Billeder på siden
PDF
ePub

das höchste Produkt des organischen Lebens, besteht aus einer Association von Zellen, die sich in beständiger Wechselwirkung und beständiger Spannung, in einem Zustande latenter oder offenbarer Vibration befinden, und so ist die menschliche Gesellshaft gleichfalls eine Association von Nervenzellen, nur sind lettere, da sie vollständige Individuen sind, vielseitiger ausgebildet und höher entwickelt. Die Wechselwirkung und die gegenseitige Spannung dieser Zellenindividuen sind nach denselben Gesetzen, ganz wie die Wechselwirkung und Spannung weniger ausgebildeter Zellen, in jedem einzelnen Organismus bedingt, und der ganze Unterschied besteht wieder nur in den verschiedenen Proportionen, in den Relationen, in dem höheren Grade der Zweckmässigkeit, der Geistigkeit, der Freiheit. Aber diese die Entwickelung der menschlichen Gesellschaft bedingenden Verhältnisse und Beziehungen, wie ungleichartig sie auch im Vergleich zu denen erscheinen, von welchen die Associationen der Zelten in der Pflanze und dem Thiere abhängen, bleiben nichts desto weniger reale Beziehungen, ganz eben so, wie auch die Attractionskraft der Himmelskörper, trotz der Unermesslichkeit des sie trennenden Raumes, eben so real ist, wie die Attraction und Cohäsion in jedem einzelnen Körper.

Wir wiederholen: die menschliche Gesellschaft repräsentirt ein organisches System, gleichwie unser Sonnensystem und das Weltall ein mechanisches System repräsentirt, und daher müssen die in der Gesellschaft unter dem Einfluss der physischen oder geistigen Kräfte, der physischen oder geistigen Spannung derselben vor sich gehenden Bewegungen, Thätigkeiten, Ereignisse eben so nach organischen Gesetzen erfolgen, wie die Bewegung der Körper in den Räumen des Himmels mechanischen Gesetzen folgt. Und wie endlich jeder einzelne Körper im Kleinen ein eben solches mechanisches System bildet, wie unser Sonnensystem und das Weltall im Grossen ist, so stellt auch jeder Organismus der Natur im Kleinen dasselbe dar, was die menschliche Gesellschaft im Grossen. Und da endlich bei folgerechter Analyse alles organische Leben in seiner einfachsten ursprünglichen Gestalt auf mechanische Bewegung zurückgeführt werden kann, so ist auch das sociale Leben, als höchster Ausdruck organischen Lebens, auf dem Wege der Analyse auf denselben Ursprung zu basiren.

XIV.

Einwendungen.

Der erste Einwand gegen die von uns dargelegte Analogie zwischen der menschlichen Gesellschaft und den übrigen Naturkörpern dürfte voraussichtlich darin bestehen, dass die Naturkörper sich in bestimmten wahrnehmbaren Formen darstellen, während die menschliche Gesellschaft aus einer Vereinigung von Einheiten bestehe, die keineswegs sich in bestimmten Grenzen bewegen und gegenseitig auf einander wirken, die nirgends im Raum irgend welche bestimmte Gestaltungen oder Formen bilden, oder irgend welche reale Gesammtindividualität darstellen.

Dagegen ist aber zuvörderst zu bemerken, dass der Begriff der Individualität, wie überhaupt alle Begriffe der materiellen Welt, relativ sind. In der Natur giebt es keinen bedingungslos in sich selbst concentrirten, von seiner Umgebung völlig abgegrenzten Körper; in der Natur kommen vielmehr nur Körper vor, die mehr oder weniger die Wirkung von Kräften in sich concentriren, und nur mehr oder weniger bestimmt sich von ihrer Umgebung abgrenzen.

Diese relativ grössere oder geringere Abgrenzung und Concentrirung bedingt mit grösserer oder geringerer Genauigkeit und Bestimmtheit die Besonderheit oder Individualität eines jeden Körpers. Es giebt organische und unorganische Körper, deren Individualität sich je nach ihren Eigenschaften oder den Verhältnissen, in denen sie sich befinden, mit grösserer oder geringerer Deutlichkeit offenbart. So z. B. hat ein Stück Eis eine bestimmtere Form, als das Wasser, und letzteres wieder eine bestimmtere, als Wasserdämpfe, die in Folge des Strebens der einzelnen Theilchen nach Ausdehnung eher als Negation aller Form erscheinen. Dieselbe Eigenschaft zeigt unsere Atmosphäre, von der jedes Theilchen in Beziehung auf alle übrigen jede beliebige Lage annehmen, sich in Folge verschiedener äusserer Einflüsse mit ihnen vereinigen oder von ihnen trennen kann, und dennoch sprechen wir der Atmosphäre nicht die Eigenschaft der Materialität, der Realität ab.

