Billeder på siden
PDF
ePub
[graphic]
[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]

as Magazin für Litteratur erscheint jeden Sonnabend und koftet vierteljährlich 4,- Mark. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Poftämter (No. 4901 der Postzeitungslifte) AAAA fowie direkt von der Expedition des Magazin, Zimmerstr. 29. aaa a Nachdruck nur mit ausdrücklicher Erlaubnis der Redaktion geftattet.

Abonnementsbedingungen: bei direkter Zufendung unter Kreuzband für Deutschland

im Buchhandel und bei der Post pro Quartal 4,- Mark,

B AAAA und Oesterreich-Ungarn 4,40 Mark, für das Ausland 4,65 Mark. An

[graphic]
[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]
[ocr errors]

Aus Carmen Sylvas Königreich.

[ocr errors]

Bon Marcel Arpad.

Das moderne Schrifttum der Rumänen entfaltet | städtischen Universität, wo diesem verdienstvollen Besich in der glücklichsten Weise unter der Aegide einer hochherzigen Gönnerin und Dichterin. Wer über die Werke Carmen Sylvas genauer Bescheid weiß und ihre literarischen Bestrebungen aus den nationalen Eigentümlichkeiten Rumäniens heraus dem zweiten Vaterlande der Königin Elisabeth von Rumänien vollends würdigen zu können in der Lage ist, der wird nicht nur freudig arerkennen müssen, wieviel sie durch ihre trefflichen belletristisch-literarischen Arbeiten zur Hebung der Kenntnis der volkstümlichen und literarischen Eigenheiten dieser ostromanischen Kulturwelt im eigenen Lande beigetragen, sondern auch feststellen können, mit welcher Ausdauer und künstlerischen Fertigkeit sie die nationalen Dichtungen des rumänischen Volkes dem westlichen Europa in geradezu klassisch zu nennenden Formen näher gebracht hat. Ihr bedeutendstes Verdienst besteht indes fraglos darin, daß sie persönlich tätigen Anteil an den Bestrebungen der heimischen Schriftstellergeneration genommen und so manchen ver dienstvollen Männern eine liebreiche und zweckmäßige Förderung angedeihen lassen hat.

Wie ehedem es so manche andere geistreiche Frauen weit geringerer Stellung zu halten pflegten, sieht auch Carmen Sylva - tros ihres fürstlichen Ranges und der strengen Etikette des Hoflebens gerne schöngeistige Männer und Frauen um sich. Selbst eine Selbst eine subtile Poetin und feinsinnige Stilistin, liebt sie es, mit den Schriftstellern und Dichtern ihres Volkes in ungezwungenster Weise geistigen Umgang zu pflegen, sich über deren Schaffen und künstlerische Absichten persönlich zu orientieren, sie zu ermuntern und nach bestem Vermögen zu fördern. So lud sie erst kürzlich wieder zwei junge erfolgreiche Dramatiker, den strebsamen Vasile Leonescu und den interessanten, originellen T. Duzescu Duzu auf ihre Studierstube, um deren literarische Pläne sich vortragen zu lassen. Bei der in zwangloser Weise geführten Konversation ließ sich auch die Königin über ihre künstlerischen Absichten vernehmen. Gegenwärtig ist sie mit dem Ausfeilen einiger Prosa schriften, mit lyrischen Stücken und einer Sammlung volkstümlicher Dichtungen beschäftigt. Die jungen Dramatiker lasen bei gleicher Gelegenheit der Königin auch ihr neues - König Carol zugeeignetes triotisches Drama Penesch Curcanul" vor, das den Lebhaften Beifall der fürstlichen Dichterin und des gleichfalls anwesenden Königs fand.

"

pa=

Das in Westeuropa unverdienter Weise fast gar nicht gekannte rumänische Schrifttum, das sowol aus verflossenen Tagen, als auch gegenwärtig ganz bedeutende literarische Vertreter von tiefer Individualität und kräftiger Charakteristik aufzuweisen hat, konnte erst kürzlich den 100. Geburtstag eines großen Sohnes der Nation in festlicher Weise begehen. Es ist dies Ivan Heliade-Radulescu, dessen Angedenken von der gesamten Nation in hohen Ehren gehalten wird. Vor der haupt

