Billeder på siden
PDF
ePub

überschritten oder zerstört werden. In beiden Fällen jedoch muss eine jede in der Rechtsphäre sich äussernde Handlung sich auch in irgend einer Form ausprägen, sie muss sich jedes Mal in irgend etwas Materiellem verkörpern, eben so wie jede Arbeit, selbst eine rein geistige, in der ökonomischen Sphäre. Die in der Gestalt des Eigenthums sich verkörpernde Arbeit bestimmt die Grenzen der ökonomischen Freiheit. Ganz eben so bedingt auch jede in eine juridische Form gekleidete Handlung die Grenzen der rechtlichen Freiheit. Sitten, Gebräuche, Gewohnheiten dieses oder jenes Volkes, dieser oder jener socialen Gruppe repräsentiren nur noch nicht vollständig entwickelte juridische Formen, gleich wie die Production von Gütern, der unmittelbar die Consumtion derselben folgt, bei noch nicht ausgebildeter Kapitalisation, das Eigenthum in seinem anfänglichen Zustande repräsentirt. Schriftstücke and andere Dokumente, die die Rechte irgend einer Person, Korporation, Institution oder des Staates ausdrücken oder darstellen, sind juridische Zeichen, gleichwie Wechsel, Kreditbillete, Papiergeld, Staatsobligationen ökonomische Werthzeichen darstellen.

Wie das Eigenthum eine Fortsetzung der physiologischen auf die sociale Sphäre übertragenen Abgrenzung der Natur darstellt, so drückt das Recht eine Fortsetzung der morphologischen auf die Gesellschaft übertragenen Abgrenzung der Natur aus. Die Einnahme von Seiten des Staates als Gesammtorganismus eines bestimmten Territoriums; die Feststellung des Grundbesitzes von Privatpersonen, Korporationen, Institutionen; die Vertheilung beweglichen Vermögens in allen seinen mannigfachen Formen unter den verschiedenen Gliedern der Gesellschaft; die Abgrenzung der Thätigkeit und des Wirkungskreises eines jeden Individuums und jeder socialen Gruppe - alles dieses findet in nur einfacheren Formen auch bei allen Organismen der Natur statt. Nur wird bei letzteren der Besitz oder die Benutzung verschiedener Naturkräfte, sowie die gegenseitigen Verhältnisse einzelner Individuen and ganzer Gattungen noch vom einfachen physischen Kampfe ums Dasein bedingt. - Wie der ganze Bau der Pflanze und des Thieres, so repräsentirt auch jede Gliederung der Gesellschaft nur eine Abgrenzung von Kräften und in beiden Fällen muss diese Abgrenzung in völlig realer Bedeutung angenommen werden.

Wie in der ökonomischen, so kann auch in der juridischen Sphäre jede Thätigkeit offenbar oder latent sein. Wenn die richterliche Macht einen Verbrecher, der einen Frevel begangen hat,

bestraft, so ist es ein offenbarer Ausdruck des juridischen Lebens der Gesellschaft; wenn aber Furcht vor Strafe allein schon den Menschen vom Begehen eines Verbrechens abhält, so ist das Gesetz in potentiellem Sinn wirksam, indem es den bösen Willen noch vor dem Momente seiner Kundgebung zurückhält. Aber selbst die Willensintention des Menschen unter dem Einfluss und dem Druck des Gesetzes, der Sitten, Gebräuche, der öffentlichen Meinung ist schon etwas Reales (eine juridische Handlung in potentieller Form), dass durch ein eben so Reales (die Wirkung des Gesetzes in potentiellem Sinn) beschränkt wird. So hat auch schon in einem jeden Organismus die blosse, die morphologische Gestaltung desselben bedingende Tendenz der Zellen eine völlig reale Bedeutung, denn eine jede Tendenz erscheint in ihrer Verwirklichung nur als Bewegung, die in eine in sich selbst concentrirte Vibration umgewandelt ist.

Juridisch zwecklose Handlungen gehören nicht zum Bestand der rechtlichen Freiheit, weil sie gleich ökonomisch zwecklosen Handlungen ausserhalb der Thätigkeit der Gesellschaft liegen. Eben so haben auch biologisch einander nicht abgrenzende Bewegungen gar keine morphologische Bedeutung in der organischen Natur.

Die Aufstellung einer menschlichen Durchschnittsindividualität ist für den Theil der Socialwissenschaft, der die rechtliche Freiheit zum Gegenstande haben muss, so wie auch für die practische Anwendung allgemeiner juridischer Principien und Gesetze, eben so unumgänglich nöthig, wie die Feststellung einer durchschnittlichen productiven Leistungsfähigkeit des Menschen für die nämlichen Zwecke im ökonomischen Gebiet.