Eben so wenig beraubt denn aber auch die Eigenschaft der menschlichen Gesellschaft, dass einzelne Individuen in Beziehung zu einander und zur ganzen Gesellschaft sich nicht im Zustande bestimmter mechanischer Unbeweglichkeit befinden, die Gesellschaft noch nicht der Eigenschaft der Realität. Eine grössere Selbstbeweglichkeit, ein höherer Grad von Selbstbestimmung der Zellen - Individuen, die zum Complex eines gesellschaftlichen Organismus gehören, ist im Vergleich zu den Parzellen, aus denen die übrigen Naturorganismen zusammengesetzt sind, nur ein Zeichen der höheren Entwickelung der Gesellschaft als Organismus, gleichwie die Selbstbeweglichkeit der Thiere ein Zeichen ihrer höheren organischen Entwickelung im Vergleich zur Unbeweglichkeit der Pflanzen und dem Mangel fast jeder Selbstbestimmung in der unorganischen Natur ist.

So wie in einem tropfbarflüssigen oder gasförmigen Körper jedes Theilchen, indem es sich mit allen übrigen in's Gleichgewicht setzt, eine beliebige Stelle einnehmen, sich von den übrigen Theilen trennen und wieder mit ihnen vereinigen kann, ohne die wesentlichen Eigenschaften des Körpers zu modificiren oder gar ihrer verlustig zu gehen, so kann auch in der menschlichen Gesellschaft ein mechanisches Deplaciren der Individuen ohne wesentliche Beeinflussung der organischen Entwickelung der Gesellschaft stattfinden. In Folge mannigfacher innerer oder äusserer Ursachen kann der gesellschaftliche Organismus sogar eine bedeutende Menge neuer Glieder in sich aufnehmen oder von sich entfernen, und doch fortfahren zu existiren und ich unter wenig verändertem Einflusse zu entwickeln. Eine derartige Absorption einer Substanz durch eine andere, einer Kraft durch eine andere, kommt auch innerhalb des Naturlebens vor, namentlich bei tropfbarflüssigen und gasförmigen Körpern, ja sogar in der organischen Welt. Die Organismen der Natur besitzen allerdings nicht eine solche Beweglichkeit ihrer Theile, wie die menschliche Gesellschaft, aber diese Beweglichkeit und Selbstthätigkeit in Verbindung mit grösserer Lebenseinheit spricht eben nur für den höheren Entwickelungsgrad des menschlichen Organismus. Nach Massgabe der Entvickelung der Gesellschaft muss denn also auch die Selbstthätigkeit der Theile stufenweise zunehmen, indem sie zugleich immer weiter eine unendliche Reihe von Differenzirungen und Integrirungen bildet.

