Billeder på siden
PDF
ePub

schen) Entwickelung nicht allein das menschliche Individuum sogar mit Berücksichtigung der Evolution seiner höheren Nervenorgane, einschliessen, sondern auch den socialen Organismus, als ein in sich abgeschlossenes Individuum, als Biont betrachten. Denn nur das höher entwickelte persönliche Individuum durchläuft in den folgerechten Evolutionen seiner höheren Nervenorgane die ganze paläontologische Reihe der Formveränderungen seiner Vorfahren und entspricht dadurch dem Gesetz des Parallelismus zwischen der individuellen (biontischen) und paläontologischen (phyletischen) Entwickelung. Die meisten Individuen werden aber als Theile eines Gesammtorganismus, gleich den Zellen im natürlichen Einzelorganismus, in ihrer Entwickelung gehemmt. indem sie sich oft nicht über den embryonalen Zustand erheben. - Auch entwickeln sich die Glieder einer Gesellschaft nicht frei nach allen Seiten hin, wie es die unabhängig dastehenden Bionten, unter dem Einfluss des Vererbungs- und Anpassungsgesetzes an das umgebende physische Medium, thun, sondern specificiren sich unter dem Einfluss des Gesammtlebens des socialen Organismus gleich den Zellen im Naturorganismus. Hier wird also auch das Gesetz des Parallelismus zwischen der individuellen (biontischen) und der systematischen (specifischen) Entwickelung gestört. Denn ein jedes Individuum specificirt sich nicht allein nach dem natürlichen System der Racen, Stämme etc. sondern auch als Bestandtheil eines anderen Gesammtorganismus.

Das Gesetz des dreifachen Parallelismus findet aber seine vollständige Herrschaft wieder, sobald wir die menschliche Gesellschaft als realen Organismus betrachten; denn im Organismus der Menschheit, als Vereinigung aller Individuen zu einem einheitlichen Ganzen, finden wir das individuelle Moment, in seiner ganzen Vielseitigkeit und in der ganzen Stufenfolge vom Niedern zum Höhern ausgeprägt. Alsdann ist auch der dreifache Parallelismus ein vollständiger und das Nacheinander

die paläontologische oder phyletische Entwickelung, das Nebeneinander die systematische oder specifische Entwicke lung und endlich das Uebereinander - die biontische oder individuelle Entwickelung, stimmen im Grossen und Ganzen vollständig überein. —

Das Nacheinander betrachtet die menschliche Gesellschaft in ihrer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als einen realen Gesammtorganismus, dessen einzelne Theile: Individuen, Geschlech

ter, Stämme, Nationalitäten, Stände, Körperschaften, Institutionen, Staaten auf Grundlage des in der organischen Natur allgemein wirkenden, durch Vererbung und Anpassung bedingten Divergenzgesetzes, im Laufe der geschichtlichen Entwickelung differenzirt worden sind, wobei die ethischen und geistigen Anlagen und Eigenschaften der ganzen Menschheit, sowie auch der Individuen, sowohl durch directe als auch durch indirecte Reflexwirkungen der höheren Nervenorgane, angeregt und entwickelt wurden.

Das Nacheinander, vom realen Gesichtspunkte aus betrachtet, umfasst also das Evolutionsgesetz der geschichtlichen Entwickelung der ganzen Menschheit und dieses Evolutionsgesetz fällt vollständig mit dem Entwickelungsgesetze der organischen Natur und vermittelst letzterer mit dem Entwickelungsgesetze der Natur überhaupt zusammen. Dieses Gesetz gründet sich auf den realen Kausalzusammenhang aller socialen Erscheinungen im Verlaufe der paläontologischen Entwickelung des Menschengeschlechts. Die Behauptung, es gebe für die Menschheit, namentlich in ihren höchsten Bestrebungen und Anlagen, andere Gesetze, einen anderen Zusammenhang, als den natürlichen Kausalzusammenhang, gehört unter die unwissenschaftlichen Dogmen, ist Blendwerk, enthält Worte ohne Inhalt, Phrasen ohne realen Untergrund. Das sind die von Bacon schon vor fast drei Jahrhunderten im Gebiete der Naturwissenschaft niedergeworfenen Idole. - Dass diese Idole im Gebiete der Socialwissenschaft schwerer zu bewältigen sein werden, ist selbstverständlich.

