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Weil das Verhältnis des Menschen zur Gottheit auf einer niederen Stufe der Kultur sich dem Verhältnis von Mensch zu Mensch anpaßt, lag es nahe, sich auch mit der Gottheit nach rein menschlicher Art durch einen Bund zu einen, durch den Blutbund. Nach O. Holtzmanns1 Untersuchungen wurde bei der Einsetzung des heiligen Abendmahles der Becher Wein nicht getrunken, sondern Christus goß ihn am Schluß des Mahles einfach aus 2. Dabei wird der Wein als Blut des neuen Bundes aufgefaßt; als Moses den alten Bund zwischen Gott und dem Volk Israel stiftete, besprengte er das Volk mit wirklichem Opferblut: also auch hier eine Ablösung des Blutes durch Wein. Wie sehr man aber dauernd bestrebt war, in der Auffassung des heiligen Abendmahls immer wieder den Blutbund als das wesentliche zu betonen, zeigt die Transsubstantionslehre. Am ausgeprägtesten faßte schon im 4. Jhd. Kyrillos von Jerusalem die christlichen Sakramente als einen reinen Blutbund mit der Gottheit auf, wenn er sagt: "Iva γένῃ μεταλαβών σώματος καὶ αἵματος Χριστοῦ σύσσωμος καὶ σύναιμος αὐτοῦ. οὕτω γὰρ καὶ Χριστοφόροι γινόμεθα, τοῦ σώ ματος αὐτοῦ καὶ τοῦ αἵματος εἰς τὰ ἡμέτερα ἀναδιδομένου μέλη. Eine Blutverbrüderung mit übermenschlichen Wesen bedeuten schließlich die im Mittelalter so verbreiteten Teufelsbündnisse ".

§ 4. Der Gott des Weines

Eine beim ersten Anschein recht wichtige Frage ließen wir bisher außer acht: wer ist der Gott des Weines? Sie konnte deshalb solange beiseite gestellt werden, weil sie sich mit einem bestimmten Namen nicht beantworten läßt. Un

1 Das Abendmahl im Urchristentum, Ztschr. f. d. neut.Wiss. V (1904) 100 ff. 2 Die entscheidende Stelle ist Lukas 22, 20: Tò лotýqiov tò èxxvvóμɛvov. 3 Ex. 24, 8.

4 Abzulehnen ist die Hypothese von J. Lippert, Christentum, Volksglaube und Volksbrauch, Berlin 1882, 85, Christus habe den Jüngern in dem Kelch nicht Wein sondern Blut geboten.

Vierte mystagogische Katechese § 3; vgl. A. Dieterich, Eine Mithrasliturgie 107. Doch scheint hier mehr eigene Spekulation als Kenntnis wirklicher Blutbünde vorzuliegen.

6 Vgl. Lippert, Die Religionen der europäischen Kulturvölker 50 f.

richtig ist Baumeisters1 Meinung, wonach zusammen mit der Weinkultur Dionysos in Griechenland seinen Einzug hält. Denn mit dem Wein hat dieser Gott ursprünglich nichts gemeinsam 2, das beweist der Umstand, daß es zahlreiche griechische Stifter der Rebkultur neben. Dionysos gibt, das beweist die Natur des römischen Liber, der ursprünglich gerade so wenig allein für den Wein zu sorgen hat wie der griechische Gott, den man ihm später gleichsetzt; Ceres, Liber, Libera sind zunächst nur allgemein schöpferische Naturgottheiten *. Iuppiter 5, nicht Liber, verehrt man an den Festen, welche mit der Weinkultur in engstem Zusammenhange stehen. Wenn man daher die Frage, welchen Namen der Weingott bei Griechen und Italikern ursprünglich geführt hat, unbeantwortet lassen muß, mancherlei läßt doch sicher darauf schließen, daß die Alten sich einen Weingott oder Dämon vorstellten. Bei der Frage nach dem Wesen des Agathodämon zeigte sich, daß mit dyads daiuwv zuweilen ein Wesen gemeint ist, das seinen Sitz im Wein hat, wie der gute Dämon des pramnischen Weines bei Aristophanes:

Ελχ ̓ ἕλκε τὴν τοῦ δαίμονος τοῦ Πραμνίου.

ὦ δαῖμον ἀγαθέ, σὸν τὸ βούλευμ ̓, οὐκ ἐμόν.

Unter den zahlreichen Epitheta des Dionysos scheint Búzios von einem früh verschwundenen Sondergott Bazzos herzurühren, wenn man das aus der auffallenden Selbständigkeit des Namens Bányos schließen darf. Im euripideischen Kyklops wird diese Gottheit zweifellos im Wein wohnend gedacht; den Bários gab Odysseus dem Kyklopen zu trinken (V. 519 f.): Κύκλωψ, ἄκουσον, ὡς ἐγὼ τοῦ Βακχίου

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τούτου τρίβων εἴμ' ὃν πιεῖν ἔδωκά σοι.

1 Denkmäler I 431. Über die Verbreitung der Weinkultur s. o. S. 2 ff.

Vgl. A. Voigt bei Roscher I 1029; Kern bei Pauly-Wissowa V 1, 1013; E. Rohde aaO. II 4f.

3 S. o. S. 2f.; vgl. Viktor Hehn, Kulturpflanzen und Haustiere 66 ff.
4 Vgl. Wissowa aa0. 243f.
5 S. o. S. 9.

Ritter 107 f.; vgl. o. S. 26 f. Von hier aus fällt auch Licht auf die Beratungen beim Trunk (s. o. S. 77).

