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II. Studie.

Die Griechische Bucolik in ihrem Verhalten zur Römischen; Theokrit und Vergil.

Ueber die Herkunft und den Ursprung der bucolischen Poesie wird so viel Widersprechendes von den alten Grammatikern und Exegeten berichtet, dass wir oft in Verlegenheit sind, woran sich in dieser Frage zu halten sei. Wir sind meistens gewöhnt, Arkadien als den Ursitz der ländlichen Poesie, des Hirtenliedes zu betrachten. Schiller sang:,,Auch ich bin in Arkadien geboren," indem er damit andeutete, dass dieses Mitteland des Peloponnes als das Eldorado der Hirtengedichte zu betrachten sei. Im Schildgemälde des Homer ziehen Hirten mit Syringen daher1; die Syrinx aber gilt als Erfindung des Arkadischen Pan und mit jenem Instrumente stand natürlich auch Gesang in Verbindung. Auch Vergil preist hin und wieder die Arkadier als die vorzüglichsten Hirtensänger. Und doch ist keine Sage bekannt, die uns in das Land Arkadien als den Ursitz der Erfindung oder auch nur der Blüte einer bucolischen Musekunst versetzte.

Dagegen finden wir bei den Erklärern des Theokrit und Vergil vielfache Andeutungen über eine Hirtenpoesie, welche in Lakonien und Sicilien blühte.3

In Lakonien, so erzählt Probus zu Vergils ländlichen Gedichten, traten die Hirten aus den anliegenden Ländereien zusammen und verrichteten der Göttin Artemis Opfer, unter Anwendung ländlicher Gedichte; den Ritus aber bei den desfallsigen Opfern nannten sie Bukolikon. Der Erklärer Diomedes sagt: pastorali carmine composito deae honorem celebraverunt, unde etiam Povzohiouòs dictus. Welker bemerkt

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hierzu: Die Thatsache steht fest, dass am Feste der Artemis in Karyä der Göttin auch von Hirten Hymnen angestimmt wurden; und hieraus ist zu schliessen, dass Lieder und Gesang dieser Hirten und vielleicht auch ihr Spiel auf der Syrinx oder einem andern Instrumente, womit sie sie begleiteten, nicht verächtlich waren.

In Sicilien finden wir an verschiedenen Orten denselben Gebrauch ebenfalls mit dem Feste der Artemis verbunden. Hierüber berichten die Erklärer Servius, Probus und Diomedes übrigens vielfach sich Widersprechendes, und lassen im Grunde die Frage über den Ursprung des eigentlichen Hirtenliedes, das sie meistens mit den an den Artemisfesten ad hoc gefertigten und gesungenen Hymnen identificieren, ganz unbeantwortet. 1

Was wir daher von dem eigentlichen bucolischen Liede wissen können, beschränkt sich auf das, was wir aus einzelnen Zügen jener kunstreichen, aber auf scharfe Beobachtung des Hirtenstandes und gute Kenntniss seiner Sangesart gegründeten Nachahmung desselben durch Theokrit entnehmen und zu einem Gesammtschluss auf das Wesen der Bucolik benutzen dürfen. Sicilien, das Geburtsland des Theokrit, des Bucolikers κατ' ἐξοχήν, war bekannt als das Land der idealen Hirten. Pindar nennt es gradezu rolúμalos Zinelia. Das Poetische, was nach der Auffassung des Alterthums das Hirtenleben überhaupt hatte, mochte sich gerne bei den sicilischen Hirten noch besonders zeigen, da sie von der sie umgebenden Natur so überaus begünstigt wurden. Sie waren begreiflicher Weise reich an Liedern, Gesängen und Weisen, reich an Sagen von Hirten, unter denen Daphnis der berühmteste ist. Nach Diodor von Sicilien (IV, 84) war er der Sohn des Hermes und einer Nymphe. Diese setzte ihn in einem Lorbeerhaine aus, wovon er den Namen άqvis erhielt. Die Nymphen erzogen ihn, Pan selbst unterwies ihn im Flötenspielen. Er ward ein Hirte, der viele Herden weidete und dessen Lieder lange nach ihm in Sicilien fortlebten. Er

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1) Welker a. O. p. 408 ff. ad Ecl. V, 20.

