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feine Empfindungen zu gestalten und zu übermitteln. Wie die Klassiker die Schönheit gestalten, hat man in der Schule gelernt... was der Naturalismus will, wußte man aus der Bewegung der achtziger Jahre. Aber Maeterlinck? Wären damals die Theaterkritiker sich ihrer Aufgabe bewußt gewesen, so hätten sie das Publikum über diesen belgischen Dichter belehrt. Die Leser hätten erfahren, daß nicht nur durch die Gestal tung heroischer Persönlichkeiten, die ihre schönen Gefühle in Jamben herunterdeklamieren, daß nicht nur durch die exakte Widerspiegelung des Lebens dramatische Dichtung möglich ist. Wenn die Kritik ihre Pflichten gekannt hätte, würde sie dem Publikum erzählt haben, daß Maeterlinck in seinen Dramen mit Mitteln wirkt, die denen der Lyrik verwandt sind. Sie würde gezeigt haben, daß wie im Liede das eine Bild dem anderen harmonisch angepaßt ist, so daß dadurch ein Gefühlseinklang entsteht, auch im Drama Bilder nach Harmonie gesetzen zu einander bezogen werden können, daß durch diese Bilderkontraste und Bildereinklänge starke Stimmungen entfesselt werden. Wäre das geschehen, dann würden die Zuschauer im „Interieur" nicht über die steifen Gestalten und die langsamen Bewegungen der Personen im Innenraum spötteln, sondern sie würden empfinden, daß die Stimmung der Szene draußen in der Nacht, wo die Männer in aufgeregten, düsteren Worten vom Unglücksfall reden mit der Stimmung, welche der Anblick der Familie im Innenraum erzeugt, einen großen poetischen Akkord bildet, der das Wesen dieser Dichtung war.

Alles dies haben die Zuschauer der SezessionsBühne und die Leser der Tageszeitungen damals nicht erfahren, deswegen wurde das Stück mißkreditiert und abgesetzt.

Wir leiden nicht an einer „Verrohung", sondern an einer Verdummung der Kritik. Unsere Kritiker haben Maeterlinck nicht erklärt, weil sie selbst ihn nicht verstanden haben.

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Den Tiefstand unserer Bühnenbesprechung hat seiner Zeit die Aufführung der äschyläischen „Orestie" enthüllt. Damals hat in einem unserer angesehensten Tagesblätter ein sonst in literarischen Kreisen ange= sehener Mann Aeschylos als unzeitgemäß, seine Gebilde als uns ferne liegend bezeichnet. Wir möchten wissen, wie dieser Herr über Faust II. Teil" urteilen würde. Dem Schreiber dieser Zeilen liegt alle Philologie und Altertümelei ferne; er bildet sich ein, mit seiner Welt anschauung im Boden des Zeitgenössischen und Modernen zu wurzeln, und doch kennt er keinen Dichter, der ihn so nahe berührt wie Aeschylos, nicht Shakespeare und nicht Goethe. Gerade die Macht des Schicksals, das durch die moderne naturwissenschaftliche Weltanschauung als Erkenntnis wieder modern geworden ist, die Erkenntnis, daß die unabwendbaren Naturgeseze die Individuen unter die Wucht ihrer Macht beugen, gerade diese Erkenntnis, die die Gewalten des Schick sals glaubhaft macht, führt uns zu Aeschylos ...

Für die Personen Schillers, die aus freien Entschlüssen, was ihnen beliebt, tuen und unterlassen, haben wir kein Verständnis mehr und keine Sympathien, denn wir glauben daran nicht. Aber Kassandra im „Agamemnon", die den im verborgenen sich abspielenden grauenvollen Vorgang der Ermordung des Königs als Hellseherin sieht, und den eigenen Untergang, der ihrer dort harrt, wissend, wie von inneren Naturgesehen ge=

| trieben, doch in das Innere des Schlosses hineinschreitet, steht unserer Empfindung so unendlich nah. Alle diese, von inneren Gewalten bestimmten Menschen (Kassandra und Klytaimnestra und Orestes), scheinen uns wie in das Gigantischste vergrößerte Personen .. Jbsens.