gründer des modernen rumänischen Schrifttums ein würdiges Denkmal errichtet worden ist. hatten sich bei dieser Gelegenheit alle Verehrer des Dichters, Vertreter des Ministeriums, der Universität 2c. versammelt, um in Festreden die Bedeutung dieses großen rumänischen Geisteshelden würdig zu feiern. Besonders bemerkt wurden die Ausführungen G. Adamescus, der die Verdienste Heliades um die nationale Literatur äußerst zutreffend kennzeichnete. Heliade Radulescu ist im Jahre 1802 zu Tirgoviste geboren worden und im Jahre 1872 hochbetagt in Bukarest gestorben. Geradeso wie der ältere Asachi in der Moldau, ist auch er in der Walachei mit besonderem Nachdruck für die Wiedererweckung des nationalen Geistes der Rumänen eingetreten. Reich an Geist und Wissen, originell und markig, hat er auf ästhetischem Gebiete nichts hinterlassen, dem nicht heute noch ein ganz besonderer wissenschaftlicher Wert zukommen würde. Einundzwanzig Jahre hindurch hatte Heliade den Lehrstuhl an der scola Sf. Sava in Bukarest, die von Gheorghe Lazar begründet worden war, in der erfolgreichsten Weise bekleidet. Was seine schriftstellerische Tätigkeit anbetrifft, so redigierte er zuerst den Curierul românesc", dann übernahm er die Leitung des „Curierul de ambe sexe". Er schrieb eine rumänische Grammatik, eine rumänische Literaturgeschichte, überseßte daneben Stücke aus Viktor Hugo, Byron 2c. Von seinen poetischen Arbeiten wird heutzutage nur noch die feinempfundene Dichtung „Sburatorul", d. i. „Das Gespenst" häufiger gelesen. Was seinen Stil anbetrifft, so hat dieser wol durch fremde Einflüsse, namentlich zahlreiche Latinismen, Schaden genommen, ist indes hinsichtlich seiner Flüssigkeit und Prägnanz heute noch als mustergültig anzusehen.

"

[ocr errors]

Gelegentlich des zehnjährigen Todestages des großen Lyrikers Vasile Alexandri sind dessen poetische Werke, in verschiedenen Ausgaben gesammelt, herausgegeben worden. Alexandri schrieb eine ansehnliche Reihe anmutiger Doine, das sind vorwiegend Elegien und Liebeslieder, einen lyrischen Zyklus Suvenire", romantische Pastelle", Episoden aus der Landesgeschichte in poetischer Form, die als „Legende" ge= sammelt erschienen, zeitgenössische temperamentvolle Kriegslieder 2c. Ueberdies sammelte er die bedeutendsten Volksballaden der Nation. Auch die Schriften Mihail Eminescus und Jon Creangas sind in neuen Fassungen aufgelegt worden. Creanga ist für die rumänische Prosa als Reformator von derselben Bedeutung gewesen, wie Eminescu für die nationale Poesie. Originell im Ausdruck, ein starkes Talent, natürlich, geistreich, von lebhaftem Wiz und Temperament, hat er in seinen Erzählungen alle nationalen Eigentümlichkeiten des rumänischen Volkscharakters aufs glücklichste vereinigt.

Creanga gehörte gleich dem um volle zwölf Jahre jüngeren Eminescu, mit dem er zufällig in einem

Jahre gestorben ist, zu den bedeutendsten Mitgliedern der ehemaligen literarischen Vereinigung Junimea", die Jugend". Diese Kunstschule hat überhaupt das Verdienst für sich, die neuere Literatur Rumäniens, sozusagen aus dem Primitivsten heraus, angebahnt zu haben. So ist denn die heutige jüngere Schriftstellergeneration bereits in einer glücklicheren Lage, und auch nicht mehr soweit sie überhaupt originell und talentiert sich erweist ausschließlich auf sich selbst angewiesen, denn sie erfreut sich bereits der tatkräftigsten Förderung von seiten der Nation, des Publikums und des Staates. Die Academia Româna hat alljährlich eine ansehnliche Anzahl von Prämien für literarische Leistungen zu vergeben, durch welche Institution die jungen Kräfte zweckmäßig gefördert und ermutigt werden, indem eine Belohnung wirklicher Verdienste dem Talente in gerechter Weisezugesprochen wird.

