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der Gesellschaft. Jede Kraft strebt sich kundzugeben innerhalb festbestimmter Grenzen, nach fest bestimmten Gesetzen, das

ist das Princip der Zweckmässigkeit, das, gleich dem Princip der Causalität, alle materiellen und socialen Erscheinungen umfasst. Es giebt keine Erscheinungen, weder auf materiellem noch socialem Gebiet, ohne Ursache. Es giebt keine Erscheinung, die nicht der Ausfluss von Kräften wäre, die zu irgend welchem Ziel hinstreben. Der ganze Unterschied liegt nur darin, in welcher gegenseitigen Beziehung, Correlation, diese beiden Principe bei einer und derselben Erscheinung zu einander stehen. Von diesem, wie auch von allen übrigen Gesichtspunkten aus, zeigt die Natur

nur gegenseitige Beziehungen, nirgends etwas Absolutes. Daher haben auch alle philosophischen Theorien, die ausschliesslich auf eins dieser Principe gegründet sind, als absolute Theorien. keine reale Basis. Eine derartige ist, ganz abgesehen von ihrem auf den ersten Blick äusserlichen Realismus, die Theorie der absoluten Causalität Spinoza's. Eine eben solche ist die Theorie einer das ganze Weltall umfassenden Harmonie von Leibnitz, der die Lehre von der absoluten Zweckmässigkeit aufstellte. Die Wirklichkeit bietet uns nur verschiedenartige Combinationen. der Principe der Causalität und Zweckmässigkeit.

In der anorganischen Natur herrscht das Gesetz der Causalität vor. Vermittelst Anstellung von Beobachtungen und Experimenten sind wir in den Erscheinungen der anorganischen Natur nur im Stande, Ursache und Wirkung mit einander zu verknüpfen; das Princip der Zweckmässigkeit zeigt sich in ihr, so weit der menschliche Verstand reicht, so schwach, dass wir die Kundgebungen anorganischer Kräfte für blind und unvernünftig halten. Je nachdem wir auf der endlosen Leiter der organischen Erscheinungen aufwärts steigen, um so mehr waltet das Princip der Zweckmässigkeit vor, vom Triebe nach Nahrung und Selbsterhaltung im Pflanzenreich bis zum Instinct der Thiere und dem vernünftig freien Willen des Menschen. Die ununterbrochene Verknüpfung aller organischen Wesen unter einander hat Darwin in seiner Lehre von der Entstehung der Arten gemäss Descendenz unwiderlegbar dargethan. Der Mensch erscheint in dieser Kette als Krone der Schöpfung, sein vernünftig-freier Wille als Kraft, in deren Offenbarung das Princip der Zweckmässigkeit das der Causalität in unermesslich höherem Grade, als bei allen übrigen organischen Wesen, überwiegt. Doch auch hier liegt der ganze

Unterschied nur in den gegenseitigen Beziehungen; das Wesen bleibt dasselbe.

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Wenn nun die menschliche Gesellschaft Gegenstand der positiven Wissenschaft sein soll, so giebt es dazu nur einen Ausgangspunkt: sie muss nothwendig in die Reihe der organischen Wesen aufgenommen, als Organismus betrachtet werden, der in seiner Entwickelung um eben so viel über dem menschlichen Organismus steht, als dieser alle übrigen Organismen in der Natur überragt. Nur unter dieser Bedingung kann die Socialwissenschaft eine eben so reelle Grundlage. wie die Naturwissenschaft erhalten; nur unter dieser Bedingung kann die menschliche Gesellschaft der inductiven Betrachtung als realer Organismus anheimfallen und als ein untrennbarer Theil der Natur aufgefasst werden; nur unter dieser Bedingung wird die Socialwissenschaft aus einer dogmatischen zur positiven.