2) Olymp. I, 12.

3) Servius

war im Gefolge der Artemis, die er durch seine bucolischen Weisen erfreute. Da er aber als treuer Anhänger der jungfräulichen Artemis der Liebe trotzte, reizte er den Zorn der Aphrodite, welche ihm nun Liebe zu einem Mädchen einflösste, das ihrerseits ihn auch liebte. Er suchte diese Leidenschaft zu bezwingen, mied das liebende Wesen, rang gegen Eros, erlag aber endlich, schmachtete dahin und verschied zum Leidwesen der Musen und Nymphen.1 Mit der Liebe der Nymphe nun, mit dem rührenden Tode des Daphnis, mit dem Wiederklingen seines Namens im Hirtenliede hing die weitere Idee zusammen, dass er nicht nur das Ideal eines Hirten, sondern auch der mythische Erfinder des Hirtenliedes selbst gewesen sei.2 Ausser Daphnis werden noch von Theokrit und von dem nachahmenden Vergil genannt Menalkas, Komatas und Diomus.

Diese Bucolisten mit ihren Hirtenliedern müssen unternehmende Bursche gewesen sein, da sie von Sicilien aus Kunstwanderungen nach Italien, nach Lydien und Egypten zuweilen angetreten haben sollen. Sie gaben dann ihre Lieder zum Besten, stellten Wettstreite an, wobei sie durch ihre komische Laune, ihre Dicacität und ihren Witz die Hörer belustigten. Zum Schluss erhoben sie Gaben. Ueberbleibsel solcher bucolischen Wettgesänge will man noch in neuerer Zeit in Sicilien und auf den balearischen Inseln angetroffen haben.3

Dass ein für das Thun und Treiben der Landleute so empfängliches Gemüth, wie das Theokrits, sein Behagen und Gefallen an der Hirtenpoesie fand, müssen wir wohl begreiflich finden, wenn wir erwägen, in welcher Zeit dieser lebte. Es ist dies die Zeit, welche man von den Schöpfungen Alexanders des Grossen her characteristisch benannt hat und die sich dadurch vor Allem kennzeichnet, dass in ihr mit dem Aufhören eines selbständigen griechischen Volkslebens auch alle ursprüngliche und aus dem Volksbewusstsein hervor

1) Theokr. Id. I, 82, 97, 64, 139–140. sche Einl. p. 8. 2) Weiteres über Daphnis, Stesichorus besang, s. Welker kl. W. p. 190 ff.

buc. poet. p. 13.

S. Theokr. ed. Fritzdessen Schicksal schon

- 3) Fritzsche de

gehende Poesie geschwunden war1. Kein Herz schlug mehr für das Vaterland, wie zu jener Zeit, da Aeschylus bei Salamis kämpfte, Sophokles im Siegesreigen tanzte und Euripides geboren wurde! Aber an der Stelle der dem Leben entfremdeten Dichtung war in Alexandria unter den Ptolemäern eine Stubengelehrsamkeit entstanden, der nun aller Genius fehlte und die bei ihren poetischen Elucubrationen Kunst und Künstelei an die Stelle der Natur treten liess. Zu solcher Frist musste es als ein wahrer Fund, als ein glücklicher Griff begrüsst werden, dass Theokrit die frische Hirtenpoesie der Siculer zu einer selbständigen Poesiegattung erhob. Da sah man doch wenigstens noch wirkliche, naturwüchsige Dichtung mit dem Leben und dem Denken eines kleinen Völkchens innig zusammenhängend und mit demselben unzertrennlich verwoben! Nun denke man weiter an die Kriegsgräuel und Verwüstungen, denen Sicilien vor dem Beginn des ersten punischen Kriegs ausgesetzt war, beachte die Sehnsucht nach friedlichen Zuständen, die überhaupt der Gemüther sich damals bemächtigt haben musste, und es liegt klar vor, warum die Darstellung des friedfertigen Thun und Treibens der Hirten in ihren stillen frischen Thälern, wie sie durch den Griffel Theokrits gegeben wurde, zünden musste.

