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uranfänglichen Gesellschaft als Grundlage gedient hätte. So lange die gesammte Welt existirt, bewegen sich die Körper nach einem und demselben Gesetze der Gravitation, und so lange die menschliche Gesellschaft besteht, folgen Umlauf und Umsatz aller Werthgegenstände einem und demselben ökonomischen Gesetze. Der Kampf der Herrschaft mit der persönlichen Freiheit ist eine Erscheinung, die nicht nur der gegenwärtigen, sondern der Gesellschaft aller Zeiten angehört. Und dieselbe Erscheinung thut sich in der organischen Natur kund in dem Bestreben der Centralorgane eines jeden Organismus sich alle übrigen Theile zu unterwerfen. Auch der Communismus ist alt wie das Eigenthum, und gleichzeitig mit dem Staate entstand der Socialismus.

Der unterscheidende Zug der gegenwärtigen socialen Bewegung besteht nicht etwa nur in der Verwirklichung irgend welcher neuer socialen Erscheinungen, oder im Aufwerfen irgend welcher neuer socialen Fragen, sondern vielmehr darin, dass die socialen Principien zu Fragen geworden sind, dass diese in einem höheren Grade als bisher Gedanken, Zweifel und Leidenschaften des Menschen wach rufen, dass das allgemeine Bedürfniss empfunden wird mit Bewusstsein auf sociale Principien zurückzugehen, dass man, nicht mehr wie bisher mit der rein praktischen Lösung der Fragen zufrieden oder mit oberflächlichen speculativen Betrachtungen sich begnügend, Nichts als wahr anerkennt, was noch der Untersuchung und des Beweises bedarf.

Wie im Mittelalter religiöse Anschauungen und Ueberzeugungen die hauptsächlichsten Triebfedern aller socialen und geistigen Thätigkeit unter den Culturvölkern des westlichen Europas wurden und den Grund zur neuern Civilisation legten, gleichzeitig aber zahlreiche Kriege, innere Unruhen und sociale und politische Erschütterungen erregten, so beginnen mit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts auch die Anschauungen und Ueberzeugungen auf socialem Gebiete Bedeutung zu erlangen. Die sociale und politische Umgestaltung der gesellschaftlichen Zustände des Mittelalters, die Verbreitung von Wohlstand und Bildung unter der Masse des Volks, der Aufschwung von Handel und Gewerbe, das sind die Ziele, auf welche die neueingeschlagenen socialen Richtungen hinarbeiten. Und gleich den religiösen erzeugen auch die socialen Fragen sociale und politische Umwälzungen, werden zu Quellen nationaler und persönlicher Feindschaft, socialer Unduldsamkeit und politischen Fanatismus, der

sich in seiner Verblendung eben so grausam, wie der religiöse zeigt. Zur Zeit der französischen Revolution mit vernichtender Gewalt alle Schranken durchbrechend, setzen die socialen Fluthen seitdem ihren Lauf fort, Alles, wenn auch in weniger reissendem Strome, überschwemmend. Die Frage vom Verhältniss der Arbeit zum Kapital, die Arbeiter- und Proletariatsfrage, die Nationalitätsfrage, alle diese mit zukünftigen stürmischen Erschütterungen drohenden Fragen bilden den Grundton der socialen Bewegung der Jetztzeit.

Die gegenwärtige sociale Bewegung unterscheidet sich wesentlich also von den politischen Strömungen der alten Welt. Im hohen Alterthum standen wie gesagt die socialen Fragen, wie überhaupt alle geistige Bewegung der Menschheit in unlösbarer Verbindung mit den religiösen Anschauungen und Ueberzeugungen. Die gesammte Gesetzgebung bildete einen Theil der religiösen Dogmen. Die politische und sociale Organisation galt als ein unmittelbarer Ausfluss der göttlichen Weisheit, der göttlichen Macht. So war es bei den Indern, den Egyptern, den Persern und Juden. Und diese thatsächlich vollkommen natürliche Verbindung der socialen Seite des Lebens mit der religiösen dauert bis heute und kann niemals gänzlich getrennt werden. Aber während früher die religiösen Anschauungen ganz und gar fast alle Seiten des socialen Lebens absorbirten, sind gegenwärtig die verschiedenen Seiten der gesellschaftlichen Entwickelung genauer und selbstständiger abgegrenzt und von einander geschieden.