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Denn der Eleusinier sowol wie der Norweger schauen hinter das bewußte Leben ihrer Gestalten, sie erschauen erschauen die tiefen Gesetze der Natur, welche die Menschen, gleich Blinden hintreiben. Der Glaube an das Naturgesez, an das „Schicksal“ ist die Welterkenntnis, welche die Tragödie überhaupt notwendig macht.

Bei der Aufführung des äschyläischen „Örestie" war der Anlaß gegeben, den Sinn für die tragische Weltanschauung, die die Basis einer neuen Religion werden kann, zu verbreiten. Es war die Zeit, da man an der Hand des großen Griechen endlich einmal die wirklichen Werte der tragischen Dichtung Henrik Jbsens enthüllen konnte. . . . Aber unsere Kritiker meinen wol, daß auch Ibsen nur ein Naturalist sei, wie etwa Gerhard Hauptmann, welch letterer doch nur wundervoll zarte Novellen, mit einer subtilen Wiedergabe der intimsten Feinheiten des Lebens, auf der Bühne uns entgegenführt. Alle Verehrung und Bewunderung vor Hauptmann, dem einzigen noch lebenden Dichter in Deutschland aber er ist kein Tragiker; vor allem hat er mit Jbsen, dem er verglichen wird, qualitativ nichts verwandies.

Unsere Kritiker haben aber eben Aeschylos ebensowenig verstanden, wie sie Jbsen in seiner wahren Wesenheit verstehen. Wenigstens ist uns nicht bekannt, daß sie jemals anläßlich der Aufführung geeigneter Dramen ihr Publikum mit den Rätseln des Tragischen vertraut gemacht haben.

Frre man sich nicht! Unsere Theaterkritiker sind nicht verroht", sondern impotent.

Die Jünger Kozebues, als deren Anwalt Herr Sudermann in Sachen contra Kritif auftritt, dürften der Art der Theaterberichterstattung unserer Presse nicht grollen.

Wenn diese Berichterstattung ihrer Pflicht bewußt gewesen wäre, und wenn sie die Befähigung besessen hätte, ihre Aufgabe zu erfüllen und den Geschmack des Publikums zu erziehen und dessen Sinn zu vertiefen, dann würden unsere Theaterzuschauer, durch das aufgehende Verständnis echter Kunst, mit der Zeit Widerwillen gegen die elenden Fabrikate der Herren Blumenthal, Philippi, Sudermann, Mar Dreyer, Otto Ernst, Lauff und wie sie sonst heißen mögen, empfinden. Denn täuschen wir uns nicht, nicht durch ihre „verrohte" Polemik der Kritik, sondern dadurch, daß sie ihre erzieherischen Zwecke vernachlässigte und es möglich machte, daß der Geschmack herunterkam und daß so viele seichte Theatralifer und Kaufleute die Bretter beherrschten, geschah es, daß die Produktion" echter Dichtwerke versagt", wie Herr Sudermann sehr richtig konstatierte; aber nicht weil die Kritik die Erstaufgeführten erbittert, sondern weil die Talente durch die Herren Sudermann, Fulda, Blumenthal, Philippi, Max Dreyer aus den Theatern verdrängt worden sind und weil die Talente gar nicht mehr zu Worte kommen können. Herr Sudermann! - Das erbittert und vergiftet sie. . . . diese Enttäuschung lähmt in ihnen die Produktion. Dieses ist es, das „den Frühling, der vor einem Jahrzehnt dem deutschen Drama er

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blühen wollte, verdarb“. Herr Sudermann hat selber damals dem Frühling, allerdings nicht mit seinen Dramen, aber mit Jolanthes Hochzeit", mit Frau Sorge" mit Kazensteg" angehört; jezt gebiert er nur tote Dinge. Aber der Geschmack des Publikums ist abgestumpft. Das Publikum merkt es gar nicht, daß diese Dinge da tot sind; es hält sie für Fetische. Herr Sudermann jedoch hat selber Geschmack genug, um zu wissen, wie es um den Wert seiner „Zugstücke" steht. Er weiß es ganz bestimmt und deswegen fühlen wir mit ihm seinen Schmerz über die „Verderbnis des Frühlings" ,,der vor einem Jahrzehnt dem deutschen Drama erblühen wollte". Denn auch Herr Sudermann ist das Opfer der Geschmacksverrohung des Volkes geworden, der Geschmacksverrohung und . . . vielleicht noch das eines ihm eigenen Bedürfnisses nach Popularität . . .

