch in Griechenland herrschenden Sitte, die Schwertlilie auf die Gräber der Verwandten zu pflanzen.2

Eine grosse Zahl Blumen wäre nun zu nennen, welche von Vergil, besonders in den Eclogen und in den Georgica, in das Gebiet seiner dichterischen Darstellung hereingezogen werden und die wir als nicht-mythologische Pflanzen nicht unpassend bezeichnen könnten. Sie alle bekunden einen durchaus innigen Verkehr des Dichters mit dem Gewächsreich und, was ganz besonders hervorgehoben werden muss, bilden dieselben nicht etwa ästhetisches Beiwerk, das darauf berechnet wäre, dem von dem Dichter geschilderten Landleben Relief und Geschmack zu verleihen, sondern sind mit dem Thun und Treiben der handelnden und in Scene gesetzten Figuren so innig verbunden, dass sie immer als integrierende und von dem Ganzen nicht zu trennende Bestandtheile erscheinen. Als Repräsentanten dieser Gattung von nicht-mythologischen Pflanzen nennen wir den Aster amellus, die Sternblume des Vergil, welche als Nahrung der Bienen so treffend von dem Dichter hervorgehoben wird. Die Schilderung dieser, auch in unsern Gärten als Zierpflanze und vielfach auch wild

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1) Verg. Aen. IV, 694 ff.

2) Wir könnten als Gewächse mit mythologischer Beziehung noch erwähnen: die Rose, die Lilie, den Kohl, die Spargel, den Salat, die Zwiebel, die Bohne und fast sämmtliche Obstbäume. (S. Dierbach a. a. 0.) - 3) Georg. IV, 271 ff.

bei uns vorkommenden hochstengligen Aster, ist so wahr gehalten, dass es unbegreiflich erscheint, wie deutsche Gelehrte dieselbe für etwas Anderes, beispielsweise für unsern Steinklee, halten können.1 Wir haben uns selbst von der Richtigkeit der Vergilischen Darstellung überzeugt und zwar in dreierlei Hinsicht. Diese Aster, die bei uns im Herbste blüht, entsteigt vollkommen vielstenglig wie ein „,mächtiger Wald der zasrigen Wurzel," ist im Munde von ,,scharfem Geschmack" und, was wir ganz besonders betonen müssen, ist fortwährend, selbst bei ungünstigem und bedecktem Himmel, von zahlreichen, emsig sammelnden Bienen besucht. Man gehe zu Herbst selbst in unsre Gärten, prüfe, sehe zu, koste, und man wird überzeugt sein!

Es wäre nun am Orte, eine Reihe von magischen Pflanzen zu erwähnen, welche im Alterthum cultiviert und hochgeschätzt wurden. Es möge jedoch genügen, nur zwei zu nennen, weil sie bei Vergil vorkommen und auch von dieser Seite bekunden, wie innig vertraut unser Dichter mit dem Weben und Wirken der Pflanzenwelt war. Wir begegnen da einem Zweige, welcher der Proserpina, der mysteriösen Göttin der Unterwelt, geweiht war, und zwar der auch in unserer Zone heimischen Mistel (Viscum album Lin.). Etwas Unheimliches hat dies Gewächs schon darum, dass es ziemlich selten vorkommt, auch im Winter vegetiert und auf andern Gewächsen steht und blühet. Die Mistel ist der magische Zweig, dem sich die Pforten des Orkus öffnen. Die Sibylla führt durch ihn den Aeneas in die Unterwelt. Natürlich muss das wunderthätige viscum mit Mühe gesucht werden

dadurch erst erhält es seinen specifischen Werth! Nachdem Aeneas sich Bahn in den düsteren Wald, wo es wächst, gebahnt, verzweifelt er endlich, das Gewünschte zu finden. Und siehe da! Auf sein Flehen sendet seine Mutter, die liebreiche Venus, ihre Tauben, welche die wundersamen Ruthen dem Sohne des Anchises zu Füssen legen; 2

1) Dierbach p. 168, woselbst die Ansicht des Polyhistors G. W. Wedel bekämpft wird. 2) Verg. Aen. VI, 205 ff.

Quale solet silvis brumali frigore viscum

Fronde virere nova, quod non sua seminat arbos

Et croceo foetu teretes circumdare truncos.