Das in allen Culturstaaten der höchsten Herrschermacht, die ja im Allgemeinen als höchster Ausdruck des socialen Lebens dient, zukommende Epitheton >Von Gottes Gnaden< liefert den Beweis, dass im Bewusstsein der Menschheit bis auf unsere Zeit das Göttliche dem Menschlichen in seiner höchsten socialen Erscheinung zu Grunde liegt, und das Bewusstsein dieser Verbindung wird fortdauern, so lange die Menschheit überhaupt an ein höchstes Wesen glaubt. Wie in der Natur, so auch in der menschlichen Gesellschaft wird der Uranfang, das Endziel und das Wesen des Daseins niemals durch die Wissenschaft ergründet werden. Die Bemühungen des neuern Materialismus alles in Raum und Zeit Existirende auf empirische Weise zu erklären, sind erfolglos geblieben. Der Humanismus (Humanitätscultus), dieser sociale Materialismus, hat, indem er den Menschen als

letztes Wort der Schöpfung anerkennt, sich eben so ohnmächtig in der Entscheidung der socialen Fragen und Widersprüche gezeigt. Das Räthsel des Lebens, sowohl in Beziehung auf den Menschen als auf die ihn umgebende Aussenwelt, blieb wie bisher ungelöst; nur die Grenzen in den einzelnen Gebieten des menschlichen Wissens wurden weiter hinausgerückt. Und wie in Beziehung auf die Natur der Mensch, ungeachtet des beständigen Fortschreitens der Wissenschaften, dennoch stets auf Fragen stösst, die sich für seinen Verstand unauflösbar erweisen, so giebt es auch im Leben des einzelnen Menschen wie im Leben. der Menschheit Seiten, Erscheinungen und Momente, die sich jeder wissenschaftlichen Erklärung entziehen und immer ausserhalb des Gebietes voller Erkenntniss liegen werden. Wir sind daher genöthigt einzugestehen, dass zwischen den Anschauungen des höchsten Alterthums und der Jetzzeit über das Leben des Menschen und der Menschheit nur ein relativer Unterschied stattfindet und dass der von den Alten in jedes Ereigniss, in jede Erscheinung hineingemischte Wille der Gottheit gegenwärtig nur auf weiter entfernte Grenzgebiete des Wissens hinausgeschoben worden ist, eben so wie es in Bezug auf die Natur durch die neuesten Fortschritte der Naturwissenschaften geschehen. Keine Bemühungen des menschlichen Verstandes und Wollens werden, trotz aller Erfolge, welche die socialen und Naturwissenschaften aufzuweisen haben, je im Stande sein, die Nothwendigkeit der Anerkennung des Göttlichen, d. i. des Glaubens an ein höchstes Wesen zu beseitigen.

Diese Wahrheiten schon hier im Anfange auszusprechen halten wir nöthig, um allen Vorwürfen und Einwendungen zuvorzukommen, die etwa von Seiten der Idealisten erhoben werden könnten, wenn wir in der Folge versuchen werden auf natürlichem Wege zu erklären, was bisher für ausserhalb des Gebietes der positiven Wissenschaften liegend gehalten wurde, wenn wir nachweisen werden, dass Vieles, was bis heute als der idealen Welt angehörend angesehen wurde, einen unbestreitbaren Theil der realen Welt ausmacht.

Wenn wir anderseits gegen die streng materialistische Lehre auftreten und Einwendungen machen, so sind alle unsere weiterhin zu erhebenden Einwürfe nur auf die einseitig materialistische Richtung zu beziehen, die da behauptet, alles Existirende erklären, alle Fragen der Schöpfung beantworten zu können, indem

sie das Wort Materie, welche doch selbst nur ein relativer Begriff ist, an Stelle des Schöpfungsbegriffs zur Geltung bringen will. Der Begriff der Materie, zerlegt in seine Bestandtheile, giebt schliesslich doch keine reellen Resultate und zerfliesst, gleich allen abstracten Begriffen, in die Unendlichkeit von Raum und Zeit, in ein unbestimmtes Etwas, dessen Wesen unserm Erkenntnissvermögen unzugänglich ist.

Doch kehren wir zu dem Gegenstande unserer Betrachtung zurück.