Aber die anderen Jünger Kozebues dürfen der Verwahrlosung der Kritik in unserer Presse nicht grollen. Denn nicht wahr, meine Herren, lieber noch eine „verrohte" Berichterstattung als eine aufklärende? Wohin käme sonst unsere Theaterstückindustrie, wenn plöglich das Verlangen nach Werken tieferer, ernsterer Inhalte und verfeinerter Ausführung unter dem Volke aufgestachelt würde.

Zum Schuß einheimischen Viehs ist bekanntlich der Import amerikanischer resp. ausländischer Fleischware verboten und erschwert worden wie wär's, wenn man aus schutzöllnerischen Motiven zur Wahrung unserer Theaterstückindustrie die Einführung Ideen und verfeinerter Sinne für die Kunst verbieten würde?

Ein Vorschlag!

neuer

Wir sind übrigens freihändlerisch . . . und wünschen deswegen sehr, daß es irgend jemand gebe, der unser irrendes deutsches Volk auch in Dingen des guten Geschmackes unterrichtete und aufklärte.

Der Müller.

Autorisierte Nachdichtung nach Emile Verhaeren von Stefan Zweig.
Im Nordwind, der eisig das Land durchstieß,
Da ward

Am Abend, in Unkraut und Kohlenkies
Der Müller der schwarzen Mühle verscharrt.

Die Sonne warf ihren falschen Schimmer
Gegen den Spaten des Gräbermanns
Und gleißte. Ein Hund umkreiste immer
Das Grab und heulte gegen den Glanz.

Wie ein Spiegel bei jedem Schaufelriß
Glänzte der Spaten in glitzerndem Schein,
Gleißte, senkte sich dann und verbiß
Sich neu ins zerfleischte Erdreich hinein.

Die Sonne sank mählich, von Schleiern umfangen.

Der einsame Gräber am Himmelsrand
Wie ein großes beflügeltes Wesen stand

Und schien noch zu kämpfen mit seinem Bangen.
In den Händen hielt er erzitternd den Karst.

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Der Müller der Mühle, die schwarz ihre Flügel
Ausstreckte vom Abendhügel,

Hauste allein seit endlosen Jahren

Mit der Heide, dem Raum und den fliegenden Klängen
Der Wetter, die an den flatternden Haaren
Der Nordwinde hängen.

Lang hatte sein einsames Herz gespäht

Nach dem, was in dämmernden Worten zu Zeiten
Das Weltall dem Horcher der Ewigkeiten
Verrät.

Die harte Heide der endlosen Flächen
Umschloß sein Herz wie ein Zauberring,
Lebendig und traulich ward Wesen und Ding
Und suchte zu seiner Seele zu sprechen.
Die großen Stürme, die den Erdball umkreisten
Durchdrangen sein Fühlen mit ihrer Kraft,
Daß er sich in seiner schlichten, verwaisten
Seele das Schauspiel des Lebens geschafft.

Von den ältesten Leuten hat ihn keiner gekannt.
Stadtferne, wo nur mehr die Stürme hausen,
Ist er umbergerannt,

Den Flug und die Reise des Winds zu erspähn
Und die feurigen Worte der Wolken zu sehn.

Durch diese Stille erschreckte er sehr,
Mit der sich verschwiegen und sacht
Seine Stunden umwandten.
Und er erschreckte noch mehr,
Wenn in der Mühle zur Nacht

Die plötzlich aufleuchtenden Augen brannten.

Und feiner konnte so Kunde bringen
Von des Müllers Todesnot und Tod,
Wären nicht müd seine Mühlenschwingen,
Die wie vier ewige steinerne Bitten
Zur Ewigkeit gedroht,

Eines Morgens herabgeglitten
Und reglos geblieben, Tag und Nacht

Wie ein Kreuz, das über ein Schicksal wacht.