[ocr errors]

Daher macht sich denn auch gegenwärtig auf literarischem Gebiete ein besonders kräftiges Streben bemerkbar, das schon so manche nachhaltige, fast durch weg originelle Erfolge und Erscheinungen gezeitigt hat. Die bedeutendste Persönlichkeit unter der jüngeren - übrigens heute bereits von einer jüngsten" Generation überholten Schriftstellerwelt ist unbedingt immer noch der fruchtbare Erzähler Alexandra Vlahuza. Er besitzt eine ganz markante Individualität, die von prächtiger Ursprünglichkeit zeugt, ist geistreich und interessant, beseligt von einer unermüdlichen Schöpferkraft. Als Novellist erscheint er am bedeutendsten und steht als solcher an erster Stelle im modernen rumänischen Schrifttum da; als Romandichter zeigt er sich minder gewandt und ist auf diesem Gebiete auch bereits überholt worden. Vlahuza ist Pessimist, und zwar im realistischen Sinne; in den jüngsten Tagen scheint er sich indes zur optimistischen Romantik bekehrt zu haben. Seit einiger Zeit wird ihm vom St. Stonescu der absolute Vorrang als Novellist in der entschiedensten Weise streitig zu machen gesucht. Die von diesem jungen Autor erst kürzlich veröffentlichten neuen Novellen und Skizzen sind kräftige und originelle Darbietungen, die eine außerordentliche Reise der Darstellungskunst aufweisen. Auch der jüngst verstorbene V. A. Urechia, aus dessen Nachlaß soeben ein Band ,,Jocoane de vieata" (1903), naturalistische Lebensbilder, erschienen ist, war sowol als Novellist, als auch als Romandichter von Bedeutung.

Die moderne Lyrik besitt in G. Cosbuc ihren bedeutendsten Vertreter. Cosbuc hat einige Bände Gedichte veröffentlicht, die vornehmlich erotischen Inhaltes sind. Wenn auch die rumänische Liebesdichtung nicht ganz dem verfeinerten Geschmacke des Westeuropäers entsprechen mag, indem naive Schamlosigkeit und urwüchsige seruelle Begehr in ihr die Hauptrolle spielen, und das Psychische vielfach gänzlich zurücktreten muß. so finden sich doch auch unter diesen Dichtungen so manche Perlen edel romantischer, keuscher Poesie. Was die vollendete Form der farbenprächtigen Dichtungen Cosbucs anbetrifft, so ist diese für die moderne rumänische Lyrik geradezu ausschlaggebend geworden. Cosbuc ist auch als Aesthetiker wirksam; gegenwärtig gibt er in Gemeinschaft mit Alexandru Vlahuza, der vordem die literarische Zeitschrift Vieata", d. i. „das Leben geleitet hat, die seit April vorigen Jahres in Bukarest erscheinende literarische Revue Samanatorul" (der Säemann) heraus. Der „Samanatorul" ist das Publikationsorgan der „Jüngsten" Rumäniens

"

und kann in diesem Sinne mit der deutschen „Gesellschaft" der neunziger Jahre verglichen werden.

Als der jüngste und tatkräftigste der rumänischen Lyriker muß der erfolgreiche St. D. Josif hervorgehoben werden. Diesem feinsinnigen Poeten verdankt das rumänische Schrifttum unter anderem auch eine überaus glücklich gelungene Heine-Uebertragung. St. O. Josif hat sich durch seine kürzlich erschienene „Poesie“ und seine „Romanzen und Lieder" in die vorderste Reihe der nationalen Lyriker gestellt. Neben den beiden Vorgenannten sind als Lyriker der phantasiereiche Romantiker Duiliu Zamfirescu und der Pessimist Radu D. Rosetti die bedeutendsten.

Bei dem Fehlen wirklich guter heimischer Dramen moderner Richtung, kultivieren die größeren Bühnen, wie das rumänische Nationaltheater und das Lyrische Theater in Bukarest, daneben das Nationaltheater in Jassy, vorwiegend das deutsche Schauspiel und das französische Lustspiel. Die rühmlichst bekannte rumänische Heroine Agathe Barcescu, die sich auch um die Einbürgerung des deutschen Dramas in Rumänien besonders verdient gemacht hat, ist erst im verflossenen Herbste am Nationaltheater zu Jassy in deutschen Stücken wie „Pentru copil" (Für's Kind), „Traiasca vieata" (Es lebe das Leben!), dann in „Fedra“, „Messalina“, „Contele Essex" 2c. aufgetreten.