Die rein mechanische Ortsveränderung der Theile im gesellschaftlichen Organismus, deren eben erwähnt worden, und die in einer relativen Veränderung des Ortes und des Raumes zwischen den einzelnen Gliedern der Gesellschaft besteht, darf jedoch nicht mit denjenigen Veränderungen, welche die eigentliche organische Entwickelung der Gesellschaft bedingen, verwechselt werden. Letztere ist nicht selten völlig unabhängig von dem Orte, die der Mensch im Raume einnimmt. Engländer und Deutsche, die sich nicht selten in anderen Theilen der Erde ansiedeln, sie hören deshalb nicht schon von selbt auf, Glieder ihres Heimathslandes zu bleiben. Der organische Zusammenhang zwischen ihnen und ihren Landsleuten kann fortbestehen, während andererseits eine organische Verknüpfung zwischen den in England und Deutschland lebenden Ausländern mit der deutschen und englischen Gesellschaft möglicherweise gar nicht vorhanden sein kann. Aber ziehen denn die in den Himmelsräumen in ungeheuren Abständen kreisenden Körper, trotz ihrer gegenseitigen stets wechselnden Stellung und Fortbewegung, nicht auch einander mechanisch an? Der Unterschied liegt nur darin, dass die Wechselwirkung in der menschlichen Gesellschaft sich als gegenseitige organische Spannung darthut, während in der unorganischen Natur dieses Streben zu einander ein vorwaltend mechanisches ist. Wenn in der organischen Natur einzelne Theile der Organismen in der Form von Samen, Keimen sich vom ganzen Organismus absondern, und auf weite Entfernungen, bisweilen sogar über die ganze Oberfläche der Erde fortgeführt werden, so behalten sie nichtsdestoweniger in sich eingeschlossen, die von den Eltern empfangene potentielle Spannung der Kräfte bei. Trotz der Trennung des Samens und Keimes wird im Grunde der Zusammenhang zwischen Eltern und Nachkommenschaft nicht aufgehoben. Organische Individualität ist überhaupt also ein relativer Begriff. Und in dieser Beziehung, wie in so vielen anderen, erscheint die menschliche Gesellschaft nur als relativ höherer Organismus, dessen Theile in der Gestalt einzelner Individuen eine verhältnissmässig höhere Selbstthätigkeit und Selbstbestimmung im Verein mit einer grösseren Einheit der Entwickelung besitzen, und sich daher vom Ganzen trennen und wieder mit ihm vereinigen können, ohne ihre Selbstständigkeit und ihre Bedeutung als organische Theile eines gemeinschaftlichen Ganzen einzubüssen.

Ein offenbar gewichtigerer Einwand gegen die Anerkennung der menschlichen Gesellschaft als reales Wesen könnte aber darin bestehen, dass der gesellschaftliche Organismus keinen solchen Körper bildet, der irgend einem unserer äusseren Sinne gänglich wäre. Doch auch dieser Einwand hat nur auf den ersten Blick scheinbare Bedeutung. Wir selbst gehören als Theil, als Molekül zum Complex des gesellschaftlichen Organismus, und so wie dieser oder jener Theil unseres Nervensystems uns nur Empfindungen, ohne sie vollständig erkennen zu lassen, überliefern kann, so können auch wir nur den Einfluss der Gesellschaft empfinden und unsererseits auf die übrigen Glieder der Gesellschaft zurückwirken, ohne die Bedeutung des ganzen Organismus stets klar zu erkennen.

Auf allen Seiten von der Atmosphäre umgeben, kam dessenungeachtet der Mensch erst sehr spät zur Erkenntniss, dass die ihn umgebende Luft ein Körper sei, mit dem er in beständiger Wechselwirkung steht. Auch zur gesammten Natur war das Verhalten des Menschen lange Zeit ein ähnliches unbewusstes oder halbbewusstes, wie es gegenwärtig nicht selten auch sein Verhalten zur Gesellschaft ist. Der Mensch unterschied ursprünglich noch nicht das Subject und dessen subjective Vorstellungen Tom Object in der Natur. Diese Unterscheidung ist erst das Resultat jahrhundert langer wissenschaftlicher und philosophischer Arbeit der historischen Menschheitsentwickelung. Der Geist des Menschen musste sich Allem zuvor erst ganz in sich selbst vertiefen und von der Aussenwelt lossagen lernen, um, sich von Neuem ihr zuwendend, den Unterschied zwischen der Subjectivität seiner Empfindungen und der Objectivität der NaturerscheiLangen zu begreifen.

Hinsichtlich der menschlichen Gesellschaft muss, um den Unterschied zwischen Subject und Object deutlich zu machen, dasselbe geschehen, nur ist die wissenschaftliche und philosophische Analyse hier viel schwieriger, die Trennung des Subjects Tom Object erfordert eine bedeutend complicirtere Arbeit. Im socialen Gebiet stösst das Object nicht schon, wie bei den meisten Naturerscheinungen, unseren Sinnen beständig auf, es amgiebt uns nicht beständig fühl- und greifbar, wie die körperliche Welt. Wir selbst müssen es aufsuchen, uns in dasselbe hineindenken, wo es unseren Sinnen unzugänglich ist. Die Schwierigkeit, für jede einzelne Persönlichkeit eine solche objective

« ForrigeFortsæt »