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der Sie reden, keineswegs. Ich kann einem Stückchen Moschus folgen, bis es den Geruchsnerven erreicht, ich kann den Schallwellen folgen, bis ihre Schwingungen die Flüssigkeit des Labyrinthes im Ohre erreichen und die Otolithen und die Cortischen Fasern in Bewegung setzen, ich kann mir auch die Aetherwellen zur Anschauung bringen, wie sie in das Auge dringen und die Netzhaut treffen. Ja noch mehr, ich bin im Stande, die so der Peripherie mitgetheilte Bewegung bis zum Centrum zu verfolgen und mit meinem geistigen Auge die Moleculen des Gehirns in Schwingungen versetzt zu sehen. Diese physischen Prozesse beirren mein Inneres nicht. Was mich beirrt und mir unvorstellbar ist, das ist die Idee, dass Sie aus diesen physischen Schwingungen denselben so völlig incongruente Dinge wie Empfindung, Gedanke und Leidenschaft entwickeln können. Sie sagen oder denkeu vielleicht, dass dieses Hervorgehen des Bewusstseins aus dem Zusammenstoss von Atomen nicht unerklärlicher sei, als das Hervorgehen des Blitzes aus der Vereinigung von Sauerstoff und Wasserstoff. Aber ich erlaube mir zu behaupten, dass es das allerdings ist. Denn was an dem Blitz unerklärlich ist, ist eben das, was ich jetzt Ihrer Aufmerksamkeit unterbreite. Der Blitz ist eine Sache des Bewusstseins, dessen objektives Gegenstück eine Vibration ist. Ein Blitz wird es nur durch Ihre Interpretation. Sie sind die Ursache der anscheinenden Incongruität, und Sie sind das Ding, das ich nicht zu fassen vermag. Ich brauche Sie nicht daran zu erinnern, dass der grosse Leibnitz dieselbe Schwierigkeit empfand wie ich, und dass er, um sich dieser monströsen Herleitung des Lebens aus dem Tode zu entledigen, Ihre Atome durch seine Monaden ersetzte, welche mehr oder weniger vollkommene Spiegel des Universums waren und aus deren Summirung und Integrirung nach seiner Meinung alle Lebenserscheinungen des Empfindens, des Denkens und der Leidenschaft hervorgehen. <*)

*) John Tyndall: Der Materialismus in England, übers. von Emil Lehmann, §. 38.

III.

Die Uebereinstimmung des Nach-, Neben- und Uebereinander in der hierarchischen Potenzirung der Naturkräfte.

In dem vorhergehenden Kapitel haben wir bewiesen, dass die stufenweis sich erhebende Potenzirung der Naturkräfte eine ununterbrochen Kette von Erscheinungen bildet, von welcher jedes nächste Glied sich genetisch an das vorhergehende anschliesst. Darauss folgt nun, dass in dieser ununterbrochenen Kette, trotz der später entstandenen Lücken, jedes nächste Glied dasselbe darstellt, was das Vorhergehende bietet, nur mit Hinzufügung einer theilweis oder vollständig höheren Potenz. Das Uebereinander in einer jeden Erscheinung muss daher in der Reihenfolge der Kettenglieder dem Nacheinander aller vorhergehenden Erscheinungen entsprechen, mit Hinzufügung nur eines grösseren oder geringeren plus potenzirter Kräfte. Und da die niederen. Stadien der Kraftpotenzirung durch die höheren nur an einzelnen wenigen Punkten im Raume verdrängt werden, und die höheren Potenzirungen sich zu den niederen im Durchschnitt immer nur wie Ausnahmen verhalten, so sind in einem gegebenen Moment die verschiedenartigsten Potenzirungen von Kräften zu gleicher Zeit im Raume vorhanden, und das Nebeneinander muss dem Nach- und Uebereinander entsprechen, wobei die Zahl der niederen Potenzirungen im Ganzen fast immer die der höheren übertrifft. Suchen wir dieses grosse, alle Erscheinungen in der Natur und in der menschlichen Gesellschaft umfassende Gesetz durch einige Beispiele zu erläutern.