Gesetze dürfen nicht nach einem allgemeinen Massstab oder Schema abgefasst sein, denn ihre Wirkung ist verschieden, je nachdem das Volk, für welches sie bestimmt sind, über oder unter dem durchschnittlichen Niveau der juridischen Entwickelung steht. Ein jeder Gesetzgeber muss, wenn er ein Gesetz erlässt, dieses durchschnittliche Niveau und die Stellung, welche die betreffende Nation, Korporation, Institution oder der Staat zu demselben einnimmt, dabei in Betracht ziehen, sonst engt der Gesetzgeber, im Gegensatz zu den natürlichen Bedürfnissen und Bedingungen der Entwickelung der Gesellschaft, die persönliche oder gesellschaftliche Freiheit entweder unverhältnissmässig ein, oder gewährt ihr einen zu weiten Spielraum. Für noch wilde Volksstämme

sind offenbar andere Gesetze nöthig, als für eine auf hoher Entwickelungsstufe stehende Gesellschaft, und andererseits werden dieselben Gesetze eine sehr verschiedene Wirkung auf die Gesellschaft äussern, je nachdem diese mehr oder weniger in der Entwickelung vorgeschritten ist.

Gleichwie die ökonomische Seite der Gesellschaft bis jetzt nur vom Standpunkte des Eigenthums aus, und nicht in Bezug auf die ökonomische Freiheit, von der Wissenschaft betrachtet worden ist, so hat die juridische Seite der Gesellschaft bis jetzt nur als Rechtswissenschaft und nicht als Wissenschaft der rechtlichen Freiheit gegolten. Dieser für die Praxis und das Leben so wichtige Theil der juridischen Sociologie harrt noch eben so seiner Bearbeiter, wie der Theil der ökonomischen Sociologie, der die ökonomische Freiheit zum Gegenstande haben soll.

In der politischen Sphäre haben Freiheit und Macht dieselbe Bedeutung, wie in der ökonomischen die ökonomische Freiheit und das Eigenthum, und in der juridischen die juridische Freiheit und das Recht. Wie das ökonomische und juridische Princip von Anfang bis zu Ende jeden gesellschaftlichen Orgaismus in allen seinen, selbst den kleinsten Theilen, durchdringen, so bedingt auch das politische Princip die Thätigkeit nicht nur der höchsten Sphären der Gesellschaft allein, sondern manifestirt sich auch bei jeder Wechselwirkung socialer Kräfte. Eine jede Familie, eine jede Korporation, eine jede sociale Gruppe repräsentiren einen Staat im Kleinen, gleich wie auch alle diese socialen Gruppen wirthschaftliche und juridische Einheiten darstellen. So sind auch in jedem Theil, in jeder Zelle eines Organismus der Natur alle Seiten der organischen Entwickelung, die physiologische, morphologische und individuelle vereinigt. So vereinigen auch in der unorganischen Natur jeder Körper und jedes Theilchen eines Körpers gleichzeitig in sich die Fähigkeit, chemisch und mechanisch auf einander zu wirken, in bestimmten Formen sich gegenseitig abzuprägen und zu einem Mittelpunkt gemeinschaftlich hinzustreben.

Bis auf unsere Zeit bildeten fast ausschliesslich den Gegenstand der politischen Wissenschaften entweder allgemeine politische Begriffe oder in bestimmten Staatsformen ausgeprägte politische Machtverhältnisse, so wie Gegenstand der Jurisprudenz vorwaltend Rechtsbegriffe oder bestehende Rechtsformen und Rechtsverhältnisse, und Gegenstand der politischen Oeko

nomie allgemeine ökonomische Theorieen oder bestehende Eigenthumsverhältnisse waren. So wie fast alle Deductionen der politischen Oekonomie auf die Werthe, die der Jurisprudenz auf das Recht gegründet wurden, so wandten die politischen Wissenschaften vorzugsweise ihre Untersuchungen den Kundgebungen der Macht, und zwar grossentheils einer nur äusserlichen Seite derselben, ihrer Kundgebung in den höheren socialen Sphären, d. i. den verschiedenen Regierungsformen, dem Staatsrecht

u. s. w. zu.