[ocr errors]

"

Carmen Sylvas Schriften haben in Deutschland leider nicht jene Verbreitung gefunden, wie sie es ihrem Werte nach verdienen würden. Obenan in der Bedeutung möchte ich wol die Peleschmärchen" mit deren Fortsehung Durch die Jahrhunderte" gestellt wissen, hauptsächlich wegen des ihnen entströmenden Reizes einer frischen nationalen Ursprünglichkeit. Auch die „Märchen einer Königin" und der Märchenkreis „Leidens Erdengang" sind fein stilisierte Stücke. Der Romanband Defizit" und die Bücher Ein Gebet“ und „Es klopft" find Darbietungen in Prosaform, die für die hohe Kunst der Erzählung bei Carmen Sylva zeugen. Von den lyrischen Schöpfungen der Dichterin dürften die tiefempfundenen Lieder aus dem Dimbowizatal" in Deutschland wol am bekanntesten sein, dann die farbenprächtigen Dichtungen unter dem Titel „Mein Rhein!", die leider infolge ihres hohen Anschaffungspreises auf einen recht kleinen Lejerkreis beschränkt bleiben müssen. Andere Liedersammlungen enthalten das gleichfalls kostspielige Buch „Meine Ruh'", die unter dem Gesamttitel „Tau" erschienenen neuen Gedichte und die Dichtungen ,,Seelengespräche".

"

Die fürstliche Dichterin hat sich auch auf dramatischem Gebiete mit Erfolg versucht. Von ihren Dramen bieten die in dem Buche Frauenmut" gesammelten Stücke eine geschmackvolle Auswahl. Mit den Novellen in Versen Stürme" hat Carmen Sylva einer einst aktuellen Dichtungsart ihren Tribut gezollt. Ueberdies ist die Dichterin auch als gewandte Uebersezerin vielfach tätig gewesen, indem sie in Gemeinschaft mit Mite Kremnih so manche Uebertragungen fremder Werke veröffentlichte. Die rumänische Dichtung entfaltet sich gegenwärtig in reichen künstlerischen Formen unter der fürsorglichen Obhut einer einsichtsvollen Beschüßerin, und eröffnet mit ihren jüngsten Schöpfungen die schönsten Perspektiven in eine nahe Zukunft.

An einen Freund.

Von Robert Corwegh.

Ein Abend war's, wir saßen still zusammen
Und Tabaksdunst umkreiste unsre Häupter
Und wie in Wolfenhöhen thronten wir.
Auch himmelhoch entflohen die Gedanken,
Nah fühlten wir der Zeiten Flügelrauschen.
Es war ein Feiertag für unsre Seelen,
Und wie in einem Spiegel blickten wir
Vom Alltag abgestreift das eigne Ich,
So oft geschaut und immer neu empfunden.
Da hast Du mich zum erstenmal erkannt,
Und staunend riefest Du: Wie bist Du reich!
Du nennst mich reich? Ich fühl' mich beitelarm.
Halt' mich nicht eitel! Nein, ich fühl' mich arm!

Der Blinde, der die Sonne nie erschaut,
Ihr holdes Frühlingslächeln nie empfunden,
Ist nicht so arm, wie du, dem sie entschwunden,
Nachdem sie ihn geküßt hat und erbaut.
Hat mich die Sonne auch nicht selbst gegrüßt,
Mit Strahlenfuß geläutert und geblendet,
So hat sie mir die Schwester hergesendet,
Die Phantasie hat mich als Kind gefüßt.
Seit jenem Tage bin ich wie verwandelt,
Das Dasein dünkt so öde mir und schaal,
Ich thronte nicht in Phanthas hohem Saal,
An ihrer Seite bin ich stolz gewandelt.

Und heute noch in manchen stillen Stunden,
Wenn Sorge mich und Herzensnot bedrückt,
Enteil' ich wolkenhoch auf ihren Schwingen.
Dort bin ich König in dem eignen Reiche,
Das die Gedanken mir geschaffen haben;
Doch König nicht von Knechten oder Sklaven.
Nein, Könige des Geistes dienen mir.
Wer diese Welt im Daseinskrieg bezwang,
Ein Ueberwinder der Alltäglichkeit,
Ein Held, ein Heros in der Lebenskunst,
Der thront zur Seite mir als mein Vasall.
Nicht Dichter, Helden, Könige allein,
Auch Edle, deren Namen man nicht kennt,
Die unerkannt ihr Schicksal überwanden.
Mit ihnen rede ich und halte Rat
Und führe Krieg in ungeahnten Sphären.

Doch kehre ich vom Wolkenflug zurück,
Dann bin ich armer Reicher doppelt arm.
Ich kann die Wirklichkeit nicht mehr ertragen,
Sie gibt mir nichts, selbst wenn ich sie bezwinge.
Und will ich bannen, was ich dort erschaut,
Im Rat erlauscht, auf des Papyros Blätter,
O, dann erschlafft der Arm, versagt die Kraft!
Und was im Geiste mir so hell erklungen
Die Lieder, die ich dort gehört, gelauscht,
Sie fliehen fort, eh' ich sie hingeschrieben,
Enteilen ihren stolzen Höhenzug

Und wollen nicht auf unsrer Erde weilen;
Denn die Gemeinheit, die Alltäglichkeit,
Die scheuen sie, und fliehen, fliehen mich,
Da ich aus Phanthas Reich zurückgekehrt.