Und dieses für die Natur und für die Entwickelung der Menschheit gemeinschaftliche Evolutionsgesetz erklärt uns nicht. nur den Kausalzusammenhang der Entwickelung des Menschengeschlechts in der Vergangenheit, sondern erlaubt uns auch einen Blick in die Zukunft zu werfen. Denn Wissenschaft ist zugleich Voraussicht. Durch den Kausalzusammenhang in der Vergangenheit können wir uns einen allgemeinen Begriff machen, worin der Fortschritt der Menschheit in der Zukunft bestehen wird. Dieser Fortschritt wird nun gerade in der weiteren Entwickelung, in der grösseren Integrirung und Differenzirung einerseits des Nervensystems des Individuums und andrerseits des Nervensystems des socialen Organismus bestehen. Beide Nervensysteme, das individuelle und das sociale, bedingen einander in ihrer fortschreitenden oder rückschreitenden Entwickelung, in ihrer gegenseitigen Differenzirung und Integrirung,

sei es durch latente Spannung, sei es durch offenbare Thätigkeiten oder directe und indirecte Reflexe; beide sind nichts weiter als die nach organischen Gesetzen bedingte Polarisation von Naturkräften, die sich durch gegenseitige Wechselwirkung im Verlaufe der Zeit durch Vererbung und Anpassung gegenseitig potenzirt haben. Diese Potenzirung steht auch noch in der Zukunft bis zu einem von uns jetzt noch nicht zu erkennenden Grade bevor. In dieser Potenzirung wird die ganze Entwickelung des Menschengeschlechts auch in Zukunft bestehen, indem Hand in Hand mit der Entwickelung des individuellen und socialen Nervensystems auch die ethischen und geistigen Kräfte des Individuums und des ganzen Menschengeschlechts, denen die Nervenorgane nur als materielle Ausprägung dienen, sich steigern werden. Und wenn wir auch wahrscheinlich nie im Stande sein werden, die einzelnen Begebenheiten, ja nicht einmal die Reihenfolge der einzelnen Epochen des künftigen Evolutionsganges der Menschheit vorauszusehen; wenn die Abweichungen und Schwankungen, mit denen ein jedes Streben nach Vervollkommnung verknüpft ist. uns entgehen werden; wenn auch der Sieg im Kampfe um den Fortschritt und um die Vervollkommnung oft schwanken wird und die einzelnen Episoden dieses Kampfes unmöglich voraus bestimmt werden können, so wird doch die Wissenschaft, auf die allgemeinen Naturgesetze gestützt, den Kausalzusammenhang als Ausgangspunkt annehmend, die Hauptlinien des künftigen Entwickelungsganges der Menschheit mit Sicherheit bezeichnen und dadurch einen neuen Beweis für die tiefe Wahrheit liefern, dass > Wissenschaft Voraussicht ist<. Die Gabe der Prophetie im Gebiete der Geschichte des Menschengeschlechts, auf welche bis jetzt die Religion allein Ansprüche gemacht hat, wird eine Errungenschaft der Socialwissenschaft werden, eben so wie die astronomischen, meteorologischen und andere Vorausbestimmungen durch die Fortschritte der Naturkunde aus dem religiösen Gebiete in's wissenschaftliche hinüber gegangen sind. Und das, was uns jetzt nur als eine dunkle Ahnung, als eine unbestimmte Hoffnung, als ein unklares Sehnen vorliegt, wird uns im Lichte der Wissenschaft als nothwendige Folge eines Naturgesetzes klar vor Augen gelegt werden. Die einzelnen Begebenheiten, Ereignisse, ja Epochen, haben vom höheren Standpunkte der Philosophie der Geschichte oder was von unserem Standpunkte aus dasselbe bedeutet

der natürlichen

Entwickelungsgeschichte des Menschengeschlechts aus keine wesentliche Bedeutung; sie können höchstens nur als einzelne Schwankungen der Wogen, als kurze Wellenschläge auf dem Weltmeere der Geschichte betrachtet werden. Von diesem Standpunkte aus ist ein sicherer Blick in die Zukunft und eine Erklärung der Vergangenheit der Menschheit möglich. Denn auch die Urgeschichte der Menschheit war für uns bis jetzt in Dunkel gehüllt, und bot, gleich der Gegenwart, eine so bunte Mischung von Begebenheiten, dass bis jetzt ein wirklicher Kausalzusammenhang zwischen ihnen noch nicht ergründet werden konnte. Sobald wir jedoch die natürliche Evolutionstheorie auch auf die Geschichte der Menschheit anwenden, muss sie sich in ihren Hauptumrissen uns aufklären. Der lang ersehnte, lang gesuchte rothe Faden, der sich durch die ganze Geschichte der Menschheit fortwebt, ist gefunden!