? Usener, Götternamen 112 ff., wo die griechischen Sondergötter behandelt werden, führt ihn allerdings nicht in deren Zahl auf.

Der Kyklop kann gar nicht verstehen, wieso in dem Schlauch ein Gott wohnt und fragt (V. 525):

Θεὸς δ ̓ ἐν ἀσκῷ πῶς γέγηθ ̓ οἴκους ἔχων;

Odysseus klärt ihn auf (V. 526):

Ὅπου τιθῇ τις, ἐνθάδ ̓ ἐστὶν εὐπετής.

Endlich droht Odysseus, Bakchios werde den Kyklopen mit Krankheit bestrafen, wenn er den Becher nicht bis zur Neige leere (V. 575):

Ἢν δ ̓ ἐκλίπῃς τι, ξηρανεῖ σ ̓ ὁ Βάκχιος.

Gemeint ist doch wohl, daß der Dämon Bázzios, den er durch das Trinken bereits in sich aufgenommen hat, ihn durch innere Hitze quälen wird, weil er einen Rest des göttlichen Stoffes verachtet hat. Ein "Azgarog findet sich im Gefolge des Dionysos; er ist nach Usener gleichfalls ein alter Sondergott gewesen 1.

Bedenkt man, wie sonderbar das Gehaben eines Trunkenen ist, das man mit dem Aufkommen der Weinkultur 2 zu beobachten Gelegenheit hatte, so versteht man, wie ein naives Volk zu dem Gedanken kam, in dem Wein einen Dämon hausend zu denken. Ist doch der Weinrausch in seinem Äußeren dem ekstatischen Rausch ähnlich, wie ihn die von einem Gott Ergriffenen kosten. Also waren auch die Trunkenen von einem Gotte besessen, der aber nicht nur schlimme Wirkungen besaß, sondern auch eine günstige, die ekstatische Befähigung zu dichterischem Schaffen. Dieser Gott mußte seinen Sitz im Wein gehabt haben, oder, da dieser aus dem Weinstock stammt, in der Rebe. Daß der Saft der Rebe ihr Blut ist, sahen wir oben, Blut aber ist Sitz der Seele ; des Timotheos7 alua Bazziov vom Traubensaft mag in alter Zeit mehr als eine

1 AaO. 255. Ein dem Wein innewohnender Dämon spielt bei den Azteken eine nicht unwichtige Rolle; im Trunkenen handelt der Geist des Weines, er bleibt also bei Vergehen straflos; daher kommt absichtliches Betrinken der Indianer vor (Frazer The golden bough, London 1900, I 359). 2 S. o. S. 2 ff. über die allmähliche Verbreitung der Weinkultur. 3 Über ExoTaois vgl. A. Dieterich, Eine Mithrasliturgie 97 ff.

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Metonymie gewesen sein. Auf dieser Stufe der Anschauung muß der Weinbund dann noch eine besondere Bedeutung gehabt haben: die Bundschließenden hatten beide einen Dämon in sich aufgenommen, der Zeuge ihres Bundes und imstande war, jede Verletzung des Vertrages zu rächen 1. Aus diesen Gedanken heraus wäre der Wein besonders geeignet gewesen, das Blut beim Schluß eines Bundes abzulösen.

1 S. oben S. 89 das Engaiver. Ähnliche Vorstellungen werden auch da obwalten, wo beim Bunde das Blut eines dritten Wesens genossen wird (s. oben S. 80; 84).

VIERTES KAPITEL

Versuch einer Erklärung für die Entstehung der Trinksitten

Ein recht enger Zusammenhang ergibt sich nach alledem für Wein und Blut. Die Anschauungen über das Wesen beider Substanzen gehen oft ineinander über 1, zu gleichen kultischen Zwecken werden sie nebeneinander 2 verwendet, oder gemischt bei derselben Zeremonie gebraucht; endlich tritt in sakraler Handlung Wein an die Stelle des Blutes, Wein erzeugt 5 Blut, umgekehrt auch das Blut den Wein. Brüderschaften werden mit Blut getrunken, mit einer Mischung aus Blut und Wein, mit Wein allein?.

Wenn nun so ein Teil der Trinksitten seine Beleuchtung von der Gleichung Blut und Wein erhält, so liegt es nahe, von hier aus auch eine Deutung des Brauches des noоívεLV zu versuchen. Mancherlei Züge weisen hier noch das Ursprüngliche auf: so der gemeinsame Becher. Ihn benutzt man vielleicht beim Verbrüderungstrank (φιλοτησίαν προπίνειν), sicher bei dem Hausgeist Agathodämon, in dessen Ehrung sich

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5 S. o. S. 74f. Der Wein verwandelt sich in andere Sitze des Lebens Pap. mag. Lond. CXXI (C. Wessely, Denkschr. Wien. Akad. XLII 4!) v. 710: Eù el olvos, ovx el olvos, áll' ý xegahǹ rīs Aỡnvās⋅ où el olvos oix el olvos ἀλλὰ τὰ σπλάγχνα τοῦ Ὀσίρειος.

S. o. S. 86.

7 S. o. S. 79 f.; 83 ff.; 66 f.

9 S. o. S. 66 A. 9.

8 S. o. S. 59 ff.

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