So ist mein Leben! Nenne mich nicht reich. Viel lieber blind geboren, als erblindet.

Ein Uebermensch.

Von Eduard Sokal.

Um den „Uebermenschen" ist bis jezt viel mehr Tinte als Blut geflossen. Vor und nach Nietzsche ist der Uebermensch" bereits künstlerisch gestaltet worden und zwar in den mannigfaltigsten Variationen und Unterarten, welche diese eigentümliche Menschenspezies in ihrem imaginären Dasein bereits aufzuweisen scheint von dem titanischen Uebermenschen, der die Welt in die Schranken herausfordert, bis zu dem Uebermenschlein, das stolz auf sein Herrenrecht pocht die Monatsmiete schuldig zu bleiben. Aus dieser bunten und in den sonderbarsten Farben schillernden Gestaltenreihe treten aber zwei Figuren mit scharfem und tief ausgeprägtem Charakterprofil hervor. Die eine ist Julien Sorel, der Held des Nietzscheschen Lieblingsromans,Rouge et Noir", der den Franzosen Henry Beyle-Stendhal zum Verfasser hat; die zweite hört auf den Namen Herr v. Podfilipski und entstammt dem Griffel eines zeitgenössischen polnischen Schriftstellers Herrn Jeseph Baron Weyßenhoff*) des Abkömmlings eines uralten furländischen Adelsgeschlechtes und Schwiegersohnes des fürzlich verstorbenen Friedensapostels Johann v. Bloch. Während aber Julien Sorel, der wol als der mächtigste dichterische Inspirator der Nietzscheschen Konzeption betrachtet werden darf, sich selbst in den Flammen seines feuerroten" Wesens verzehrt, genießt Herr v. Podfilipski, den uns Baron Weyßenhoff in dem oben genannten Werke vorgeführt, sein Ülebermenschentum so kalt, wie nur je ein Spanier die Rache genossen hat!

[ocr errors]

Baron Weißenhoff ist durch Geburt und Lebensführung ein vorzüglicher Kenner jener ,,Bohême dorée", die in Europa ein eigenes kleines aber mächtiges Völklein bildet; so ist denn auch sein „Herr v. Podfilipški“ ein zuverlässiger und unerschrockener Steuermann auf diesem weltlichen Ozean, der im Sommer bis in die fashionablen Kurorte flutet, um im Winter nach den ., wenigen Orten, wo es sich annehmbar leben läßt": Paris, Nizza, Monte Carlo 2c. zurückzuebben. Podfilipški ist der Uebermensch des wirklichen zeitgenössischen nüchternen Daseinkampfes der Mensch, der aus Prinzip den Trottel Herz" in sich zum Schweigen gebracht hat und mit falten, mitleidslosen Raubtieraugen korrekt durchs Leben geht, dabei ein Gentleman. ohne Furcht und Tadel, mit überlegenem Humor, mit gehorsamen Nerven, die wie gezähmte Schlangen seinem Winke folgen, immer bereit, sich aus der Haut des Nächsten den Riemen fürsein Glücksbündel zu schneiden und jeden Genuß behaglich zu schlürfen, mag er nun aus Austern oder aus lebenden menschlichen Weichtieren gesogen werden. Selten ist wol die Psychologie der alltäglichen durchschnittlichen Kanaille, wie sie als Hauptbefund bei einer unbefangenen Aufnahme der Spezies Homo sapiens sich ergeben dürfte, mit so feiner, liebevoll-grausamer Jronie gezeichnet worden; selten ist ein Typus mit so raffiniert einfacher künstlerischer Mache zu einem Individuum ausgestaltet worden, das wir alle gekannt, gehört, gesehen zu haben glauben, mit dem man täglich verkehrt und mehr oder weniger vertrauten Umgang pflegt und über das wir nun auf einmal erstaunt, betroffen, so

*) Joseph Baron Weyßenhoff. Ein lebermensch, Leben und Werke des Hr. Siegmund v. Podfilipski, Roman aus dem Polnischen, übersezt von B. W. Segel, Stuttgart und Leipzig (Deutsche Verlagsanstalt).

« ForrigeFortsæt »