Bis jetzt wurde ein Object zur Beurtheilung und Ergründung der Urgeschichte der Menschheit vergebens gesucht. Die zufälligen Funde, die man in Betreff des sogenannten Urmenschen gemacht hat, gehören späteren Perioden der Geschichte der Menschheit an und bieten nur einzelne Bruchstücke zur Beurtheilung der Urgeschichte des Menschen. Durch die von uns im ersten Theile unseres Werkes aufgestellte Thesis, dass ein jeder Mensch durch die allmälige Entwickelung seines Nervensystems alle Epochen der historischen Entwickelung der Menschheit ganz ebenso real durchläuft, wie der menschliche und jeder andere Embryo die niederen Stadien der Entwickelung derjenigen organischen Formen durchläuft, von denen er abstammt, durch diese Thesis haben wir nicht nur den natürlichen Kausalzusammenhang der ganzen Geschichte der Menschheit gefunden, sondern finden ihn auch in der individuellen Entwickelung eines jeden Menschen in ganz kurze Zeiträume zusammengedrängt dargestellt. Ist es wirklich wahr, dass ein jeder Mensch bei der allmäligen Entwickelung seines Nervensystems unbewusst, aber real im Grossen und Ganzen die Geschichte der Menschheit durchläuft, so muss und kann ein jeder Mensch als Object zur Erkenntniss der Geschichte der Menschheit dienen, sowohl in der Vergangenheit, als auch in der Gegenwart und in der Zukunft.

[ocr errors]

Nun steht aber ein jeder Mensch nicht selbstständig da,

Gedanken über die Socialwissenschaft der Zukunft. II.

8

[ocr errors]

sondern bildet als Zelle den Theil eines höheren realen Organismus der menschlichen Gesellschaft. Jeder höher ausgehildete sociale Organismus besteht aber, wie wir schon wiederholt hervorgehoben haben, in seinen einzelnen Theilen aus Individuen, Geschlechtern, Gemeinschaften, Ständen etc., die auf verschiedenen Stufen der Entwickelung sich befinden und im Neben- und Uebereinander das darstellen, was die Geschichte uns im Nacheinander vorführt.

Diese hochwichtige Wahrheit ist für die Ergründung des Kausalzusammenhanges der Geschichte des Menschengeschlechts überhaupt von der grössten Bedeutung, daher wir nicht umhin können, immer wieder auf dieselbe zurückzukommen. Bis jetzt war eigentlich kein reales Objekt für die Geschichte vor handen. Die Urgeschichte verlor sich in dem undurchdringlichen Dunkel der Vergangenheit. Aus den älteren sogenannten historischen Zeiten sind zu uns nur einzelne, für uns oft unverständliche Namen und abgerissene, in keinem Zusammenhange unter einander und mit den anderen Zeiten stehende, Begebenheiter gelangt.

Die eigentliche Geschichte bietet uns dagegen eine solche Anhäufung von Zahlen, Namen und Begebenheiten, dass man von der Masse derselben überwältigt, den Wald, wie man zu sagen pflegt, vor lauter Bäumen nicht mehr sieht. Nun aber erweist es sich, dass ein jeder Mensch die Abkürzung der ganzen Weltgeschichte in der folgerechten Entwickelung, vom Säugling und vom Kinde an bis zur vollen Reife, real darstellt, dass ein jeder von uns ein reales Objekt zur Ergründung der ganzen Geschichte der Menschheit bietet, dass man nur ein Kind zu beobachten braucht, um auf die Spur zu kommen, wie der Urmensch gedacht, gesprochen, gefühlt hat, wie sein Nervensystem gebildet war und wie es fungirt hatte. Ist das nicht eine grosse Errungenschaft für die Wissenschaft und ist diese Errungenschaft nicht die Frucht der auf die menschliche Gesellschaft angewandten naturwissenschaftlichen Methode? - Das Objekt ist gefunden; es gilt jetzt nur, es mit gehörigem Scharfblick zu beobachten. Das ist aber nicht mehr eine Frage des Schaffens aus dem Nichts, das ist nur eine Frage des wissenschaftlichen Fortschritts und der Beobachtungsgabe. Es gilt nicht mehr. etwas in der Luft zu bauen, sondern den für die Wissenschaft

« ForrigeFortsæt »