Darwin fand den Faden auf, der die ganze organische Welt zu einem gemeinsamen Ganzen verbindet und sie als Fortsetzung der unorganischen erscheinen lässt. Ist der Mensch das letzte Glied dieser Kette? Reicht sie nicht noch weiter? Bilden die von einander verschiedenen gesellschaftlichen organischen Gruppen nicht eben solche reale Organismen, wie der Mensch selbst? Handeln und entwickeln sich diese socialen Organismen nicht nach denselben fundamentalen organischen Gesetzen, wie alle übrigen organischen Wesen in der Natur, nur mit dem Unterschiede, dass in den gesellschaftlichen Organismen das Princip der Zweckmässigkeit noch mehr das der Causalität überwiegt, als in jedem einzelnen Menschen? Steht nicht der Mensch mit seinen sowohl materiellen wie geistigen Bedürfnissen und Bestrebungen zum gesellschaftlichen Organismus in derselben Beziehung, wie jede einzelne organische Zelle im pflanzlichen und thierischen Organismus? Drückt sich in der socialen Thätigkeit, dem gesellschaftlichen Leben, dem öffentlichen Recht und allgemeinen Interesse nicht eben so das Princip der Zweckmässigkeit, jedoch immer in einem höhern Grade aus, als in der Thätigkeit und im Leben des Einzelnen, in dem persönlichen Recht und privatem Interesse eines jeden einzelnen Menschen? Bildet endlich nicht die gesammte Menschheit uns gegenüber ein organisches Wesen, das in sich alle einzelnen Gesellschaftsgruppen, die sich zu ihm, wie Theile zum Ganzen verhalten, vereinigt?

Alle diese Fragen fordern bestimmte Antworten, die sich aber nicht auf blosse Vergleiche oder Allegorien stützen, sondern auf positive Erforschung derjenigen Gesetze gründen müssen. nach denen die Kräfte in der Natur wie in der menschlichen Gesellschaft wirken.

IV.

Die menschliche Gesellschaft als reales Wesen.

In den vorhergegangenen Ausführungen sprachen wir von der Analogie zwischen der menschlichen Gesellschaft und der Natur, zwischen der Socialwissenschaft und der Naturkunde. Hätten wir diese Analogie nur als allegorische Parallele aufgefasst, hätten wir alle allgemein gebräuchlichen und zum Theil in der Wissenschaft eingebürgerten Ausdrücke, die auf den Zusammenhang und die Verwandtschaft zwischen den Erscheinungen in der Natur und in der Gesellschaft hinweisen, nur für rhetorische Figuren angesehen, so wären wir in die Fussstapfen aller ökonomischen und politischen Doctrinaire, aller socialen Metaphysiker getreten; dann hätten wir für unsere Untersuchungen denselben unfruchtbaren Boden beackert, auf dem im Laufe von Jahrhunderten so viele tüchtige Forscher im Gebiete der Naturwissenschaft ihre Kräfte vergeudeten; dann hätten wir auf denselben Boden uns gestellt, der bis heute im socialen Bereich so viele glänzende Talente, so viel geistige Mühe und geistiges Kapital verschlang und nur Zweifel und Widersprüche als Resultat ergab, der nur die Leidenschaften, Hass, politischen und socialen Fanatismus wach rief.

So nun aber ist unsere Frage die, auf welche Weise ist aus dem neblichten Bereich der Allegorien, Tropen und allgemeinen Begriffe herauszukommen auf den festen Weg des Realismus, auf den Weg, der allein zur Wahrheit im Reiche der Wirklichkeit, im Gebiete der Natur führen kann?

Dazu müssen wir Allem zuvor die Ueberzeugung gewinnen, dass rhetorische Figuren keine wirklichen Wesen sind, sondern

nur Früchte unserer Fantasie, von uns selbst zum eigenen Ergötzen geschaffene Idole, wie Bacon sie mit vollem Recht nennt. Gesellschaftlicher Organismus, sociale Kräfte, politische Entwickelung und eine nicht geringe Zahl anderer Ausdrücke bezeichnen, nur im figurlichen Sinne aufgefasst, nichts Wirkliches, Reelles. Sollen sie daher diese Bedeutung erlangen, so müssen sie im richtigen realen Sinne genommen werden. Man muss die Ueberzeugung gewinnen, dass diese oder jene Gesellschaftsgruppe, dieser oder jener Staat wirkliche, lebendige Organismen, gleich allen übrigen Organismen in der Natur, sind, die sich im Raum und in der Zeit nicht nur ideell, sondern reell entwickeln und wahrnehmen lassen. Dann werden die auf die menschliche Gesellschaft sich beziehenden allgemeinen Begriffe und Ausdrücke nicht mehr eine rhetorische Bedeutung haben, sondern Verallgemeinerungen wirklich existirender Thatsachen, Eigenschaften, Kräfte und Erscheinungen darstellen, wie alle auf Naturerscheinungen Bezug habenden Verallgemeinerungen.