Nach den auf eine grosse Wahrscheinlichkeit gegründeten Ausführungen der neueren Kosmologie ist unser Sonnensystem aus der allmäligen Verdichtung einer unendlich dünnen Nebelmasse entstanden. Die verschiedenen Planeten unseres Sonnensystems bieten noch jetzt einen verschiedenen Grad von Verdichtung dar.

Jedoch auch neben unserem Sonnensystem bietet uns der Weltraum eine unendliche Zahl von Systemen, die sich auf den verschiedensten Stufen der Verdichtung, der Differenzirung und Integrirung der Materie befinden und somit die verschiedenen

Gedanken über die Socialwissenschaft der Zukunft. II.

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Stufen der Gestaltung im Nebeneinander dartsellen, wie sie unser Sonnensystem im Nacheinander durchgemacht hat. So giebt es Weltgegenden, die, wie die Spektralanalyse lehrt, noch von glühenden Gasen angefüllt sind. An den verschiedenen Punkten des Firmaments sieht man Sonnen auf den mannigfachsten Stufen der Ausbildung. Die Kometen und Aërolithen sind wandernde Zeugen früherer Bildungsstadien, die auch unser Sonnensystem durchkreuzen. Sie erfüllen den Himmelsraum, nach den Worten Kepplers, wie die Fische den Ocean.

> Es giebt, sagt Büchner, >viele Nebelflecke am Himmel, welche nichts weiter als Sternhaufen sind und durch gute Instrumente für den Beobachter in solche aufgelöst werden können. Dagegen gibt es wieder eine Anzahl anderer, welche sich von jenen wesentlich unterscheiden, nicht in einzelne Sterne auflösbar sind und offenbar aus s. g. kosmischer oder UrweltMasse in verschiedenen Stadien ihrer Entwickelung bestehen. Einige davon haben Kerne, welche sich bereits aus der Gesammtmasse als festere Mittelpunkte abgeschieden haben, andere haben Ringgestalt u. s. w.; ja man hat sogar durch Vergleichung früherer und späterer Beobachtungen derselben Flecke die in ihnen vorgehenden Veränderungen festgestellt. Eine grosse Zahl derselben scheint in einer doppelten Bewegung begriffen, ähnlich der unserer Sonne und ihrer Planeten, und wird sich auch wohl schliesslich in gleicher Weise, wie diese, entwickeln. Ja, verschiedene Erscheinungen weisen sogar darauf hin, dass sich selbst noch inmitten unseres eigenen Planetensystems Reste jener Nebelmasse befinden, aus der sich dasselbe einst hervorgebildet hat. Auch die neueren Forschungen in der Analyse des Lichtes haben die Theorie der Urweltnebel, welche schon von Herschel und Laplace aufgestellt wurde, vollkommen bestätigt. Die einzige Kraft aber, welche allen diesen Bildungen und Bewegungen zu Grunde liegt, ist nur die Anziehung die Anziehung, welche die Nebel verdichtet, Sonnen und Planeten aus ihnen bildet, ihre Bewegungen regelt und schliesslich durch die eingetretene Verdichtung Wärme und Licht, die einzige und letzte Quelle aller Lebenserscheinungen, hervorbringt. <*)

So sagt auch Alexander v. Humboldt: >Die genetische Entwickelung, die perpetuirliche Fortbildung, in welcher dieser Theil

*) L. Büchner, Kraft und Stoff, 1874, S. 60.

der Himmelsräume begriffen scheint, hat denkende Beobachter auf die Analogie organischer Erscheinungen geleitet. Wie wir in unseren Wäldern dieselbe Baumart gleichzeitig in allen Stufen des Wachsthums sehen, und aus diesem Anblick, aus dieser Coexistenz den Eindruck fortschreitender Lebens-Entwickelung schöpfen, so erkennen wir auch in dem grossen Weltgarten die verschiedensten Stadien allmäliger Sternbildung. Der Process der Verdichtung, den Anaximenes und die ganze ionische Schule lehrte, scheint hier gleichsam unter unseren Augen vorzugehen. Dieser Gegenstand des Forschens und Ahndens ist vorzugsweise anziehend für die Einbildungskraft. Was in den Kreisen des Lebens und aller inneren treibenden Kräfte des Weltalls so unaussprechlich fesselt, ist minder noch die Erkenntniss des Seins als die des Werdens: sei dies Werden auch nur (denn vom eigentlichen Schaffen als einer Thathandlung, vom Entstehen, als >>Anfang des Seins nach dem Nichtsein<<, haben wir weder Begriff noch Erfahrung) ein neuer Zustand des schon materiell. Vorhandenen.*)<