Wie von dämmernden, dröhnenden Mengen;
Sah die Fenster der Stadt allmählich erblinden
Und sie selbst in Nebelferne verschwinden.

In dem allgegenwärtigen Vangen
Schien die Heide von Schreien durchbebt.

Der Wind, mit braunen Schleiern umhangen,
Zog vorbei wie ein Wesen, das lebt.
In fürchtenden Fieberschauer

Formte sich ferne die Nebelmauer.

Da warf der Gräber, von Grausen gejagt,

Von der Nacht wie mit dunklen Händen gepackt,
Den Spaten mit irrendem Blick von sich
Und entwich.

Und wieder ward das Heideschweigen groß,
Und riesig schien das Grab in dem zerrissnen Schoß
Der Erde. Schweigen war ringsum.
Und nur die lauschenden luftigen Weiten
Nahmen stumm

In den Arm ihrer tiefen Unendlichkeiten
Den Toten, dessen Leben ihr dunkles Wissen
Erhellt und zu ewigen Fernen emporgerissen.

Schlittenfahrt.

Von Georg Hollstein.

„Ich sagt Ihnen ja, sie würden die Köpfe schütteln die ehrwürdigen Köpfe, die schon so viel im Leben erfahren, daß sie alt, grau und wacklig geworden von all ihrer Weisheit.

Schon über die ganze Idee an sich und dann vor allem, daß wir -"

Wie ich so sprach, und Sie dazu lachten, fuhren die Schlitten mit fröhlichem Schellengeläute vor.

Pärchen auf Pärchen stieg ein, und die alten Tanten und Mütter ließen sich geduldig verpacken, heimlich grollend über den Unsinn des jungen Volks. Aber was tut man nicht alles der Jugend zu Liebe!

Dieses nun zwar war der Ausbund aller Jugendromantik! Abends im Schlitten hinauszufahren in die kalte Winterluft, durch den dunkeln Wald nach dem Jägerhaus, dort zu tanzen bis in die Nacht hinein, und dann in die Nacht wieder hinaus, wieder den ganzen Weg zurück bei der schrecklichen Kälte.

„Ich sagt's Ihnen ja," sprach ich, als sie ordent= lich eingemummt und mich in dem kleinen Gefährt dicht neben Sie hingedrückt. „Ich sagt's Ihnen ja sie würden die Köpfe schütteln, die ehrwürdigen Köpse, die schon so viel im Leben erfahren, daß sie alt, grau und wacklig geworden von all ihrer Weisheit!

Weshalb mußten Sie aber auch gerade mit mir in einem Schlitten allein fahren wollen? Weshalb mußten Sie das der Gesellschaft auch ruhig sagen? Die Tanten hatten es sich doch so schön gedacht, die Plätze durch Los zu verteilen, um für die Mädchen und Jungens ein wenig Schicksal zu spielen, oder demselben doch etwas zu helfen! Sie sind doch schon versorgt, gnädige Frau, und Ihr Mann ist mein Freund! Und die Leute reden doch schon so viel, daß

sonst in dieser von Moralität triefenden Stadt Sitte und Anstand gebeut! Nun ja Sie lachen! und ich lache ja auch am liebsten der ganzen guten Gesellschaft ins sittengestrenge Antlig.,,

Wir biegen aus dem Villenviertel heraus auf die Chaussee.

Schnurgerade dehnt sie sich vor uns aus wie ein Weg, der ins Unendliche führt, und der Schnee sprigt unter den Hufen der Pferde.

Hei! wie unser leichtes Gefährt dahinfliegt!

Denken Sie mal, wenn wir beide nun in dieser einsamen Nacht so dahinsausten, gottverlassen, getrieben, gehezt von der ganzen guten Gesellschaft unserer lieben Stadt, die hinter uns herpfeift wie hinter Geächteten, weil wir ihr zuviel Anlaß zu müßigem Klatsch gegeben.

-

Wenn der Kot um uns sprißt, wie der Schnee unter dem Hufschlag der Pferde, und wir, nur gehoben in dem Gefühl, daß uns ein Herz in der Brust schlägt Würden Sie auch so ruhig hier sizen bleiben und mit mir weiter dahinsausen — hinunter die lange eintönige Chaussee, an deren Rande alle Pappeln die Häupter schütteln. hin bis zum Horizont — und dann weiter schnurstracks in den Himmel hinein oder in das ewige Nichts, wo auch der kühnste Traum ein Ende nimmt, und ein großer Allerweltskater uns nach unserm Rausch grinsend begrüßt?