An der ersten Pforte der Unterwelt angelangt wird ihm der Eingang verweigert, aber der vorgezeigte Zweig besiegt alle Hindernisse. An die Wunderkraft dieser Mistel, wozu auch die Druiden Galliens und Britanniens das ihrige beigetragen haben mögen, glaubte man lange noch in Deutschland, und selbst bis auf den heutigen Tag ist dieser Glaube nicht ganz erloschen. Amulete aus Mistelstücken sollten von Hexen und andern Teufelskünsten ihre Träger bewahren.1

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Zu den magischen Pflanzen gehörte auch jene Baccharis des Vergil, womit dem Sänger zum Schutz gegen böse Zungen die Stirne umwunden wurde. Ueber die Identität dieses Gewächses kann noch gestritten werden. Früher hielt man es für Linné's Valeriana celtica. Neuerdings will man die Pflanze auf eine rothe Art Gnaphalium (Ruhrkraut) beziehen. 3

Wir recapitulieren aus dem Vorhergehenden, dass die Alten, und besonders Vergil, zwar Naturgefühl und Natursinnigkeit in hohem Grade besassen, erkennen aber zugleich, dass die alte Poesie die Natur nie als Ganzes auffasste, sondern dass sie die Einzelerscheinungen derseiben als sinnigen Hintergrund und Beigabe der darzustellenden Handlung der sich in der Scene bewegenden Personen mit dem Ganzen geschickt zusammenwob. Hierdurch unterscheidet sich die heidnische Dichtung scharf von der Hebräischen Naturdichtung, welche den Grund zur christlichen Anschauung gegeben hat, und die, als Reflex des Monotheismus, stets das Ganze des Weltalls in seiner Einheit umfasst, sowohl das Erdenleben, als auch die weiten Himmelsräume.

Eine eigentliche Naturbeschreibung kannte darum das heidnische Alterthum noch nicht, weil dies bei seinen Naturanschauungen es nie auf die Betrachtung und Heranziehung grosser Massen, als einer Naturtotalität, abgesehen hat, sondern

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immer bei dem Einzelnen der Erscheinung stehen bleibt und verweilt. Daher, bemerkt v. Humboldt treffend, von dem ewigen Schnee der Alpen, wenn sie sich am Abend und am frühen Morgen röthen, von der Schönheit des blauen Gletschereises, von der grossartigen Natur der schweizerischen Landschaft ist z. B. keine Schilderung aus dem Alterthume auf uns gekommen; und doch gingen ununterbrochen Staatsmänner, Heerführer, und in ihrem Gefolge Literaten und Dichter durch Helvetien nach Gallien. Alle diese Reisenden, bemerkt er weiter, wissen nur über die unfahrbaren, scheusslichen Wege zu klagen, das Schöne und Romantische der Naturscenen beschäftigte sie nie.

Die poetische Schilderung der Natur also, wo sie bei den Alten vorhanden ist, giebt, wie wir oben gesagt, kein eigentliches ganzes, für sich existierendes Naturbild.

An den Eclogen des Vergil ist dies leicht nachweisbar. Die Stellen, welche natürliche Scenen mit der Rede und der Handlung der Personen verflechten, sind beispielsweise in der I. Ecloge ziemlich zahlreich, verhalten sich aber doch zu dem Uebrigen etwa wie 1: 5. Nehmen wir nämlich all' diese schönen Anspielungen auf den natürlichen Hintergrund die schattige Buche das Accouchement einer Ziege in dichten Haselstauden den Blitzschlag in die hohe Eiche -die Quellen und das Gebüsch, das von den Liebesklagen der Amaryllis wiederhallt die summenden Bienen und die girrenden Holztauben auf hohen Ulmen, die den Tityrus zum Schlafe einlullen die Trauer des Meliböus, der nun nicht mehr die am Felsen hangenden Ziegen mit Klee und herben Weidenzweigen füttern wird - so geben diese anmuthigen prägnanten Beziehungen auf die italische Natur zwar eine frische Staffage, aber ein ganzes, harmonisch abgerundetes für sich existierendes Naturbild gewähren sie nicht. Die Beziehung steht und fällt mit der jedesmaligen Stimmung und Situation der inscenierten Personen, deren Lebensinteressen den weit überwiegenden Theil des Gedichtes ausfüllen. Es liesse sich Aehnliches bei den übrigen Eclogen des Dichters nachweisen, und doch würde Niemand in dem schwächeren Bruchtheil der Naturbeziehungen einen Beweis für den Mangel

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