Obgleich nun unser Sonnensystem das Nacheinander der sich noch auf niederen Stadien befindlichen Weltsysteme bereits durchgemacht hat, so hat es dennoch die niederen Stufen nicht vollständig absorbirt oder unterdrückt, sondern diese kommen in ihm gleichfalls neben den höheren vor: gasartige Körper neben flüssigen und harten. Unser Sonnensystem enthält also auch im Uebereinander das, was es selbst im Nacheinander durchgemacht hat und was der übrige Weltraum im Nebeneinander bietet.

Beschränken wir unsere Beobachtungen auf unsere Erde, so finden wir auch in geologischer Hinsicht dieselbe dreifache Uebereinstimmung des Neben-, Nach- und Uebereinander. Das Innere der Erde ist theilweise flüssig und theilweise bereits erstarrt und wahrscheinlich theilweise mit Gasen erfüllt; desgleichen ist auch die Oberfläche der Erde in Luft, Wasser und feste Körper differenzirt. Alles das bietet gleichfalls eine Kette von Differenzirungen und Integrirungen, in welcher jedes nächste Glied im Uebereinander das Nacheinander und Nebeneinander der Vorhergehenden wiederholt und im Kleinen reproduzirt.

*) Kosmos, Alexander v. Humboldt, I., 1874, S. 56.

Desgleichen die Organismen. Durch die Embryologie ist bereits bewiesen worden, dass ein jeder Organismus in seiner allmäligen Entwickelung alle niederen Stadien derjenigen Organismen durchläuft, von welchen er abstammt. Diese grosse

Entdeckung hat die Wissenschaft v. Baer, dem Vater der Entwickelungslehre, zu verdanken. Das Uebereinander entspricht somit auch in der organischen Welt dem Nacheinander. Aber auch noch jetzt, trotz der zahlreichen Zerstörungsursachen, denen die verschiedenenen organischen Species vom Anfang an ausgesetzt waren, findet sich noch eine Uebergangskette vom Niederen zum Höheren vor, welches der Wissenschaft, trotz mancher Lücken, erlaubt, den rothen Faden des Gewebes auch im Nebeneinander, welches dem Ueber- und Nacheinander in den Hauptmomenten entspricht, mit ziemlich grosser Sicherheit zu ver folgen.

Wie schön drückt Goethe in seinem Faust das bunte Durcheinander der Wechselwirkung der Kräfte in der Natur, als ein nur scheinbar Unentwirrbares, aus:

>Wo ein Tritt tausend Fäden regt,

>Die Schifflein herüber, hinüber schiessen,

> Die Fäden ungesehen fliessen,

> Ein Schlag tausend Verbindungen schlägt.<

Das hehre Gesetz der Uebereinstimmung des Neben-, Nachund Uebereinander ist gerade bestimmt, dieses bunte Durcheinander zu entwirren.

Dieses Gesetz hat aber auch seine volle Anwendung auf die menschliche Gesellschaft und ist auch allein im Stande, das bunte Durcheinander der Wirkung der socialen Kräfte zu entwirren, in ihre einzelnen Wirkungssphären aufzulösen und den socialen Organismus als einen unablösbaren Theil der Natur aufzufassen.

Betrachten wir irgend einen historisch bereits vollständig ausgebildeten Staat, eine hochentwickelte Nationalität oder eine zufällig nur auf kurze Zeit zusammengefügte sociale Gruppe, ja, eine Rotte Wilder, die sich noch im Urzustande befinden, so werden wir in allen diesen Fällen ein mehr oder weniger, höher oder niedriger potenzirtes Uebereinander von Individuen, d. h. von socialen Zellen finden, wie auch ein jeder Einzelorganismus der Natur ein Uebereinander von pflanzlichen oder thierischen Zellen darstellt. Denn schon die Familie im rohesten Urzustande

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