Sie lachen nur wieder. Und der Wind pfeift und schneidet uns ins Gesicht.

Aber mich hat der treffliche Grog am Rendezvousplay warm gemacht. Ich fühle ein göttliches Feuer heute in meinen Adern rollen. Glücklich bin ich, daß der romantische Traum einer Nachtschlittenfahrt zur Ausführung kam, glücklich auch, daß ich bei Ihnen, just neben Ihnen sihen darf, die meinem Geplauder so gerne lauscht und mich nur zurechtweist, wenn meine Gedanken zu tollkühne Sprünge machen.

Ratsch! biegen wir scharf um die Ecke und sehen. Sie da! Ueber dem Walde erhebt sich blutigrot und groß wie eine Orange der Mond und schaut uns grad in die Augen.

Ei! guten Abend mein alter Freund! Triffst du heute auch nicht zwei Liebende, die im leichten Gefährt ins lustige Leben gleiten, triffst du doch zwei Menschenkinder, die sich von Herzen gut sind! Und das ist auch etwas wert auf dieser Welt voll Hader und Zwietracht. Sieh sie dir nur an, die liebe Frau, die im Pelz vermummt hier neben mir sizt und sich lustig an meine Seite drückt, damit ihr der kalte Wind nicht zu hart ins Herzchen pustet. Ja, alter Freund, ein Freund ist gut zu brauchen, wenn's draußen falt wird! Sich sie dir nur ordentlich an und mich auch, den lustigen Jungen, der heute so fröhlich ist, daß sie mich plappern läßt, wie's mir um's Herz ist. Und dann guck bitte in die Schlitten hinter uns und lache den alten Tanten und Müttern ins sittengestrenge Antlitz - aber ich bitte dich, recht unverschämt tu's. Grüße sie alle herzlich und sag ihnen, du hättest uns gesehen, eng aneinandergeschmiegt zum Jägerhaus fahren, zum lustigen Tanz. Froh wie die Kinder sahen wir aus, just wie zwei Liebesleut. Und dann laß sie ruhig die Köpfe schütteln, die ehrwürdigen Köpfe, die schon so viel im Leben erfahren, daß sie alt, grau und wacklig geworden von all ihrer Weisheit!

Prächtig gestirnt taut der ewige Himmel auf uns hernieder. Glizernd vor Kälte flimmern die tausend

und tausend Sternlein, und der Wald dehnt sich vor uns in bangem Dunkel. Unser Schellengeläute weckt ein verschlafenes Echo. Wir aber sien mollig und warm, und nur der alte Kutscher mit seiner Bärenmüze brummt in den Bart etwas, was klingt wie: kindischer Unsinn!

Links durch den hohen Buchenstand sehen Sie da! Da blizt schon ein Licht auf, und das Jägerhaus, tief im Schnee vergraben, begrüßt uns mit leuchtenden Fenstern.

Unser Gefährt hält.

Die Pferde schütteln noch einmal die klingelnden Schellen, und ich helfe Ihnen fröhlich heraus aus den dicken Mänteln und ungefügen Pelzen.

Die niedrige Bauernstube mit den Hirschgeweihen rings an den Wänden ist prachtvoll geheizt. Wie ein rotes Ungetüm faucht der Ofen uns an, als wolle er den ganzen Winter mit eins verschlingen.

Schlitten auf Schlitten fährt vor, und Pärchen auf Pärchen kommt lachend und lustig ins warme Zimmer. Aus den dicken Pelzen gucken fröhliche Mädchengesichter, und selbst die alten Tanten können ein befriedigendes Lächeln sich nicht versagen, als der Ofen sie anlacht wie ein vertrauter, alter Bekannter. Ach! Und was sie alles erlebt auf der kurzen Fahrt. Wie der Leutnant mit Ella geschwatt! Wie der hoffnungsvolle Referendarius Käthe den Hof gemacht! Wie der schüch terne Buchhalter sogar bei der Kälte aufgetaut und Frieda ihm noch in die Augen lacht, in die guten Augen, die sonst nur Zahlen addieren in endloser, langweiliger Reihe. Und wie die jungen Ehemänner ihre wiedergesundenen Frauen begrüßen und sorglich fragen, ob sie sich auch nicht gebangt, ob sie auch nicht erfroren oder gar sich erkältet!