Bei den Griechen, bei denen vorherrschend sich die ästhetische Seite entwickelt hatte, waren Gesetzgebung, Rechtskunde und Politik vorwaltend Künste. Die alten Griechen waren Künstler, nicht nur in Bezug auf die Natur, sondern auch in socialer und politischer Sphäre. Für den Griechen war sein Land, dessen Entwickelung, dessen Grösse und das gesellschaftliche und staatliche Leben die Personificirung des Schönen, Harmonischen, Idealen. Der Gesetzgeber hielt im alten Griechenland dasselbe Verfahren ein, wie der Künstler. Das Gebäude des Staats musste gleichsam wie aus einem Guss, vollständig fertig, in idealer Vollkommenheit damaliger Ansichten und Ueberzeugungen aufgeführt werden, in derselben Weise, wie man ein Gedicht schreibt, eine Statue meisselt oder einen Tempel aufbaut. So verfuhren Lykurgos und Solon, diese grossen Staatskünstler, so dachte und urtheilte über den Staat Platon, der grösste Dichter - Philosoph des Alterthums. Die Staaten entsprangen aus den Köpfen der alten griechischen Gesetzgeber völlig fertig und in voller Rüstung, wie Minerva aus dem Haupt des Jupiter.

Unter solchen für einen socialen Aufbau geltenden Bedingungen konnte die Ansicht unmöglich zur Geltung kommen, dass die menschliche Gesellschaft ein allmählig und stufenweise sich entwickelnder Organismus sei. Bedenken, Zweifel, ein Zurückgehen auf Vernunftgründe bei socialen Fragen konnten sich damals nur als Negation vorhandener Ideale, völlig abgeschlossener und vollendeter den damaligen Begriffen entsprechender Schöpfungen geltend machen. Die verstandesmässige Auffassung musste solchen socialen, ästhetisch - idealen Anschauungen gegenüber damals ganz in derselben Weise wirken, wie sie noch jetzt auf die ästhetisch -ideale Auffassung der Natur im Gebiete der Kunst wirkt negirend, zersetzend. Im alten Griechenland

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konnte daher ein sociales Ideal durch ein anderes vollkommen ersetzt werden, aber, je nachdem die Mängel zum Vorschein kamen, die früheren Ideale umformen, stufenweise aus einer Phase der Entwickelung in die andere, höhere übergehen das widersprach allen Neigungen und Ueberzeugungen des Griechen. Auf ein solches Verfahren würde er mit derselben Verachtung, mit demselben Abscheu herabgeblickt haben, wie auf den Umbau der Propyläen, die Umformung der Statue des Phidias, die Umarbeitung der Iliade oder Odyssee. Der Grieche war Dichter und Künstler in Allem: mit kindlichem Vertrauen glaubte er entweder an die Vollkommenheit seines socialen Ideals, und dann war jede Veränderung in seinen Augen ein Angriff auf die heiligsten Gefühle des Bürgers, ein Fall von der Höhe in den Abgrund, oder er hielt das Staatsgebäude, dem er angehörte, nicht für vollkommen, und dann zertrümmerte er dasselbe und errichtete an seiner Statt einen neuen Bau.

Die künstlerische Weltanschauung der alten Griechen von der sie umgebenden Natur brachte die Kunst zu einer für uns unerreichbaren Schönheit und Harmonie. Wir, belehrt durch Erfahrung, aufgeklärt durch die Wissenschaft, sind nicht im Stande die Naturerscheinungen so zu erfassen, wie die Alten, mit halbbewusstem, kindlichem Verständniss. So galten auch auf socialem Gebiete bei den Alten Gesetzgebung, Rechtskunde, Staatswirthschaft vorzugsweise als Künste. Daher erscheinen uns das gesellige und staatliche Leben der alten Griechen und zum Theil der Römer, ihre grossen Männer, ihre Heroen des Gedankens und der That, umgeben von einem Glanze der Poesie und Grösse, wie solches weder in den vorausgegangenen noch in den nachfolgenden Zeiten in die Erscheinung tritt.

Aber sowohl hierin, wie in vielen andern Dingen ist wiederum ein wesentlicher Unterschied zwischen den Griechen und Römern zu machen. Bei letzteren machte sich überall, in der Religion, in der Poesie und so auch im socialen Leben vorwiegend die Reflexion geltend, und die Frucht davon auf socialem Gebiet war die römische Rechtswissenschaft. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet bilden die Römer den Uebergang von der griechischen zu der neuern Weltanschauung, mit welcher letzteren die römische Welt auch in vielen andern Beziehungen bedeutend mehr gemein hat, als die griechische. Dem Römer war deshalb auch der Begriff einer fortschreitenden Entwickelung

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