Macht repräsentirt die concentrirte politische Freiheit, ganz in derselben Weise, wie Recht die Abgrenzung der juridischen Freiheit, und Eigenthum die aufgesammelte ökonomische Arbeit bedeutet. Da Eigenthum, Recht und Macht demnach mehr unveränderliche, wahrnehmbare und leichter fassliche Grössen darstellen, so wurden sie deshalb auch früher Gegenstand der Wissenschaft. Die Freiheit dagegen repräsentirt in allen ihren Kundgebungen ein weniger concentrirtes, beweglicheres, leichter veränderliches, schwerer fassbares Princip. Es ist folglich nicht zu verwundern, wenn die Freiheit noch bis jetzt nicht Object der Sociologie geworden ist. Da die Freiheit ihrem Wesen nach Bewegung ist, so ist zu ihrer Feststellung Allem zuvor erforderlich, einen relativ festen, conventionell unbeweglichen Punkt, ein relativ und conventionell richtiges Mass für dieselbe ausfindig zu machen. Nur unter dieser Bedingung ist es möglich, die Freiheit zum Gegenstande der Wissenschaft zu machen, wie ohne einen Massstab und Stützpunkt im Raume Mechanik und Astronomie undenkbar sind. Und wie die Wissenschaft für das ökonomische Gebiet die Bestimmung einer durchschnittlich ökonomischen, für das juridische einer mittleren rechtlichen Leistungsfähigkeit bedarf, so bedarf sie auch, um die politische Freiheit des Menschen in das Gebiet der Staatswissenschaften zu ziehen, der annähernden Festsetzung einer durchschnittlich politischen Leistungsfähigkeit des Menschen.

Man wird zwar auch hier den Einwand machen, der Mensch sei eine so complicirte Maschine, die Quelle so verschiedenartiger Kräfte, dass es unmöglich sei, alle Thätigkeitsäusserungen des Menschen dem Staate gegenüber unter einen Nenner zu bringen, für alle einen gemeinschaftlichen Massstab aufzustellen. Wir sind völlig damit einverstanden, dass bei der gegenwärtigen Entwickelung der Natur- und socialen Wissenschaften diese

Aufgabe jedenfalls eine sehr schwierige ist; sie als unbedingt unmöglich anzusehen, erscheint aber schon deshalb allein unstatthaft, weil das heissen würde, der menschlichen Erkenntniss überhaupt, sogar in der Bestimmung der Beziehungen der Dinge zu einander, Grenzen setzen, wozu wir nicht berechtigt sind und Rogegen die Erfolge der Naturforschung in der letzten Zeit zeugen. Eins muss, unserer Meinung nach, unbedenklich zugegeben werden, das ist - die Unmöglichkeit, alle unter dem Begriff der Freiheit fallenden Erscheinungen anders in den Bereich der Sociologie mit aufzunehmen, als mit Aufsuchung eines Masses und Verhältnisses der Bewegung oder, was dasselbe ist, der Entwickelung des socialen, ökonomischen, juridischen and politischen Lebens.

Die politische Thätigkeit der Gesellschaft kann eben so, wie die rechtliche und ökonomische, die Bedeutung offenbarer Thätigkeit oder potentieller Tendenz haben. Die Staatsgewalt, jede Institution, jedes Organ der Gesellschaft, jede mit irgend einer Gewalt bekleidete Privatperson, sie können die Thätigkeit einzelner Glieder der Gesellschaft und ganzer socialer Gruppen sich unterordnen, indem sie entweder irgend welche positive Handlungen ausgehen lassen, oder einen Einfluss ausüben, der als latente potentielle Kraft wirkt. - Dasselbe geschieht dem Wesen nach gleichfalls in der organischen und unorganischen Natur. Das Gehirn beherrscht und eint alle organischen Verrichtungen des Thieres sogar dann, wenn es, scheinbar wenigstens, sich in vollkommener Ruhe befindet. Die Himmelskörper erhalten sich beständig gegenseitig im Gleichgewicht, wobei die an Masse überwiegenden auf eine für unsere Sinne nicht wahrnehmbare Weise auf die Richtung und Schnelligkeit der Bewegung der anderen influiren, und zwar in einem um so höheren Grade, als sie diese an Masse überragen.

Politisch zwecklose Handlungen, im positiven oder negativen Sinne, liegen ausserhalb der politischen Sphäre, so wie ökonomisch und juridisch zwecklose Thätigkeiten ausserhalb der ökonomischen und juridischen Sphäre liegen, so wie auch biologische Thätigkeiten, die nicht durch die Einheit der Lebensverrichtungen bedingt sind, für den Organismus, als Individuum, keinerlei Bedeutung haben.

Auf solche Weise existirt zwischen der ökonomischen, juridischen und politischen Sphäre der Gesellschaft einerseits, und

Gedanken über die Socialwissenschaft der Zukunft. I.

8

« ForrigeFortsæt »