Aber ich sehe mich an das verstimmte Klavier und hämmere fröhlich unsern glorreichen Einzugsmarsch in Paris. Und das ganze, lustige Völkchen wirbelt Durcheinander mit Geplauder und Scherzen.

Mütter packen die Körbe aus und die Jungfrauen zeigen die künftige Würde der Hausfrau und decken den Tisch mit unglaublichen Sachen.

Thee, Grog, Glühwein und Bier bringen die Försterjungen, und Sie, liebreiche Schlittengefährtin, legen mir selbst drei Stücke Zucker in meinen Grog und rühren ihn eigenhändig mit Ihrem Löffel! Daß die alten Tanten und Mütter die Köpfe schütteln, die ehrwürdigen Köpfe, die schon so viel im Leben erfahren, daß sie altgrau und wacklig geworden von all ihrer Weisheit.

Als wir genug gegessen und warm geworden, tanzen wir, wie das lustigste Bauernvolk in der Schenke, und das Gelächter, das Necken und Scherzen will nicht enden.

Mägde, Forstjungen und Kutscher drängen sich an der Türe und gucken mit ungläubigen Gesichtern hinein, als ob es nicht möglich wäre, daß ein so verwöhntes Stadtvölkchen ausgelassen lustig sein kann.

Noch einen heißen, kräftigen Grog und dann: Heimfehr geblasen!

Wieder packe ich Sie warm in den Schlitten, und unser fröhliches Schellengeläute klingt durch den Wald wie Abschiedsglocken einer großen, herrlichen Feier.

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Poesie, die uns hier mächtig umflutet! Schauen Sie nur, wie der Schnee glihert und blinkt, wie tausend und tausend Diamanten, die heruntergerieselt. Wie die schwarzen Schatten so zierlich sich abheben! Wie jedes Bäumchen und jede Nadel so fein in die Luft ragt. Wie der Schnee auf den Tannenzweigen lastet! Ist das nicht wie ein beschneites Märchenland! Und steigt da nicht ein Weihnachtszauber auf und weht uns entgegen! Und jubeln die Schlittenglocken darein nicht die alte, himmlische Melodie vom Frieden auf Erden und liebet euch unter einander!

Hart ist das Leben und rauh ist der Winter und selten ein Herz, das sich an deines drückt und dir mächtig entgegenschlägt: Ich liebe dich! Ich liebe dich so, daß ich mit dir durch die kälteste Nacht jagen kann, wo nur der Mond in einsamer, silberner Pracht leuchtet, wo alles sonst totenstill auf der Welt. Wo sich um dich niemand doch kümmert im tiefsten Grund seiner Seele, ob er sich tausendfach auch dein Freund nennt. Wo sie im Grunde alle doch herzlos sind und an Dir vorüberjagen nach ihrem eigenen Glück. Ich aber ich liebe dich! liebe dich gerade in solch einsamer Nacht, wo nur ein ferne verklingendes Schellengeläute uns mahnt, daß wir noch auf der Erde sind. Wo die Menschen schlafen und die Nacht ihnen die moralische Nachtmüße zieht über die Ohren von Gerechten und Gottlosen. Laß sie die Köpfe nur schütteln, die ehrwürdigen Köpfe, die schon so viel im Leben erfahren, daß sie alt, grau und wacklig geworden von all ihrer Weisheit. Ich liebe dich dennoch! und drücke Dich fest an mein Herz, das dir entgegenschlägt liebeskräftig und lebensvoll

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Einzig autorisierte Ueberseßung aus dem Dänischen von Franz Philips. 6. November.