Da nun Vergil als Nachahmer des Theokrit allgemein betrachtet wird, so entsteht die Frage, in wie fern Jener volksthümlich gewesen ist und ob er in dieser Hinsicht mit seinem Vorbild, Theokrit, gleichen Schritt gehalten hat. Entscheidend hierfür ist die Frage, ob und in wie fern die Hirten Vergils dem Römischen Volksleben entnommen sind und diesem entsprechen, oder ob sie als Wiederspieglungen und Conterfeie der Theokritischen Landmuse zu betrachten sind. Wir gehen von der Ansicht aus, dass sie weder das eine, noch das andre, sondern das sie mixta composita sind, Kunstfiguren, zum Ergötzen nicht des Volkes, sondern Einzelner, der hohen Gönner des Dichters Vergil, der aber bei ihrer Inscenierung

1) Theokrit lebte in der Mitte des dritten Jahrhunderts vor Chr. G., sicher in den Jahren 265 bis 258 v. Chr., als Hiero II. in Syrakus herrschte, der aus dem ersten punischen Kriege bekannt ist.

seine ganze reiche, natursinnige Dichtung in Anwendung brachte.

Bei Theokrit sind alle Figuren dem frischen Leben entnommen, naiv und mit allen Vorzügen und Schwächen ihres Zeitalters und ihrer Gattung behaftet. Sie bliesen die Syrinx, besangen ihre Liebesabenteuer und feierten in ihren Liedern die obengenannten Urhirten. Bei ihren Wechsel- und Wettgesängen stellten sie oft gegenseitig Preise aus, die der Partei zufielen, für die der Preisrichter, irgend ein hierzu erwählter Hirte, sich entschied. Dass aber bei den Theokritischen

Idyllen auch Volkslieder zu Grunde lagen, ist schon im Allgemeinen wahrscheinlich, und wird im Besondern durch die Erwägung bestätigt, dass die bucolische Cäsur, die bei Theokrit so ungemein häufig vorkommt, nichts weiter ist, als der Refrain kürzerer volksthümlicher Verszeilen, die von dem Dichter nur zusammengesetzt zu werden brauchten, um den heroischen Vers herzustellen. Auch wird der volksthümliche

Ursprung dieser Gesänge plausibel gemacht durch die Wiederholungen derselben Worte in demselben Verse.2

In wieweit kann nun bei Vergil von populärer, an das Volksbewusstsein sich anschmiegender Dichtung die Rede sein? Zwar haben die Römer hübsche Bilder, sinnige Metaphern, welche einen poetischen Volkssinn im Auffassen vom Kommen und Gehen der Tages- und Jahreszeiten und ihrer Einwirkungen auf die Pflanzen- und Kreaturwelt bekunden. Auch haben sie almanachartige Regeln in Bezug auf den Wechsel der Jahreszeiten gehabt, die eng mit dem Volksbewusstsein zusammenhingen.* Auch die Wettgesänge bei agrarischen Festen kommen in Betracht. Aber eines fehlte dabei den Römern, ein mächtiges Vehikel der Volkspoesie, die Legende, die Volkssage, wie diese bei den Griechen reich

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1) Nachgewiesen von Fritzsche edit. Theokr. praef. p. 13 ff. G. Hermann de art. poes. buc. p. 3; Hauler de vita Th. p. 48. 2) Welker op. I, p. 200. 3) Unermüdliche Philologen haben die betreffenden Stellen Römischer Autoren, welche die Schönheiten von Tagesund Jahrzeitwechsel schildern, sogar gesammelt, wie Deichmann, Hersfeld. Progr. 1844 u. a. m. 4) S. meine Ausgabe der Vergilschen Georg. p. 28 ff. Einl. 5) Bernhardy R. L. I, p. 169 (3. Ausg.)

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