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Sind doch auch im Bereiche der Natur Stillstand und Bewegung, Form und Gattung, Farbe, Ton etc. nur allgemeine Begriffe, die als solche nirgends vorkommen, sondern es existirt nur dieser oder jener organische oder unorganische Körper mit diesen oder anderen bestimmten Eigenschaften. Eben so wenig baben auch allgemeine die menschliche Gesellschaft betreffende Begriffe, wie: gesellschaftlicher Organismus, sociale Entwickelung a. dergl. m. greifbare, sinnliche Wirklichkeit. Wirkliches Dasein hat nur diese oder jene sociale Gruppe, dieser oder jener Staat, diese oder jene gesellschaftliche Erscheinung. Der Verallgemeinerungen bedarf aber der menschliche Geist zur Erleichterung der geistigen Arbeit; er bedarf ihrer, um äussere Eindrücke und Vorstellungen im Geiste zusammenzufassen, im Gedächtniss zu bewahren, indem er gleichartige und verwandte Eindrücke zu einer gemeinsamen Vorstellung verschmilzt. Sind Verallgemeinerungen nur das gemeinsame geistig nothwendige Facit einer ansehnlichen Zahl wirklicher Erscheinungen, dann erleichtern sie, indem sie der Wirklichkeit entsprechen, das Verständniss derselben und können als Stützpunkte und leitende Fäden beim Studium einzelner Erscheinungen dienen. Solche allgemeine Begriffe sind ebensowohl im ganzen Bereiche der Sprache als solcher, wie auch in den Zahlen, in geometrischen Figuren, für verschiedene Eigenschaften und Eigenthümlichkeiten der Natur

körper ausgedrückt. Allen bekannt und verständlich ist die hohe praktische Bedeutung der Mathematik, obgleich alle arithmetischen, algebraischen und geometrischen Schlüsse formell nur auf Verallgemeinerung der Zahl und der räumlichen Ausdehnung beruhen. Solche Bedeutung haben auch allgemeine Begriffe, die verschiedenartige Kundgebungen des gesellschaftlichen Lebens bezeichnen, wenn sie nur die Resultate der Vereinigung einzelner in der Wirklichkeit existirender gesellschaftlicher Erscheinungen zu einem Ganzen in unserm Geiste sind, wenn sie nur das allgemeine Facit einzelner reell hervortretender Kräfte in dieser oder jener socialen Gruppe, in diesem oder jenem politischen Körper darstellen.

Eine ganz andere Bedeutung aber erhalten für uns allgemeine Begriffe gesellschaftlicher Erscheinungen, wenn, wie es bis jetzt der Fall war, sie nur eine Verallgemeinerung rhetorischer oder allegorischer Figuren, die factisch gar nicht existiren, ausdrücken. Vernunftschlüsse auf diesem Boden müsste man folgerecht metapolitische benennen, wie man geistige Anschauungen, die sich auf nichts Reales in der Natur stützen, metaphysische nennt. In gewisser Beziehung könnte man sogar die Metapolitik als Doppelmetaphysik bezeichnen. Die Metaphysik sagt sich von der Wirklichkeit, um sich so auszudrücken, nur im ersten Grade los, während die Metapolitik sich mit Verallgemeinerungen beschäftigt, die sich auf Allegorien gründen, also auf einen Boden, der schon bereits einmal der Wirklichkeit entfremdet worden ist.

In einer Schule erklärte der Lehrer seinen Schülern, dass in Bezug auf den Grad der Unverständlichkeit es zwei Arten von Gallimathias gebe: einen einfachen und einen doppelten. Der erste sei derjenige, wenn der Lehrer die Schüler nicht verstehe, der doppelte, wenn nicht nur der Lehrer, sondern der Schüler selbst nicht verstehe, was er sage. Eben so könnte man den socialen Doctrinairismus, der sich auf allgemeine, keine realen, sondern nur ideelle Erscheinungen ausdrückende Begriffe stützt, einen doppelten Doctrinairismus nennen. Allgemeine der Wirklichkeit entsprechende Begriffe sind Wechseln gleich, die der menschliche Geist zur eigenen Bequemlichkeit und Erleichterung auf factisch in Raum und Zeit existirende Erscheinungen als Repräsentanten des reellen Werthes des Wechsels ausstellt. Allgemeine auf rhetorische Figuren basirte Begriffe sind Papiergeld, das keinen wirklichen Werth besitzt. Erstere können zu

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