Wie lange mag es wol her sein, daß ich Dich zum ersten Male austreten sah? Ich habe die Empfindung, als wenn wir einander seit frühesten Zeiten gekannt hätten, als wenn Du mit zu meinem Dasein gehörtest. Und doch: Wenn ich darüber nachsinne, so ist es wahrlich nicht so erschrecklich lange her, seit Du zum ersten Male über die Schwelle meines Bewußtseins tratest.

Das war eines Abends im vorigen Winter. Mutter hatte mich ins Theater eingeladen, da sie meinte, daß ich nach meiner langen Krankheit eines frischen Hauches der Welt bedürfte. Im zweiten Akt tratest Du auf. Du hattest gar keine Maske angenommen, hattest Dich damit begnügt, nur ein wenig Schminke über Deine heruntergezogenen Mundwinkel zu legen. Ich muß eingestehen, daß ich von Deinem Spiel sehr ergriffen wurde. Besonders im vierten Akt. Die große Liebesszene brachte mich in Glut. Deine Technik und Dein

Gefühl waren gleich groß. Mutter war nun nicht so begeistert. Sie räumte zwar ein, daß Du Talent habest. aber sie fand Dein Gefühl unecht, und sagte, Dein lyrischer Erguß sei nur ein Wortschwall ohne seelische Tiefe. Sie wußte nicht, was ich jest weiß, daß Dein Gefühl zart und echt ist. Drei Wochen später traf ich Dich im Kunstverein, wohin, wie Du Dich erinnerst, meine Freundin Hedwig, die Malerin, mich als Gast mitgenommen hatte. Sie meinte ja, ich habe ein gewisses moralisches Recht, in den Kunstverein zu kommen, da ich Muster für das Magasin de Copenhagne zeichnete.

Die Uhr war gewiß bereits halbzwölf, ehe ich Dich gewahr wurde. Du standest an einen Türpfosten gelehut und sahest aus wie ein Bild aus dem Jahre 1800 mit Deiner hohen schwarzen Halsbinde, Deiner zierlichen Hemdkrause, Deinem glattrasierten Profil und Deinem blonden, welligen Haar. Du blicktest ständig in der Richtung, in der ich stand, mit dem eigenen, träumenden, verschleierten Blick, der überwältigend auf mich wirkte.

Eine Viertelstunde später hatte Dein Freund Krog uns einander vorgestellt. Wie war das doch so schwer für ein so ganz unerfahrenes Geschöpf, wie ich war, aus Dir flug zu werden! Wenn Du zu mir sprachst, geschah es in einer eigentümlich gedämpften, intimen Weise, als wenn ich der einzige Mensch auf der Welt wäre, für den Du dich interessiertest. Die gleichgültigsten Bemerkungen bekommen ja einen so besonderen Klang, wenn sie vertraut und mit halber Stimme gesagt werden.

Aber sobald Du das Wort an einen andern aus unserm Kreise richtetest, warst Du wie verwandelt. Dann sprachst Du stolz und geräuschvoll, lachtest in einem fort mit koketter Kopfbewegung, sagtest den Damen gräßliche Komplimente, oder schütteltest in fast endloser Folge haarsträubende Kalauer oder etwas zweideutige Schnurren aus dem Aermel. Nachher, als Du mich nach Hause begleitetest, erzähltest Du mir sehr offen, daß dieser gesellschaftliche Verkehrston eine Maske sei, hinter der Du Dich verbergest, weil Du nicht mit all diesen mehr oder weniger gleichgültigen Menschen „vernünftig" reden möchtest. Aber wenn Du mit mir sprächest, dann, sagtest Du, zeigtest Du Dich, wie Du wirklich wärest.

Als ich nach Hause und ins Bett gekommen war, lag ich lange wach und dachte an die Abendunterhaltung, deren Mittelpunkt Du gewesen warst. Bald hörte ich Deine gedämpften, zu mir gesprochenen Worte, mit diesem süßen Schmelz, bald waren es Deine Gesellschaftswise, an die ich denken mußte! - Wenn ich Dir heute schreibe, so geschieht es, weil ich gestern dazu gekommen bin, über unser Verhältnis zueinander nachzudenken. Ich war abends im Kunstverein, aber Du ließest Dich nicht sehen. Warum kamst Du trotzdem nicht? Und warum schreibt „Morgenavisen" immer über Dich in seinen Premierenbesprechungen, daß Du einen so wunderlich unechten Eindruck machtest? Hast Du Dich mit dem Theaterkritiker des Blattes überworfen? Doch ich weiß ja, daß Dein Gefühl ganz echt ist!

Deine

Valborg. 2. Dezember.

Du hattest recht, auf einen Brief von mir zu warten; nach meinem gestrigen, widersinnigen Benehmen gegen

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Dich; eine Erklärung dafür fandest Du wol, aber durchaus keine hinreichende und zufriedenstellende. Die glaube ich Dir auch jezt nicht geben zu können, denn dazu bekämpfen sich in mir allzusehr widerstreitende Gefühle. Gefühle. Du weißt ja, mein lieber Hakon, daß ich Dich bat, noch ein wenig Geduld mit mir zu haben. Ich bangte, weil ich Dich noch nicht lieb genug hätte, daß mein Empfinden noch nicht stark genug wäre, um darüber sprechen zu dürfen.

Siehst Du, ich bin sehr unerfahren in der Liebe, aber ich habe immer in meinem Innersten gefühlt, daß da etwas war, was mich davor schaudern machte, ich könnte mich irren, das mir verbot, aus der Stimmung eines Augenblicks heraus zu handeln, und dieses Etwas war das Beste in mir, das die große, das ganze Leben hindurch währende Liebe forderte.

Du, Pessimist, sagst ja nun, daß es eine solche Liebe nicht gäbe, aber, Du, ich muß daran glauben, sonst bricht das Ganze mir entzwei. Dieses Glaubens habe ich nicht genug, und dennoch!

Dem Gefühl, das ich in diesem Augenblick für Dich hege, das ich keinen Namen geben. Bitte mich nicht Dir zu sagen, wie gern ich Dich habe, aber wenn ich einmal sage „Ich liebe Dich!", dann sind nie wahrere Worte über meine Lippen gekommen.

Das ist so wunderlich bei Dir, daß Du tiefer in mein Herz eindringst, je öfter ich Dich sehe. Du hast das Dunkle in meinem Leben erleuchtet. Deshalb ist mir alles so wunderbar. Ich kann mich selbst oft auf dem Gedanken ertappen, daß es doch unmöglich ist, daß ich das bin, ich, der hier geht und steht, zu dem der feine und schmucke Liebhaber des Alexandratheaters gesagt hat, daß er mich liebte! Das ist so wunderbar, daß ich es weder glauben kann noch will. So mußt Du Dir meine wechselnden Stimmungen erklären, die aussehen mögen wie Launen. Ich versuche Tag für Tag jede Verbindung mit der Vergangenheit zu lösen; ich will damit sagen, jede Erinnerung an den vorigen oder vorvorigen Tag mit seinen Begebenheiten aus dem Bewußtsein zu reißen, aber dann kommst Du und mahnst, daß auf A das B folgen muß, und das ist es vielleicht gerade, um dessentwillen ich Dich am allerbesten leiden mag, daß Du meinen Widerstand brechen willst. Wenn ich gefürchtet habe, daß Du mit mir gespielt habest jeden Tag nimmst Du meine Furcht wieder von mir.

Immer ist es wider meine Natur gewesen, meine Gefühle zu zeigen. Deshalb bin ich von ganz klein auf von den mir Nächststehenden mit Selbstverständlichfeit für hart und kalt angesehen worden. Du bist der erste, der die sichere Ueberzeugung ausgesprochen hat, daß ich lieben könnte.

Eben daß Du mich liebst und daß ich Dich lieb habe, ist für mich etwas so Außergewöhnliches, daß ich meine Freude darüber garnicht mit Worten ausdrücken kann. Ich empfinde das als etwas so Einziges, daß es mir zuweilen ist, als wenn kein anderer vordem auf solche Weise geliebt hätte, und daß es mir eine Entheiligung wäre, es auszusprechen wie die andern.

Deine

Valborg. Montag.

Ist es nicht etwas Schreckliches, lieber Hakon, daß man seiner eigenen Seele nicht auf den Grund sehen und aus seinem eigenen Ich nicht klug werden kann?

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